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190. 17. August 1906. MchtMMchrr LrL 7789 daß sie sich photographieren und ihre Köpfe mit dem Raupen helm, d. h. den Kopf ihres photographischen Konterfeis, dessen Gesicht schön rot ausgemalt war, auf ein Soldatenbild kleben ließen. Derartige Soldatenbilder wurden von einer Berliner Firma für alle Regimenter in den Farben derselben geliefert. Wenn es gelungen sein wird, was ja jedenfalls in Kürze zu erhoffen ist, die Photographien in natürlichen Farben in jeder Größe und Auflage schnell und billig her zustellen, werden wir im Kunsthandel und im Zeitschriften- wesen eine große Revolution erleben. Vor einigen zwanzig Jahren hatte man gelegentlich Schwierigkeiten, eine bemalte Photographie zu beschaffen. So sollte in einer meiner früheren Stellungen einmal eine große Photographie des Schlachtenbildes eines bekannten Malers in Farben geliefert werden. Der Verlag hatte zufällig keine kolorierten Exemplare und verbot uns, als wir ihn wiederholt drängten, Exemplare kolorieren zu lassen. Angenommen, aber nicht zugegeben, daß das Verbot des Kolorierens durch uns sein Recht gewesen sein mag, so war es doch unsre Pflicht, den Auftrag unsres Kunden auszuführen, der wirklich nicht begriffen hätte, wenn wir uns einfach mit der Nichtlieferung oder Weigerung des Verlegers zufriedengegeben und unsre Leistungsunfähigkeit damit entschuldigt hätten. Leider haben viele Lieferanten kein rechtes Verständnis für die Schwierigkeiten, mit denen der Kunstsortimenter manchmal zu kämpfen hat. Durch Zufall lernte ich vor einigen zwanzig Jahren den Onkel eines Kollegen kennen; dieser Onkel war längere Zeit in Amerika gewesen, hatte dort alle möglichen Berufe ausgeübt, sich aber schließlich ein ganz nettes Vermögen verdient. Nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete er mit seinem Kapital und ging schließlich unter die Kunstverleger. Zu einem noch unter dem alten Regime gefeierten Jubiläum ließ er, der weder Buchhändler noch Kunsthändler war, ein Tableau mit Porträts in verschiedenen Formaten Herstellen und machte damit ein sehr lohnendes Geschäft. An dem ganzen Unternehmen war nichts neu, nicht einmal die Ver triebsmethode, aber es wurde echt amerikanisch großzügig durchgeführt. Als dieser Kunstverleger den in Deutschland erfolgreichen Versuch kurz darauf bei einem englischen Jubiläum in London wiederholte, hatte er nur einen äußerst mäßigen Erfolg. Es führen also verschiedene Wege zum Kunsthandel, wenn sich auch heute dem Betrieb desselben, vom Kapital ganz abgesehen, verschiedene Schwierigkeiten entgegenstellen Ich möchte hier nur eine nennen: Es fehlt an einer Biblio graphie. Wenn sich ein Sortimenter nicht einen Zettel katalog nach dem Neuigkeitenverzeichnis des Börsenblattes an legt, ist er Übel dran, zumal auch dieses Verzeichnis nicht vollständig ist. Er kann nicht wie bei einem Buch die Hinrichsschen Verzeichnisse hernehmen und darin finden, was er sucht. Aber diesem Mangel wird für die Zukunft hoffent lich demnächst in bester Weise abgeholfen werden. Ander seits gestattet der Kunsthandel eine fast schrankenlose Aus dehnung. Besonders an Orten mit großem Fremdenverkehr kann man in einzelnen Handlungen außer den eigentlichen Artikeln des Kunsthandels, wie Gemälden, Handzeichnungen, Bildern aller möglichen Reproduktionstechniken, Bilderrahmen, Vorlagen, Farben, Zeichen- und Malgeräten, photographischen Apparaten usw., noch allerlei Gegenstände antreffen, die mit dem regulären Kunsthandel erst in zweiter Linie oder gar nichts zu tun haben. Ich nenne nur feine Papier- und Schreibwaren, Lederwaren, Fächer, Damen- und Herren schmuck, Uhren, alte Münzen, Dekorationsgegenstände, Porzellan- und Glaswaren, Beleuchtungskörper, Teppiche, Möbel, Stahlwaren, Parfümerien, Fremdenartikel, chinesische Gongs usw., die freilich den Kunsthandel oft ganz in den Hintergrund treten lassen. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 78. Jahrgang. Kleine Mitteilungen. Besuch französischer Arzte im Deutschen Buch händlerhause. — Die Vereinigung französischer Ärzte, an deren Spitze Herr Etienne Bazot-Paris steht und deren Zweck die wissen schaftliche Fortbildung und Information an Universitäten und Instituten des Auslands ist, berührte auf ihrer Reise durch Deutschland, nachdem sie den medizinisch - wissenschaftlichen In stituten und Krankenhäusern der Städte Aachen, Bonn, Wies baden, Frankfurt a. M. und Marburg Besuche abgestattet hatte, am 1b. August für einen Tag auch Leipzig, um hier die medizinisch wissenschaftlichen Einrichtungen und die Universität zu besichtigen. Bei dieser Gelegenheit statteten etwa 30 der Herren und einige Damen unter Führung des Herrn Or. Steiner-Leipzig nachmittags auch dem Deutschen Buchgewerbehause und dem Deutschen Buch händlerhause einen kurzen Besuch ab. Im stattlichen Heim des Börsenvereins nahmen sie den Prachtsaal und das neu aus gestattete Ausschußzimmer in Augenschein und ließen sich Er läuterungen über den Börsenverein und die Bestimmung des Ge bäudes geben. Einführung neuer Lehrbücher für höhere Lehr anstalten. — Aus einer im August-Heft des »Zentralblattes für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen- abgedruckten Ver fügung des Königlichen Provinzial-Schulkollegiums zu Cassel (vom 28. Mai d. I.) an die Direktoren der höheren Schulen sei hier folgendes mitgeteilt: »Im übrigen bemerken wir, daß wir künftighin, um mancherlei Unzuträglichkeiten vorzubeugen, solche neuen Unterrichtswerke, die eine ganze Reihe von Bänden umfassen und sich auf verschiedene Klassenstufen verteilen — z. B. Geschichts- und deutsche Lesebücher — in der Regel erst dann dem Herrn Unterrichtsminister zur Ein führung empfehlen werden, wenn sie völlig abgeschlossen vorliegcn und dadurch eine das ganze Werk in Betracht ziehende Beurtei lung zulassen. Anträge, die dieser Bedingung nicht entsprechen, wollen die Herren Direktoren fortan nicht mehr bei uns stellen.- Deutscher Zolltarif. — Das -Nachrichtenblatt für die Zollstellen- enthält in seiner neuesten. Nummer (9) folgende Auskunft über Plakate, die nach Tarifnummer 670 einen Zollsatz von 30 für einen Doppelzentner unterliegen. Unter Plakate sind zu verstehen: Durch Druckverfahren hergestellte mehrfarbige Ankündigungs tafeln aus Papier, die am obern und untern Rande mit schmalen Eisenblechstreisen eingefaßt sind. Der obere Blechstreifen dient zum Aufhängen, der untere zur Verhinderung des Aufrollens der Ankündigungstafeln. (W. V. Stichwort -Ankündigungstafeln- Ziffer 1ä und Stichwort -Papier- und Pappwaren- Ziffer 8 a 1.) Herstellungsland: Vereinigte Staaten von Amerika. (Berlin, S. 6. 06.j Volksbildungsbestrebungen. — Die Volkskunst und ihre praktische Ausgestaltung bilden den Hauptgegenstand der Verhand lungen auf der diesjährigen Generalversammlung der deutschen Bildungsoereine vom 29. September bis 1. Oktober in Nürnberg. Im Zusammenhang damit stehen die Vorträge über Kunstabende und ihre praktische Ausgestaltung von vr. Alfred Koeppen-Berlin, über Kunst und Volkserziehung von Universitätsprofessor Or. Sieger- München, über das freie Bildungswesen und die Frau des Volks von Frau Helene Förster-Nürnberg, über das freiwillige Bildungswesen in Süddeutschland von Hauptprediger Gr. Geyer-Nürnberg und über das freiwillige Bildungswesen in Norddeutschland von Or. Viktor Pohlmeyer-Berlin. Ibsens Briefe. — Die von Georg Brandes besorgte Herausgabe der Briefe, die Henrik Ibsen an eine junge Wienerin gerichtet hat, mit der er den Sommer 1889 in Gossensaß ver brachte, wird in nordischen und deutschen Blättern vielfach ab fällig besprochen, wie wir in Nr. 188 bereits mitteilten. Das »Takt- und Schicklichkeitsgefühl- wird für verletzt erachtet, Ibsens Familie müsse sich tief gekränkt fühlen, Brandes solle zur Rechen schaft gezogen werden rc. re. Zu dieser Polemik schreibt Hans Ltebstoeckl im Wiener Extrablatt: -Was wir lesen, ist die Geschichte eines Traumes, eines Traumes, den einer der größten und mächtigsten Dichter aller Zeiten geträumt hat. Und dieser Traum 1024