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Hk 14-, 29. Juni. Nichtamtlicher Theil. L-47 Uhr, und reihte sich sodann an dieselbe eine Generalversamm lung des ,>Württemb. Bnchhändlervereins" an, über welche wohl von anderer Seite berichtet werden wird. Um Vz2 Uhr vereinigte ein Festessen im großen Saale der Bürgergesellschaft aufs neue die Mitglieder des Süddeutschen Buchhändlervereins. Die Reihe der Toaste eröffnete mit einem Hoch auf König Karl in hergebrachter Weise ein auswärtiges Vorstandsmitglied, Hr. Chr. Limbarth aus Wiesbaden; es folgte der Toast auf den Kaiser, auf unsere auswärtigen Gäste, auf die Schriftsteller und Künstler, auf Stuttgart und das deutsche Vaterland. Aber auch der Humor fehlte nicht, wie mehrere launige Reden, Gedichte ic. bewiesen. Um 5 Uhr brachte ein bekränzter Extrazug mit Musik die Gesellschaft, welcher sich inzwischen die Damen angeschlossen hatten, auf den Hasenberg. In dem hübsch decorirten Jäger- haüse und vor demselben bei der malerischen Beleuchtung far biger Lampions herrschte ein munteres, fröhliches Treiben, bis — Manchem zu früh — um ^12 Uhr ein Extrazug die Fest- theilnehmer wieder nach Stuttgart zurückführte. Morgen findet im großen Saale der Bürgergesellschaft die süddeutsche Abrechnung in üblicher Weise statt. H. Das Börsenblatt und die literarische Welt. Nachdem bereits kurz nach der Beschlußfassung der letzten Generalversammlung in Sachen des „Börsenblattes" von gewich tigen buchhändlerischen Stimmen dem Bedauern über die Be schränkung des Leserkreises des Börsenblattes Ausdruck gegeben worden ist, auch in Nr. 141 d. Bl. ein mit dieser Tendenz auf tretender Artikel eines Buchhändlers Aufnahme gefunden hat, dürfte vielleicht auch eine Bemerkung aus literarischen Kreisen gehört werden. Verliert doch gerade die literarische Welt durch jenen bedauerlichen Beschluß eines ihrer wesentlichen Hilfsmittel, das namentlich in bibliographischer und kulturgeschichtlicher Be ziehung so leicht nicht zu ersetzen ist. Freilich dürfen wir, die wir von dem Beschluß getroffen werden, insofern uns trösten, als nicht alleWege verschlossen sind, um zu der verbotenen Frucht der Lectüre des Börsenblattes zu gelangen. Nur selten ist der Schriftsteller ohne nähere bnchhändlerische Beziehungen; der Zeitungsverleger ist oft auch Buchhändler, der sein Exemplar des officiellen Blattes mit Vergnügen seinem Redacteur übermittelt rc. Aber was heute einfach mit der Ein zahlung von 15 M. bei der nächsten Postanstalt abgethan war, soll nun mit einem Mal mit allerlei Schwierigkeiten verknüpft und die Folge der so oft zu Rathe gezogenen Quartbände auf unfern Bücherbrettern mit einem Mal unterbrochen sein. Wir haben allen Grund, dagegen zu protestiren, und nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch in dem der Wechselbeziehungen zwischen Autor und Verleger. Denn das unterliegt ja wohl kaum einem Zweifel, daß die nichtbuchhändlerischen Leser des Börsenblattes in erster Linie aus Literaten und Gelehrten sich zusammensetzen. Diese aber als die Schöpfer literarischer Erzeugnisse, welche der Buchhandel dem Publicum vermittelt, sind die natürlichen Bundesgenossen der Verlagsbuchhändler, während sie durch den Ausschluß der Lectüre des officiellen Buchhändlerblattes zu ihren Gegnern gestempelt werden. Und doch liegt es klar auf der Hand, daß die die Kenntniß deS Buchhandels und seiner Verhältnisse verbreitende Einsichtnahme des Börsenblattes eben wieder dem Buchhandel zu statten kommt, indem der Autor aus Angeboten, Preisherabsetzungen u. dergl. m. ersieht, was zeitgemäß ist, was nicht, welche Verleger für seine Pro dukte am geeignetsten sind, welche Mittel er selbst ergreifen muß, um den Absatz seiner Erzeugnisse zu fördern u. dergl. m. Aber auch in anderer Weise noch ist die Begrenzung des Leser kreises von unbestreitbarem Nachtheil. Ich weiß, daß selbst von den Redactionen streng wissenschaftlicher Zeitschriften ersten Ranges das Börsenblatt als willkommene Quelle für alle Arten von bibliographischen Arbeiten benutzt wird, die nun abgeschnitten werden soll. Wo stammen zahlreiche, dem gelehrten und literarisch interessirten Publicum willkommene Notizen über „Künftig erschei nende Bücher" anders her, als aus der betreffenden Rubrik des Börsenblattes? Und fördern nicht eben diese Notizen den Absatz der Bücher, deren Verleger jetzt diese und andere Rubriken für uns unsichtbar machen wollen? Selbst der Theil der „Vermischten An zeigen" ist so reich mit Inseraten halbbuchhändlerischen, halblitera rischen Inhalts besetzt, daß er einem gemischten und nicht nur aus schließlich buchhändlerischen Publicum dienen kann und will. Endlich dienen auch die unterrichtenden Aussätze rc. dazu, das Wechselverhältniß zwischen Buchhandel, Autor und Publicum klar zu legen, die entschieden an Wirksamkeit verlieren, wenn sie nur dem buchhändlerischen Theil der bisherigen Leser bekannt gegeben werden. Wie Hr. H. H. in Nr. 141 ganz richtig ausführt, hätte der Buchhandel, der auf einer Seite durch die von ihm geplante und unterstützte „Geschichte des deutschen Buchhandels" wissenschaftlich ideale Ziele anstrebt, nicht nur nicht jenen Entschluß fassen, sondern viel eher darauf hinwirken sollen, sein Organ zu einem vollendeten Anzeiger aller literarischen und gelehrten Dinge zu machen. Es fehlt uns in Deutschland durchaus nicht an literarischen Zeitungen, von denen jede ihre bestimmten Vorzüge hat, die namentlich das Publicum dankbar anzuerkennen hat, allein es fehlt uns ein Organ, das so oft wie das Börsenblatt in die Hände seiner Abonnenten kommt und so vorzüglich in der Lage ist, über alles das zu refe- riren, was in der literarischen, gelehrten und buchhändlerischen Welt vorgeht. Eine richtige systematische Eintheilung des nicht- amtli cheu Theils,welche alles nur irgendwie mit Buchhandel und Lite ratur Zusammenhängende in übersichtlichen Rubriken mittheilte, wäre von höchster wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung, die nicht nur die Zeitgenossen, sondern auch die Zukunftshistoriker anerkennen würden. Der Verleger würde Wichtiges für seine Literaturkenntniß erfahren, der Sortimenter immer in der Lage sein, seinen Kunden die erwünschten Auskünfte auf den verschiedenen Gebieten zu geben, dem Gehilfen und Lehrling damit ein neues Mittel in die Hand gegeben werden, für die Erfüllung ihres Berufs wichtige Kenntnisse zu erwerben. Mit dieser rein geschäftlichen Nutzbarkeit würde die Werthstcigerung des Börsenblattes in historischer und anderer Be ziehung Hand in Hand gehen. Vielleicht wäre auch das bisher vergeblich angestrebte Ziel zu erreichen gewesen, mit der Unter stützung des Buchhandels im Börsenblatt ein Gesammtbild journa listischer Leistungen zu geben, über dessen Werth und Wichtigkeit nur eine Stimme herrscht und dessen Schöpfung dem Buchhandel zum unvergänglichen Verdienst gereichen würde. Auch die Ver besserung der Bibliographie in Bezug auf größere Vollständigkeit in Rücksicht der unter den „Erschienenen Neuigkeiten" angeführten Werke würde dem Blatt und seiner Nutzbarkeit von Vortheil ge wesen sein. Es ließe sich noch vieles in dieser Richtung, wie gegen den bezüglichen Beschluß der Generalversammlung sagen, ich will es aber bei Obigem bewenden lassen, da auch ich — in Übereinstim mung mit Hrn. H. H. — die Hoffnung nicht aufgebe, daß eine Modificirung oder Aufhebung jenes Beschlusses früher oder später eintreten wird. Stuttgart, 23. Juni 1881. Joseph Kürschner. 365*