Volltext Seite (XML)
5788 Nichtamtlicher Theil. Hk 288, 14. December. neu auftauchenden Streite ein Ende zu machen, der immer schärfere äußere Formen anzunehmen beginnt, und jüngst seitens des „Ma gazins für die Literatur des Auslandes" auf deutscher, und dem „kortskouillv" auf niederländischer Seite in einem Tone geführt ist, der die gründliche Verstimmung nur verschärfen konnte und für den Verlaus der jetzt schwebenden Verhandlungen nur störend sein kann. Die Niederländer sind allerdings mit vollem Recht erbittert darüber, daß das „Magazin" aus Veranlassung der Uebersetzungen aus dem Deutschen? in das Niederländische, welche ja doch gegen wärtig gesetzlich noch gestattet sind, die ganze Nation einen „Raub staat an der See" nennt, daß der niederländische Buchhandel eine „Räuberbande unter Anführung eines Räuberhauptmannes" oder „Spitzbubenduchhandel" genannt wird. In der Weise sollte man nicht über einen in seiner Gesammtheit ehrenwerthen Stand, über eine ganze Nation sich äußern, und es darf uns nicht wundern, daß die niederländischen Antworten hierauf in ähnlicher Tonart gehal ten wurden. Wohin soll das noch führen? Daß der niederländische Buchhandel in seiner Gesammtheit für das tadelnswerthe Vorgehen einzelner seiner Mitglieder nicht verantwortlich zu machen ist, ersehen wir aus derselben Eingangs citirten Nummer des dlisu-rsblLäs, welche die Verlegeranzeige des Nachdruckes enthält. Sie enthält in einer aus dem Haag an die Redaction gerichteten Zuschrift einen sehr energischen Protest gegen die „Ehrlichkeilsbegrisse der Firma Campagne in Tiel", der un zweifelhaft im Sinne der meisten niederländischen College» geschrieben ist. Aber was hilft uns das? Es muß die Möglichkeit beseitigt werden, daß so etwas überhaupt Vorkommen kann, und das erreichen wir nur durch die Literarconvention. Möchte also der niederlän dische Buchhandel seiner sittlichen Entrüstung über den Fall Ebers einen praktischen Ausdruck dadurch geben, daß er die niederländische Regierung daraus aufmerksani macht zum Zweck der Beschleunigung der Verhandlungen. Dafür würden wir ihm dankbar sein! Otto Mühlbrecht. Das Börsenblatt und das Antiquariat. Das Börsenblatt hat schon oft herhalten müssen; bald schien dieser, bald jener Theil seiner inneren Einrichtung den Bedürf nissen nicht zu entsprechen, und namentlich als Organ für den antiquarischen Verkehr sollte es mangelhaft sein. Daß etwas Wahres an der Sache ist, ergibt sich aus den wiederholten Versuchen, dem Börsenblatt etwas Besseres gegen über zu stellen; neuerdings beabsichtigt Hr. Hermann Weißbach in Weimar ein besonderes Blatt „Der antiquarische Verkehr" ins Leben zu rufen. Grundsätzlich mit diesem Unternehmen einverstanden, glaube ich ihm doch kein besseres Schicksal weissagen zu können, als seinen Vorgängern, weil es mir auf unrichtigen Voraussetzungen zu be ruhen scheint. Für's erste ist mir durchaus unglaublich, daß Jemand um dieses neuen Organs willen das Börsenblatt aufgebcn werde; denn es enthält außer den antiquarischen Anzeigen gar Manches, was doch jeder Buchhändler lesen muß; hat man es aber einmal, so werden die Meisten ebenso gern, wenn nicht lieber, hier als in einem anderen Blatte die Rubrik der „Angebotenen" und „Ge suchten Bücher" durcharbeiten; aber beide Blätter werden gewiß von den Wenigsten gelesen, denn das hieße mit doppeltem Faden nähen. Eine zweite unrichtige Voraussetzung ist die, daß ein solches Unternehmen eine genügende Anzahl Inserate gewinnen könne; wenigstens die Mitglieder des Börjenvereins haben schon wegen des billigeren Jusertionpreises ein ganz entschiedenes Interesse, dem Börsenblatte nicht untreu zu werden — was Hrn. Weißbach einen! gewaltigen Strich durch die Rechnung machen dürste. Endlich aber müßten unter diesen Umständen, um den Abon nenten nicht die Kenntniß wichtiger Bücherangebote und Gesuche vorzuenthalten, auch alle bezüglichen Inserate des Börsenblattes reproducirt werden, und zwar gratis: Ueber diese Klippe wüßte ich nicht hinwegzukommen. Ob die gewählte Form (alphabetischer Reihenfolge der an gebotenen resp. gesuchten Bücher) zweckmäßig sei, wage ich nicht zu entscheiden; mir gefällt sie nur halb; wie nähme es sich z. B. aus, wenn fünf Firmen zugleich Mommseu's römische Geschichte, ohne nähere Bezeichnung der Auflage, suchten, wie es letzten Sommer einmal im Börsenblatt vorkam?! Der richtigere Weg zur Lösung dieser Frage schiene mir der zu sein, daß die Börsenblatt-Commission sie zum Gegenstände ein gehender Erörterung machte. Für diese Materie wäre am ersten eine Separatausgabe des Börsenblattes denkbar. Georg Rettig. Die Sunderland - oder Blenhcim-Bibliothek. I. Die Bibliothek. Der Berkaus dieser Bibliothek ist in London ein Ereigniß und ruft ein Interesse hervor, wie eine Ausstellung oder ein Wettrennen. Jeder gebildete Mensch will einmal solch alte literarische Schätze angesehen, einmal in der Hand gehabt haben; heut' ist die Gelegenheit da! Es ist ein Kampf, ein heißer Kamps, säst eine Schlacht, — das Ende aber ist, wie in der Oper, Händeklatschen und Bravo-Ruf! Die Llsnbsim I.ibiui^ ist in der ganzen Welt bekannt; kein Wunder also, wenn sich von allenLLndernRepräsentanten eingefnn- den haben, um auf die raren Folianten und Quartanten zu bieten und womöglich zu erwerben, was in Europa immer seltener und rarer wird, nämlich die alten Drucke des 15. und I K. Jahrhun derts, die „käitio prinoops" römischer und griechischer Autoren, Jllustrirte Missalen und die mit Juwelen verzierten Gebet bücher, meist von Königinnen in ihren Andachtsübungen gebraucht. Niemand schätzt solche Bücher höher als die Amerikaner, und weil sie deren wenig besitzen und ihre Bibliotheken eifrig sammeln, offe- rirt Niemand einen höheren Preis, und deshalb ist der Kampf zwi schen Amerika, London und Paris ein sehr heißer. Der deutsche Buchhändler ist mit den englischen Bibliotheken weniger bekannt; cs dürste deshalb für ihn von Interesse sein, etwas Näheres über diese Bibliothek zu erfahren. Die Zlluäorlnnä oder lllonbsim llibrur/ wurde von Charles Spencer, drittem Larl ok Sunäsrlunä unter der Regierung Georg des I. und II. gegründet. Der Earl war ein echter Bibliomane, und vor 150 Jahren gelang ihm, was heute eine Unmöglichkeit ge worden ist, daß er in der kurzen Zeit von 10—12 Jahren eine Bibliothek von ersten Ausgaben und den seltensten Drucken zu bilde» im Stande war, die durch ganz Europa berühmt geworden ist, Die Bibliothek ist Erbgut der Herzöge von Marlborough und stand bis dahin in einem eigens dazu erbauten Saale des Palastes in Blenheim. Das alte Stammhaus hat nicht nur einen großen militärischen Helden hervorgebracht, sondern auch den Mann der hohen Cnltur, der die geistigen Schätze der Menschen sammelte. Diese Bibliophilen sind seitdem seltener geworden, ja wir stehen in einer Zeitepoche, wo dieses edle Konus des Menschengeschlechtes ganz auszusterbcn scheint. Was Wunder, daß auch in dem herzog lichen Schloß der alte Geist nicht mehr umgeht und das prachtvolle Erbe unter den Hammer des Auctionators gelangt! Das kostbare und seltene Buch ist schlecht geborgen, wo ihm die Gesellschaft edler Geister fehlt, denn es enthält selbst einen socialen Geist, den es ausströmen und verbreiten muß. Es verschimmelt, verdirbt, wird zerstört ohne die Hand, die es in Liebe hält, schützt und bewundert — hoch ehrt, wie eine Perle oder einen Diamanten. Diese schir-