Volltext Seite (XML)
42, 20. Februar 4906. Nichtamtlicher Teil. 1909 Ob Sie durch ein längeres Ausbleiben der Untersuchung aus- weichen, zweifle ich, im Gegenteil fürchte ich, Sie möchten sich dadurch erst verdächtig machen. — Doch bitte ich, dieß nicht als Math, sondern als meine ohnmaßgebliche Meynung anzusehen. — Auf den 1b. soll die Übergabe Nürnbergs an Bayern ge schehen; wenn cs wahr ist — ob dann aber auch die Franzosen fortgehen werden, weiß niemand gewiß. — An noch etwas habe ich schon gedacht. — Bey einer gewissen Schrift wurde zu fälliger Weise der Verleger entdeckt — er konnte nicht länger mehr leugnen —. Cr sagte, ein verstorbener Doctor hätte ihm kurz vor seinem Ende die ganze Auflage zum Debit übergeben, da es kurz vor der Messe gewesen sey, hätte er nicht mehr Zeit gehabt, die Schrift zu untersuchen. — Man sah die ganze Sache als einen unüberlegten Streich an, und da man mit dem Todten keinen Prozeß mehr anfangen konnte, so wurde die ganze Klage aufgehoben, einige wenige Exemplare con- fiscirt, der Verleger um ein Paar Dukaten gestraft, und der Prozeß war zu Ende. Haben Sie denn nicht auch einen solchen todten Freund, der Ihnen einen Gefallen thun könnte, da es ihm nichts schaden kann? Wollte Gott, ich könnte Ihnen einen besseren Rath geben, mit Freuden würde ich es thun, allein ich weiß auch keinen anderen und bin selbst Tag und Nacht in 1000 Ängsten und traue mir kaum bey verschlossener Thüre zu schreiben, aus Furcht überfallen zu werden. — Sie können daher unbesorgt scyn, daß ich jemand zum Vertrauten des Geheim nisses mache, ja sogar Ihre Briefe der Art verbrenne ich, um alle mögliche Entdeckung zu vermeiden, und ich bitte dieß auch mit meinen zu thun. — Die Leipziger Strazza habe versteckt, auch des Verfassers Briefe, nur das Reichsbuchhändlersbuch macht mir Sorge, da ich dich nicht verläugnen kann, wenn cs mit Gewalt verlangt werden sollte, so auch das Leipziger Haupt buch. — Von H. in A. haben Sie nichts zu befürchten, der hat keine Gesellen, ich war sogleich selbst bei ihm, um ihn zu warnen. Kurz ich habe alles mögliche gethan, was ich thun konnte. — Herr Reg. S . . . . l sagte mir freylich schon 2mal sehr ernstlich, daß die Franzosen sehr nahe auf der Spur wären, und wenn Sie nicht Verleger sind, so wäre es doch gewiß durch Sie debitirt worden, und er würde den recht sehr bedauern, auf den es herauskäme, allein ich habe ihm standhaft widersprochen und alles geläugnet. Herr Ca—p (Buchhändler in Nürnberg), bey dem der General Werls täglich ist, sagte diesem, wenn Sie klug wären, so sollten Sie die Sache unterdrücken, denn jemehr Sie Lärm davon, je aufmerksamer würde erst das Publicum, ließen Sie es aber beruhen, so würde die Schrift, wie ja andere bald ver gessen seyn. — Wegen ferneren Verkauf können Sie unbesorgt seyn, ich habe kein Expl. und in Leipzig ist auch keines mehr, Gl. d. tsch. (der Leipziger Commissionär der Stein'schen Buch handlung) hat 16 an Arn ld in Dr. ausgeliefert und mehr Exemplare verlangt. Grau hat 6 verlangt, aber nicht erhalten, so auch Schaus 12, die ich zwar schon notirt, die Zettel aber wieder aus Besorgnis zerrissen habe. Monath (Buchhändler in Nürnberg) suchte es gestern schon wieder auf einigen Zetteln, er hielt aber nichts. Nun habe ich Ihnen alles berichtet, was ich weiß und der Wahrheit gemäß ist. — Vielleicht mögte es gut seyn, wenn Sie uns Ihre Ankunft meldeten, wir könnten Ihnen dann entgegen- kommen und Ihnen berichten, was indessen vorgegangen ist, um sich nöthigenfalls etwa in Erlangen noch etwas aufzuhalten. Doch überlasse ich dieß Ihrer eigenen Einsicht. Schreiben Sie uns, wenn Sie sich noch länger aufhalten sollten, nur immer fleißig, damit Ihre Frau wegen Ihnen unbesorgt seyn kann. Da sie dort gegen Ihnen noch nichts unternommen haben, so hoffe ich doch immer noch, daß unsere Feinde noch keine sichere Spur haben. Wegen mir, Georg und Dörfler (jedenfalls die 3 Mitglieder des Stein'schen Geschäftspersonals) seyen Sie un besorgt, durch uns kommt nichts heraus, es mag gehen, wie es will. Der Hinimel gebe nur, daß der Sturm bald vorüber geht, um aus der Seelenangst zu kommen. Herr M. V. Keßler hat mit Herrn Jusb. Kießling diesen Abend gesprochen, die Acten sind noch hier, Herr General le Fröre hat sie noch nicht ver langt. — Selbiger Herr I. K. sagt, daß Sie ja nicht über Ihre Zeit in München bleiben, auch nicht über Augsburg reisen sollten. — Man könnte Ihnen auf alle Fälle hier nichts an- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. haben, Sie sollten sich nur vertheidigen und sagen, daß Sie Exemplare zwar gehabt, aber baar ankauft hätten, wie andere Handlungen, Verleger und Druckort aber nicht wüßten. — Sollten Sie aber den Verfasser angeben können und wollen, so wären Sie nach den französischen Gesezen ganz frey. — Oder wenn Sie es mit Herrn Palm in Erlangen anlegen könnten, daß der sagte, er hätte Ihnen Exemplare gesandt. Seyen Sie nur ruhig und unverzagt, der Himmel wird dieß Ungewitter auch wieder vorüber gehen lassen.. Mit aller möglichen Hochachtung und Freundschaft verharre Ihr bekannter Diener und Gevatter G. I. P.- Napoleon war bereits im Besitz der Broschüre, und es ist kein Zweifel, daß er von ihrem Inhalt genaue Kenntnis genommen hatte. Er gab am 5. August an Talleprand folgende Weisung: »Alle Pamphlete, die in Deutschland Verbreitung finden, kommen aus der Stadt Nürnberg. Tun Sie dem Rat der Stadt zu wissen, daß, wenn er nicht sofort den Buchhändler verhaften läßt und all' diese Broschüren verbrennen, ich die Stadt Nürn berg, ehe Deutschland geräumt wird, exemplarisch bestrafen werde.-- Aber er wartete die Schritte der Nürnberger nicht ab und schrieb, gleichfalls am 5. August, an Marschall Berthier: »Ich denke, Sie haben die Augsburger und Nürnberger Buchhändler verhaften lassen. Mein Wille ist, daß sie vor eine Militärkommission gestellt und innerhalb vierundzwanzig Stunden erschossen werden. Denn das ist kein gewöhnliches Verbrechen, in den Gegenden, wo die französischen Armeen in Quartier liegen, Pamphlete zu verbreiten, um die Bevölkerung gegen diese aufzureizen: das ist ein Verbrechen des Hochverrats. Das Urteil soll die Worte enthalten: daß überall, wo die Armee ihren Standort hat, es die Pflicht ihres Chefs ist, über deren Sicherheit zu wachen, und so soll ein jeder, sei er wer er sei, der überführt worden, daß er die Bewohner Schwabens gegen die französische Armee aufzureizen versucht, zum Tode verurteilt werden. In diesem Sinn soll das Urteil abgefaßt werden. Sie werden die Schuldigen einer Division überweisen und sieben Obersten zu ihren Richtern ernennen. Sie werden ferner im Urteil feststellen lassen, daß diese Pamphlete durch die Buch händler Kupfer in Wien, Eurich in Linz verbreitet worden und diese daher in contumaciam zum Tode verurteilt sind; das Urteil wird vollstreckt werden, sobald sie ergriffen werden. Sie werden für die Verbreitung der Sentenz in ganz Deutsch land Sorge tragen.- Einen Widerspruch gegen diesen Befehl gab es nicht, und da Marschall Berthier laut Befehl vom 12. August jener schleunigst einberufenen Militärkommission die öster reichische noch von den Franzosen besetzte Grenzfestung Braunau als deren Sitz angewiesen hatte, sollte Palm dahin abgeführt werden. Dieser hatte am 8. August München verlassen und war am nächsten Tag in Nürnberg eingetroffen, wo er sich jedoch nicht sicher fühlte, weshalb er nach einigen Tagen zu seinem Onkel nach Erlangen sich begab, das damals noch preußisch war. Aber die Sorge um seine Familie und sein Geschäft trieb ihn wieder nach Hause. In sämtlichen Biographien Palms ist die Sache so dargestellt, als ob er sich von dem Augenblick an nicht mehr in Nürnberg sicher gefühlt habe, seitdem er von der Verhaftung des Jenisch in der Zeitung gelesen hatte. Diese Auffassung ist chronologisch unhaltbar. Sein Augsburger Kollege wurde am 13. August gefangen gesetzt, Palm schon am nächsten Tage nach 10 Uhr vor mittags. Wie hätte er in der kurzen Zwischenzeit bei den damaligen Verkehrsverhältnissen jene Tatsache schon in der Zeitung lesen und sodann nach Erlangen flüchten und sich dort noch »einige Zeit« (Tage?) aufhallen können, wenn er schon einen Tag nach Jenisch selber verhaftet wurde?! Ich möchte hierzu noch betonen, daß damals in Nürnberg nur zwei Zeitungen bestanden, und zwar der »Friedens- und 253