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47, 25. Februar 1899. Nichtamtlicher Teil. 1559 deuteudfte und reichhaltigste Sammlung, die es größtenteils dem verdienstvollen Professor Kumsch verdankt; eine kleinere, aber gut ausgewählte Sammlung entstand im Kupferstichkabinett unter der Leitung vr. Jean Louis Sponsels. Ferner besitzt das Hamburger Kunstgewerbemuseum eine wertvolle und interessante Sammlung, um die sich der rührige Direktor- Max Brinckmann verdient gemacht hat. Von Privatsamm lungen ist wohl eine der bedeutendsten die des Herrn G. Müller in Düsseldorf, die im Jahre 1897 im Lichthofe des Düssel dorfer Kunstgewerbemuseums öffentlich ausgestellt war, sich aber seitdem schon wieder verdoppelt hat, so daß sie jetzt über 300 Nummern zählt. Einen großen Teil an der Ent wicklung der Plakatkunst in Deutschland haben unsere Kunstanstalten, wie Meisenbach Riffarth L Co. in München, Berlin und Leipzig, Wilhelm Hoffmann, Theodor Beyer und Meinhold L Söhne in Dresden, Giesecke L Devrient, Grimme L Hempel in Leipzig, Knorr <L Hirth und vr. Wolfs L Sohn in München, Otto von Holten, Büxenstein L Co. und M. Fischer in Berlin. Am frühesten weisen in Deutschland die Plakate für Ausstellungen jeglicher Art das Erwachen eines künstlerischen Gewissens auf. In einer Zeit, als die Renaissance bei uns wieder zu neuem Leben erwachte, entwarfen der Bremer Arthur Fitger, der Berliner Carl Röchling und der Münchener- Rudolf Seitz Ausstellungsplakate nach alten Glasgemälde entwürfen und Epitaphien des 17. Jahrhunderts mit jenem dekorativen Beiwerk von Wappen, Emblemen und Allegorieen der Renaissanceperiode. Dann sind hauptsächlich noch die Marinemaler Hans Bohrdt und Willi Stöwer und der be rühmte Zeichner und Jgustra^or Carl Wilhelm Alkers zu nennen, deren Plakate als Uebergang zu dem modernen Kunstplakat angesehen werden dürfen, das durch die Schöpfungen des Professors Länger — Plakat für die Pianofortefabrik von Schiedmayer in Stuttgart — des Professors Nicolaus Gysis — Plakat für Pianos von Ibach — und des Professors Franz Stuck ins Leben trat. Stuck hat verschiedene Plakate für Münchener Kunstausstellungen entworfen, von denen als besonders bekannt und als bestes das Plakat für die Aus stellung der Secession im Jahre 1893 zu erwähnen ist. Es dient noch heute als Wahrzeichen der Secession; seine ganze Fläche scheint aus Goldmosaikteilchen zusammengesetzt, aus denen sich in weißem Achteck der Minervakopf wirkungsvoll abhebt. Wohl blühte in manchen Städten die Plakatkunst empor; aber ihren schnellsten und kühnsten Aufschwung nahm sie in München, von wo aus sie ihren Siegeszug durch ganz Deutsch land antrat. Die am 1. Januar 1896 ins Leben getretene »Jugend« sammelte einen Stab junger, reicher Talente um sich wie L. von Zumbusch, Angela Jank, Fritz Rehm, Hans Christiansen, I. R. Witzel, Fidus und Otto Greiner, die sich fast alle mit mehr oder weniger Erfolg im Plakat versucht haben und deren Schöpfungen wohl allgemein bekannt sind. Auch der »Simplicissimus«, der ein Vierteljahr später zu er scheinen begann, führte mehrere starke und bedeutende Ta lente in die Oeffentlichkeit ein wie F. von Rezniceck, Adolf Münzer, Bernhard Pankok und vor allem Thomas Theodor Heine, der diesem Blatte in späterer Zeit ein ganz be sonderes Gepräge, das Gepräge seines Geistes verlieh. Seine erste phänomenale Leistung war das Teufelplakat für diese Zeitschrift, das schon ein großes Können und einen feinen dekorativen Sinn verriet. Künstlerisch be deutender wegen der frappierenden Vereinfachung der Aus drucksmittel sind seine späteren Plakate für den Simplicissimus, vor allem sein Bulldoggenplakat; dann seine Plakate für Fleckwasser und für Tinte und Feder von Aug. Zeiß L Co. Heines eminente Erfindungsgabe, sein feiner Farbensinn, seine originelle und kühne Linienführung und nicht zuletzt seine schneidende Satire haben ihn zu einem Pfadfinder in der Plakatkunst gemacht. Von Dresdener Künstlern sind unstreitig die beiden be deutendsten Otto Fischer und Johann Vincenz Cissarz. Fischers wundervolles, farbentrunkenes und poesievolles Plakat für die Ausstellung des sächsischen Handwerks und Kunst gewerbes in Dresden im Jahre 1896 darf man wohl, ohne Widerspruch zu begegnen, als das beste deutsche Plakat be zeichnen, das im allgemeinen deutschem Empfinden und deutschem Geiste besser entspricht, als der kalte und scharfe Hohn eines Thomas Theodor Heine. Ebenso aus der Tiefe deutschen Geistes geboren sind die Schöpfungen von Cissarz, die einen gewaltigen packenden Stil und einen vornehmen und feinen Farbensinn zeigen, wie vor allem sein neuestes Plakat für den Schnitzlerschen Kunstsalvn in Düsseldorf. Auch Hans Ungers Plakat für Estey-Orgeln ist eine herrliche Schöpfung. Der wundervolle Frauenkopf mit den tiefen, seelenvollen Augen, der schönen Pracht der vollen, schwarzen Haare ist von monumentaler Wirkung. Von weiteren Dresdener Künstlern nenne ich noch Josef Goller, G. Müller- Breslau und Hermann Behrens. Langsamer als in Dresden brach sich das moderne Plakat in Berlin Bahn. Ludwig von Hofmanns Plakat fin den Salon der »Refüsierten« im Jahre 1893 wurde ebenso wie Joseph Sattlers Plakat für den »Pan« verlacht und verhöhnt, das in seiner feinen Symbolik und harmonischen Farbentönung sehr schön wirkt. Fast ebenso erging es dem so oft grundlos angefochtenen Plakat Sütterlins für die Ber liner Gewerbeausstellung 1896, das trotz einiger Schwer fälligkeit großes Talent zeigt, das klarer und bestimmter in dem Plakat für Auer-Licht hervortritt. Prachtvoll ist Hans Baluscheks humoristisches Plakat für das Haarwasser Crinol. Edmund Edel, Leo Prowochnik, Martin Brandenburg, Wil helm Jordan und Otto Protzen sind ebenfalls als junge, hoffnungsvolle Talente zu nennen. Großes Verdienst erwarb sich I. G. Ackermark, als er im November 1898 eine deutsche Plakatausstellung in Berlin eröffnete, die er bald, ermutigt durch das lebhafte und fort gesetzte Interesse der weitesten Kreise, zu einer Art Plakat börse ausgestaltete, um den Verkehr zwischen den Künstlern und Bestellern zu vermitteln und zu erleichtern. Noch nie hat sich eine Kunstbewegung in so kurzer Zeit der ganzen Kulturwelt bemächtigt, wie die moderne kunstgewerb liche und im besonderen die für das moderne Plakat. Sehen wir auf die zehn Jahre der Entwicklung des Plakats zurück, wie es die Künstler aus stupider Schablone erlösten, aus den Händen der Handwerker für sich eroberten, die Plakatindustrie zu einer Plakatkunst emporhoben, blicken wir auf ihre kühnen und großen Erfolge, so müssen wir die Erkenntnis gewinnen, daß es sich nicht nur um eine bloße Modethorheit handeln kann. Auch das Plakat legt Zeugnis von dem Erwachen des künstlerischen Gewissens unserer Zeit ab. Und das Plakat kann und soll als ein wesentliches Mittel zur künstlerischen Erziehung eines Volkes gelten. Das Plakat soll das Bedürfnis nach Kunst, die Liebe zur Kunst im Volke wieder heben, die nicht als etwas Neben sächliches nur an Sonn- und Feiertagen gepflegt werden soll, sondern unser ganzes Leben erfüllen soll. Hat das Plakat das erreicht, so hat es seine Mission erfüllt. Kleine Mitteilungen. Vom Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) — Wegen Ver breitung unzüchtiger Schriften ist am 18. Oktober v. I. vom Land gerichte Köln der Buchdrucker K. zu 3 Monaten Gefängnis ver urteilt worden. Er hat auf Bestellung eine unzüchtige Schrift gedruckt, die nachher u. a. in Köln verbreitet worden ist. Nach der Annahme des Gerichtes hat er durch seine Thntigkcit erst die Verbreitung möglich gemacht. Zu seiner Entschuldigung hatte er 209'