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195 1849.^ Staates, dafür zu sorgen, daß die Arzneimittel, welche in den Apothe ken gereicht werden, von guter Beschaffenheit sind, weil der Arzneibe- dücstige nicht im Stande ist, sich selbst hiervon zu überzeugen. Er muß also auch Sorge tragen, daß der Apotheker von dem Verkaufe der Arzneimittel leben kann, daß die Anzahl der Apotheken mit der Volks zahl in angemessenem Verhältniß sieht. Weshalb aber soll der Buch händler besonders geschützt werden? Seine Waare behalt allenthalben dieselbe Qualität, je mehr Buchhandlungen, um so mehr Gelegen heit, geistige Bedürfnisse zu befriedigen, um so mehr Hoffnung, daß geistige Bildung auch in oie untersten Schichten des Volkes dringe, daß also die Aufgabe des neuen Staates, Alle für Alles zu befähigen und die Gesittung mit der Freiheit in Einklang zu bringen, am besten gelöset wird. Das ist der Standpunkt des Staates. Und was wollen wir da gegen einwenden? Vielleicht, daß von einer Bevölkerung von 1000 Seelenein Sortiments-Buchhändler nicht leben könne, daß daher 10 Buchhandlungen für eine Stadt von 10,000 Einwohnern um mehr als die Hälfte zu viel seien, daß ferner von der Zahlungsfähigkeit der Sortimenter die Existenz der Nerlagshandlungen, vieler Buchdrucke reien, Papierfabriken u. s. w. abhängig sei? Ich glaube nicht, daß solche Gründe ernstlich ausgestellt werden mögen, weil sie unhaltbar sind. Denn mit welchem Rechte sollte der Staat einen Schutz, den er den Buchhandlungen gewährt, jeglichem andern Zweige des Handels vorenthalten dürfen? Können nicht Alle für sich dasselbe anführen, vom großen Fabrikenbesitzec bis hinab zum Schuhflicker? Nein, Ihr Herren, vom Staate dürft Ihr keinen Schutz er warten, und Ihr habt Unrecht, ihn zu fordern, weil Ihr Euch selbst helfen könnt. Diesen Schutz, so weil er sich rechtlich begründen läßt, gewähren L o ka l -Verei n e, Kreis-Vereine. Wir wollen Unbe rufene, Unbefähigle aus unfern Kreisen fern halten. Wirerreichen diesen Zweck, wenn wir Niemanden zulassen, der nicht den Buchhan del ordentlich und nach Geschäftsgebrauch erlernt hat. Wir dürfen aber jungen Leuten, die aus unserer eigenen Mitte hervorgegangen sind, den Weg zur Selbstständigkeit nicht mehr erschweren, als zum Wohle des Ganzen erforderlich ist. Es muß der Gesammtheit gleichgültig blei ben, ob vom Verkaufe von Büchern Einer oder Zehn leben, sobald sie die Gewißheit hat, daß dieser Verkauf innerhalb bestimmter Grenzen, welche das Vereins-Gesetz vorschreibt, geschieht, daß Niemand, um ein triviales Wort zu gebrauchen, „den Handel verdirbt." Haben sich in einer Stadt zehn Handlungen niedergelassen, in welcher nur fünf leben können, so werden mit der Zeit fünf wieder ausfallen und ihre Selbst täuschung zu büßen haben, aber die Gesammtheit wird nicht darunter leiden, die Verkaufs-Grundsätze bleiben bestehen. Auch die Verleger werden dafür büßen müssen, daß sie zehn Handlungen Eredit gegeben haben, während fünf für den Vertrieb ihres Verlages ausreichend waren: es hat sie Niemand nöthigen können, einer neuen Firma des halb Eredit zu geben, weil sie Vereinsglied ist. Der Rheinisch-West fälische Kreis-Verein zählt an 120 Firmen, ich stehe mit kaum zwei Dritteln in offener Rechnung. Aber ich halte es für eine große Un billigkeit, junge Leute durch Privilegien grundsätzlich auszuschließen, deshalb auszuschließen, weil ein neues Etablissement dem Bestehenden Schaden bringt. Wo wären die Meisten unter uns, wenn die Han noverschen Buchhandlungs-Privilegien in ganz Deutschland geherrscht hätten? Könnten wir fortan die Annahme von Lehrlingen verant worten, wenn ihnen die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Selbststän digkeit abgeschnitten wäre? Nein, Ihr Herren, allen Ebenbürtigen offene Kampfbahn. Wer fällt, fällt. Auf die Dauer wird die Anzahl der Buchhandlungen dem Bedürfnis angemessen bleiben. In Preußen ist der Buchhandel seit Jahren, wenn auch nicht gesetzlich, doch thatsächlich ein freies Gewerbe. Diese Freiheit hat ihn nicht vernichtet, im Gegentheil, die Jugend hat ihm stets frische Lebenskraft zugeführt, eine Jugend, die an buchhänd lerischer Gewöhnung groß geworden ist. Fremde Elemente fern zu hal ten, das allein kann fortan unsere Aufgabe sein. Dazu aber brauchen wir die Hülfe des Staates nicht, das erreichen wir durch Kreis- Vereine. In den beiden westlichen Provinzen des preuß. Staates tauchte vor Gründung des Kreis-Vereins fast in jedem Landstädtchen irgend ein Buchbinder, Schulmeister, Krämer als „concessionicter Buchhändler" auf und fand selbst bei den Verlegern der Provinz meist offene Rechnung. Das ist seitdem ganz anders geworden. Es wagt jetzt nicht leicht Jemand den Versuch, weil Jeder weiß, daß der Pro- vinzial-Verlag, für solche Etablissements sehr wichtig, ihnen unzu gänglich geworden ist. Gebraucht daher, Ihr Herren, das Recht, welches Euch der neue Staat fast uneingeschränkt gewährt, das Recht der „Association," ver laßt den bequemen Comptoicstuhl, legt die Scheu ab, mit „Eoncurren ten" in nähere Berührung zu kommen, gewöhnt Euch an die freie Lust, bildet Kreisvereine: Nocdalbingier und Mecklenburger für sich, Hanno ver, Bremen, Oldenburg für sich, Kurhessen, Göctingen und die süd lich vom Harze im Anschluß an den Thüringer Verein, oder wie sich eben solche Verbindungen naturwüchsig gestalten. Habt Ihr aber eine solche Verbindung geschlossen — wie ich nicht anders annehme, auf Grundsätzen des Rechts und der Billigkeit — so handhabt auch unnachsichtlich das Gesetz. Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Der letzte Satz der Statuten des Rhein.-Wests. Kreis-Vereins lautet: ,,Buchhandlungen, welche ihren eigenen Weg gehen, und weder Pflichten übernehmen, noch Opfer bringen wollen, um dem ganzen Körper und so den Gliedern zu dienen, sagen sich selbst von demselben los. Es folgt daraus, daß auch der Verein von diesen Gliedern sich lossagt, indem er jegliche Geschäftsverbindung mit denselben, selbst die gegen baar, verbietet." Koblenz, den 16. Februar 1849- K. Bädeker. Die Antwort des Herrn Bädeker in Koblenz auf die Frage in Nro. S des Börsenblattes. Auch Herr Bädeker in Koblenz singt als Einleitung auf seine Antwort zuvor ein Klagelied über die Masse von neuen Sortiments handlungen, welche nach Ansicht mancher Verleger an dem Verfall des Buchhandels allein Schuld sind. Fast jedes Börsenblatt enthält neue Vorschläge, wie dem ein Damm entgegen zu setzen, Aufforderungen zu Ereditverweigerung oder Vorwürfe, wenn wirklich einer oder der andere Vertrauen gewährt. Sonderbar, daß die Sortimenter weniger darüber klagen, während sie doch am meisten durch die größere Eoncurrenz dar unter leiden. Sehen wir doch, ob die Klagen der Verleger über schlechte Zahlungen, besonders neuer Handlungen, auch gerecht sind. Daß die meisten Verleger neuen Firmen nur gegen baar ausliesern, ist bekannt; wie können diese nun Schuld sein, daß die Verleger ihren Verpflich tungen nicht Nachkommen können? Hätte man Vertrauen, würde Credit gegeben, würde so manches Geschäft mehr gemacht werden, junge schwache Geschäfte würden sich erholen und ihren Creditoren eher ge recht werden können. Wie sehr der Baarbezug, so allgemein eingeführt, den Geschäftsbetrieb lähmt, werden nur die cinsehen, welche diesen Druck empfinden. Aber selbst für sein baares Geld ist man sehr oft nicht im Stande die Besteller zu befriedigen, da sehr viele Verleger oft 6 — 8 Wochen warten lassen, ehe es ihnen gefällt, das Verlangte zu erpediren. Daß es rühmliche Ausnahmen gibt, versteht sich von selbst. Wenn also viele neue Handlungen lange sich nicht erheben können, so ist das Mißtrauen der Verleger Schuld. Um gegen böswillige Schuldner mit Erfolg einzuschreiten, ver langt Herr Bädeker, daß der Börsenverein eine Schuldner-Commission ernenne, bei welcher alle Creditoren eine Liste ihrer säumigen Schuld ner niederlegen sollen. Die Commission hat dann von verschiedenen 30*