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Nichtamtlicher Teil Die Entwickelung des Urheberrechts im neunzehnten Jahrhundert. An der Schwelle des neuen Jahrhunderts, das zweifel los eine Fülle neuer und eigenartiger Rechtsprobleme für Wissenschaft und Gesetzgebung mit sich bringen wird, ist es nicht unangemessen, einen Blick rückwärts auf die Ent wickelung desjenigen Rechtszweiges in den beiden hinter uns liegenden Menschenaltern zu werfen, der für den litterarischen und buchhändlerischen Verkehr von so großer Bedeutung ist: des geistigen und künstlerischen Urheberrechts. Auch auf diesem Gebiete hat die Rechtsentwickelung des neunzehnten Jahrhunderts zu höchst befriedigenden Ergeb nissen geführt, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen Ländern. Während der Beginn des Jahrhunderts erst in wenigen Staaten einen aus gebildeten Rechtsschutz für die ausschließliche Verfügungs befugnis des Urhebers über die Ergebnisse seines Schaffens fand, trifft sein Ende einen Rechtszustand, demzufolge der Schutz der Urheberrechte einen Bestandteil nicht nur der nationalen Rechtsüberzeugung in fast allen Kulturstaaten bildet, sondern auch der internationalen. Welche Fortschritte die Rechtsentwickelung gerade auf diesem Gebiete gemacht hat, lehrt der Hinweis darauf, daß einerseits Goethe nur auf Grund eines Beschlusses des Bundestages gegen unrecht mäßige Aneignung der Früchte seiner geistigen Arbeit in deutschen Landen geschützt werden konnte, während heute, dank der internationalen Ausgestaltung des Urheberrechts schutzes, der deutsche Urheber in Belgien und Italien, in Tunis und Haiti ebenso geschützt ist wie der Staatsangehörige dieser Länder. Die Tragweite des Unterschieds zwischen früher und jetzt liegt auf der Hand, und sie muß wohl auch von denjenigen gewürdigt werden, denen die Entwickelung des Urheberrechts noch nicht weit genug geht. Als die für die einhundertjährige Entwickelung desselben maßgebenden Gedanken lassen sich folgende bezeichnen. Die Charakterisierung der Schutzrechte als eine Art Eigentums recht, ihre Auffassung als geistiges, bezw. künstlerisches Eigen tum ist längst als überwunden zu betrachten. Zwar wird auch heute noch der Ausdruck »Jmmaterialeigentum« ge braucht; aber man versteht doch darunter nicht mehr die Schutzrechte des Urhebers litterarischer oder musikalischer, bezw. künstlerischer Werke. Nicht nur die erste Hälfte, sondern auch ein Teil der zweiten des Jahrhunderts stand unter dem Bann der Lehre vom geistigen und künstlerischen Eigentum. Es ist bekannt, daß noch in der Verfassung des Norddeutschen Bundes von der Gesetzgebung über das geistige Eigentum die Rede war; heute findet sich der Ausdruck in gesetzgeberischen Urkunden kaum, er ist auch so ziemlich aus den Staatsverträgen verschwunden, und wenn er noch in wissenschaftlicher Erörterung da und dort gebraucht wird, so ist man sich dabei stets bewußt, daß es sich insoweit nur um eine rhetorische Bezeichnung handelt, daß aber von einem geistigen oder künstlerischen Eigentum nicht gesprochen werden kann. Das Schutzrecht des Urhebers gilt der heutigen Rechts lehre und Gesetzgebung als ein sogenanntes Individualrecht, das mit den übrigen Individualrechten (Patent-, Marken-, Musterrecht) zwar manches gemeinsam hat, in den wichtigsten Punkten aber von ihnen verschieden ist. Obwohl die Eigentumstheorie im Laufe der Entwickelung aufgegeben wurde, kennzeichnet sich diese durch eine fort währende Verschärfung und Erweiterung des Schutzes, Be weis genug, daß sie von der Charakterisierung als geistiges Eigentum durchaus unabhängig fit; die Versicherung hat dazu geführt, daß die Schutzlosigkeit des geistigen und künst lerischen Produktes die Ausnahme, die Unzulässigkeit der Aneignung hingegen die Regel bildet, während früher das Gegenteil der Fall war. Der Gedanke der ausschließlichen Verfügungsbefugnis ist immer schärfer und konsequenter entwickelt worden; der neueste Entwurf eines Urheberrechts gesetzes, der deutsche, verkörpert diesen Unterschied zwischen früher und jetzt in deutlichster Weise, und wer etwa auf Grund der Gesetzgebung nicht genügend hiervon überzeugt werden könnte, brauchte sich nur die Forderungen zu ver gegenwärtigen , die die ^88oois.tiov littsrairs et Li-tlstique ilitsrn!ü.iong.!v bezüglich der Weiterentwickelung des Urheber rechts aufstellt. Es ist psychologisch sehr verständlich, daß diese Ver schärfung des Schutzinhaltes gewissermaßen als Reaktion gegen die früher herrschende Ansicht auftrat, die der Schutz losigkeit als Rechtstitel diente; indessen kann man in dieser Reaktion, wie bei jeder, auch zu weit gehen, und manche der in jüngster Zeit geltend gemachten Forderungen lassen Zweifel in Bezug darauf zu, ob die Ueberspannung des Schutzgedankens nicht schon als Thatsache zu betrachten ist. Es wird jedenfalls eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Jahrhunderts auf diesem Gebiete sein, zu verhüten, daß Uebertreibungen des berechtigten Schutzgedankens sich des Beifalls der Gesetzgebung zu erfreuen haben werden. Als dritter Gedanke läßt sich die Erkenntnis von der Notwendigkeit eines international-rechtlichen Schutzes der Urheberrechte bezeichnen. Dieser hat sich erst nach und nach Bahn gebrochen, zunächst den Abschluß von Staatsverträgen zwischen zwei Staaten bewirkt, um schließlich zu der Begrün dung einer internationalen Union zum Schutze des Urheber rechts zu führen, innerhalb welcher jeder rechtliche Unterschied zwischen eigenen Staatsangehörigen und Angehörigen anderer Unionsstaaten verschwunden ist. Neben der in das Rechts bewußtsein der meisten Kulturvölker übergegangenen Wahr heit, daß die Antastung der Urheberrechte mit dem Diebstahl auf gleicher Stufe steht, ist die Begründung dieses Verbandes wohl der bedeutsamste positive Erfolg, mit dem die Ent wickelung des Urheberrechts des neunzehnten Jahrhunderts abschließt. Wenn man hiernach auch mit dem, was auf diesem Gebiete im Laufe vou hundert Jahren erreicht wurde, in Anbetracht der vorhandenen Schwierigkeiten wohl zufrieden sein kann, so ist anderseits doch nicht außer acht zu lassen, daß so manche Aufgabe auf urheberrechtlichen! Gebiete vom zwanzigsten Jahrhundert noch ungelöst übernommen wird. Noch giebt es hochentwickelte Kulturstaaten, die der Ansicht sind, daß der Ausländer in Ansehung seiner Urheberrechte nicht den Anspruch auf staatlichen Schutz besitzt wie der eigene Staatsangehörige, noch fehlt es nicht an Staaten, die die Lehre von der ausschließlichen Verfügungsbefugnis des Urhebers zu den konventionellen Lügen der Kulturmenschheit rechnen; noch genießt das litterarische Freibeutertum da und dort die ge fällige Unterstützung der Gesetzgebung; noch ist die Zahl der Staaten nicht klein, die sich dem internationalen Schutzver- bande fernhalten. Es bleibt also auch im neuen Jahr hundert noch genug zu thun und es braucht nicht befürchtet zu werden, daß diesem keine Lorbeeren auf dem Gebiete der Weiterentwickelung und Ausbildung des Urheberrechts Vor behalten seien. Aber die schwierigere Aufgabe hat das zu Ende gehende Jahrhundert gehabt, dem für ihre Lösung das Verdienst auch nicht geschmälert werden darf. Ihm war es vergönnt, die Ueberzeugung, daß der Schutz der Urheberrechte ein elementares Gebot der Rechtsordnung bildet, weithin zu ver breiten und so die Grundlage zu schaffen, aus der das