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HL 224, 26. September. 3771 Nichtamtlicher Theil. Versammlung des nächsten Jahres eingehen würden. Es unterliegt nun wohl keinem Zweifel, daß Generalversammlungen, welche wie die unsrige mehrere hundert Teilnehmer zählen, wenig geeignet er scheinen, gründliche Besprechungen zu ermöglichen, zumal die Zeit für Berathungen bei unserer Cantate-Versammlung nur eine knapp bemessene ist. Unter diesen Umständen glaubte der Vorstand des Börsenvereins der Zustimmung aller Genossen sicher zu sein, wenn er eine Cvnferenz anberaumte, die lediglich der Besprechung etwaiger Reformen im buchhändlerischen Geschäftsbetrieb gewidmet sein sollte, und eine nicht zu große Anzahl unserer Berufsgenossen aufzusordern, den Berathungen dieser Cvnferenz beizuwohnen. Der Vorstand hielt es ferner für angemessen, vornehmlich Collegen aus dem Bereiche des Sortimentshandels zur Cvnferenz einzuladen und auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß die verschiedenen Gaue, soweit dies bei der beschränkten Zahl der Theilnehmer an der Cvnferenz möglich sei, in geeigneter Weise vertreten seien. Die Bekanntmachung des Vorstandes, welche in Nr. 174 des Börsenblattes abgedruckt ist, hat, soweit uns bekannt, allseitige Zu stimmung gefunden, und es gereicht uns zur besonderen Freude, daß fast sämmtliche Collegen, welche wir aufgefordert haben, uns ihre Mitwirkung zu schenken, sich gern bereit erklärt haben, ihre Kräfte und ihre Zeit der Cvnferenz zu widmen. Daß auch Herr vr. Fr. Kapp, dessen nahe Beziehungen zum Buchhandel Ihnen bekannt sind, uns mit seinem Rath unterstützen wird und an unseren Be rathungen theilnimmt, wird Ihnen, meine Herren, nicht minder wie dem Vorstande zur Befriedigung gereichen. Wenn bei den Mitgliedern des Vorstandes eine Lücke heute bemerkbar ist, so werden wir mit tiefem Schmerze daran erinnert, daß unser bisheriger Schatzmeister, Herr Theodor Einhorn, durch einen jähen Tod aus unserer Mitte gerissen ist. Als wir gemeinschaftlich die Bekanntmachung vom 19. Juli Unterzeichneten, ahnten wir nicht, daß es unserem Freunde nicht mehr beschieden sein sollte, die Cvnferenz zu erleben. Die treuen Dienste, welche er dem Börsenverein seit Jahren geleistet hat, werden stets in dankendem Gedächtniß bewahrt bleiben. Die Reformvorschläge, welche bisher zur Sprache gekommen, sind vielseitiger Natur; sie erstrecken sich auf fast alle Zweige unseres geschäftlichen Betriebes. Es erschien deshalb geboten, bestimmte Grundlagen für unsere Berathungen zu schaffen, um der Gefahr zu entgehen, daß dieDiscussionen sich gänzlich ins Unbestimmte verlieren. Dabei durften die Grenzen aber nicht eng gezogen werden, und das Bestreben mußte stets vorwalten, das Große und Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Die nachfolgenden Thesen erschienen geeignet, die Grundlagen unserer Berathungen zu bilden: I. Hat die Gewerbefreiheit schädlich auf den Buchhandel ein gewirkt, und sind ev. Schritte zu thun, um eine Aenderung der Gesetz gebung herbeizuführen? Welche Vorschläge wären dann bezüglich des Betriebes des Buchhandels zu machen? II. Liegt es im Interesse des Buchhandels, daß vom Verleger Ladenpreise festgesetzt werden? Bejahenden Falls: a.) hat der Verleger ein Interesse daran, daß die Ladenpreise überall streng aufrecht erhalten werden, und welche Mittel stehen ihm hierbei zu Gebote? d) hat der Sortimenter ein Interesse an der stricten Aufrecht haltung der Ladenpreise? Ist dieselbe durchführbar, und wie? Was ist als Schleuderei zu bezeichnen und welche Maß regeln können gegen dieselbe ergriffen werden? Verneinenden Falls: In welcher Weise werden Bücher dann angezeigt und kata- logisirt? III. Ist es zweckmäßig, daß Sortimentshandlungen kleineren Umfangs ihren Bedarf direct von den Verlegern entnehmen, oder empfiehlt sich der Bezug aus einer Hand durch Zwischenhändler (Engros-Sortimenter)? IV. Entspricht das jetzt im Buchhandel übliche Kreditwesen den Anforderungen unserer Interessen oder ist der im Allgemeinen dem Publicum vom Sortimenter und dem Sortimenter vom Ver leger gewährte Credit abzukürzen? V. Liegt es im Interesse des Buchhandels, daß die Meß abrechnung unabhängig von Ostern fixirt werde, und welche Zeit wäre dann zu wählen? VI. Inwieweit kann der Börsenverein in seiner jetzigen Orga nisation zur Durchführung von Reformen Mitwirken? Für jede der ersten 5 Thesen sind mehrere Referenten ernannt, welche die Güte hatten, schriftliche Gutachten abzugeben, die zu Ihrer Kenntniß gelangen werden und deren nähere Motivirung der mündlichen Besprechung Vorbehalten bleibt. Die Beantwor tung der sechsten Frage wird den Schluß - und Eckstein unserer Be rathungen bilden. Der Verein Schweizerischer Buchhändler, zu dessen Kenntniß die eben mitgetheilten Thesen gelangt waren, hat denselben ein ganz besonderes Interesse gewidmet und die Vorstandsmitglieder jenes Vereins zu einer außerordentlichen Generalversammlung ein berufen, um die von uns entworfenen Fragen zu berathen. Diese Versammlung hat am 8. September in Zürich stattgcsnnden. Die an den Börsenvorstand gerichtete Anfrage, ob ein Delegirter des Schweizer. Vereins Zutritt zu unserer Cvnferenz finden würde, haben wir bejahend beantwortet, und freuen wir uns, Herrn H. Georg aus Basel als diesen Delegirten heute in unserer Mitte zu sehen. In der am 21. und 22. Juni d. I. in Eisenach abgehaltenen Versammlung des Allgemeinen Deutschen Sortimentertages wurden 4 Anträge zum Beschluß erhoben, und der Vorstand des Sortimenter vereins wurde beauftragt, diese Beschlüsse dem Vorstand des Bör- senvereins zu unterbreiten und sie in der Cantatcversammluug des nächsten Jahres zu vertreten. Nachdem nun der Börsenverein eine eigene Cvnferenz zur Besprechung vonReformeu angesetzt hatte, wurde der Börsenvorstand ersucht, diese 4 Anträge auch der Kon ferenz vorzulegen. Die geschäftliche Behandlung dieser Anträge wird Ihrer Ent scheidung, meine Herren, Vorbehalten bleiben, der Vorstand hielt es indeß für seine Pflicht, in eine sorgfältige Prüfung dieser Anträge einzutreten und Ihnen das Ergebniß seiner Berathungen vorzulegen. Der erste, vom Vorstand des Sortimentervcreins gestellte Antrag lautet: An den Vorstand des Börsenvereins wird die Bitte gestellt, im Verein mit dem Vorstande der Deutschen Sortimentsbuch händler und mit Hinzuziehung von Commissionären einen für den ganzen Buchhandel gültigen Usancencodex auszuarbeiten. Dieser Usancencodex wird allen Mitgliedern des Börsenvereins zur Begutachtung mitgetheilt und der Hauptversammlung des Börsenvereins zur Genehmigung vorgelegt. Der in obigem Anträge ausgesprochene Wunsch, einen officiellen Usancencodex zu besitzen, ist fast so alt wie der Börscnverein selber; der Ausarbeitung desselben haben sich aber stets Hindernisse ver schiedenster Art in den Weg gestellt. Inzwischen ist 1867 ein Buch von Aug. Schürmann: „Die Usancen des deutschen Buchhan dels" erschienen, welches mit großer Sorgfalt ausgcarbeitet ist und wohl geeignet erscheint, den Mangel einer officiellen Bearbeitung zu ersetzen. Soviel bekannt, ist Herr Schürmann mit den Vorarbeiten einer neuen Ausgabe beschäftigt; es möchte indeß wohl zu erwägen sein, ob der jetzige Zeitpunkt opportun erscheint, eine Neubearbeitung 514*