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^ 42, 20. Februar 1906. Nichtamtlicher Teil. 1911 Ehegattin des gedachten Palm hiervon Nachricht zu ertheilen und ihr selbst zu überlassen, was sie zur Befreiung ihres Mannes zu thun für dienlich halten wolle.<- Aber nicht bloß Palms Gattin und seine Mitbürger taten für ihn, was nach Lage der Verhältnisse möglich war, — auch seine Freunde in München setzten ihre Bemühungen fort, seine Freilassung zu erwirken, und wußten sogar ihr Anliegen beim König Max I. Joseph anzubringen. Dieser menschenfreundliche Fürst beauftragte denn auch den Grafen Thürheim in Ansbach, beim dortigen Höchstkommandierenden Bernadotte zugunsten Palms geeignete Schritte zu tun, ob wohl diese Fürsorge für einen noch immer reichsstädtischen Bürger außerhalb seiner Regentenpflicht gelegen war und ihm — sozusagen — zu einer Einmischung in diese nicht- bayerische Angelegenheit nach dem diplomatischen Brauch jedes Anrecht fehlte. Dies geht deutlich aus dem bezüglichen Handschreiben des Königs vom 25. August 1806 hervor (niedergelegt im Kgl. Kreisarchiv Nürnberg — XXlII 11/1 Nr. 241 und bisher ebenfalls noch nicht veröffentlicht): -König Max Joseph an k. Generalkommissär Graf von Thürheim. Es ist Uns angezeigt worden, daß die Franzosen den Buch händler Palm in Nürnberg aus der Ursache arretirt haben, weil er die bekannte Pie-e Deutschland in seiner tiefen Er niedrigung verkauft hat. Da Wir noch nicht im Civilbesitz von Nürnberg sind, so können Wir auf Ansuchen seiner Freunde nicht mehr thun als euch auftragen, euch bei dem Marechal Bernadote Prinz von Ponte Corvo, so weit ihr es tunlich findet, nachdrücklich für ihn zu verwenden. München am 2b. Aug. 1806. Dieses königliche Handschreiben konnte indes — von allem andern abgesehen — schon aus dem Grund keinen Erfolg mehr haben, weil Palm bereits drei Tage vor der Absendung desselben an Bernadotte — am 22. August — in Braunau eingeliefert worden war und weil das dortige Kriegsgericht genau in dem von Napoleon vorausbestimmten Sinn und mit der von ihm befohlenen unheimlichen Rasch heit schon blutige Arbeit getan hatte, noch ehe das Schreiben — selbst mit der schnellsten Eilpost — an seine Adresse ge langen konnte. Rackl berichtet dann über das Los des verhafteten Jenisch in Augsburg, über den Fall Schoderer und seine Genossen, über die Verhandlungen des Kriegsgerichts in Braunau, über die Verurteilung und Palms letzte Stunden, seine Erschießung und über das Schicksal der übrigen An geklagten. Das Urteil wurde dem Befehle Napoleons zufolge in französischer und deutscher Sprache bekannt gemacht und in den Rheinbundstaaten öffentlich an die Rathäuser, ja in Dörfern sogar an die Kirchtüren angeschlagen. Auch in Palms Vaterstadt Nürnberg und deren Umgebung mußte das geschehen. Dies sagt uns nachstehender, in trocknem Kanzleistil abgefaßte Ratsverlaß vom 12. September 1806; In Gemäßheit des von dem kais. franz. Herrn General Werls unterm 11. h. M. an Einen hochlöbl. Rat erlassenen Schreibens sind die demselben beigelegten von der Militär kommission zu Braunau geschöpften Urtel über einige Buch händler wegen Verlegung und Verbreitung einiger Schmäh schriften, dem gemachten Antrag gemäß, an den gewöhnlichen Orten zu affigieren und den hiesigen Buchhändlern mitzuteilen; die Herren Consiliarii bei der L. Centraldeputation aber zu ersuchen, einen Jntroitum und Schluß über die Veranlassung und Vollziehung dieser Asfixion, sowie der Herr Consulent Roth ein Schreiben an den Herrn General Werls zu verfassen und in selbigem zu bemerken, daß, da 13 Buchhandlungen hier sind, die überschickten 12 Exemplare zur Erreichung der ver langten Absicht nicht hinreichend seien, somit zumal wann solche sowohl in der Stadt affigiert als auch auf das Land verteilt werden sollen, noch mehrere Exemplare erforderlich wären.^ Der Fränkische Kreiscorrespondent von und für Deutsch land brachte in Nr. 258 am 15. September folgende Notiz: Augsburg, den 12. Sept. An mehreren öffentlichen Plätzen unserer Stadt ist in deutscher und französischer Sprache das Urtheil angeschlagen, welches die franz. Militairkommission über Joh. Philipp Palm, Buchhändler zu Nürnberg, Joseph Schoderer, Handelsmann in Donauwörth, Joseph Friedrich Jenisch, Kommis der Stageschen Buchhandlung in Augsburg, Merkel, Gastwirth in Neckarsulm, Kupfer, Buchhändler in Wien, und Eurich, Buch händler in Linz, am 25. v. M. erließ. — In Neustadt v. W. weigerte sich der Landrichter Karl Franz von Lichtenstern, das Urteil öffentlich bekannt zu geben.*) Es ist bezeichnend für die Preßverhältnisse jener Zeit, daß der »Nürnberger Friedens- und Kriegs-Courier« von dem Schicksal des Nürnberger Bürgers Palm nicht die geringste Notiz genommen hat. Das zweite Blatt, der »Fränkische Kreiscorrespondent von und für Deutschland«, brachte 14 Tage nach der Erschießung Palms in Nr. 251 vom 8. September nachstehenden Bericht: Vermischte Nachrichten. Unter den verschiedenen Buchhänd lern, welche in Baiern, Schwaben und Franken wegen des Ver lags der Schrift: -Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung - von den Franzosen verhaftet, nach Braunau abgeführt und dort vor ein französisches Kriegsgericht gestellt worden sind befand sich auch Hr. Palm, Cigenthümer der Steinischen Buch handlung in Nürnberg. In diesem Augenblick erhalten wir die Nachricht, daß Herr Palm, angeblich überwiesen, der erste Ver leger der gedachten Schrift zu ser>n, von dem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und arquebustrt worden ist. Die nemlichen Briefe, welche diese Thatsache melden, setzen hinzu, daß der Unglückliche sich hätte retten können, wenn er den Ver fasser hätte namhaft machen wollen. Aber er weigerte sich standhaft, es zu thun, und auf dem Richtplatz noch dazu auf gefordert, rief er, daß er lieber sterben, als den Verfasser verrathen wolle. Man weiß, daß der unglückliche Palm eine Wittwe mit 3 unerzogenen Kindern hinterläßt. Dieser bisher noch nicht veröffentlichte Zeitungsbericht ist um deswillen von besonderer Bedeutung, weil er klar und deutlich beweist, daß Palm sein Leben hätte retten können, wenn er den Verfasser genannt hätte, daß er sogar auf dem Richtplatz noch besonders dazu aufgefordert wurde, daß er aber lieber in den Tod ging, als den Ver fasser seinen Mördern auszuliefern. Dieser Bericht eines Augenzeugen darf wohl als unanfechtbares Beweisstück gelten, und ich denke, daß nunmehr die seit 100 Jahren bis auf unsere Tage immer wieder auftauchende Behauptung, Palm wäre gar nicht der Verleger gewesen und hätte auch den Verfasser nicht gekannt, endgültig abgetan ist. Ich möchte aber an dieser Stelle auch gleich noch eine weitere unrichtige Auffassung, die sich in neuester Zeit geltend macht, widerlegen. Sowohl Bitterauf*') als auch Graf Moulin- Eckart** ***) ') behaupten, daß die Schrift »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung« von Palm gratis verschickt worden sei. Elfterer schreibt: »daß es sich dabei nicht um geschäfts mäßigen Vertrieb, sondern um eine bestimmte Tendenz handelte, kann man vielleicht daraus schließen, daß die Schriften gratis verschickt wurden«. Und Professor Moulin- Eckart sagt: »denn gerade in diesem Falle hat es sich nicht um ein glänzendes Geschäft gehandelt, da die Broschüre, wie wir aus den Augsburger Protokollen wissen, gratis verteilt wurde«. *) S. Geschichte der Reisner Freiherren oon Lichtenstern. Rcgens- burg 1890. **) Bitterauf, Ur. Th., Die Gründung des Rheinbundes und der Untergang des alten Reiches. München 1905. C. H. Beck. S. 430. ***) Graf Du Moulin-Eckart, Prof. Ur., Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung. Mit einer geschichtlichen Einleitung. Stutt gart 1906, F. Lehmann. S. 39. 253*