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267, 16. November 1SSS. Nichtamtlicher Teil. 8685 Unterscheidung in die Wortbilder hinein, wie es der deutsche Druck bei d und k thut. Ein weiterer Nachteil der Latein schrift ist die mangelnde Ausnutzung der Unterlängen, da sie gegenüber sieben Buchstaben mit Oberlängen (außer den ge nannten noch t und t) nur vier mit Unterlängen hat (g, U p, ll)- Die deutsche Schrift dagegen hat Unterlängen bei acht Buchstaben (s, g, h, j, p, q, s, z), darunter, was der Lateinschrift ganz abgeht, zwei Buchstaben (f, s) gleich zeitig mit Ober- und Unterlängen. Das s fehlt dabei der Lateinschrift ganz. Dagegen haben die einzelnen Lateinbuchstaben bei gleicher Grundform den Vorzug größerer Einfachheit, die dem Wort bilde ohne Frage eine klarere Durchsichtigkeit verleiht; die deutschen Buchstaben sind eben mehr verziert, oft zum Schaden der Deutlichkeit. Beim Korrekturlesen bin ich über u und u in der Lateinschrift nie im Zweifel gewesen, bei deutschem Druck habe ich trotz vorzüglicher Augen häufig zur Lupe greifen müssen! Nun hat offenbar Verzierung mit dem Zweck der Schrift nichts zu thuu. Aber es liegt nun einmal in unserer deutschen »Gemütlichkeit«, daß wir das rein prak tische gern in wohlgefälliger Erscheinung sehen; und das ist wohl der ganze Untergrund der von Freunden der deutschen Schrift aufgestellten Behauptung, daß sie dem deutschen Wesen besser entspräche. Nur sollten sie sich nicht bezüglich der größeren Schönheit der deutschen Schrift auf Albrecht Dürer berufen. Sicher ist Dürer nicht für die Formen der Großbuchstaben der Fraktur verantwortlich zu machen, die den Stil einer späteren Zeit aufweisen. Mag man über diesen Barockstil an sich denken wie man will, jedenfalls beleidigt die Mischung solcher verschiedenartigen Stile bei Groß- und Kleinbuchstaben das Auge jedes mit Schöuheitsgefühl Begabten. Nur die Geivoh uh eit läßt darüber hinwegsehen, wie sie auch die durch völlige Verzerrung der Formen erzielte Undeutlichkeit der Großbuchstaben nicht zuin Bewußtsein kommen läßt, bis man sie durch Zusammenstellung von Wortbildern aus lauter solchen Zeichen unbestreitbar macht. Dürers Großbuchstaben entsprechen zwar im Stil den kleinen, dagegen waren sie wo möglich noch undeutlicher als die heute gebräuchlichen. Aber sie waren auch gar nicht für Druckzwecke bestimmt, sondern als Zierate gedacht »für bauleut und maler, so etwan schrift an die hohen gemeuer pflegen zu machen«. Diese Nachteile vermeidet der Schwabacher Druck*) mit seinen schönen klaren und zugleich stilgerechten Groß buchstaben. Auch die kleinen Buchstaben sind deutlicher als bei der Fraktur, indem sie bei einigen häufigen Zeichen »breiter laufen« (b, d, h, in, u, u), was auf die Lesbarkeit sehr günstig einwirkt, und den Unterschied von f und s etwas schärfer betonen. Der Schwabacher Druck kann von jedem nur an Lateinschrift gewöhnten Ausländer ohne weiteres gelesen werden. Das ist keine Rücksicht auf das Ausland; es kommt nur dem Deutschtum zu gute, wenn wir den Aus ländern das Eindringen in die deutsche Sprache erleichtern. Und für die Bewahrung des Deutschtums im Auslande ist es wichtig, wenn die dort von klein auf an die Lateinschrift gewöhnte Jugend ihre deutsche Sprache nicht in einem sie schwerer verständlich machenden Gewände findet. Dazu ge nügt aber vollständig die Schwabacher Schrift, deren mit der Fraktur gemeinsame Vorzüge, die sie als »deutsche« Schrift kennzeichnen, wir nicht dem Lateindruck zuliebe aufgeben wollen. Damit wäre also eine deutsche Schrift als Mittel der *) Wenn ich hier nur von Schwabacher Schrift rede, so schließe ich andere neuerdings entstandene, vielleicht ebenso schöne und brauchbare Schriftformen keineswegs aus, vorausgesetzt, daß sie durch Wahrung der oben angegebenen Vorzüge sich als - deutsche « Schriften kennzeichnen. Krchrulldlechjtgst« Jatzrza«-. Unterscheidung von anderen Völkern für den Druck gewahrt. Der Druck kommt aber offenbar zu diesem Zwecke in erster Linie in Betracht. Und wenn wir im Druck die deutsche Schrift festhalten, so hat die Uebereinstimmung mit dem Druck zu entscheiden, was deutsche Schreibschrift ist. Die Ant wort kann nur lauten: die Kursivschrift. Die Schreibform für d, e, h, nt, n, p, r, s, v, w kann nur ck, e, /r, -n, n, s, v, w, nicht die gebräuchliche, im Druck gar nicht wieder zugebende Kurrentform dieser Buchstaben sein, die, abgesehen von ihrer Entstehung aus Mißverständnissen und Willkür- lichkeiten von Abschreibern, einen grundverschiedenen Charakter trägt. Die Kursivschrift, der die in neuerer Zeit auf gekommene, für manche Hand bequem zu schreibende, wegen der Aufgabe der geraden Striche für die Lesbarkeit aber nichts weniger als vorteilhafte Rundschrift keinesfalls gleichgesetzt werden darf, ist jedenfalls handlicher und schreibflüch tiger als die Kurrentschrift und damit dem Zwecke der Schrift besser angepaßt. Bei vielen Buchstaben sind es aller dings nur die »Tempos« der Schreiblehrer, die die lateinische Schrift kürzer erscheinen lassen; das a z. B. wird, wenn es nur in zwei Tempos geschrieben werden soll, einfach zum n; mit dem oberen Schluß des Buchstabens durch einen vor gezogenen Bogen des ersten oder einer Schlinge des zweiten Striches erfordert es gerade so viel Zeit wie das Kurrent-a. Aber gerade die häufigen Buchstaben »r, n, rr, v, rv sind in der That viel geläufiger als die entsprechenden Kurrentbuch staben, wenn ich auch nicht so weit gehe, aus der doppelten oder mehrfachen Zahl der »Schreibtakte« eine entsprechend größere Zeit des Nicderschreibens herauszurechnen. Bei dein im Verhältnis zu e unhandlichsten Kurrentbuchstaben kommt die leichte Verwechselung mit n hinzu. Dafür, wird gesagt, sei die Lateinschrift durch die bedeutende Größe der Buch staben erschwert. Dem widerspricht, daß die ABC-Schützen mit derselben Größe bei den »deutschen« Buchstaben anfangen, und wenn sie später das Lateinische größer schreiben, so liegt das eben in der geringeren Gewöhnung. Die Größe der Buch staben ist überhaupt ein graphologischer Unterschied und hat mit der Schriftart nichts zu thun. Wenn der Charakter des Schreibenden hohe Buchstaben verlangt, werden sie auch iu deutscher Schrift groß; eine Größe der Buchstaben, wie sie die deutsche Handschrift Bismarcks aufweist, wird von wenigen Lateinschriften erreicht. Ich weiß auch noch genau, als ich in jungen Jahren mit bewußter Absicht zur Kursivschrift über ging, war diese anfangs größer als meine Kurrentschrift; sie nahm aber bald ab bis zu genau der Größe, die jene ge habt hatte. Aber wir müssen diese altdeutsche Schreibschrift noch durch die Formen ergänzen, die die neudeutsche Kurrentschrift mit dem Frakturdruck gemein hat und sie dadurch zu einer- deutschen Schrift, auch im Sinne der Deutschschriftfreunde, ausgestalten. Es handelt sich namentlich um Aufnahme des langen s, des st und ß, sowie die Verwendung der Unter längen bei h und z, auch Umänderung einiger Großbuch staben nach dem Druck, z. B. des sU, wobei ich von Fragen der Rechtschreibung noch ganz absehe. Vielleicht wendet jemand ein, daß man dann ebenso gut die deutsche Schrift beibehalten und nach der Lateinschrift verbessern könnte. Das gebe ich vollständig zu und bin gern einverstanden, wenn man meine Handschrift lieber eine verbesserte deutsche Schrift nennt. Denn die noch verbleibenden Unterschiede sind un wesentlich und jedenfalls geringer, als was Charakter und Laune an Buchstabenformen in jeder Schriftart schaffen. Habe ich vorhin die Bedeutung einer nationalen Schrift als Unterscheidungsmittel gegen andere Völker zugegeben, so muß ich jede Kräftigung unseres Volkes für den Kampf ums Dasein mit anderen Völkern noch viel mehr will kommen heißen. Eine solche liegt in den Aufgaben des 115t