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45, 14. April. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 783 Die eine Seite, vertreten z. B. durch JoUy und Wächter, erkennt in dem Autor- und Verlagsrecht ausschließlich ein für sich be stehendes Vermögensrecht an, die andere Seite, darunter von wissenschaftlichen Specialitäten vornehmlich Heydemann und Harum, findet in demselben neben dem Vermögensrecht auch ein Pcrs onenrccht. Wir nennen diese Frage beim gegenwär tigen Stande der Wissenschaft die wichtigste von allen, und nach dem Gefühle des Praktikers ist ein nennenswerthcr Fortschritt der deutschen Wissenschaft aus diesem Gebiete kaum anders zu erwarten, als nach einer genügenden, jeden weiteren Widerspruch abweisenden Beantwortung derselben. Denn hier scheiden sich die Wege; verfolgen beide Theile den einen und den andern Weg mit Klarheit und Eonsequenz, so kann es nicht fehlen, daß sic in den wichtigsten Dingen zu stark differircnden Resultaten gelangen. Es gehört keine Vermessenheit dazu, wenn sich Jemand erbietet, die Vertreter des bloßen Vermögensrechts, also der An sicht, daß das Autorrecht vollauf im materiellen Verlagsrecht aufgehe, in kürzester Frist mit Gemüth und Behagen in das Lager der französischen Doctrin vom absoluten Eigenthum und seiner ewigen Dauer zu treiben und die französische Sentenz als den Höhepunkt aller Weisheit anpreisen zu helfen: ,,1,'osuvro i»lsl- Isetuvlls vst uns propriste commv uns lorrs, oomms uns msison; «Uv lloit jouie ds« msmss droits." Sollte ein solches Anerbieten dennoch Vermessenheit genannt werden, nun, so müssen von den Vertretern des bloßen Vermögensrechts Gründe beigebracht wer den, wie sic sich in der einschlagendcn Literatur, soweit sie Refe rent übersieht, bis jetzt wenigstens versteckt zu halten scheinen. Gibt cs am Autor - und Verlagsrecht nichts als ein Vermögens recht: wie will man cs dann motiviren, dasselbe der Zeit nach zu beschränken? Wächter hilft sich über den heiklen Punkt weg, indem er in seinem Verlagsrecht S. 426 behauptet: „Eine Grenze aber findet dieser Schutz (des Verlagsrechts) in der An forderung, daß die geistige Benutzung für Alle, der gei stige Verkehr nicht unverhältnißmäßig gestört werde." In Jolly's Berührung dieses Punktes (Die Lehre vom Nachdruck, S. 217) ist der Widerspruch unschwer nachzuwciscn. Halten wir uns an Wächter. Der Verkehr hat allerdings, wenn man cs so nennen will, seineRechte, besser allerdings gesagt, seine Beding ungen für die Fruchtbarmachung des Autorrechts; kein Mensch aber ist im Stande, aus der Geschichte des literarischen Verkehrs den Nachweis zu führen, daß er mit einem in und aus sich richtig begründeten Rechte jemals in Eonflict gekommen sei oder über haupt damit in Eonflict treten könne. Wenn cs sich also im Autor- und Verlagsrecht, wie es die Franzosen in ihrer Gesetz gebung und neuesten Polemik am consequentestcn auffasten, um ein bloßes Vermögensrecht handelt, so sind die Rücksichten auf den Verkehr ungenügend, dessen zeitliche Beschränkung zu recht fertigen, denn die Interessen des literarischen Verkehrs bedingen keine Beeinträchtigung wohlbegründeter Rechte, im Gegcntheil, sic verlangen gebieterisch Achtung und Schutz derselben. Wächter hat in seinem Verlagsrecht (S. 57) noch einen andern Satz aus gestellt, den er aber bei der Auffassung, die er vertreten hilft, nicht richtig zu verwerthen vermag; er lautet: „Der Rechtsschutz soll nur das Verhältnis der Autorschaft begünstigen." Was ver steht man unter „Verhältniß der Autorschaft", wenn der gesetz liche Schutz cs nur mit einem „Vermögensrecht" zu thun hat, welches Recht im Wege der G e sch ä fl s sp cc u la t i o n — im voraus ist dessen Werth selten zu bemessen — in vielen Fällen ohne genügendes Aequivalent für den eigentlichen Autor voll ständig in die Hand des Verlegers übergeht? Soll es so verstan den werden, was Wächter schwerlich ohne weiteres zugibt, daß das Verhältniß der Autorschaft im Vermögensrecht, respective Verlagsrecht, vollständig aufzugehen vermöge, so würde sich dar aus folgender merkwürdiger Schluß ergeben: das Verlagsrecht ist übertragbar, folglich ist die Autorschaft übertragbar, der Ver leger und Erbe im Besitze des Verlagsrechts werden damit gleich zeitig Autoren im juristischen Sinne. Wir verstehen aber den von Wächter ausgestellten folgenreichen Satz anders. Das Vec- hältniß der Autorschaft bietet für das Recht eine zweifache Seile: die eine vornehmere Seile des Rechts ist die persönliche, das eigentliche Autorrecht, welches Recht in den geistigen und publicistischcn Interessen, in den literarischen Einwirkungen und Erfolgen liegt, welche der Autor mittelst Production und Ver öffentlichung seines Werkes zu befriedigen und zu erstreben sucht. Auf dieses Recht, welches unabhängig von den Vermögensin teressen besteht, die dem Werke überhaupt nur zufällig anhaften können, kann der Autor verzichten, aber im eigentlichen Sinne an einen Andern übertragen kann er cs nicht, wenn er — eine absurde Annahme — das wahre Verhältniß nicht vor aller Welt verborgen halten will. Auch erlischt das Autorrecht nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, mit dem Tode des Autors ; mit der literarischen Unsterblichkeit wäre eS ja sonst eine eigcnthüm- lichc Sache. Mit dem Tode hört nur die fernere persönliche Ein wirkung des Autors auf Inhalt und Form seines Werkes auf, soweit ihm dies das an einen Andern übertragene Verlagsrecht noch ermöglichte. Sein Werk kann dann durch andere Hand mo- dificirt und beeinträchtigt werden, soweit dies die Gesetzgebung nicht vorzusehcn und zu verhindern vermag, aber im Wesen der Sache überlebt das Autorrecht seinen Urheber. Die zweite secundäre Seite des Rechtsverhältnisses ist das ding liche, übertragbare Verlagsrecht. Es gilt nur soweit, als das Autorrecht cs gelten lassen will und gelten lassen muß. Vom Wesen des Verlagsrechts ist eine Beschränkung des Autorrechts unzertrennlich. Aber es fragt sich: bleibt cs immer nur bei der natürlichen Beschränkung und kann nicht durch die mehr oder weniger exclusiv vermögensrechtliche Auffassung die schneidendste Verletzung des Autorrechts herbeigeführt werden? Jeder in Ver lagsdingen erfahrene Vertreter des literarischen Verkehrs wird uns zugcstehen müssen, daß solche Fälle nicht blos herbeigeführt werden können, sondern thatsächlich nur zu häufig herbeigeführt werden. Unsere Gesetzgebung ist mehr durch Jnstinct, als durch klares Bewußtsein in dieser Beziehung zu einer in der Haupt sache rationellen Auffassung geführt worden; und doch wie viele Werke werden nach dem Tode des Autors aus dem Verkehre ver drängt, blos durch die nicht zu erfüllenden vermögensrechtlichen Ansprüche und falschen Anschauungen der Rechtsnachfolger! Das Zugeständniß einzelner Gesetze, daß, wie das großherzoglich hes sische Gesetz von 1830 bestimmt, drei Jahre nach dem Vergrif fensein einer Auflage, sofern binnen dieser Frist auf die Auffor derung eines Dritten keine neue veranstaltet wird, das Werk eines verstorbenen Autors dem Nachdrucke freigegeben sei, kann sich als kein Präservativ erweisen. Vor der Hand wird auch wohl auf die Erfindung eines anderen Auswegs verzichtet werden müs sen. Aber das steht fest: nur eine weise, auf praktische Beobach tung des Verkehrs gestützte zeitliche Beschränkung des Ver lagsrechts nach dem Tode des Autors kann dem Schriftsteller Sicherung bieten, daß sein nächstes Anrecht nicht in die Wirr nisse der Geschäftsspecularion und falschverstandener Erban sprüche hineingezerrt wird und durch dieselben vor der Zeit zu Grunde geht. Alle Beschränkungen des Verlagsrechts sind deshalb nur aus den Bedingungen des Autorrechts her zuleiten und können nur aus diesem logischer Weise hergeleitec werden. Der Verkehr bedingt für sich nichts als klar begründeten und strengen Rechtsschutz nach allen Seiten; er verlangt eben sowohl Respect vor den natürlichen Bedingungen des Verlags rechts, als Achtung vor demAutorrecht. Gegen Ueberbietung der