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85, 14 April 1899. Nichtamtlicher Teil. 2779 »Von dem Begriffe des Schriftwerkes aus gelangt man nun aber zur Verwerfung des Antrages. Das Preisver zeichnis, das widerrechtlich vervielfältigt sein soll, kann im Sinne des Gesetzes nicht als ein Schriftwerk gelten. Es soll keineswegs jedes Schriftstück Rechtsschutz genießen, sondern nur ein solches litterarisches Erzeugnis, das, aus einem eigen artigen Innenleben geboren, sich als Ausfluß einer individuellen geistigen Thätigkeit darstellt. Damit ist der gesetzliche Begriff des Schriftwerkes gegeben. Dasselbe ist ein in der Schriftform individualisierter Gedankeninhalt. Davon ist hier aber nicht die Rede. Ein bloßer Preiscourant trägt nicht schon ohne weiteres das Zeichen einer aus einer selbständigen Geistesoperation hervorgegangenen Leistung an sich. Er ist keine Neuschöpfung, die sich in der Produktion neuer Gedankenreihen oder in der Umbildung, Ergänzung oder eigentümlichen Zusammenfügung eines vorhandenen Ge dankenmaterials offenbarte. Er hat die Mitteilung von Thatsachen, nicht von Gedanken zum Gegenstände. War sein Aufbau mit Mühe und Arbeit verbunden, so entbehrt er doch eines originellen Gehalts. Es ist keine litterarische Individualität, keine Geistesthat, die nur einer in bestimmter Weise gearteten Persönlichkeit ihre Entstehung verdanken konnte. — Damit soll nun nicht ausgesprochen sein, daß ein Preisverzeichnis nicht unter Umständen auch zu einem Schriftwerke in der gesetzlichen Bedeutung dieses Wortes zu gestalten wäre. Das ist allerdings möglich. Ist dasselbe in eigentümlicher Form ausgestattet oder bietet es neben der Bekanntmachung von Waren und Preisen des Gewerbe treibenden auch Erörterungen kritischer oder belehrender Natur, so kann es dadurch über seine gewöhnliche Sphäre hinaus und zu einem Erzeugnisse schöpferischer Urheberthätigkeit hinaufgehoben werden.« — Das dem Streitfälle zu Grunde liegende Verzeichnis entspreche — so wird dann weiter er örtert — diesen Anforderungen nicht, seine Vervielfältigung könne demnach nicht unter den Begriff des Nachdrucks ge bracht werden. (Hanseat. Ger.-Ztg. Hauptbl. 1897, Nr. 41, 21. Oktober 1897.) (L. in Osterrieths »Gewerblicher Rechts schutz und Urheberrecht« 1899, Nr. 3.) Kleine Mitteilungen. Vom Reichstag. — Der Reichstag beriet am 12. und 13. d. Mts. in erster Lesung den Entwurf betreffend Aende- rungen im Gesetz über das Postwesen (vgl. Börsenblatt Nr. 33 (Wortlauts und 34 (Begründung)). Der Gesetzentwurf erhöht das Gewicht für einfache Briefe auf 20 Gramm und setzt folgende Gebühren für die Beförderung von Zeitungen fest: s) 10 für die Bezugszeit ohne Rücksicht auf deren Dauer; b) 15 jährlich für das wöchentlich einmalige oder seltenere Erscheinen, sowie 15 mehr für jede weitere Ausgabe in der Woche; o) 10 jährlich für das Kilogramm des Jahres gewichts, mindestens aber 40 ->) jährlich für jede Zeitung. Ferner gestattet der Entwurf die Beförderung von Briefen und Zeitungen durch cxprcsse Boten nur dann, wenn der Bote von nur einem Absender abgcschickt wird, und nur für bis zu 5 Kilogramm. Die Beförderung geschlossener Briefe soll in Zukunft nur noch der Post gestattet sein. Privatunternehmungen zur Beförderung unverschlossener Briefe, Drucksachen, Karten und Warenproben sollen nur noch mit Genehmigung des Reichskanzlers, in Bayern und Württemberg mit Genehmigung der Landescentralbehörde gestattet sein. Die infolge des Entwurfs aufgehobenen Privatpostanstalten sollen für den ihnen dadurch entstandenen Schaden und den ent gangenen Gewinn nach den Grundsätzen des neuen bürgerlichen Gesetzbuches entschädigt werden. Ebenso sollen die Beamten solcher Anstalten mit einer einmaligen Summe, die einem Teile ihres Jahresgehalts oder dem ganzen Jahresgehalt entspricht, abgefunden werden. Der Staatssekretär von Podbielski begründete das Gesetz und verwies auf den vorjährigen Versuch, diese Materie gesetzgeberisch zu ordnen. Die vorjährige Vorlage sei hin sichtlich der Privatpostanstalten nach anderer Richtung hin er weitert worden. Auch die Postzeitungstarif-Reform, deren Fehlen im Vorjahre bemängelt worden sei, sei in der Vorlage enthalten. Die Reform des Postzeitungstarifs sei aus Gründen der Gerechtigkeit unbedingt notwendig, der jetzige Zu stand sei unhaltbar. Die vorgeschlagene Reform solle Millionen Mark Einnahmen bringen und damit den völlig widersinnigen Zustand beseitigen, daß die Post für den Vertrieb der Zeitungen etwa 1,6 Millionen Mark an den Kosten zusetzen müsse. In Zu kunft werde die Gebühr nach der Häufigkeit des Erscheinens und nach dem Gewicht der Blätter berechnet werden. Redner verlas dann -Stilblüten- aus Artikeln parteiloser Blätter gegen den Post zeitungstarif. -Wechselbalg», »entartete Mißgeburt, die am grünen Tisch gezeugt worden sei», seien solche Ausdrücke. (Heiterkeit.) Redner wies dann auch eine Reihe von ernsthaften Einwendungen gegen den Postzeitungstarif zurück, so die Feststellung des Ge wichts re. Auch der Vorwurf, die Regierung verfahre nach dem Rezept der Agrarier und zöge die großen Orte zu gunstcn des platten Landes aus, sei unbegründet. Die Post müsse mit lleber- schüssen arbeiten, sonst verfalle sie in eine Defizitwirtschaft, wie das Beispiel von Amerika zeige. Die Konkurrenz der Privatpost- anstaltcn müsse im Interesse der Reichspost und des Verkehrs be seitigt werden. Die Expreßbeförderung der Zeitungen nach den Vororten durch die Verleger selbst müsse eingeschränkt und dem Postgesetz von 1871 angepaßt werden. Was die Entschädigung an die Privatpostanstalten betreffe, so erkenne die Regierung keinen Rechtsgrund dafür, sondern nur Billigkeitsgründe an. Die meisten Anstalten beständen noch nicht lange, die meisten erst seit 1895, die älteste seit 1885. Die Entschädigung dürfte also nicht zu hoch bemessen werden. An der sehr lebhaften Besprechung in der Sitzung vom 12. April beteiligten sich außer dem Staatssekretär die Abgeordneten vr. Marcour (Centr.), von Waldow und Reitzen st ein (kons.), Singer (Soz.), Hasse (nat.-lib.), Pachnicke (freist Vereinigg.), Graf Bernstorff (Reichsp.). Darauf wurde die Fortsetzung der Beratung auf den 13. April vertagt. Beschwerden aus dem Handels stände. (Vgl. Nr. 42 d. Bl.). — Auf die Eingabe des -Schutzverbandes für Handel und Gewerbe» in Leipzig, betreffend die Mitgliedschaft von städtischen Beamten und Lehrern bei Konsumvereinen oder Beteiligung von solchen an wirtschaftlichen Vereinigungen u. s. w., hat der Rat der Stadt Leipzig folgende Antwort an den Schutzverband ge langen lassen: -Antwortlich Ihrer am 14. März hier eingegangenen Zuschrift teilen wir Ihnen mit, daß Ihr 3. Antrag (dieser betraf die Warenangebote in städtischen Bureaux und Expeditionen) um deswillen von vornherein unbegründet erscheint, weil das bean tragte Verbot seit Jahren erlassen ist und demgemäß zu irgend welcher Beschwerde Grund nicht vorliegt. Was Antrag 2 an langt (Verbot der Agentur und Warenvermittcluna durch Be amte und Lehrer), so verweisen wir auf H 9 unseres Ortsstatuts, die Rechtsverhältnisse der Gcmeinde-Unterbeamten und städtischen Angestellten betreffend, nach dem kein Beamter ohne vor- gängiae Genehmigung der Dienstbehörde ein Nebenamt oder eine Nebenbeschäftigung, mit der eine Remuneration verbunden ist, übernehmen oder ein Gewerbe betreiben darf. Derartige Ge suche um Genehmigung liegen nicht vor, so daß auch hier kein Beschwerdcgrund vorhanden ist. Was dagegen Ihren Antrag 1 anlangt (Verbot der Beteiligung städtischer Beamten und Lehrer an Konsumvereinen oder sonstigen Wirtschaftsvereinigungsn), so sind wir nicht in der Lage, die Freiheit der Beamten in ihrer Entschließung in der beantragten Weise zu beschränken, da es, syweit es sich um die gegenwärtig angestellten Beamten handelt, uns an jedem Rechtsgrund hierzu fehlt, und es auch für die erst zukünftig anzustellendcn einer Acnderung des ge dachten Ortsstatuts bedürfen würde, zu der wir uns aber nicht verstehen können.» Centralausschuß kaufmännischer, gewerblicher und industrieller Vereine Berlins. (Telephon. Ladenschluß.) — Der Ccutralausschuß hat seine Begutachtung des Entwurfs einer Fernsprechgebühren-Ordnung beendet. Cr erklärt sich in einer Resolution gegen jede Erhöhung der Fernsprech-Gcbühren für Berlin. Im Hinblick aus die Erfahrungsthatsache, daß jeder Vcr- kehrserleichterung eine Verkehrserhöhung folge, spricht der Ccntral- ausschuß vielmehr die Hoffnung aus, daß bei der beabsichtigten Neuregelung der Fernsprechgebühren sich eine allgemeine Ver billigung der Gebühren für die Teilnehmer ermöglichen lasse. — Der Centralausschuß hat gleichzeitig seine Beratungen über die Gewerbeordnungs-Novelle beendet. In der hierüber dem Reichstage übermittelten Eingabe wird die grundsätzliche Zustimmung zu den darin getroffenen Festsetzungen ausgedrückt. Die Bestimmung, wonach auf Antrag von zwei Drittel der be teiligten Geschäftsinhaber durch Anordnung der höheren Verwal tungsbehörde der Ladenschlußzwang während bestimmter Stunden angeordnet werden kann, fand dagegen keine Zu stimmung. Unter eingehender Begründung der Ablehnung des 371»