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tiglich. — Bis früh 9 Uhr ein- gehende Anzeigen kommen in der Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Eigknthum de» Börsenvereins der Deutschen Buchhändler. 242. Leipzig, Mittwoch den 19. October. 1881. Nichtamtli Die wiirttembcrgischc Landes-GcwcrbcauSstcllung und der Buchhandel. lieber Zweck und Nutzen der Ausstellungen ist bereits eine ganze Bibliothek zusammengeschrieben worden und doch darf be hauptet werden, daß die Ansicht davon sowohl beim großen Publicum als auch bei den Ausstellern noch immer keine durchaus gesestigte ist: jenes nimmt die Ausstellungen lediglich als Schaustellungen, um Auge und Ohr auf Stunden und Tage oberflächlich und vor übergehend zu ergötzen; diese erkennen zwar die vielseitige Be deutung der Ausstellungen für den Fortschritt der geistigen und mechanischen Thätigkeit der Menschheit an, seufzen aber nichts destoweniger über die Lasten, welche ihnen die Beschickung der Ausstellungen zuniuthet, und wissen nicht genug das Mißverhältniß zu betonen, welches zwischen ihren Leistungen und den Erfolgen ihrer Betheiligung besteht. Da der Zweck unserer modernen Kunst- und Industrieausstellungen im Allgemeinen der ist, ein treues Bild von dem Zustande der Kunst- und Gewerbsthätigkeit eines ganzen Landes oder der gcsammten Industrie der Erde zu bieten, Vergleiche zu gewinnen unter den Jndustriegegenständen und Gelegenheit zu weiteren Verbindungen zu bieten, so werden naturgemäß alle die Gruppen, deren Objecte einen bequemen Einblick in ihre einzelnen Thcile, deren Berhältniß zu einander, ihre Wirkung und Erfolge gestatten, den unmittelbarsten und dauerndsten Nutzen aus den Ausstellungen ziehen, wie z. B. die Maschinen, Werkzeuge und Apparate, zumal wenn sic durch Dampf oder Handthätigkeit in Betrieb gesetzt werden. Andere Gruppen und Branchen schließen sich ihnen aus ähnlichen oder anderen Gründen an, und gewiß wird Jeder bereitwillig zugebcn, daß die Ausstellung von Gegenständen der Metallverarbeitung, der Holzverarbeitung, Lederindustrie, sowie nicht minder der chemischen Industrie von größter Wirkung sein kann, da jene ei» unbe grenztes Publicum hat, welches je nach seiner Bildung, seinem Geschmack und seinen Mitteln sein Interesse bekunden wird, diese aber Techniker voraussetzt, welche durch Vergleichung, Studium rc. ihre Kenntnisse mehren und durch sie in erhöhtem Maße Ge winn erzielen wollen. a. Die Ausstellungen und der Buchhandel. Dies alles trifft beim Buchhandel meines Erachtens nicht zu. Der Verlagsbuchhandel ist im Großen und Ganzen eine geistige Thätigkeit und nur in der technischen Herstellung und im Verschleiß seiner Producte rein kaufmännischer Natur. Diese geistige Eigenschaft macht aber den Buchhandel zu einem Bestandtheil der Ausstellungen, der seiner Würde und Bedeutung keineswegs geziemt. Was ausgestellt wird, ist das Rohmaterial: Papier, Farbe, Buchdrucker- und Buchbinderarbeit; der Geist des Ver legers, die aus ihm entspringende Thätigkeit bleibt dem großen Achtundvterzigster Jahrgang. cher Lheil. Hausen verborgen. Hier heißt es wie in Wallenstein's Lager: sein Genie, ich meine, sein Geist sich nicht auf der Wachparade weist. Denn die Menge wird den berühmten Namen eines Verlegers sich vielleicht von neuem oberflächlich merken, sie wird sich durch die Büchertitel einiger geistigen Größen auf diesem oder jenem Ge biete der Wissenschaft erinnern, sie auch mit ihren Verlegern in Zusammenhang bringen; ihr Hauptaugenmerk aber wird sie der Kunst des Graveurs und Buchbinders zuwenden, und wenn sie den Verleger N. N. preist wegen seiner reichen und geschmack vollen Prachtwerke, so wird sie doch im engeren Sinne den Buch binder X. X. meinen, der es mit Dampfbetrieb, Fileten, Schaum gold und anilinfarbiger Leinwand so weit gebracht, etwaige sil berne Aepfel in goldene Schalen zu fassen. Von dem Inhalt eines Buches nehmen Wenige, nimmt vielleicht Niemand Kennt- niß. Hier fehlen die Vorbedingungen überhaupt; dort würde es geistige Anstrengung kosten, und wer macht sich die gern? Und im Uebrigen sind wir ja so gebildet und haben ja zu dem noch die Führer durch die Ausstellungen, die täglichen Zei tungsberichte, die vielen Compendien rc., welche Jeden, auch den Unwissendsten binnen 24 Stunden zum persecten Kunstkenner machen — was ist es nöthig, zu studiren, zu prüfen und zu erwägen? Das klingt traurig, aber cs entspricht der Wahrheit. Wer liest heute noch Klopstock, Herder, Jean Paul, Hippel, Thüm- mel und so in intinituin? Man kaust sich eine Literaturgeschichte und liest das mehr oder minder zutreffende Urthcil ihres Ver fassers über die genannten Dichter nach, eignet es sich an und ist dann ein belesener, gebildeter Man». So geht das Publi cum an den buchhändlcrischen Ausstellungen vorüber, blasirt und fertig im Urtheil. ohne reelle Kenntniß des Gebotenen, ja sogar ohne Gelegenheit, Kenntniß nehmen zu können, denn die Objecte liegen in prunkenden Schränken und Kästen zwischen Glas und Rahmen eingeschlossen. Die wenigen Strebsamen sind dadurch in Wahr heit übel daran. Hier sehen sie einen Qnartband: „Natur und Dich tung"; sich zu vergewissern, ob er herrlich illnstrirtc Gedichte unserer besten Poeten enthält, ist ihnen nicht gegeben; dort möchte ein junger Philologe oder Mediciner ein ihm unbekanntes Werk seiner Wissenschaft einsehen, der Titel sagt ihm, daß er auf rich tiger Fährte — aber der Schrank ist verschlossen. Das größte Hebel bleibt indessen doch stets die allgemeine Theilnahmlosigkeit für die buchhändlerische Thätigkeit, die vor Allem gedankenlos zurücktritt, was nicht auf „Effect" berechnet ist. Jenes stille, selbstlose Wirken, das vom Erfolg des Tages nichts wissen will, sondern für ein Jahrsünfzig und Jahrhundert zu schaffen sich bemüht, der ernsten Wissenschaft dienen, ihre Ergebnisse zu immer neuer Verwerthung sammeln will, das läßt die große Menge, die so gern stets das Wort „Bildung" zu eigenem Ruhme im Munde führt, unerkannt und ungewürdigt bei Seite liegen; 634