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HL 126, 28. Mai. Nichtamtlicher Theil. 2311 an zu laufen anfangen. Indessen soll bei Werken, welche aus mehreren in Zwischenräumen erscheinenden Bänden bestehen, sowie bei fortlaufenden Berichten oder Heften, welche von literarischen oder wissenschaftlichen Gesellschaften oder von Privatpersonen ver öffentlicht werden, jeder Band, jeder Bericht oder jedes Heft bezüg lich der zehnjährigen und der dreijährigen Frist als ein besonderes Werk angesehen werden. Die Urheber dramatischer oder dra matisch-musikalischer Werke sollen, während der Dauer ihres aus schließlichen Uebersetzungsrechtes, gegenseitig gegen die nicht ge nehmigte öffentliche Darstellung der Uebersetzung ihrer Werke ge schützt werden." Was die in diesem Artikel behandelte wichtige Materie betrifft, so hat sich in dieser Beziehung in Frankreich eine von den in Deutschland bisher gesetzlich und vertragsmäßig festgestellten Grundsätzen erheblich abweichende Rechtsanschauung entwickelt. In Frankreich nämlich geht man von dem Fundamentalsatze aus, daß die Veranstaltung der Uebersetzung eines Werkes zu den dem Autor kraft seines Urheberrechts ausschließlich vorbehaltenen Befugnissen gehört, und daß, so lange als er selbst gegen Nach druck des Originals geschützt ist, keine Uebersetzung ohne seine Genehmigung veranstaltet werden darf. Diesem Grundsätze hat Frankreich in den von ihm neuerdings mit Spanien und Belgien abgeschlossenen Literarconventioneu die vertragsmäßige Aner kennung verschafft. Dem in Deutschland bisher geltenden Ver tragsrecht dagegen liegt ebenso wie den betreffenden Vorschriften der Reichsgesetzgebung die Auffassung zu Grunde, daß das Uebersetzen eines fremden Werkes eine eigene geistige Thätigkeit darstellt, die Uebersetzung also nicht als eine nur mechanische Re produktion des Originals anzusehen ist und der Autor daher nicht verlangen könne, gegen Uebersetzung seines Werkes in dem selben Umfange wie gegen Nachdruck desselben geschützt zu werden. Dem entsprechend hat man in Deutschland, sowohl in der früheren Particulargesetzgebung als auch bei der reichsgesetzlichen Regelung der Materie, und ebenso beim Abschluß der bisherigen Literarconventioneu, im Allgemeinen die Uebersetzungsfreiheit zum Ausgangspunkt genommen und nur in mehr oder weniger beschränktem Umfange und auf einen kürzeren Zeitraum dem Urheber das Recht zugesprochen, die Veranstaltung einer Ueber- setzung seines Werkes von seiner Genehmigung abhängig zu machen. Die in dieser Beziehung zur Zeit geltenden reichsgesetzlichen und beziehungsweise vertragsmäßigen Bestimmungen sind im Wesent lichen folgende: 1) Der Urheber des Werkes muß sich das Recht der Uebersetzung ausdrücklich Vorbehalten haben; 2) die Veröffent lichung der vorbehaltenen Uebersetzung muß bei literarischen Werken binnen einem Jahre nach dem Tage der Anmeldung, beziehungsweise des Erscheinens des Originals begonnen und binnen drei Jahren, von dem gleichen Tage an gerechnet, vollendet sein; 3) die Uebersetzung eines dramatischen Werkes muß binnen drei Monaten nach der Eintragung des Originalwerkes, beziehungs weise, was praktisch auf dasselbe hinausläuft, binnen sechs Monaten nach Herausgabe des Originalwerkes vollständig erschie nen sein; 4) der Anfang und die Vollendung der Uebersetzung müssen in die Eintragsrolle eingetragen werden; 5) unter vor stehenden Voraussetzungen wird der Urheber des Originals während fünf Jahren, von dem Erscheinen der rechtmäßigen Ueber setzung an gerechnet, gegen jede ohne seine Genehmigung ver anstaltete anderweitige Uebersetzung geschützt. — Bei den neuesten Vertragsverhandlungen war das Bemühen Frankreichs anfänglich dahin gerichtet, das Prinzip der Gleichstellung der Frist für den Schutz gegen Uebersetzung mit der Frist für den Schutz gegen Nachdruck zur Geltung zu bringen. Dies konnte diesseits, im Hin blick auf die bisherige Rechtsentwicklung in Deutschland, nicht zugestanden werden. Aus den weiteren Verhandlungen ergaben sich demnächst folgende Punkte als präjudiciell von französischer Seite für das Zustandekommen des Vertrags: 1) Wegfall des Vorbehalts des Uebersetzungsrechts; 2) Wegfall einer Fristbestimmung für den Beginn der Uebersetzung; 3) Ausdehnung der für die Vollendung der Uebersetzung dramatischer und literarischer Werke vorgeschrie benen Fristen auf drei, beziehungsweise vier oder fünf Jahre, eventuell aber Gleichstellung beider Arten von Werken unter Fest setzung einer dreijährigen Vollendungsfrist; 4) Wegfall der Eintra gungsformalität bezüglich der Uebersetzungen; 5) Bewilligung eines zehnjährigen Uebersetzungsschutzes. Eine unter dem Beirathe von namhaften Autoren und Verlegern aus verschiedenen deutschen Staaten erfolgte eingehende Prüfung vorstehender Vorschläge ergab im Allgemeinen, daß die französischen Vorschläge nicht unan nehmbar seien. Daher und um nicht die mannigfachen Vortheile des Vertrags preiszugeben, dessen Zustandekommen von der Annahme der vorstehenden auf den Uebersetzungsschutz bezüglichen Vorschläge Frankreichs abhing, hat die Reichsregierung kein Bedenken getragen, jenen Vorschlägen zuzustimmen. Was die Einzelheiten betrifft, so enthält der Art. 10. Absatz 3, 4 und 5 eine Abweichung von den Vorschriften des Reichs gesetzes von 1870 in Betreff der Berechnung der Schutzfristen bei Werken, welche in Bänden oder Abtheilungen erscheinen. Während jenes Gesetz jeden Band und jede Abtheilung als ein besonderes Werk ansieht, unterscheidet der Art. 10. der Uebereinkunft zwischen Werken, welche in Bänden, und solchen, welche in Lieferungen er scheinen. Bei den elfteren laufen die Schutzfristen vom Erscheinen jedes Bandes, bei den letzteren dagegen erst vom Erscheinen der letzten Lieferung ab. Die Zulassung dieser Abweichung war nicht nur materiell unbedenklich, sondern sie empfahl sich auch im Hin blick auf diejenigen Werke, welche in zahlreichen kleinen Abtheilun gen erscheinen, wie z. B. Feuilleton-Romane, und bei denen daher die Berechnung der Schutzfrist vom Erscheinen jeder einzelnen Abtheilung ab in der Praxis zu Unzuträglichkeiten würde führen können. Der letzte Absatz des Art. 10. behandelt den Schutz gegen unbefugte Aufführung von Uebersetzungen dramatischer und drama tisch-musikalischer Werke, und zwar im Sinne des K. 50. Absatz 4 des Reichsgesetzes von 1870. Dieses Gesetz enthält ferner in H. 6. lit. o. die Bestimmung, daß bei Berechnung der auf den Ueber setzungsschutz bezüglichen Fristen das Kalenderjahr, in welchem das Originalwerk, beziehungsweise die rechtmäßige Uebersetzung er schienen ist, nicht mitgerechnet werden soll. Von der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in den Vertrag ist, ungeachtet ihrer Vorzüge für die leichtere Bestimmung des Anfangstermins der Fristen, Abstand genommen worden, weil dieselbe unter Umständen eine indirecte weitere Verlängerung der durch den Vertrag ohne hin erheblich ausgedehnten Dauer des Uebersetzungsschutzes zur Folge gehabt haben würde. Bei der Wichtigkeit, welche man mit Recht dieser Convention beilegt, nicht nur weil man darin ein neues Zeichen für die fried lichen Beziehungen zu dem großen Nachbarstaate sieht, sondern auch, weil man hofft, daß dieselbe als Grundlage für die Regelung der nämlichen Verhältnisse zu anderen Staaten dienen werde, wird es angezeigt sein, diesen Bericht über den Uebersetzungsschutz noch durch die Mittheilung des Inhalts der beiden angefüg ten Protokolle zu ergänzen und zu vervollständigen, um so mehr, als die Bestimmungen dieser Protokolle gleichfalls von größter Bedeu tung sind. Das erste Protokoll bestimmt die Rechte näher, welche der Art. 15. des Vertrags den Urhebern der vor dessen Inkraft treten vorhandenen Werke beilegt. Die Wohlthat der Bestimmun gen der Uebereinkunft wird danach denjenigen vorher vorhandenen Werken der Literatur und Kunst zutheil, welche etwa einen gesetz- 332*