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für sie ist eine Ausstellung nichts als der Prüfstein auf die Nichtigkeit und das Unverständniß der Besucher. Verleger, um Namen zu nennen, wie Tümmler, W. Engelmann, Hirzel, Laupp und Teubner werden das Zutreffende dieser Beweisführung trotz etwaiger ihnen zuerkannter Medaillen anerkennen müssen. — Wie vielleicht noch in weiteren Kreisen bekannt, wurde im Januar d. I. eine von fast allen Buchhändlern, vielen Gelehrten, Beamten und hochgestellten Privaten des Landes Württemberg Unterzeichnete Petition an die Kammer der Abgeordneten wegen Neubaues der Stuttgarter Kunstschule gerichtet, in welcher es wörtlich heißt: „Der glückliche Aufschwung, welchen die Stutt garter Vcrlagsproduction in den letzten zehn Jahren ge nommen hat, wird Einer Hohen Kammer der Abgeordneten nicht entgangen sein. Durch die thatkrästige Initiative einiger Ver leger und durch die gute Ausbildung technischer Anstalten ist cs gelungen, Werke in Stuttgart hcrauszugebcn, welche auch das Ausland veranlassen, die deutsche Bllcherherstellung mit gesteigertem Interesse zu verfolgen. Der Schwerpunkt unserer heimischen Er zeugnisse liegt, wie allgemein bekannt ist, in der künstlerischen Ausstattung. Gegenwärtig wird von Fachmännern der Stutt garter buchhändlerischen Production die erste Stelle in Deutsch land zuerkannt re. Fast für jede der zahlreichen Unternehmungen, durch welche Stuttgart das Erstaunen der übrigen literarischen Productionsplätze erregte, mußte der Stuttgarter Verlagsbuch handel seine Künstler in München, in Karlsruhe, i» Düsseldorf, in Berlin suchen rc. Nach vielen Tausenden berechnen sich die Summen, welche für Illustrationen jährlich dem Lande entzogen werden und leider entzogen werden müssen, wenn wir die hohe Stelle behaupten wollen, die wir errungen haben re. Auf die Dauer ist aber ein solcher Zustand unhaltbar. Mit jugendlichem Streben, welches ein besonderes Kennzeichen der Stuttgarter Production Ivar, kann man eine Zeit lang alle Mißstände über winden — zuletzt erlahmt Jeder ic. Der Stuttgarter Verlag wird stets besondere Schwierigkeiten haben, ein rein fachwissen- schastlicher zu werden.(S?) Die Herstellung illustrirtcr Werke (Jugendschriften, Geschenksliteratur, Prachtwerke u. s. w.) muß seine dauernde Aufgabe bleiben re." Diese Petition, in den Kammervcrhandlungen als die von Spemann und Genossen verzeichnet, scheint ihre intellcctuelle Urheberschaft allerdings auf geuanuten Verleger znrückzusühren. Die Kammer, zu deren Competcnz eine Entschließung über diese Angelegenheit überhaupt nicht gehört, beschränkte sich darauf, die eigenthümliche Formlosigkeit beim Sammeln der Unterschriften zu bemängeln, deren Richtigkeit der etwas übereifrige oberstaats- anwaltschaftliche Berichterstatter durch eine eingehende Prüfung bestätigen lassen zu wollen schien. Im klebrigen erkannte die Kammer die Berechtigung der Forderung, die Kunstschule im Sinne der Petition umzugcstaltcn, an, während zu meinem großen Erstaunen weder eine große politische Zeitung oder wissenschaft liche Zeitschrift, noch auch vor allem unser Börsenblatt das so gelassen ausgesprochene große Wort auf seinen Werth prüfte. Und doch glaube ich nicht, daß hier das Wort zutrifft: gui tuest, sonssutirs viclstur, erachte vielmehr, daß jeder wirklich unbe fangene Sachkundige das nach Form und Inhalt gleich anfecht bare Actcnstück lächelnd uck aota gelegt hat. Ich persönlich wenigstens bekunde meine Ansicht dahin, daß ich die Petition nach dieser Seite nicht unterschrieben haben möchte, da, von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, der schwäbische, speciell Stuttgarter Buchhandel mir auf abschüssiger Bahn sich zu bewegen scheint. Fast könnte man als seine — wenigstens scheinbare — Tendenz verschiedene Stellen aus unsern Dichtern anziehen, z. B. Such nur die Menge zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer, oder: Was glänzt, ist für den Augen blick geboren! Doch weiter! Wenn man als obersten Grundsatz für die dauernde Prosperität eines Verlages die Forderung aus stellt, daß er aus wissenschaftlichem Boden aufgebaut sein und die Pflege der höchsten geistigen Interessen sich zur vornehmsten Pflicht machen müsse, so wird man zuzugcben haben, daß die württembergische Berlegerschast falschen Prinzipien huldigt. Aus nahmen sind natürlich zu constatiren und es bedarf kaum eines Hinweises auf jene Firmen, welche sich wie Euke, Ebner L- Seubert, Gebr. Henninger, Laupp, Ulmer, Schweizerbart u. A. die Pflege ernster wissenschaftlicher Literatur angelegen sein lassen. Dagegen scheint mir das sogenannte illustrirte Prachtwcrk, die Pflege der Naturwissenschaften in Lieferungen, die Mark-, LO- und 20Psennig- Litcratur, wie sie Stuttgart fast alltäglich neu und mit ungeheurem Aplomb in Scene setzt, wenigstens im höheren Sinne, eine ver fehlte Spcculation zu sein. Bei einem Buche soll der Text die Hauptsache sein; daß er cs nicht ist, wird z. B. jedem Besitzer eines sogenannten Prachtwcrkes klar sein; denn wo ist Jemand, der den Muth gehabt hätte, die weitschweifigen historischen, cultur-, »aturhistorischen und geographische» Schilderungen zu bewältigen, die bald sich in dithyrambischen Radotagen, bald in den nüchternsten Plattheiten ergehen? So fällt der Illustration der Löwgnantheil zu, welcher ihr indessen nicht gebührt; denn sic soll sich dem Worte unterordnen, es ergänzen, seinen Inhalt durch lebendige Veranschaulichung verdeutlichen. Bei den in Rede stehen den Prachtwerken tritt aber das directc Gcgentheil ein, indem das geschriebene Wort lediglich als eine, zumeist noch überflüssige, Erklärung der Illustration anzusehen ist. Zudem erachte ich, daß bei diesen Werken auch die Natur des Holzschnittes grell verkannt wird. Er soll nach Schasler u. A. im Eigentlichen nur die Reproduction einer Federzeichnung sein, wie er denn in der älteren Holzschneidekunst auch nur in solcher Weise behandelt wurde. Die vielen Stuttgarter Versuche, ihm das weichere Gepräge des Kupferstichs oder gar der Lithographie zu verleihen und gar die Nachahmungen des sog. englischen Tonschnitts müssen vom künstlerischen Standpunkt aus fast er folglos bleiben, da sie aus dem Holzschnitt ein Surrogat machen, statt ihn als selbständige und charaktervolle Technik zu behandeln. Zwar wird auch diese meine Behauptung entschiedenem Wider spruch begegnen und man wird sich — und wie es scheint, mit Recht — auf die Anerkennung vieler Autoritäten auf dem Ge biete der Kunstgeschichte berufen: trotzdem habe ich den Muth, bei meiner Ansicht zu beharren, in der getrosten Ueberzeugung, daß wahrhaft Einsichtige sie thcilen. Endlich möge noch in Kürze erwähnt sein, daß die Wahl der Künstler gleichfalls Veranlassung genug zu Ausstellungen gibt; es dars nicht verkannt werden, daß es vielfach sich mehr um berühmte und viele Namen, als um eine einheitlich durch - geführte, wahrhaft künstlerische Anordnung handelt. Meines Er achtens thun es die bloßen Namen Piloty, Kaulbach, Keller, Menzel u. A. noch lange nicht, sondern der Sinn, der dasür sorgt, daß die Arbeit mit Kunst gefällig sei. Gern gebe ich zu, daß trotz allem der Stuttgarter Buch handel vieles Gute, ja manches Vortreffliche produzirte. Ich denke in erster Reihe an Neff's „Natur und Dichtung", Eugel- horn's „Italien", das in der Landschaft und Architektur, nicht selten auch im Genre Vorzügliches bietet, „Unser Vaterland" der Gebr. Kröner, an Hallberger's „Aegypten" und Spemann's „Hellas und Rom". Anderes, das ich hier nicht nenne, dessen bedeutende Erfolge aber allbekannt sind, hat mich nur von der absoluten Urtheilsunfähigkeit der Menge überzeugen können. Ich habe mich bei den illustrirten Werken länger aufge-