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1870 Nichtamtlicher Theil. ^ 10t. 4. Mat Nichtamtlicher Theil. Unsere Reformen. Eine vor kurzem in diesen Blättern stattgehabte Controverse hat die Gedanken wieder auf die Reformbestrebungen in unserm Buchhandel gelenkt, namentlich auf das Institut der Kreisvereine. Die hohe Wichtigkeit dieser letzter» ist ja außer aller Frage, und ihre gedeihliche Entwickelung muß uns Allen am Herzen liegen. Aber eine nothwendige Bedingung dabei ist freilich, daß sie richtig und maßvoll geleitet werden. Hier aber droht ihnen eine gefährliche Klippe, die Klippe einseitiger, Heißsporniger, über das Ziel hinaus- schießcnder Beschlüsse, wodurch dann mit Nothwendigkeit Ansehen und Wirksamkeit schwer geschädigt und das ganze Institut in Frage gestellt wird. Unsere Kreisvereine sind meist zu einseitig zusammen gesetzt. Das ist nicht die Schuld ihrer activen Mitglieder (über wiegend Sortimenter), sondern der inactiven (überwiegend Ver leger). Leider betheiligen sich die Verleger, sei es aus Bequemlichkeit oder aus Vornehmheit, zu wenig an den Kreisvereinen; ebenso sind es überwiegend die mobileren, thatendurstigen und redegewandten College», die in den Versammlungen sich geltend machen und vor denen sich die älteren, erfahrungsreicheren, aber vielleicht weniger schlagfertigen gern zurückziehen. Endlich scheint es den verschiedenen Kreisvereinen mitunter auch an lebendiger, sich ergänzender Fühlung theils mit einander, theils mit dem Gesammtbuchhandel und dessen Lebensbedingungen zu fehlen. So ist es denn nicht zu verwundern, wenn in den Versamm lungen unter der Wucht schwunghafter Reden, kräftiger Schlag wörter und gegenseitiger Anfeuerung mitunter Beschlüsse gefaßt werden, die nicht gerade das Ansehen der Vereine erhöhen und die im besten Falle wirkungslos bleiben. Wie würde unn die oben erwähnte Fühlung der Kreisvereine unter einander und mit dem Gesammtbuchhandel am besten zu vermitteln sein? Es ist früher einmal in diesem Blatte (1879, S. 470) die Ernennung eines Generalsecretärs vorgeschlagen worden, der von Berufswegen alle Interessen des ganzen Buch handels zu vertreten, sich zum lebendigen Mittelpunkte aller ver schiedenen Bestrebungen zu machen und sie gegenseitig zu versöhnen hätte, der durch Bereisung der provinzialen Generalversammlungen die verschiedenen Gebresten und Klagen in Nord, Süd, Ost und West zu hören, die berechtigten davon mit Energie geltend zu machen, außerdem aber orientirend, ergänzend, vermittelnd ein zutreten hätte. Auch jetzt wüßten wir noch kein besseres Mittel, um nicht bloß unsere Kreisvereine, sondern unsere gesammten Reformbestrebungen zu einer gedeihlichen und kräftigen Weiter entwicklung zu bringen, als einen solchen Generalsecretär. Der Börsenvorstand hat nun in Gemäßheit des vorjährigen Cantalebeschlusses einen Vereinssecretär angestellt. Wir kennen dessen Geschäftsinstruction nicht, und es ist ja möglich, daß in der selben eine Thätigkeit wie die oben angedeutete mit vorgesehen ist. Wäre es nicht der Fall, so möchte Schreiber dieses den dringenden Wunsch aussprechen, daß es nachträglich geschehe. Gerade in dem per sönlichen Verkehr des Secretärs mit den provinzialen Vereinen und deren Versammlungen sehen wir den vornehmsten und bei weitem fruchtbarsten Theil seiner Thätigkeit und diejenige leben dige Durchdringung und einheitliche Verbindung in einer centralen Persönlichkeit, die uns so lange gefehlt hat, und die andere große Vereine, z. B. landwirthschastliche, kaufmännische, industrielle rc. sich anzueignen gewöhnlich ihr erstes und wichtigstes Geschäft sein lassen. Noch ein anderes Desiderium wurde damals ausgesprochen: eine amtliche Buchhändlermatrikel. Auch diese ist ein dringendes Bedürfniß, dessen nähere Be gründung kaum nöthig ist. Zwar verkennen wir die Schwierigkeit einer solchen Matrikel keineswegs, und im ersten Anlauf wird sie nicht herzustellen sein; aber wenn nur erst der Wille dazu da ist, dann findet sich auch der Weg. Unsere Reformbestrebungen, das spricht Schreiber dieses als seine tiefe und auf langjähriger Erfahrung beruhende Ueber- zeugung aus, werden nicht eher zu einer kräftigen und gesunden Entwicklung gelangen und aus dem Stadium des unsicheren Tastens herauskommen, als bis sie mit Entschiedenheit die Richtung ein- schlagen, welche etwa mit der Devise zu bezeichnen wäre: Mehr Innung, weniger Taubenhaus. Bielefeld, 30. April 1881. Aug. Klasing. Der Unterstützungsverein und die Gehilfenschaft. In den Worten, welche den Rechenschaftsbericht über die Thätigkeit des Unterstützungsvereins zu begleiten Pflegen, wieder holt sich Jahr um Jahr mit Sicherheit die Klage, daß sich die große Zahl der Gehilfen, und unter ihnen auch jedenfalls eine nennenswerthe Menge wohl befähigter, so ungemein schwierig zum Beitritt erweisen, und in der That zeigt die jährliche Liste der Angehörigen zweiten Ranges kein nennenswerthes Wachsthum. Auch eine Mehrung der Beiträge an sich ist kaum zu gewahren; sehr selten, daß sich der altehrwürdige Thaler zu einer Fünf mark erhebt. Eben an dieser Erscheinung vermeint man instinctiv das Maß gewisser Gleichgültigkeit zu erkennen, weil „seinen Tha ler" an den Unterstützungsverein zu entrichten eben üblich ist. Mit der Gehilfenschaft bringe ich auch wohl nicht unrichtig die Thatsache in einige Verbindung, daß das Curatorium des Unter stützungsvereins für angemessen hält, den sog. Rückzahlungs-Para graphen, der den Empfänger einer Unterstützung zur allmählichen Wiedererstattung verpflichtet, durchweg in fetten Lettern vorzu führen Pflegt. Und ferner erscheint der Umstand bemerkenswerth, daß, wie gedruckt zu lesen, die größere Zahl der Unterstützung Be gehrenden sich alsnicht demVereine angehörig mitBeschämung bekennt. Wenn man nun fragt: Woher das? — so antworte man nicht mit gewohnter Fertigkeit, daß auch hier die Indolenz, die landes übliche „Bummelei" u. dergl. die Schuld trage, auch nicht die Ver kennung der Möglichkeit, daß heute der, morgen jener Vermögens lose in die betrübende Lage kommen könne, die Hilfe des Unter stützungsvereins für sich in Anspruch nehmen zu müssen. Der Hauptgrund für die erwähnte Erscheinung liegt in der Organisa tion, dem Wesen des Vereins selber. Niemals wird derselbe über das Bild eines gelegentlichen Wohlthäters, der seine Hilfe, dem Maß seiner Kräfte entsprechend, versagen oder gewähren kann, selbst in den Augen Unterstützter hinaus und zu dem sicheren Be griffe einer eigentlichen Anstalt, einer wirklich erfolgreichen Ein richtung gelangen, so lange er sich nicht seines — ich bin versucht zu sagen — zufälligen, ephemeren Charakters entkleidet, zu einem Institute mit ganz bestimmten Rechten und Pflichten seiner Mit glieder und auf diesem Wege das wird, was wir noch immer mit Schmerzen entbehren: eine Pensions- und Alterversorgungscasse für Angehörige des deutschen Buchhandels. Nun bleibt es zwar lebhaft zu bedauern, daß für diese seine würdigste Bestimmung nicht schon seit der Gründung des Vereins ein eiserner Fonds angelegt worden ist. Indessen ist Geschehenes nicht zu ändern, unser Theil sollte sein, für die Gegenwart und die nächste eigene Zukunft selber Hilfe zu schaffen. Und hierbei fragt es sich, ob nicht der immer noch leidliche Verband, welchen der deutsche Buchhandel trotz des Eindringens zerstörender Gewalten