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2302 Nichtamtlicher Theil. ^ 148, 30. Juni. des Buchhandels, und von diesem Gesichtspunkte ausgehend möge es mir gestattet sein, auf das Unternehmen mit besonderem Nachdruck hinzuweisen. Der Umstand, daß mir von der Redaction in München der ehrenvolle Auftrag geworden, sür das Werk die Abtheilung „Buchhändler und Buchdrucker" zu bearbeiten, wird mein lebhaftes Interesse erklären, er ermöglicht cs mir zugleich, daß ich, in Ueber- einstimmung mit der Verlagshandlung, hier die Biographien unserer Standcsgenossen als Auszug aus dem Hauptwerk zumAbdruck brin gen kann. Bevor ich bannt beginne, halte ich es für geboten, einige Worte über die Anlage des Werkes vorausznschicken; es wird da durch der richtige Standpunkt für die Benrtheilung der Biographien gewonnen. Als die geistigen Urheber der „Allgemeinen Deutschen Bio graphie" sind die Herren Reichsrath vr. von Döllinger und Gehei me Rath L. von Ranke zu nennen, welche an competentcr Stelle 1868 zuerst die Herausgabe beantragten; das mühsame Amt der ansführenden Redaction haben die Herren Freiherr von Liliencron (München) und Professor Wegele (Würzburg) übernommen. Nach ihren, Plane sollen in die „Biographie" ausgenommen werden alle bedeutenderen Persönlichkeiten, in deren Thaten und Werken sich die Entwickelung Deutschlands in Geschichte, Wissenschaft, Kunst, Handel und Gewerbe, kurz in jedem Zweige des politischen und des Kultur lebens darstellt. Der Spielraum erstreckt sich von den ältesten Zei ten bis aus die Gegenwart, die noch Lebenden aber sind ausgeschlos sen, weil von einem noch nicht fertigen Lebenswerk sich nicht wohl eine durchweg objectiv gehaltene abschließende Darstellung geben läßt. Der politische Begriss „Deutsch" ist in weitem Sinne gedacht; beispielsweise werden die Niederlande bis zum wcstphälischen Frieden, bis zu ihrer Trennung vom Reich, in vollem Maße berück sichtigt, von da an nur, soweit sic mit dem Gesammtlcben Deutsch lands in einen, prodncircnden engeren geistigen Zusammenhang ge blieben sind. Anders die Schweiz, deren uns gemeinsame Sprache, deren Literatur und gcsammtcs Kulturleben bis heute noch so eng mit dem unsrigen verwachsen, daß die politische Trennung für unser Werk nicht entscheidend ausgesaßt werden darf. Achnliche praktische Gesichtspunkte sind geltend für die deutschen Lande Oesterreichs, für das Elsaß, die russischen Ostseeprovinzen u. s. w. Ausgewanderte Deutsche, die den Schwerpunkt ihrer Lebensthätigkeit in die Fremde verlegten, werden ausgeschlossen, Ausländer dagegen, welche die Hauptarbeit ihres Lebens Deutschland gewidmet, werden ausge nommen. In diesem geistigen Rahmen ist der äußere Umsang des Werks aus etwa 20 Bände zu je 50 Bogen veranschlagt, wobei die Redaction betreffs der Art und Einrichtung der einzelnen Biogra phien im Allgemeinen die Hio^rapliia univarsalta anoionna at moclorvv (von Michaud, Paris 1854) zum Vorbildc genommen hat. Ein sehr schwieriger Punkt ist die Bestimmung des Umsangs der einzelnen Artikel; ohne die äußerste Beschränkung eines jeden einzelnen wäre das Werk kaum ausführbar, die Vcrthcilnng des richtigen Maßes für die Namen bildet deshalb auch eine der wich tigsten Ausgaben für die Redaction. Sie hat für die Bedeutung der Namen vier Klassen aufgestellt; die erste erhält 8—IK Druck seiten Raum, die zweite 2—8 Seiten, die dritte !4—2 Seiten, die vierte wenige Zeilen bis zu höchstens einer Seite. Die letzte Abtheilung kommt natürlich am meisten zur Anwendung und bildet auch fast durchweg den mir zugewiescnen Spielraum. Trotzdem ist meine Aufgabe keine leichte: für die Zeit der Jncnnabeln bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts soll ich möglichst die Namen aller in Deutschland vorkommenden Verleger, d. h. für jene Zeit der Drucker, ermitteln und angeben, wo, innerhalb welcher Jahre, und was sie druckten; für die spätereZeit handelt cs sich nur um solcheBuchhändlcr und Drucker, deren Thätigkcit für einzelne Zweige des Buchhandels oder den literarischen Markt überhaupt von hervorragender Bedeu tung gewesen ist. So erhält jeder der (beiläufig etwa 400) Mitarbeiter sein Programm, »ach welchem er eine Namenliste sür jeden Buch staben des Alphabets entwirft. Diese wird von der Redaction ge prüft, sie beschränkt oder erweitert die Liste und gibt an, in welcher Klasse der Name zu behandeln ist. Für die Buchstaben 4. und 8 sind mir auf diese Weise etwa 50 Namen zugesallcn, deren Bearbei tung abgeschlossen ist, in 0 und v bin ich gegenwärtig mit etwa 35 Namen beschäftigt, von denen manche mir recht zu schaffen machen. Namen wie Ashcr, Bädekcr, Baer, Barth, Bertnch, Besser, Breitkopf, Brockhaus, Campe, Cohen, Coppcnrath, Cotta, Decker, Dümmler, Du Mont, Duncker zu bearbeiten ist allerdings ein wah res Vergnügen, und auch verhältnißmäßig leicht, denn es fehlt nicht an Quellen, aus denen ich schöpfen kann. Die Mehrzahl der Namen aber ist ziemlich steril und ein Resultat undankbar, wie z. B. Joh. Albinus (I5S4 —1630 in Mainz), eine ganze Serie obscurer „Ale- mannus" (auch Teutonicus) aus dem 15. Jahrhundert, Jan An- drieszoon (1483 in Haarlem), Joh. Bekenhub (1479 in Würzburg), die Brüder Borchard, die ersten Drucker von Hamburg u. A. m. Ueber diese Namen fließen die Nachrichten sehr dürftig, man kann stundenlang die verschiedenen Werke durchstöbern, und erhält schließ lich einige Zeilen als Resultat. Das ist eine mühsame Arbeit, sür die man durch interessante Namen aus der älteren Geschichte des Buchhandels, wie die der berühmten Familie Birckmann (1510— 1585 in Cöln thätig) oder die der trefflichen gelehrten Herren Blaen in Amsterdam (17. Jahrh.) nur recht sparsam entschädigt wird. Und dabei gestattet es der Charakter des Werkes wiederum nicht, bei den interessanteren Namen ausführlich zu verweilen: in 4. und 8 war mir nur für „Brockhaus" die dritte Nasse gegönnt. Diese gebotene Beschränkung erklärt die von mir gewählte knappe, chronikartige Form ; in den meisten Fällen gebe ich nur Thatsachen und enthalte mich der eigenen Betrachtung, wie verführerisch auch der Stoff mit unter erscheint. So Versäumtes läßt sich vielleicht später noch ein mal an anderer Stelle nachholen. Die Lösung meiner Aufgabe war mir nur möglich durch die Existenz unserer Börsenvereins-Bibliothek in Leipzig, in welcher sich mir die reichste Fundgrube für meine Arbeiten erschloß, und die ich in ausgedehntester Weise benutzen konnte. Ferner habe ich an dieser Stelle noch denjenigen Herren zu danken, welche mir in den Buchstaben L und 8 sür die Geschichte ihrer Firnia in freundlicher, zuvorkommender Weise die erbetenen Mittheilungen haben zugehen lassen. Es ist dies indessen nicht überall geschehen, denn zwei Kollegen, an die ich mich, unter aus führlicher Motivirung meines Anliegens, gewandt hatte, haben mir gar nicht geantwortet. Wäre ich nicht Buchhändler, ich würde mich darüber verwundern können, immerhin nehme ich aus diesem ersicht lichen Mangel an Interesse Veranlassung, meine Herren Kollegen hierdurch freundlichst zu ersuchen, mir in vorkommenden Fällen ihre gütige Auskunft nicht versagen zu wollen. Ich werde im Lause der Jahre Wohl noch oft Veranlassung haben, namentlich die Geschichte der Neuzeit betreffend, mir Rath an der Quelle erholen zu müssen; möchte mir doch im allgemeinen Interesse die Mitwirkung nicht ver sagt werden! Ich lasse nun die Biographien folgen, zunächst die des erste» Bandes (Achates—Bädekcr); die Fortsetzung werde ich, so Gott will, je nach dem Fertigwerden der Bände des Hauptwerkes hier ebenfalls veröffentlichen. Berlin, in, Juni 1875. Otto Mühlbrecht. 1) Achates: Leonardas A., eigentlich Leonhard Agtstein , aus Basel, daher auch I-scumräus äe 8asiloa, Buchdrucker, der , etwa von 1472—91 thätig war. Denn 1472 druckte er zu Venedig den Virgil in Folio. Noch 1472 erscheint er dann zu Vicenza, wo