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Hk 145, 27. Juni. 2^13 Nichtamtlicher Theil. schäften in Rußland Beschränkung, endlich Aufhebung des Verkehrs mit den ausländischen verwandten Vereinen, Stillstand, Absterben; für das Ausland aber wiederum Beschränkung, endlich Verlust eines Absatzgebiets für geistige Production und Leitung. Und wie empfindlich wird die neue Formalität erst den Privatmann drücken, wenn er die hohe Stempelsteuer vielleicht für ein gering- werthiges Object aus der eigenen Einzeltasche zu leisten hat! Die Dissertation, die einem Arzte, das Zeitungsblatt, das einem Freunde, die Broschüre, die einem Gesinnungsgenossen zugeschickt wird, kostet nun dem Empfänger 60, resp. 120 Kop., 125—250 Pfennig! Das genügt vollständig, um diesen Verkehr zu unter drücken. Es wird vielleicht heißen, von der Maßregel seien der Buchhandel und die gelehrten Gesellschaften und Institute ausgenommen Aber auf sie fällt noch immer nicht die schlimmste Wirkung derselben. Geschäftsprospecte, Preislisten, Musterblütter, welche der Geschäftsmann zur Festigung alter Beziehungen wie zur Anknüpfung neuer nach Rußland sendet und wie sie die Industrie gegenüber dem russischen Konsum nicht unterlassen kann, wenn sie nicht von tausend Zufälligkeiten auf diesem Absatzgebiete bedroht werden soll — all diese Preßerzeugnisse müssen ein Comitb für die auswärtige Censur Passiren, für alle müssen die Empfänger die genannte Abgabe tragen. Was natürlicher, als daß diese die Annahme, soweit möglich, verweigern! Im weitesten Sinn ist diese Maßregel also auch eine Sperre des geschäftlichen Verkehrs, die wiederum Diejenigen am meisten trifft, die am rührigsten das Absatzgebiet im Osten zu erobern und fest zuhalten wußten. Auch der deutsche Handel und die deutsche In dustrie müßten sich dem deutschen Buchhandel verbünden, um die Tragweite und die praktische Ausführung der betreffenden Censur- maßregel zu prüfen und nach genauer Kenntnißnahme derselben ihr zu begegnen. Ich unterlasse es, diesen allgemeinen Ausführungen noch die Aufzählung der besonderen Schwierigkeiten beizufügen, welche in Rußland allen den vielen Empfängern von ausländischen Preß- erzeugnissen erwachsen, die nicht am Ort eines Censur-Comitös leben. Hier sind die Schwierigkeiten schier unüberwindlich — zu den Ausgaben gesellen sich bedeutendere Zeitverluste, Commissions zahlungen, Porti u. v. a. Zumeist würde die Sendung unbesehens zurückgewiesen und damit eine neue Unsicherheit in den Verkehr ge bracht. Und wohlverstanden, das wäre bei der geringen Anzahl von betreffenden Censnrstellen bald die Regel in Rußland, die An nahme nur noch Ausnahme. Ob dies alles nicht auch in directem Widerspruch zu Staats verträgen steht, will ich hier nicht untersuchen. Von dem „neuen System" ist nicht zu besorgen, daß es aus Rücksicht auf bestehende Verträge von seiner Bahn des „Zuschnürens" und der „entschiedenen Maßregeln" weiche. Um so nothwendiger scheint es, seiner Willkür aus die Finger zn sehen, damit sie nicht über die Grenzen ihres eigenen Machtkreises hinaus Schaden stifte. Zweck dieser Zeilen war, Alle, die es angeht, Buchhandel, Handel und Gewerbe, corre- spondirende Gesellschaften und Private, auf die — wie es scheint — bisher noch ganz übersehene, letzte entschiedene Maßregel der Neougodoffs aufmerksam zu machen und, wenn es möglich, sie, wie auch die schwer bedrohten Cnlturkreise Rußlands, vor der Aus führung dieser kindischen Garottirung zu retten. Miscellen. Zur neuen Orthographie. — Bei Besprechung von „Duden, orthographischer Wegweiser" in Nr. 135 d. Bl. nennt Hr. R. IV. die neue Orthographie eine „vollendete Thatsache" und wünscht, daß der gesammte deutsche Buchhandel zu ihr günstige Stellung nehmen möchte. Es würde allerdings ein gemeinsamer Schritt unserer großen und in literarischen Dingen oft maßgeben den Corporation für die Einführung der neuen Schreibweise den Ausschlag geben, und ein rascher Uebergang wäre immer besser als ein Zögern, Schwanken — eine Observationsstellung zu der betref fenden Frage. Aber, fragen wir, ist die neue Schreibweise mit allen ihren Mängeln, Fehlern und Jnconsequenzen gewiß und wirklich eine vollendete Thatsache? Wer bürgt uns dafür, daß nicht schon im nächsten Jahre, daß nicht schon beim nächsten Minister wechsel in Preußen oder Bayern wieder der ganze Bau über den Haufen geworfen werde? Die „Frage" der neuen Orthographie ist von einer großen Wichtigkeit, sie berührt Schule und Haus, die Stube des Gelehrten wie das Comptoir des Geschäftsmanns, kurz — das ganze deutsche Volk wird in allen seinen Schichten von ihr mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen. Würde es da nicht am Platze sein, daß eben diese Frage zu einer solchen des gesamm- ten deutschen Volkes und nicht zu der einzelner Regierungen gemacht würde? Sollte es nicht möglich sein, die Reichsregierung zu bewegen, competente Männer aus allen Theilen Deutschlands zur Lösung dieser Frage zu berufen, die als ständige Commission sich lediglich mit der Verbesserung bezw. mit der Vereinfachung unserer Orthographie beschäftigen würden — eine deutsche ^.oouäsmia, äslta. oruses.? Es würde dem Einsender eine große Freude sein, wenn unsere gelehrten und erfahrenen Berufsgenossen ihre Meinung in dieser Sache öffentlich aussprechen und uns, den „Düs miuorum Asntium", Anhaltspunkte geben würden, welche Stellung der Buch handel einzunehmen berufen sei. IV. Antwort auf die zwei Anfragen in No. 135 d. Bl. — Nach anerkanntem Buchhändler-Gewohnheitsrecht ist jeder Sorti menter verpflichtet, die im Laufe eines Jahres erhaltenen und an genommenen ä cond.-Artikel in der nächsten Ostermesse entweder zu bezahlen oder zu remittiren. Stellt er davon etwas zur Disposition ohne vorherige Einwilligung des Verlegers, so hat er allen Ver fügungen desselben unbedingt nachzukommen, mögen ihm dadurch außerordentliche Kosten erwachsen oder nicht. — Es scheint beinahe nöthig, darauf aufmerksam zu machen, daß das Disponirte Eigen thum des Verlegers bleibt und daß derselbe das Recht hat, über sein Eigenthum frei zu verfügen, endlich daß disponiren auf deutsch zur Verfügung stellen heißt. Spondäus. Diejenigen Herren College», welche sich für „Brunkow, die Wohnplätze des Deutschen Reiches" (Berlin) verwenden, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß ^der Autor direct ein Circular versendet, in dem es u. a. heißt: . . . „und beträgt der Preis nur 80 Mark bei directer Bestellung; bei dem Bezüge durch den Buchhandel dagegen erhöht er sich auf 105 Mark. Die Festsetzung der Zahlungsbedingungen gebe ich den geehrten Bestellern vollkommen anheim ... Es bedarf also nur einer An gabe bei der Bestellung, ob die Erlegung des Betrags in monat lichen, viertel-, halb-, ganz- oder mehrjährigen Raten gewünscht wird, eine Erleichterung, deren Gewährung dem Buch handel unmöglich. Die Zusendung des ganzen Werkes erfolgt aber sofort nach der Bestellung, auch ohne jegliche Anzahlung." — Es kann bei der heutigen Gesetzgebung dem Autor freilich nicht verwehrt werden, directe Handelsgeschäfte mit seinen Büchern zu machen, aber doch sehe ich mich zu der Frage veranlaßt, ob in diesem Falle der Autor nicht verpflichtet ist, seine Firma beim Handelsregister anzumelden und Gewerbesteuer zu zahlen. Eine freiwillige Anmeldung von Seiten des Autors wird allerdings in den wenigsten Fällen geschehen. Muß da nicht von unserer Seite dafür gesorgt werden, daß diese den Stand schädigenden Herren gezwungen werden, wenigstens auch gleich uns Steuern für ihre Geschäfte zu zahlen? In welcher Weise müßte da vorgegangen werden? 0.