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Börsenblatt f. d. deutschen Bnchkandek Nichtamtlicher Teil. 4881 Die Mittel des Vereins werden gebildet: s.) aus den Eintrittsgeldern und den Jahresbeiträgen; b) aus den Spenden der Mitglieder und anderer Personen; o) aus den Zinsen der Kapitalien der Gesellschaft; ä) aus den Ein nahmen aus Konzerten, Familienabenden, Theatervorstellungen und e) aus den Erträgen der dem Verein etwa gehörigen Immobilien (Z 26). Die Eintrittsgelder und 10 Prozent vom Reingewinn der Einnahmen unter ä und s, sowie anderer zufälliger Einnahmen bilden das Grundkapital des Vereins, das zunächst bei der Reichsbank zu depo nieren ist, um dann auf Bestimmung der General versammlung in guten, zinstragenden Papieren angelegt zu werden (Z 28, 30). Die übrigen Einnahmen bilden das Betriebskapital (Z 2S). Die Geschäfte des Vereins werden von der Generalversammlung, der Verwaltung und der Revisionskommission geleitet (Z 32). Die Verwaltung besteht aus zwölf wirklichen Mitgliedern, von denen zwei Drittel russische Staatsangehörige sein müssen; sie werden von der Generalversammlung auf drei Jahre gewählt (Z 44, 45). Sie wählen aus ihrer Mitte den Vorsitzenden, dessen Stell vertreter und den Kassierer; die elfteren beiden müssen un bedingt russische Staatsbürger sein (Z 48). Die Revisions kommission wird alljährlich von der Generalversammlung gewählt; sie besteht aus drei Mitgliedern, ist nur der General versammlung verantwortlich und kann bei Bedarf von der Verwaltung verlangen, daß diese eine außerordentliche General versammlung beruft (Z 57—60). Die Auflösung des Vereins erfolgt nur auf Verfügung der Regierung, oder, wenn der Verein aus Mangel an Geldmitteln nicht bestehen kann, auf Beschluß von drei Viertel der Stimmen einer Generalversamm lung der wirklichen Mitglieder. Derselbe »Bücherbote« berichtet über das 25jährige Ge schäftsjubiläum des Buchhändlers Nikolaj Jakowlewitsch Ogloblin in Kiew, eines der hervorragendsten russischen Provinzialbuchhändler, und auch noch dadurch bemerkenswert, daß er ein Buchhändler rein russischer Herkunft ist, auf den der Buchhandel des Auslandes keinen oder doch keinen direkten Einfluß ausgeübt hat. Er übernahm sein Geschäft 1876 von S. I. Litow, der es 1830 in Kiew gegründet hatte. Thatsächlich besteht also das Geschäft schon 70 Jahre und war immer eine der bedeutendsten Buchhandlungen in Kiew; ja in den ersten 25 Jahren seines Bestehens war es wohl sogar die einzige russische Buchhandlung nicht nur in Kiew, sondern im ganzen südwestlichen Rußland. »In den dreißiger Jahren,« sagt der Verfasser des Berichts, »konnte die Eröffnung einer russischen Buchhandlung in Kiew nur das Werk eines Mannes von Energie und großem Unter nehmungsgeist sein. In dieser für uns schon entlegenen Zeit war das russische Buch im südwestlichen Rußland eine Seltenheit, und unter solchen Verhältnissen bedeutete eine Buchhandlung eröffnen, sein Kapital aufs Spiel setzen.« Litow mußte in den ersten Zeiten seiner Thätigkeit mit vielen Widerwärtigkeiten kämpfen, nicht am wenigsten mit der Gleichgültigkeit des Publikums gegen die Litteratur. Fast ein Vierteljahrhundert entwickelte sich sein Geschäft sehr langsam und deckte kaum die Betriebskosten. Erst gegen Ende der fünfziger Jahre belebte sich der Handel mit russischen Büchern im südwestlichen Rußland, und die Buchhandlung von S. I. Litow begann sich nun rasch zu entwickeln. Litow war ein erfahrener Buchhändler und wußte sich den An forderungen des Publikums anzupassen. Gleich von Anfang an hatte er ein Kontor in St. Petersburg errichtet, dessen Aufgabe es war, das Kiewer Geschäft mit Büchern zu versehen. Der Hauptmitarbeiter Litows seit Ende der fünfziger Jahre war der jetzige Inhaber des Geschäfts, N. I. Ogloblin. Er wurde am 6. (18.) Mai 1840 in Jelez (im Gouverne ment Smolensk) als Sohn eines Kaufmannes geboren, kam AchNniksechzlgster Jahrgaiia. 1852 nach Kiew und trat im Mai 1858 als Gehilfe bei Litow ein. Er wurde sehr bald die rechte Hand seines Chefs. Sehr zu statten kam ihm sein vorzügliches Gedächtnis; er kannte nicht nur sehr bald die im Geschäft vorhandenen Bücher, sondern erlangte mit der Zeit überhaupt eine um fassende Bücherkenntnis, und machte sich dadurch den Käufern im Litowschen Geschäft in hohem Grade nützlich. Es stand jahrelang fast konkurrenzlos da. Anfang der siebziger Jahre begann eine Krisis ein zutreten. Der Chef wurde alt, sein Interesse am Geschäft nahm ab. Der Umsatz, der noch Ende der sechziger Jahre 80 000 Rubel betragen hatte, ging auf 65 000 Rubel zurück. (In den ersten Jahren nach der Gründung hatte er nur die bescheidene Summe von 18 000 Rubel betragen, war also in 40 Jahren immerhin fast um das 4 Ursache gestiegen.) Litow beschloß, sich zurückzuziehen, und bot das Geschäft seinem Gehilfen Ogloblin an. Der Wert des Geschäfts mit den Lager beständen u. f. w. wurde auf 40 000 Rubel abgeschätzt, die Zahlung des Kaufpreises auf 10 Jahre verteilt und am 4. (16.) Februar 1876 trat Ogloblin den Besitz an. Damit trat das Geschäft in eine neue Phase. Der Be trieb wurde nach rationelleren Prinzipien erweitert. Das Kontor in St. Petersburg wurde beibehalten, aber außerdem noch lebhafte Beziehungen mit den anderen Produktions plätzen der russischen Litteratur angeknüpft. Ogloblin wurde Kommissionär verschiedener Reichsanstalten; er erhielt die Bücherlieferungen für viele Schulanstalten des Kiewer Lehr bezirks, der die fünf Gouvernements Kiew, Tschernigow, Wolynien, Podolien und Poltawa umfaßt. Der Umsatz des Geschäfts hat jetzt 160 000 Rubel jährlich erreicht. Das Bücher lager hat einen Wert von einigen hunderttausend Rubeln und besteht aus gegen 40000 Titeln, über die mehrmals Kataloge herausgegeben worden sind. Außerdem hat Ogloblin auch noch eigenen Verlag; er besteht zumeist aus wissenschaft lichen Werken Kiewer Gelehrter. Ueberhaupt hat sich Ogloblin um den Vertrieb der Kiewer Publikationen in Rußland sehr verdient gemacht. Persönlich hat er mehrere Auszeichnungen erhalten und auch wiederholt Ehrenstellungen bekleidet. Wie eine Buchhandlung nicht zu betreiben, zeigt eine Korrespondenz aus Helsingfors, die wir kürzlich in einer russischen Zeitung fanden. In Helsingfors ist vor zwei Jahren eine russische Buchhandlung errichtet worden, aber in ihren Schaufenstern findet man nicht etwa die Werke Puschkins, Turgenjews, Dvstojemskijs, L. Tolstojs und der anderen Schriftsteller, die die russische Litteratur berühmt gemacht haben. Nein, die Schaufenster werden dazu benutzt, um jeden verlogenen und roh-tendenziösen Artikel gewisser russischer Blätter (genannt werden die »Moskowskija Wjedomosti«, »Swjet«) über Finland sofort zur Lektüre auszulegen. »Die russische Buchhandlung in Helsingfors«, bemerkt der Referent, »ist eben leider in die Hände eines ungebildeten Kaufmanns gefallen, und noch schlimmer ist es, daß es sich dieser unge bildete Mensch in den Kopf gesetzt hat, Politik zu treiben.« Er hat seine Auslagen zum Schauplatz einer ganz abgeschmackten politischen Agitation gemacht. Heute legt er demonstrativ die Nummern der oben genannten Zeitungen aus, morgen findet sich an seinen Fenstern mit großen Buchstaben eine Anzeige folgenden Inhalts: »Nowoje Wremja schreibt, daß in Helsingfors die Russen auf der Straße beleidigt werden.« Eines Tages war das Schaufenster des Herrn Reswoj (so heißt der »Kollege«) mit einer allegorischen Ausstellung ge- chmückt: ein Tisch in Gestalt eines Lesepultes, darauf auf geschlagene Schmähschriften über Finland (Werke der Jele- new, Messarosch und Kompagnie) und über dem allen die Porträts hochgestellter Personen. »Und da wundert man sich noch,« fügt der Referent hinzu, »daß die Finländer Reswoj 640