Volltext Seite (XML)
7912 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 168, 32. Juli 1908. eine Regelung, die sich bislang für alle Zweige des Handels als genügend erwiesen hat, unter dem Gesichtspunkt seiner speziellen Interessen als ungenügend zu bezeichnen. Mainz. Justizrat vr. Fuld. Zum Kamps gegen die Pornographie. Bei der großen Lauheit, die die meisten Regierungen dem Überhandnehmen der pornographischen Publikationen entgegenbringen, und bei dem Mangel an positiven, klaren Gesetzesvorschriften gegen die letzteren ist es mit Genug tuung zu begrüßen, daß sich die private Initiative des Kampfes gegen den Schmutz in Wort und Bild mit stets wachsendem Eifer annimmt. In fast allen zivilisierten Ländern haben sich zu diesem Zwecke Vereine gebildet, die meisten davon in Deutschland und Frankreich; doch ihre Aktion war bisher dadurch nur zu sehr abgeschwächt, daß sie in ihrer Vereinzelung nicht genug Eiüfluß auf die maß gebenden Behörden haben, daß außerdem Fabrikation und Verkauf der Schmutzliteratur an ganz verschiedenen Orten, auch in verschiedenen Ländern stattfindet, wodurch die ge richtliche Verfolgung unmöglich gemacht wird. Um diesen Übelständen abzuhelfen, hat sich nunmehr ein internatio naler Verband der antipornographischen Vereine gebildet, der ein einheitliches Aktionsprogramm ausgearbeitet hat. Die Gründung dieses Verbandes war das wichtigste Ergebnis des am 21. und 22. Mai in Paris abgehaltenen I. Internatio nalen Kongresses gegen die Pornographie, dessen Berichte und Verhandlungen soeben in einem Oktavband von 164 Seiten der Öffentlichkeit übergeben worden sind.*) Wir finden darin eine Fülle von interessanten Bei trägen zu der heute so brennend gewordenen Frage, so namentlich eine übersichtliche Darstellung der zurzeit be stehenden gesetzlichen Dispositionen, von denen die Referenten der verschiedenen Länder eine genaue Schilderung geben. Das Buch bringt als Einleitung zuerst eine kurze Vor geschichte und eine Darstellung des Verlaufes des Kongresses. Aus der darauf folgenden Liste derjenigen Vereine, die an dem Kongreß teilgenommen haben und deren Delegierte ebenfalls namhaft gemacht find, ersehen wir, daß Deutschland durch nicht weniger als 14 Vereine vertreten war: Allgemeine deutsche Sittlichkeitskonferenz; Berliner Stadtmisston; Internationale abolitionistische Föderation, deutscher Zweig (Frau Schirmacher); Cölner Männerverein zur Bekämpfung der Unsittlichkeit; Stuttgarter Verein zur Hebung der Sittlichkeit (Herr Ehr. Ahlmann); Verein zur Bekämpfung der Unsittlichkeit (Erfurt); Verein fürstlicher Frauen; Bonner Verein zur Bekämpfung der Unsittlichkeit; Deutsch-evangelischer Frauenbund (Fräulein Marie Rasch und Fräulein Adele von Verschner); Deutsch-evangelischer Verein zur Förderung der Sittlichkeit; Verband der Männervereine zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit (Herr Apotheker I. Block in Bonn); Aachener Männerverein zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit (Herr Justizrat Tucking); Verein zur Bekämpfung d. öffentl. Unsittlichkeit; Westdeutsche Vereinigung Langemberg-Rheinland (Herr Pastor Vom Endt). Frankreich selbst hatte 42 Vereine, bzw. Zweigvereine zum Kongreß entsandt, darunter vor allem die »Locists *) Oooxrss international oontrs la Uorno^rapdie. Paris, 21 st 22 Llai 1928. Kapports, Uissassiou, Vosux et Oseisions. (Ln vonts an 8iö^s äs la Looists oontrs la liosnos äss russ, Paris, 10 rns pasguisr.) Preis 2 Frcs. centrale äs protsstation oontrs la liosnos äss rassr und die »I-igns travyaiss pour Is rslsvsrnsnt äs la rnoralits publigns« mit ihren zahlreichen Sektionen. Es waren ferner vertreten: Holland mit 5 Vereinen, Ungarn (7>, Italien (8), Schweiz (5), Belgien (2), England, Dänemark, Norwegen mit je 1 Verein. Es folgen: ein alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Teilnehmer, der Aufruf zur Beschickung des Kongresses vom 20. Februar d. I., der die bestehenden Mißstände und die zu erstrebenden Ziele bekannt gibt und von I. PSrinet, dem Vorsitzenden des rUursau international Ususvois ä'inkormation oontrs la lüttsraturs innnoralo« und dem bekannten Vor kämpfer gegen die unsittliche Literatur Senator Bsrenger, Vorsitzenden der »8ooi6ts csntrals krsuyaiss äs krotvstation oontrs Is liosnos äss rnss«, unterzeichnet ist, ein Brief des letzteren an den Präsidenten des Kongresses, sowie Satzungen und Programm des letzteren. Der anschließende 1. Haupt teil des Buches enthält die Berichte der einzelnen Delegierten. Sie nehmen ohne Zweifel das Hauptinteresse in Anspruch. Am ausführlichsten sind die Berichte des deutschen und des englischen Delegierten (14, bzw. 11 Seiten), es folgen die jenigen über Belgien, Frankreich, Dänemark, Holland, Ungarn, Italien (2 Berichte) und Schweiz. Der deutsche Berichterstatter war Herr Jos. Pappers, Chefredakteur des »Volkswart« und 1. Schriftführer des »Verbands der Männervercine rc.«. Er zitiert in seinen Darlegungen Professor Panlsen, den Buchhändler Justus Pape, die Professoren Ewald und Posener (Berliner klinische Wochenschrift), Hamm, vr. Kcmmerer, Roeren und bedauert vor allem, daß die Gesetzgebung trotz der »Lex Heinze< den Richtern so wenig Handhaben biete, energisch gegen die ge rade in Deutschland in ungeahnter Weise sich vermehrende Schmutzliteratur aufzutreten. Im Jahre 1924 habe Pape ein Verzeichnis der damals bekannten anstößigen Werke in deutscher Sprache drucken lassen, das auf 19 Seiten mehrere hundert Titel enthielt; diese Zahl habe sich in den letzten vier Jahren auf Tausende vermehrt. In der wichtigsten aller Fragen, was denn eigentlich anstößig, bzw. obszön sei, lasse das Gericht sich leider so oft dadurch irreführen, daß es auf von der Verteidigung gestellte Anträge hin künstlerische Sach verständige zu Prozeßverhandlungen heranziehe, die infolge der ihnen eigenen freieren Lebensauffassung den Ausdruck der Volksmeinung durchaus nicht wiedergäben. Für diese letztere bliebe die Darstellung des Nackten bis zu gewissem Grade immer etwas Anstößiges. Sie habe einen um so verderb licheren Einfluß, je billiger und unkünstlerischer sie sei, wie namentlich auf Postkarten und in gewissen sogenannten Knnst- publikationen. Sodann wendet Pappers sich gegen die Hun derte von Büchern, die unter dem Deckmantel der Wissen schaftlichkeit oder der Volksaufklärung die normale und mehr noch die anormale Geschlechtstätigkeit in aller Breite dar legten und von der großen Mehrzahl der Käufer aus un gesunden Trieben gelesen würden. Was der Berichterstatter merkwürdigerweise jedoch gar nicht rügt, ist das Überhandnehmen der sogenannten »Privatdrucke«, die seit einigen Jahren in Deutschland und namentlich in Österreich grassieren und gegen die unsere Gesetze anscheinend machtlos sind. Es erübrigt sich, auf diese Kategorie näher einzugehen, jeder Sortimentsbuchhändler dürfte sie aus den ihm zugehenden Prospekten zur Genüge kennen, ihre Schädlichkeit ist an dieser Stelle übrigens auch schon treffend gekennzeichnet worden. Der Umstand, daß diese Art von Schmutzliteratur (es gibt selbstverständlich auch an ständige, sehr verdienstvolle Privatdrucke, denen ich beileibe nicht zunahetreten möchte), die natürlich nur des kulturhisto rischen Interesses wegen gedruckt bzw. neugedruckt werden — denn es handelt sich in der Mehrzahl um Übersetzungen älterer französischer italienischer und englischer Romane und Gedichte allerfreiester Art, bzw. um Repro-