Volltext Seite (XML)
3930 Nichtamtlicher Teil. 116, 21. Mai 1900. einem eigentlichen Eigentumsrecht und einem Individual recht besteht. Bereits hat man verlangt, daß die Schußfrist bis auf 80 Jahre nach dem Tode des Verfassers verlängert werden solle. Manche sind auch hiermit noch nicht zufrieden; sie verlangen gleich die Erstreckung derselben auf ein volles Jahrhundert, ohne zu erkennen, daß, wenn die Gesetzgebung einmal so weit geht, sie im Grunde genommen auch die dauernde ausschließliche Verfügungsbefugnis anerkennen könnte. Dergleichen Forderungen bedeuten eine Uebertreibung des an sich berechtigten Standpunktes, eine Uebertreibung, die um so mehr mit Gefahren verbunden ist, als sie mit Notwendigkeit einen Rückschlag hervorzurufen geeignet ist. Es besteht wohl kein Zweifel, daß die maßvolle Erweiterung des Schutzes geistiger und künstlerischer Arbeit in allen civilisierten Ländern sich einer sympathischen Beurteilung von seiten der Bevölkerung zu erfreuen hat, und der beste Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung ist darin zu sehen, daß gesetzgeberische Maßnahmen, die diese Erweiterung herbeiführen wollen, allenthalben kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Diese Stellungnahme der Bevölke rung kann aber durch übertriebene Forderungen verscherzt werden, und dies würde sicherlich dann geschehen, wenn die Bevölkerung überzeugt würde, daß die geistigen und künst lerischen Interessen der Nation durch zu weit gehende Mono polisierung der Verwertungsbefugnis beeinträchtigt werden. Schon Gerber, der um die wissenschaftliche und prak tische Entwickelung des Urheberrechts wohlverdiente sächsische Unterrichtsminister, hat die Ansprüche derjenigen zurück gewiesen, die für die Epigonen eines Schriftstellers oder Künstlers die dauernde Sicherung einer Einnahmequelle durch Erstreckung der Schutzfrist aä ivüuitum verlangten; es dürste wohl angemessen sein, hieran heute zu erinnern. Die geistige Gemeinschaft, der der Dichter oder Künstler angehört, hat ein Recht darauf, daß nach einer bestimmten Zeit nach seinem Tode seine Schöpfungen der Gesamtheit nicht vor enthalten bleiben. Wenn die Gesetzgebung die ausschließliche Verfügungsbefugnis über das Werk der unmittelbar nächsten Generation des Urhebers sichert, so trägt sie hiermit den Interessen dieser Rechnung; noch weiter zu gehen, würde nur auf Kosten der Interessen her Allgemeinheit mög lich sein. Uebrigens wird der ganzen Frage der Erstreckung der Schutzfrist über eine bestimmte Anzahl von Jahrzehnten hinaus seitens mancher Schriftsteller ein viel zu großer Wert beigelegt, der praktisch nicht gerechtfertigt ist. Wie viele Werke, abgesehen von den Werken der Größten der Großen, sind es denn, die nach dreißig Jahren oder gar nach fünfzig Jahren nach dem Tode des Verfassers noch für das Publikum Interesse haben und Kaufkraft be sitzen? Mau kommt auf eine recht, recht kleine Zahl bei der Beantwortung der Frage. Bezüglich der musikalischen Kompositionen liegt ja die Sache etwas anders, aber auch nur teilweise; noch sind nicht viele Jahrzehnte verstrichen, seitdem die ehemals das Opernrepertoire beherrschenden italienischen Opernkomponisten Rossini, Bellini, Donizetti, Cherubim gestorben sind, und schon kann man mit Leichtig keit die Aufführungen zählen, die deren Opern an den deutschen Bühnen erleben. Wer will sagen, ob in fünfzig Jahren die Oavallsria rusticavs, und der Bajazzo noch der Aufführung für würdig gehalten werden? Berücksichtigt man dies, so ist wirklich kein Grund vor handen, die Frage, ob der Urheberrechtsschutz fünfzig oder sechzig Jahre nach dem Tode des Urhebers erlöschen soll, zum Gegenstand eines ernsthaften Streites zu machen, da ein praktisches Interesse daran der Hauptsache nach fehlt. Jeden falls aber ist es nicht angezeigt, die Forderung des Urheberrechtsschutzes in dieser Weise zu überspannen, und es muß davor um so mehr gewarnt werden, als durch die Uebertreibung auch die Verwirklichung berechtigter Wünsche verzögert wird. Auch hier gilt das bekannte französische Sprichwort: Hui trop ewürasss, mul ötrsint, das allerdings in seinem Geburtslands mit am wenigsten beachtet wird. Die Sammlung Friedrichs des Großen im -Deutschen Hause- auf der Weltausstellung in Paris. Die Auswahl französischer Kunstwerke des 18. Jakrhunderts aus dem Besitz Seiner Majestät des Kaisers und Königs, die auf Befehl Seiner Majestät im -Deutschen Hause- in der ltus clss natioos der Weltausstellung zu Paris, dem deutschen Buchgewerbe unmittelbar benachbart, zur Ausstellung gelangt ist, ist bekanntlich den Schätzen entnommen, die der Sammel eifer Friedrichs des Großen verständnisvoll zusammengetragen hat. Der Dirigent der Kunstsammlungen in den königlichen Schlössern zu Potsdain, Herr Direktor Paul Seidel, giebt von diesen Kostbarkeiten ein Bild im amtlichen Katalog der Aus stellung des Deutschen Reiches*), dem wir nach dem Deutschen Reichs-Anzeiger das Folgende entnehmen: -Durch die Gnade Seiner Majestät des Kaisers und Königs ist cs ermöglicht worden, aus diesen Sammlungen eine Auswahl zu treffen, mit der die Repräsentationsräumc des -Deutschen Hauses- einen Schmuck erhalten haben, wie er vornehmer und künstlerischer nicht gedacht werden kann. Um so eigenartiger und sinnreicher erscheint dieser Schmuck, wenn wir uns die Bedeutung französischer Kunst und französischen Geschmacks für die künstlerische Entwickelung Deutschlands im 18. Jahrhundert ins Gedächtnis zurückrufen; dann erscheint diese Darbietung zugleich als Huldigung für Friedrich den Großen, den wärmsten Verehrer und Freund französischer Kunst, Wissenschaft und Philosophie, und für die ruhmreiche Kunstgeschichte des französischen Volks. -Im Vordergründe stehen die Lieblingsmaler des großen Königs: Watteau, Lancret, Pater und Chardin. Von den 13 Bildern Watteaus, die sich im Besitze Seiner Majestät befinden, sind 1 auf der Ausstellung vertreten, alle von hervorragender Bedeutung, wenn auch gerade hier das Fehlen der großartigsten Kunst schöpfungen des ganzen Jahrhunderts, des -Lmbarqusmsvt pour 6/tbtzre- und des -Lussigno«, von manchem Kunstfreunde schmerzlich empfunden werden wird. Ausgestellt sind die Gemälde -Der Liebesunterricht», -Die Liebe auf dem Lande-, -Die Hirten», -Das Konzert». -In umfassenderer Weise konnte die durch 26 Gemälde im Besitze Seiner Majestät vertretene Kunst Nicolaus Lancrets den Kunstfreunden seiner Heimat wieder zugänglich gemacht werden, indem 10 Bilder zur Ausstellung gelangt sind, unter denen sich einige der Hauptwerke des Künstlers befinden. An erster Stelle sind hier -Le Moulinet- und -Die Gesellschaft im Gartenpavillon- zu nennen, die Gras Rothenburg im Jahre 1714 aus dem Nachlaß des Prinzen Carignan für den König erwarb. Sie bilden sonst den Schmuck des Theezimmers in der Wohnung Friedrichs im Potsdamer Stadtschlossc. Von besonderem Interesse sind auch der bezeichnet« und -1732- datierte -Ländliche Tanz-, das ebenfalls bezeichnet« -Blindekuhspiel-, -Das beendete Gastmahl-, -Die -Tänzerin Camargo-, -Der Guckkastcnmann- und -Der Tanz an der Pegasus-Fontäne-. -Jean-Vapt>ste Joseph Pater, der in einigen Bildern seinem Lehrer Watteau von dessen Schülern am nächsten kam, ist in der Sammlung des großen Königs mit 38 Gemälden vertreten. Bon diesen konnten 6 der schönsten auf der Ausstellung vereinigt werden, denen dann noch 14 von Pater gemalte Illustrationen des -klomau oomigus- von Scarron beigcfügt sind. Das -Fest im Freien», bezeichnet und datiert 1733, mit seinen gegen 100 Figuren in liebevollster Ausführung und tadelloser Erhaltung dürfte in dem Werke Paters einzig dastehen und in ihm denselben Platz einnehmen, wie das -Lmbargusmont- unter den Bildern Watteaus. Auch die Bilder: -Badende Mädchen-, -Der Tanz im Freien-, -Das Bad- und das -Vlindekuhspiel- sind vorzügliche Beispiele aus der besten Zeit des Künstlers. -Jean-Baptiste Simson Chardin ist mit 4 Gemälden in der Sammlung Seiner Majestät vertreten, von denen 3 ausgestellt werden konnten. -Die Briessieglerin- von 1733 mit ihren bei *) Weltausstellung in Paris 1900. Amtlicher Katalog der Ausstellung des Deutschen Reichs. Selbstverlag des Reichs kommissariats. Kommissionsverlag von I. A. Stargardt in Berlin. Mit Buchschmuck von Bernhard Pankok. In Original-Einband Preis 2 40 H. (Vgl. die Besprechung in Nr. 97 d. Bl. vom 28. April 1900.)