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ch.° 52, 4. März. Nichtamtlicher Theil. 823' seine»: ersten Zusammentreffen mit Wieland ans Weimar ging, sür ihn der Entschluß ieststand, die neugeknüpste Bekanntschaft unter jeder Bedingung festzuhalten. Dies war die natürliche Folge rein menschlicher und buchhändlerischer Erwägung. So kam es, daß Göschen von da an nnserm Dichter stets nahe blieb. Und da nichts Neues vom Dichter zu bekommen war, so erschien der Commissions- dcbit des Merkur, den bisher Hoffmann's in Weimar besorgt hatten, als erste Etappe zu Weiterem gar nicht zu verachten. Dieser Ver lagswechsel hatte mit Anfang 1786 statt, ein halbes Jahr nach dem Göschen bei Wieland in Weimar gewesen war. Nach dem noch vorhandenen von Wieland und Bertuch einer seits und Göschen andrerseits Unterzeichneten Vertrage erhielt der letztere für das Jahr 1786 800 Exemplare des Merkur L IN Thlr. netto in Commission*), um damit den Meßdebit zu bestreiten. Diese Anzahl war in Monatsheften, roh oder broschirt, franco nach Leipzig zu liefern. Remittenden durfte Göschen nur bis zur Michaelismesse des laufenden Jahres annehmen und mußte gleich nach diesem Zeitpunkt die „Anzahl der wirklich gangbaren und nicht remittirten Exemplare" in Weimar angezeigt werden. Die Remittenden konnte Göschen dann in der nächsten Ostermesse „in natura, jedoch unbe schädigt und unaufgeschnitten" zurückgeben und in Gegenrechnung bringen. Zu zahlen verpflichtet war er jedenfalls in der Ostermesse 1786 die Summe von 300 Thlrn., je ein Viertel der Summe des Abgcsctztcn zu Johanni und Michaelis; der Rest aber war zuOstern 1787 fällig, jedoch „baar und exact, wobei die Zahlungstermine durch ihm noch außen stehende Reste anderer Buchhändler und Interessenten keineswegs verzögert oder Caduzitäten den Heraus gebern zugcrcchnet werden sollen". Daß neben dem von Göschen zu pflegenden Verkehr mit dem Buchhandel noch der unmittelbar von Weimar aus gepflogene mit denPostäuitern herlies, ward noch beson ders in: Vertrag bemerkt. Der Debit des Merkur blieb vorläufig das einzige Bindeglied zwischen Wieland und seinem Schützling. Um so reger war der Ver kehr zwischen Wieland und Reich. Es erscheinen bei Weidmanns ei nige Bände der Auserlesenen Gedichte, die Kleineren Prosaischen Schriften, Horazens Satiren, die drei ersten Theile der Damen bibliothek. Der Verlag des Lucian wird von Reich übernommen und im Laufe eines Jahres eine Vorauszahlung von 1500 Thalern ge leistet. So wandert viel Geld von Leipzig nach Weimar, einmal ist Freund Reich selbst der Ueberbringer. Da kam der December 1787. Dessen erster Tag war Reich's 71. Geburtstag, der dritte sollte sein Todestag werden. Kann: eben erkrankt, starb an diesem Tag der rüstige Greis. Die Handlung zeigte den Tod ihres Leiters Wieland an und dieser antwortete in aufrichtigem Schinerz. Die traurige Nachricht, meinte er, könne keinem von Reich's Hinterbliebenen Freunden schmerzlicher sein als ihm und er wünsche von Herzen, daß der ruhmvolle Platz, den der Todte unter den ersten Buchhändlern der Nation eingenommen, auf eine würdige Art wieder ausgefüllt werden möge. „Die Lücke, die sein Hinscheid in der Zahl meiner besten Freunde gemacht, wird schwerlich wieder auszufüllen sein." In dieser Hinsicht irrte jedenfalls der Dichter sehr. Freilich, daß so rasch ein Ersatz für Reich zur Hand war, daran trug die Weidmannsche Buchhandlung selbst einige Schuld. Wieland nahm Anstoß daran, daß Reich's Gattin keinen Anthcil am Geschäft erhielt, *) Der Preis des Merkur sür Abonnenten war schon seit Jahren 3 Thlr. Da Göschen von jedem Exemplar Thlr. abgeben mußte, so behielt er sür sich und seine Unterabnehmer vom Buchhandel I i/g Thlr. Später, als die Zeitschrift immer mehr an Abonnentenzahl verlor, erbot sich Göschen, den Debit gratis zu besorgen. Wieland lehnte diesen Vorschlag als! „allzugroßmüthig" ab, erklärte cs aber dankbar annehmen zu wollen,! wenn ihm Göschen für das verkaufte Exemplar 1 Thlr. 18 Gr. vergüte. (Ungedr. Briefe von W. an G. Nr. 86 vom 10. November 1796.) i sondern dieses wieder ganz in den Besitz der ihm vollständig fremden Jungfer Weidmann überging, daß die Firma Weidmanns Erben und Reich mit Reich's Hingang erlosch, daß der Factor Reim sich jetzt nicht zu einer höheren Stellung aufschwang. Das alles ärgerte ihn, thcilweise Wohl allerdings mehr in der Einbildung als in Wirk lichkeit. Denn gewiß steckt hinter diesem Aergcr nicht lediglich wahres Interesse fürWeidmanns Erben und Reich, sür dieWittwe des„Wohl- seligen" und Herrn Reim, den Geschäftsführer, sondern auch ein gut Theil gemachtes Interesse, um den eigenen Rückzug auf schickliche Weise zu decken. Die Verhältnisse des Dichters zur Weidmannschen Buchhandlung, die, wenn seine Erwartungen sich erfüllt hätten, „un gefähr dieselben geblieben sein" würden, gestalteten sich von Stunde an ungünstig für jene. Denn alle Verhältnisse, worin Wieland je mals mit Weidmanns Erben und Reich gestanden, wurden, wie er er klärt, von der persönlichen Freundschaft dictirt, die ihn schon seit 1770 mit Reich verband. Die Weidmannsche Buchhandlung aber ist ihm so fremd als irgend eine in der Welt. Und um dies sofort zu zeigen, erklärt er das zwischen ihm und Reich seiner Zeit wegen des Lucian theils mündlich theils schriftlich getroffene Abkommen füretwas, das mit Reich's Tod hinfällig ward. Will die Weidmannsche Buch handlung das Werk, von dem sie bereits beiläufig vierzig Bogen ge druckt und für das noch Reich selbst, wie wir uns erinnern, nach und nach 1500 Thaler bezahlt hatte, wirklich haben, so muß ein „neuer und ordentlicher Contract" geschlossen werden. Daß dieser von Wie land verlangte neue Contract gleichbedeutend ist mit einer aber maligen Erhöhung des früher schon aus freien Stücken erhöhten Honorars, liegt auf der Hand. Wieland hatte es sehr leicht, aus Grund solch unerhörter Be hauptungen neue Forderungen auszustellen. Der, vor dessen Zorn er sonst wohlberechtigte Scheu empfand, war todt und kam nicht wieder; von der hochbetagten Jungfer Marie Luise Weidmann und ihrem Factor Reim brauchte er nichts zu fürchten. Und wenn alles doch schlimm ausgehen sollte, so war ja Herr Göschen bei der Hand, dem es so ungemeine Eile hatte, des Dichters Verleger zu werden. Wa rum also nicht die den Lucian betreffende und noch diese und jene andre Forderung ausstellen? In einer Zeit, in der der Nachdruck in voller Blüthe stand, der Selbstverlag als höchstes Ideal den Schriftstellern vorschwebte und das bürgerliche Gesetzbuch noch wenig wußte von einer Regelung des geistigen Eigenthnms, war eine Be handlung, wie sie Wieland der Handlung des todten Freundes an gedeihen ließ, wohl erlaubt. Und Weidmann's? Die hatten große Angst, daß ihnen der berühmte Autor abhanden kommen könne, und bewilligten alles, was Wieland forderte. Und daß unser Dichter ja nicht glaube, sie wollten in dem allen Verhältniß etwas ändern, schickten sie zum voraus neues Honorar, wie es schon Reich in er freulicher Gewohnheit gehabt und von Wieland jetzt ausdrücklich als Bedingung weiteren Verkehrs beansprucht worden war. Die natürliche Folge davon, daß des Dichters „Erlaß" von Silvester 1787 solche Früchte getragen, waren neue Forderungen in anderer Richtung. Alte Abkommen wurden umgeworfen, andere als gar nicht bestehend geleugnet. Der Ton von Wieland's Briefen ward, sofern er nicht höflich aber kalt war, barsch und kurz. Aber Weidmann's ließen sich nicht abschrecken. Groß in Geduld und Artigkeit, drucken sie, was ihnen der Dichter im Namen Dritter an bietet, und wenn sie etwas Acltercs von Wieland neu auflegen — Neues bietet der Dichter nicht an —, so geschieht es nie, ohne daß gewichtige Geldsendungen dafür nach Weimar abgelassen werden. Vom Herbst 1786 bis dahin 1789 empfängt Wieland für sich und zwei seiner Schützlinge beiläufig 3000 Thaler, ganz abgesehen von weiteren ungefähren 800 Thalern, die, als zu viel gezahlt, ihm in neuer Rechnung belastet werden, i - (Fortsetzung folgt.) 111*