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156, 8. Juli 1899. Nichtamtlicher Teil. 4981 »Gegenüber so schreienden Uebelständen, wie sie dieser Prozeß blosgelegt hat, ist der laute Ruf nach Abhilfe begreiflich. Aber wo liegt der wirkliche Uebelstand? Offenbar doch nur in der Art, wie man sich erkundigt und gute Auskunftsquellen aus falscher Sparsamkeit vermeidet. Was not thut, ist die Beherzigung fol gender Wahrheiten: -Nimmt man die Erkundigungspflicht ernst, wie es der moderne Verkehr verlangt, hört der Unfug auf, jeden ersten besten Prospekt als Legitimation dafür anzusehen, daß man es mit einem ver trauenswürdigen Auskunftsbureau zu thun habe, wird die Eng herzigkeit ausgegcbcn, mit der so viele Geschäftsleute noch immer dem Auskunftswesen gegenüberstehen, indem sie ihr Vertrauen dorthin richten, wo ihnen die niedrigsten Pfennigtarife angeboten werden, wird es allgemein Regel in unserem Handelsstanoe, die Einrichtungen der berufsmäßigen Krediterkundigung dadurch zu fördern, daß man bei ihr ununterbrochen und in weitestem Um fange alle Erfahrungen aus dem Kreditverkehr niederlegt, — dann werden Auskunftsbureaux, die auf Täuschung ausgehen, keine Rolle mehr spielen, dann wird, ohne daß erst irgend welche Re formen einzuführen wären, die Geschäftswelt in verständiger und wirksamer Selbsthilfe in allen Zweigen ihres Geschäftsverkehrs sich der unvergleichlichen Bürgschaften unverkürzt zu erfreuen haben, die die organisierte Erkundigung ihr bieten kann und Hundert- tauscnden ihrer Mitglieder heute bereits bietet; dann wird auch die Möglichkeit beseitigt sein, daß deutsche Exporteure in öffent licher Gerichtsverhandlung eine so beschämende Rolle spielen, wie sie dieser lehrreiche Konstanzer Prozeß ergab; dann wird auch die schwere Schädigung aufhören, die dem soliden Geschäft die Ver schleuderung erschwindelter Waren so überreich zufügt. Wenn allein in Deuschland in Konkursen alljährlich weit über 100 Millionen Mark vollständig ausfallcn, so muß man sich sagen, daß an der gewissenhaften Erkundigung nicht blos der Einzelne, sondern die Gesamheit ein Interesse hat!» Publikationen der Historischen Kommission derPro- vinz Sachsen. — Ueber den Stand der Publikationen der Historischen Kommission der Provinz Sachsen wurde nach dem -Reichsanzeiger» in der 25. ordentlichen Sitzung in Cisleben am 10. und 11. Juni d. I. folgendes berichtet: Von den -Geschich tsqucllen» wurde im vergangenen Ver waltungsjahr das Urkundcnbuch des Hochstifts Merseburg von Professor Or. Kehr fertiggestellt. Zur Ausgabe gelangte das vom Bibliothekar Di-. Hortzschansky bearbeitete Register zu den Matrikeln der Universität Erfurt. Von dem Urkundenbuch der Stadt Goslar, herausgegeben vom Landgerichtsdirektor Bode, befindet sich der 111. Teil, der die Jahre 1301—1337 umfaßt, im Druck. Die Arbeiten des vr. Kohlmann an dem Urkundenbuche der Stadt Halle, sowie die Arbeiten von Professor vr. Jäger an dem Eichsfcldischen Ur kundenbuche und die Herausgabe der Chronik des Konrad Stolle durch Gymnasialdirektor vr. Thiele in Erfurt sind weiter gefördert worden. Bon den »Darstellenden Veröffentlichungen« erschienen: eine Abhandlung von Oberlehrer vr. A. Pick über: Schiller in Lauchstädt im Jahre 1803 (als Neujahrsblättcr für 1899) und die von Gymnasialdirektor vr. Dannehl in Sangerhausen heraus- gegcbene Lebensbeschreibung des verstorbenen Direktors des Pro- vinzial-Museums, vr. Julius Schmidt. Von den -Bau- und Kunstdenkmälern der Provinz Sachsen» ist im vergangenen Verwaltungsjahre das 21. Heft herausgegeben worden; es ist von Obcrpfarrer Wernicke bearbeitet, und behandelt die beiden Kreise Jerichow. Das 22. Heft über Halberstadt, Stadt und Land, verfaßt von dem Provinzial-Kon- servator vr. Doering, sowie die Arbeit über den Kreis Wittenberg von Architekt Schönermark befinden sich im Druck. Auch die von Oberlehrer vr. Brinkmann besorgte Herausgabe der Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Aschersleben befindet sich in raschem Fortgang. Die Arbeiten des Sanitätsrats vr. Zschiesche in Erfurt über die vorgeschichtlichen Wallburgen der Finne, Hohen Schrecke und Schmücke haben einen vollständigen Abschluß noch nicht erreicht. Doch steht die Jndrucklegung des Textes in naher Aussicht. Das -Provinzial-Museuni-, mit dessen Verwaltung nach dem Weggange des bisherigen Direktors vr. Kautzsch seit dem 1. Januar 1889 Major a. D. vr. Förtsch betraut ist, hat einen nicht unwesentlichen Zuwachs an vorgeschichtlichen und geschicht lichen Altertümern erhalten. Namentlich die vorgenommenen Ausgrabungen ergaben wertvolle Ausbeute. Die wissenschaftliche Ordnung und Aufstellung wird in gewohnter Weise fortgesetzt. Vor allem ist es den Direktoren vr. Kautzsch und vr. Förtsch gelungen, die Herstellung der -Wandtafel vor- und frühgeschicht licher Gegenstände aus der Provinz Sachsen» zu vollenden. Es wird beabsichtigt, diese Wandtafel unentgeltlich an sämtliche Volksschulen der Provinz und zum Aufhängen an geeigneten öffent- Eeck>Su»ds«ch,1ns<» Icibraa»!. lichcn Stätten zu verteilen, doch schweben darüber noch Verhand lungen. Die Wandtafel wird auch im Buchhandel käuflich sein. Die Arbeiten zur Flurkartenforschung sowie die Her stellung von Grundkarten sind wie in den Vorjahren fortgesetzt morden. — Das von Professor Hertel bearbeitete »WüstungS- verzcichnis des Nordthüringgaues» ist im Druck abgeschlossen und wird nach Herstellung des Registers herausgegeben werden. Ebenso ist auch die Bearbeitung des Wüstungsverzeichnisses der Kreise Heiligcnstadt, Worbis, Mühlhausen (Stadt und Land) und Duder- stadt von deni Geheimen Regierungsrat v. Wintzingerode-Knorr vollendet und dem Druck übergeben. Gesellschaft für Bibliophilen. — Die vor kurzem in Deutschland nach dem Vorgänge des Auslands gegründete Gesell schaft der Bibliophilen (vergl. Börsenblatt 1898 Nr. 248, 277, 285, 299; 1899 Nr. 36) kündigt ihre erste Vereinsgabe an, wovon wir auf dem Umwege durch die Tagespresse erfahren. Die National zeitung, der wir die Mitteilung entnehmen, berichtet darüber: »Zuerst war in Aussicht genommen, das im Weimarischen Goethe- und Schiller-Archiv befindliche handschriftliche Gedichtbüchlein »Annette» in genauer Nachbildung zu veröffentlichen, das Goethes Leipziger Lieder an seine geliebte Käthchcn Schönkopf in zierlichster Niederschrift enthält. Da aber die Erlaubnis für diese Repro duktion nicht zu erlangen war, so hat der Vorstand, im Hinblick auf den bevorstehenden hundertfünfzigsten Geburtstag Goethes, be schlossen, ein anderes Werk des Dichters im Faksimile-Druck erscheinen zu lassen. Es ist dies die schöne Handschrift des jugendlichen Lust spiels -Die Mitschuldigen-, die mit Salomon Hirzels Goethe-Samm lungen in die Leipziger Universitätsbibliothek gekommen ist und die ursprünglich ein Äeschenk des Dichters an Friederike Brion in Sesenheim gewesen ist, deren Familienname in alter Handschrift sich auf dem Porsatzblatte befindet. Das 79 Quartblätter umfassende Heft, ganz von Goethes Hand geschrieben, enthält die zweite dreiaktige Bearbeitung der Komödie, die aus einem merkwürdigen Umstande ziemlich bestimmt zu datieren ist. In der köstlichen Scene zwischen dem bestohlenen Alcest und dem neugierigen Wirt (3. Akt, 3. Scene), worin dieser, um zu dem Inhalt des angekommenen Brieses zu gelangen, seine eigene Tochter fälschlich des Diebstahls beschuldigt, jragt der Wirt in dringlicher Weise seinen Gast um die etwa im Briefe enthaltenen neuen Nachrichten. Er rät auf Neuigkeiten aus Amerika, auf eine Krankheit Friedrich des Großen, auf die Soldatenverkäufe in Hessen, auf den Kaiser, und dann hat Goethe hier eine neue Frage eingefügt, ob der Brief »nichts vom Kometen- enthält. Hier kommt die Astronomie der Litteraturgeschichte zu Hilfe, indem sie nachweist, daß vom 8. August bis zum 1. De zember 1769 ein großer Komet am Himmel stand, der am schönsten im September den Blick anzog. Aus dieser immerhin merkwürdigen Einfügung kann wohl mit Recht geschlossen werden, daß Goethe, um seiner Komödie einen kleinen aktuellen Reiz zu geben, die Aenderung vornahm. -Die Mitschuldigen- werden Seite für Seite in genauem Faksimile erscheinen; die Reproduktion besorgt I. I. Weber in Leipzig». Deutsche Buchdrucker-Verufsge nossenschaft. — Dem Geschäftsbericht 1898 der Deutschen Buchdrucker-Bcrufsgenossenschaft, der in der Jahresversammlung in Kiel am 30. Juni vorgetragen wurde, entnehmen wir folgendes: Der Genossenschaft gehörten im Laufe des Jahres 1898 an 5245 Betriebe mit 98 698 versicherten Personen. Gegen das Vor jahr hat die Zahl der Betriebe um 231, die der versicherten Per sonen um 4098 zugenommen. Hiervon schieden durch Betriebs einstellung 83 Betriebe mit 369 versicherten Personen wieder aus, so daß der Bestand am 31. Dezember 1898 5162 Betriebe mit 98 329 Personen betrug. Von obiger Personcnzahl waren 98 626 vcrsicherungspflichtig und 72 versicherungsberechtigt. — Was die Größenverhältnisse der 5245 Betriebe anbelangt, so verteilen sich diese auf 3321 Betriebe mit bis zu 10 beschäftigten Versicherungs- Pflichtigen Personen, 1514 mit mehr als 10—50, 257 mit mehr als 50—100, 153 mit mehr als 100 Personen. Unfälle ereigneten sich im Berichtsjahre 1507; hiervon kamen 1119 auf Buchdruckerei, 54 auf Schriftgießereien und Messing linienfabrikation, 47 auf Stereotypie, 23 auf Chemitypie, Galvano- plastische Anstalten und Klischeefabrikation, 3 auf Liniieranstaltcn, 93 auf Stein-, Kupfer-, Licht- und Notendruckerei, 134 auf Buch- biuderei, Kouvcrt- und Dütenfabrikation, 15 auf mechanische Werk stätten, 19 auf Lagerei in Verlags- und Papierhandlungen. Diese Unfälle betrafen 994 männliche und 283 weibliche erwachsene und 203 männliche und 27 weibliche jugendliche Personen, zusammen 1197 männliche und 310 weibliche Personen. Gegen das Vorjahr- Haben sich die Unfälle um 299 vermehrt und von dieser Zunahme entfallen allein 212 auf die Buchdruckerei. Erstmalig entschädigt wurden 202 Personen, und zwar 120 männliche, 51 weibliche erwachsene, 26 männliche, 5 weibliche jugendliche Personen. Die meisten dieser Verletzungen (144) er- 662