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26, 1. Februar 1899. Nichtamtlicher Teil. 863 Buch- und Kunstgewerbe in ihrer Festschrift Ausdruck zu geben verlangt hätten. Was das Kunstgewerbe seit Jahr zehnten in seinen Tiefen bewege, das gährc zur Zeit auch im deutschen Buchgewerbe, der Kampf um neue Richtungen und Ziele, der Bruch mit der allmächtigen Tradition, die Lust an frischer Künstlerkraft im Anschluß an die alten Meister. Man habe deren bewährte Technik zum Teil wiedererobert, sehe aber wohl ein, daß dieser uns neue Formensinn noch erheblich erweitert und vertieft werden müsse. Diesem Bestreben kämen Bibliothek und Sammlungen des Berliner Kunstgewerbe-Museums, ihrer Aufgabe ent sprechend, gern und mit reich äusgestatteten Kräften entgegen. Das Berliner Kunstgewerbemuseum reicht mit seiner Gründung nur wenig über ein Menschenaller zurück. Die kunstgewerbliche Bewegung kam von England und fand in Deutschland und speziell in Berlin ihre vorwiegende För derung durch das hohe kronprinzliche Paar. 1867 gelang die Gründung eines deutschen Gewerbe-Museums, das in der alten Porzellan-Manufaktur eine Stätte fand und zunächst eine private Anstalt war. Aber vom Staate kräftig gefördert und bereichert, konnte es 1881 den glänzenden Bau beziehen, in dem es volkstümlich geworden ist. 1886 wurde es als Kunstgewerbemuseum völlig vom Staate iibernommen und den Königlichen Museen angegliedert. Von Anfang an war auch eine Bibliothek dabei vor gesehen, die sich zwar schwierig und langsam entwickelte, aber in den großen und zweckmäßigen Räumen des neuen Hauses sich schnell zu frischem Leben aufschwang. Die überraschend steigende Besucherzahl des Lesesaals giebt hiervon Zeugnis. 1882: 9726 Besucher; 1885: 15 200; 1889: 25 291; 1897: 50 684. Naturgemäß liegt der Schwerpunkt der Sammlung weniger in Textwerken als im Abbildungsmaterial und daher llberwiegen, ganz abgesehen von den reichen Blattsammlungen, schon unter den gebundenen Büchern die Bilder- und Tafel werke großen Formates, und der Bestand von etwa 13000 Bänden, die allein die Bibliothek gegenwärtig zählt, ist darum dem äußeren Umfange und dem Werte nach erheblich höher zu veranschlagen als die gleiche Zahl in anderen Bibliotheken. Ein Fachkatalog von 17 geschriebenen sBänden und ein alphabetischer Katalog von 7 Bänden, die beide im Lesesaal aufliegen, orientieren den Besucher. Die Verwaltung bedient sich eines besonderen Zettelkatalogs. Mehr noch als die eigentliche Bibliothek wird deren Sammlung systematisch geordneter Einzelblätter benutzt. In dieser sind gegen 50 000 Tafeln nach Gegenstand, Stilart, Land und Ort in 2400 Mappen bereinigt und bilden eine der vollständigsten Sammlungen dieser Art, die durch sorg fältig durchgeführte Registratur übersichtlich und in bequemer Weise brauchbar gemacht ist. Den Buchhändler und buch gewerblichen Fachmann interessieren aus dieser großen Ornamentstichsammlung natürlich besonders diejenigen Mappen, die Buchornamente, Lxlibrls, Plakate, Druckproben, Nach bildungen alter Handschriften und ähnliches enthalten. Daß das Berliner Kunstgewerbemuseum einen reichen Schatz von diesen Vorlagen besitzt, hat die glänzende Ausstellung gezeigt, die es aus Anlaß der Jubelfeier der Buchhändler-Korporation veranstaltet hat und die in der Fachwelt allgemeine Be wunderung gefunden hat. Von vollständigen Inkunabeln ist in der Bibliothek nicht viel vorhanden; die Ansammlung solcher Schätze würde auch ihrem Zwecke nicht entsprechen, während die überraschend reiche Sammlung von Buchornamenten, Titeln, Initialen, ganzen Druckseiten, Holzschnitten und Stichen, Lxllbris, Drucker marken rc. rc. für den Zweck der Belehrung mehr als genügt. Der Suchende findet hier ein ganz ungewöhnlich reiches und vorzüglich gewähltes Material. Daneben können auch viele große Bilderwerke des 17. und 18. Jahrhunderks, glänzende Prachtwerke der alten französischen Kunst ihm vorzügliche Dienste leisten. Auch ältere und älteste Muster bücher der Schriftgießereien, mit denen die Bibliothek aus gestattet ist, werden ihn interessieren und belehren, ebenso alte Schreibbücher und Zierschriftenwerke, von denen sie gegen 300 Stück besitzt. Außerordentlich reich ist ferner die Samm lung von Besitzermarken (Lxlibrw), von denen dem Kunst gewerbemuseum aus der Hinterlassenschaft des 1894 ver storbenen Architekten Rudolf Springer allein 4000 Stück als Schenkung zugeflossen sind. Neben den Werken der ältesten und alten Meister findet auch die Kunst des 19. Jahrhunderts ihre ausgiebige Ver tretung, freilich mit weiser Beschränkung auf das künstlerisch Wichtige. Für die eigentliche Illustration und andere Ge biete der Druckausstattung, auch für Gelegcnheitszwecke, wie Festkarten, Diplome u. a. m., sind ja vielfach die tüchtigsten Künstler thätig gewesen, und trotz der notwendigen Beschrän kung auf den Unterrichtszweck ist das Anschauungsmaterial aus den modernen Meistern schon auf 50 wohlgefüllte Mappen angewachsen. Namen wie Menzel, Hosemann, Adolf Schrödter, Moritz von Schwind, Graf Pocci, Neureuther, Ludwig Richter und viele andere finden sich hier in größter Reichhaltigkeit. Lithographie, Radierung, Holzschnitt, Licht druck, photomechanische und andere Verfahren folgen sich in fast unerschöpflicher Fülle. Die neueste Kunstrichtung findet in Max Klinger und anderen beredte. Vertreter und Lehrer. Auch an vorzüglichen modernen Druckproben fehlt es nicht, gilt es doch, die Fort schritte der künstlerischen Buchausstattung durch die stilgerechten Proben heutiger Buchkunst zu belegen, unter denen nament lich Engländer, wie Walter Crane, William Morris, Anning Bell, Gaskin, Pissaro, Ricketts u. a. m., und ebenso fran zösische Kiinstler, wie E. de Beaumont, Grasset, llzanne u. a., einen breiten und wohlverdienten Raum einnehmen. Nicht minder wird dem modernen Plakat aufmerksame Pflege zu gewandt. Mehrere Ausstellungen im Lichthofe des Museums haben in strenger Auswahl das Beste ans diesem neuerdings bevorzugten Gebiete der Kenntnis der Fachwelt und der weiteren Oeffentlichkeit vermittelt. Daß der Direktor dieser Bibliothek aufs eifrigste bestrebt ist, neben seiner täglichen Berufsarbeit auch durch öffentliche Vorträge Belehrung in weiteste Kreise, namentlich auch des Buchgewerbes Aufträgen, wissen unsere Leser und erkennen es mit Dank an. Wenn im Buchgewerbe schon längst eine erhebliche Besserung in der Erkenntnis wahrer Kunst einge treten ist und diese^Erkenntnis, wie zu hoffen ist, trotz unseres hastenden Maschinen - Zeitalters immer weitere Fortschritte zum Schönen und Einfachen macht, so wird dem rührigen Leiter und teilweisen Schöpfer dieser Sammlungen, Herrn l)r. Jessen, der uns mit seinein Beitrug zur vorliegenden Festschrift einen Blick in sein Wirken werfen läßt, gewiß ein namhafter Teil des Verdienstes um solchen Fortschritt zuer kannt werden dürfen. * * -t- (Fortsetzung folgt.) Kleine Mitteilungen. Post. — Der Bundes rat hat in seiner letzten Sitzung be schlossen,! dem Absatz 2 des H 2 des Postzollregulativs,folgende Fassung zu geben: Die Zollsteuerbeamten sind befugt, in den Dienst- lokalen der Postanstaltcn der Eröffnung der Brief- und Fahrpost beutel oder Pakete beizuivohnen, um von dem Inhalte Kenntnis zu nehmen. Die Briefe oder Pakete, bei denen die Vermutung zollpflichtigen Inhaltes gerechtfertigt erscheint, sowie der zollamt lichen Behandlung unterliegende Warenprobensendungen sind der zuständigen Zollstelle zur weiteren Veranlassung zuzuführen. Zeitungsstempel in Oesterreich. — In die Bewegung gegen den Zeitungsstempel in Oest-rrcich ist nunmehr auch der 118»