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4882 Nichtamtlicher Teil. 138, 17. Juni 1901. boykottieren und es vorziehen, russische Bücher aus St. Peters burg zu beziehen!« lieber eine Vereinigung von Buchhändlerfirinen in Moskau, die in einem gewissen Gegensatz zu dem Verein der russischen Buchhändler und Verleger in St. Petersburg steht, haben wir schon früher berichtet*) und dabei auch des Organs dieser Vereinigung, des wöchentlich erscheinenden »Boten der Buchhändler« (LLoimmci, inuii'ouyoMouso'i,) mit Anerkennung gedacht. Letzteres, von K. A. Kasnatschew geschickt redigiert, hat sich auch in den weiteren Nummern auf gleicher Höhe gehalten. Es bemüht sich in jeder Beziehung, dem praktischen Buchhändler zu dienen, sucht den Provinzialbuchhaudel und überhaupt den wechselseitigen Verkehr der Buchhändler zu heben. Daß es dabei die Länder mit einem entwickelten Buchhandel, namentlich Deutschland, zum Muster nimmt, ist ganz natürlich. Es wird mehr oder weniger eingehend be richtet über den Börsenverein der Deutschen Buchhändler, über das Börsenblatt, über die Bibliothek des Börsenvereins u. a. Die von dem letzteren herausgegebene »Buchhändlerische Verkehrsordnung» ist in Uebersetzung mitgeteilt, ebenso die Beschlüsse des Ausschusses über die Lehrlingsfrage. Durch eine ganze Reihe von Nummern zieht sich eine Uebersetzung von H. Starks Schrift »Wie ich den Buchhandel erlernte« (6. Ausl., Leipzig 1895, C. Rühle); durch mehrere Nummern geht auch der Artikel über den Buchhandel über Leipzig und über die Geschäftsordnung der Leipziger Kommissionäre. Gegen Ende des vorigen Jahres wurde von einigen Moskauer Firmen der Vorschlag gemacht, auch der St. Petersburger Verein möge unter gewissen billigen Bedingungen den »Boten der Buch händler« als sein Organ annehmen, dagegen den eigenen mit einem beträchtlichen Defizit herausgegebenen »Bücher boten« einstellen. Allein dieser Vorschlag wurde in St. Peters burg nicht angenommen, und so erscheinen auch jetzt noch beide Organe nebeneinander. Unser Bericht über den Inhalt des »Boten der Buchhändler« bezieht sich aber nur auf die Nummern bis Ende des Jahres 1900, weil uns von da an nichts mehr von dieser Zeitschrift zugegangen ist. U. Nutorenhonorare und Autorenbedingungen. Von Or. Karl Hauck (München). In meiner Autographensammlung befinden sich zwei Briefe, die einen bemerkenswerten Beitrag zu dem oft behandelten Thema -Autor und Verleger« bilden. Der eine von ihnen stammt von Mörike und bezieht sich auf die von ihm besorgte und 1844 in Hamburg erschienene Ausgabe der Gedichte Waiblingers, wodurch er einen Akt der Pietät gegen seinen früh verstorbenen und ver dorbenen Jugendfreund erfüllte, der andere, von der Hand des berühmten Physiologen Moleschott, betrifft die Biographie Georg Försters, die er zum hundertsten Geburtstage des Weltumseglers und Forschers verfaßte. Ganz abgesehen von ihrem geschäftlichen Inhalt sind beide Briefe auch charakteristisch für ihre Verfasser: hier der warmherzig fühlende Dichter, der seinem Geschäftsbrief eine Würdigung Waiblingers beifügt, die trotz ihrer Schärfen seine Bedeutung nicht verkennt und dem -an der Geniesucht zu Grunde gegangenen Talent» Gerechtigkeit widerfahren läßt, dort der nüchterne Gelehrte, der kurz und knapp seine Bedingungen stellt und durch nichts seine zur Leidenschaft gewordene Verehrung eines Mannes zeigt, in dessen Schriften er Trost und Erhebung fand in Stunden schwerer Seelenkämpfe, wenn selbst Goethe ver sagte: Mörike an den Buchhändler Heubel in Hamburg. Geehrter Herr! Ich darf nicht länger säumen, Ihr werthes Schreiben vom 16. Febr., sowie noch einige Fragen des vorhergegangenen, zu gleich aber auch das gestern erhaltene vom 11. dss. Mts. zu beantworten. Ich habe nun die Gedichte des 5. u. 7. Bdchs. aufs Neue langsam durchgangen, um theils durch eine vorläufige Auswahl eine ungefähre Übersicht über den Umfang derselben zu erhalten, *) Siehe -Vom russischen Buchhandel- im Börsenblatt 1900, Nr. 84. theils mir die Stellen alle auszuzeichnen, die einer großen oder kleinen Änderung bedürfen. Bereits auch ist mit den Verbesse rungen selbst ein Anfang gemacht. In dieser letzter» Rücksicht nun ergab es sich, daß man dabei, wofern der Zweck vollkommen erreicht werden soll, einige Schritte weiter gehen müsse, als ich Anfangs gesonnen war. Ungeachtet man sich nämlich bei einer so delicaten Aufgabe aus schuldiger Achtung gegen den Autor vor jeder Überschreitung einer be stimmten Grenze, auch wenn sie noch so verführerisch wäre, wohl zu hüten hat, so finde ich doch unumgänglich, daß hin u. wieder größere Versglieder neu gegeben werden. Besonders auch übersteigt die Anzahl der nöthigen kleinen Verbesserungen meine anfängliche Schätzung. Und wenn ich nunmehr versichere, daß die Fälle, wo mittelst eines gelinderen Kunstgriffs durch wenige Worte, durch Versetzung und Zusammenziehung u. s. w. einem Gedicht eine andere Gestalt verliehen werden kann, oft nicht geringere, oft sogar größere Schwierigkeit macht, als wo der Worte mehr zu brauchen sind, daß öfter selbst der bloße Durchstrich einiger gedruckten Zeilen mit sparsamer Zuthat, das glückliche Ergebnitz eines längeren u. wiederholten Nachdenkens ist, so wird es Sie wohl nicht befremden, wenn ich, der bei literarischen Arbeiten seinen pekuniären Vortheil niemals voran stellte u. dies bei der gegenwärtigen am allerwenigsten über sich gewänne, mich nunmehr dahin erkläre, dieselbe ohne eine Ver gütung von 110 Gld. nicht leisten zu können. Sie trauen mir wohl zu, daß ich zu diesen um das Doppelte erhöhten Ansprüchen nicht etwa nur durch Ihr eigenes Anerbieten ermuntert wurde. Dagegen bin ich auch geneigt, mich Ihrem Wunsche gemäß auf dem Titel als Herausgeber zu nennen, um so mehr, da ich dem Publikum schuldig zu seyn glaube, in einem Vorwort einige Rechenschaft über gedachtes kritische Verfahren zu geben. Für den Fall jedes künftigen Wiederabdrucks der Gedichte er laube ich mir jedoch die Bedingung, daß die Sammlung nur so lange mit meinem Namen begleitet werden könne, als an meiner Redaktion durch keine andere Hand geändert wird. Uebrigens hat sich meine Erwartung von dem guten Erfolge dieser Unternehmung inzwischen eher erhöht als vermindert. Mit Vergnügen werde ich einzuleiten suchen, daß das Werkchen gründlich recensirt u. in gebildeten Kreisen sonst empfohlen werde. Zu diesem Zwecke werden Sie mir wenige Exemplare, insbesondere für G. Schwab, Professor Bauer, Ludwig Ticck u. a. überlassen. Die Bogenanzahl kann nach dem bewußten Format u. ähn licher Anordnung 16—18 betragen. Mein Geschäft würde um die Mitte Mays beendigt seyn. Sie melden mir, es seien zu Oartovs noch 2 Seiten disponibel. Da sich aber zu dieser bestimmten Dimension nichts Schickliches machen will, so werden wir es wohl bei den 14 Seiten lassen müssen. In Beziehung auf das, was sonst noch zum Vortheil der 9 Bände zu thun wäre, vergaß ich bis jetzt zu bemerken, daß die Auszüge aus den Tagebüchern neben einigem ganz wohl Admissiblen viel Triviales u. Schiefes (gewiß noch in Stuttgart geschriebene) haben, was manchem einen sonderbaren Begriff von des Verfassers philosophisch ästhetischer Bildung geben kann, da den einzelnen Fragmenten nirgend das Jahr der Entstehung beigesügt ist. Es wäre daher nicht übel, wenn diese Mittheilungen ent weder gleichfalls cassirt oder eine bessere Auswahl davon ge troffen würde. Ob letzteres möglich sey, müßte eine nochmalige Durchsicht der Diarien selber lehren. Vielleicht enthielten sie auch noch Einiges für die neue Gedichtsammlung. Ihren Wunsch, in betreff eines neuen Vorworts für die Gesamtausgabe zu erfüllen, halte ich mich in der That nicht berechtigt u. eine solche Einmischung könnte unangenehme Folgen haben. Auch erfordert die Aufrichtigkeit das offene Bekenntniß, daß ich bei weitem den größten Theil des Inhalts dieser Aus gabe mit gutem Gewissen nicht würde vertreten können. Als einen wirklichen Gewinn für die Littcratur kann ich außer den Gedichten nur die Wanderungen in Italien u. einige kleinere Sachen wie den Aufsatz über Hölderlin ansehen. Zwar sieht man überall das ungewöhnliche Talent, dessen Entwicklung aber, wie sich zumal in größeren Compositionen zeigt, noch nicht zur Reife einer reinern Kunstform gelangt ist und auch kaum ge langen konnte, da, um anderer innerlicher Gründe hier nicht zu erwähnen, eine frühzeitig angenommene Schnellfertigkeit später durch äußere Umstände gewissermaßen zur Nothwendigkcit wurde. Leider ist es mir also in zwiefachem Betracht versagt, die Ges. Ausg. auch in ihrer modificirten Gestalt auf irgend eine Weise öffentlich zu vertreten. Bei alledem bin ich versichert, vielmehr ich weiß es aus Erfahrung, daß es den sämmtlichen Waiblingerschen Schriften.... nicht an Freunden u. an Solchen fehlen kann, welche zu ihren Gunsten mit Überzeugung sprechen werden . . . Clev(ersulzbach) 16. März 1842.