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^ 199, 29. August. Nichtamtlicher Theil. 3647 Mein erstes Wort lege ich für ein einheitliches Format der Vollskalender ein. Ich weiß im voraus, daß dieser Vor schlag nicht ausgeführt werden wird; denn, soviel Köpfe, so vielerlei Formate. Die Vortheile, die aus einheitlichem Formate resultiren, find wiederholt bei Empfehlung einheitlichen Romanformats dar gestellt worden. Bei Volkskalendern treten noch andere Vortheile hinzu. In den meisten derselben befinden sich recht hübsche Novellen; da nun von allen Kalendern Platten existiren, so ließe sich bei ein heitlichem Formate derselben eine hübsche und billige Novellen sammlung unter Zugrundelegung aller Kalender Herstellen. Bis jetzt ist die Verwirklichung eines derartigen Planes theils durch die verschiedene Größe der Platten, welche deswegen nach dem Kalenderabdruck werthlos werden, anderntheils, weil man das Verlagsrecht der Novellen meist nur für den Kalender und nicht für alle Zeiten und ohne weitere Rechtsverbindlichkeiten erwirbt, unmöglich. Wenngleich manche Kalender schon dasselbe Format haben, so scheiterte die Ausführung der Idee bislang noch an letzterem Punkte, zu dessen Erledigung in der Zukunft ich hierdurch eine Anregung gegeben haben will. Mein zweiter Vorschlag gilt der Jllustrirung. Neuere Kalender gefallen sich darin, den Haupttrumpf mit einem hübschen Oeldruckbildchen auszuspielen, und was darnach kommt, ist — nicht der Rede werth. Unter aller Kritik häßlich sind die Illustrationen in vielen der gedachten Kalender. Zeichnung und Schnitt sind miserabel, das Dargestellte betrifft gewöhnlich einen groben, ge suchten oder faden Witz. Wenn die betreffenden Verleger dem Kalender ein so rohes Aussehen aus Speculation geben, so soll dies Aushängeschild entweder als Wirkung auf die ungebildeten Classen zielen, denen sie größeren Geschmack für das Grobe und Verzerrte und wenig Verständniß für Schönheit zutrauen, — oder aber sie glaubten, durch die Menge des zu Bietenden die billigsten Kräfte und die billigste Waare verwenden zu müssen. Ich bezweifle aber, daß die Menge das Häßliche dem Schönen vorzieht, und mein Ge fühl sagt mir, daß ein mit Bildern hübsch ausgestatteter Kalender größerer Verbreitung fähig ist, auch glaube ich, daß die Mehrkosten für einen besseren Zeichner und Holzschneider unbedeutend sind und mehr als hinreichend durch Mehrabsatz infolge gefälligerer Aus stattung ausgewogen werden. Ueberdies werden gute Clichäs viel fach weiter abgesetzt, und oft deckt der mehrfache Wiederverkauf eines Clichüs die Kosten vieler. Wer sollte aber wohl von den so unschönen Kalender-Illustrationen gar mancher Verleger Gebrauch machen können? Die Volkskalender sollen einen gemeinnützigen, belehrenden Inhalt haben; ihre Novellen müssen von sittlichem Geiste getragen, ihr Anekdotenschatz reichhaltig, doch ohne zotigen Beigeschmack sein. Der hundertjährige Kalender und die Bauernregeln niüssen als Bedürfniß von allen Kalender-Herausgebern empfunden worden sein, denn dieserUnsinn wird fast durchweg geboten. Weniger Werth legen einzelne aus ein „vollständiges" Jahrmarktsverzeichniß, und doch gibt es viele Käufer von Kalendern, welche dieses zur ersten Bedingung machen. Für die „Kreiskalender" habe ich einen Vorschlag unterbreiten wollen, von dem ich ihre größere Verbreitung erhoffe. Ich muß sehr weit ausholen, um meinen Vorschlag zu motiviren, und ich be rühre bei dieser Gelegenheit sämmtliche vorgedachten Adreßbücher, welche für dieses Mal mit der heute nöthigen Kürze abgethan sein sollen, auf welche ich aber bei Gelegenheit zurückzukommen ver spreche. — Meine eigenartige Geschäftsführung bedingte den Er werb eines jeden Personen-Adreßbuches, welches ich nur fand. Ich lernte dadurch viele Hundert kennen. Es existiren eine Menge Hof- und Staatshandbücher, Provinzial- und Städte-Adreßbücher, solche von Fachleuten und bestimmten Ständen; doch existirt nicht von jedem Hof und Staate, nicht von jeder Provinz und Stadt, nicht von jedem Fache und Stande ein Adreßbuch; auch ist die Einrich tung bei allen verschieden, bei vielen sind die Behörden gut classi- ficirt, bei anderen ist ein Wirrwarr vorhanden; bei den Adreß büchern von Gotha und Rudolstadt fehlt der Staats-Status, bei dem von Oldenburg herrscht das bunteste Durcheinander und alle Hofschranzen bis zum Küchenjungen sind unter den Staatsbeamten namentlich aufgeführt. Neben einer einheitlichen Einrichtung in den vorhandenen Adreßbüchern mußte ich gerade manche namhafte Städte-Adreßbücher, sowie solche von Fachleuten und Ständen schmerzlich vermissen. Die Adreßbücher werden von viel hundert industriellen Ge schäftsmännern zur Anknüpfung neuer Verbindungen benutzt; man versendet darnach Circulare, somit muß selbstverständlich schon eine genaue Adresse angegeben sein. Als Muster von Hof- und Staats-Handbüchern möchte ich die Einrichtung des preußischen empfehlen, doch hat dieses Buch noch den Nachtheil, daß bei den, verschiedenen Commissionen und Collegien angehörenden Beamten nicht auf die bereits einmal erfolgte Namhaftmachung hingewiesen wird, und so geschieht es, daß bei Circular-Versendungen ein und dieselbe Person dasselbe Circular 3 — 6 Mal erhalten kann. Auch fehlt diesem Werke die Postbezeichnung der unter Domänen und Oberförstereien aufgeführten Orte; die meisten Circulare an letztere sind bislang noch unbestellbar. Will Jemand ein Circular an Staatsbeamte aller deutschen Staaten verschicken, so tritt ihm, neben der Schwierigkeit des Hinein- findens in die verschiedenartigsten Arrangements, die Unmöglichkeit der Ausführung bei fast allen thüringischen Staaten entgegen, von denen Staatshandbücher nicht existiren. Ebensowenig ver mag man Circulare an alle deutschen Geistlichen zu senden, weil von dieser Berufsgattuug selbst die wenigsten Staatshandbücher Notiz nehmen und es ein eigenes Adreßbuch darüber nicht gibt. Das Gleiche gilt von den Volksschullehrern und vielen anderen Berufszweigen. Wohl gründeten sich Specialgeschäfte, welche über die verschiedenartigsten Branchen autographirte Adressen aus bieten; ob dieselben aber auch vollständig sind und mindestens jährlich einmal ergänzt und revidirt werden, kann ich nicht behaup ten. Ich ziehe gedruckte Adreßbücher vor und stelle mir aus den selben, wenn die einzelnen Berufszweige nicht classificirt sind, jedes gewünschte Fachadreßbuch selber her und benutze damit vermuth- lich die nämliche Hauptquelle, aus welcher jene Specialgeschäfte schöpfen. Die Existenz derselben gibt den Beweis für die große Nachfrage nach Adressen. Ich bemerke das Bedürfniß auch sonst noch an dem Kauf der bei mir erschienenen Buchhändler-Adressen seitens vieler Nichtbuchhändler und halte es daher für geboten, zu empfehlen, diesem Bedürfnisse möglichst entgegenzukommen. In wieweit dies durch Vermehrung von Adreßbüchern, besonders sol cher von Fachleuten, geschehen kann, überlasse ich der Unterneh mungslust Einzelner. Eine einheitliche Einrichtung, genaue Post bezeichnung der Adresse, vornehmlich ausführliche und weitgehendste Classification der Branchen und Stände in den Stadt-Adreßbüchern, von denen es einige gibt, welche diese Gruppirung überhaupt unter lassen, ist für den praktischen Gebrauch zu empfehlen. Größere Städte treten alljährlich mit einem neuen Adreßbuch vor; kleinere Städte begnügen sich, alle 2—4 Jahre einmal mit einem solchen zu erscheinen, und von den meisten Städten existirt überhaupt kein gedrucktes Einwohner-Verzeichniß. Diesem Mangel sollten die „Kreiskalender" abzuhelfen suchen, und ich stelle ihnen in die sem Falle das Prognostikon eines größeren Absatzes und damit einer längeren Lebensdauer. Bolm. Berichtigung: Im Aussatz „Zeitgemäßes", S. 3543. d. Bl., Z. 24, lies: technische Bibliotheken (statt technische Leihbibliotheken). 505*