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Beiträge zur Belehrung und Unterhaltung. Nv. Dresden, den^ 4. März igi 2. 18» Der Kanzler Crell als Gefangener auf dem Königstein. Keine Wiederholung der Geschichte dieses merkwürdi gen Mannes, welche bekannt genug ist*). Weniger be kannt aber ist sein Schicksal im Gefängnisse, wo er nichts weniger als seinem Stande gemäS behandelt wurde; wie sich aus seinem eignen „Wahrhaften und kurzen Bericht, wie man in meiner Custodien zu Königstein mit mir umgangen," ergiebt. Es war Nachts 12 Uhr, als Crell unter Kavallerie- Bedeckung von Dresden nach Königstein abgeführt ward, wo er früh um 6 Uhr anlangte. Sein Gefängniß fand er zwar geheizt, die dazu gehörige Kammer aber, wo er schlafen sollte, in ganz erbärmlichen Umständen, Decke und Dach so verfault, daß man den Himmel durchsehen konnte, und zum Lager ein altes Spahnbette voll Steine, Staub und Unrath. Gaden mitleidige Seelen, wie der Wachtmeister Abraham Pfeil und die Frau des Schloß hauptmanns ihm nicht einige Pfühle, über welche Crell seinen Pelz warf, so mußte er dre ersten Nächte auf ei ner hölzernen Bank schlafen. Erst am vierten Tage *) Für Unkundige nur so viel. Er war Gehetmder Rath und Kanzler Kurf. Christians i., ein Mann von großen Talen- tcn und Kenntnissen, der ganz das Herz seines Herrn in Handelt hatte und viel Gutes wirken konnte, wenn er klüger suh benahm. Kalvills Lehren eifrig ergeben, wollte er sie mit Gewalt in Sächselt einführen, veranlaßte aber dadurch die bedenklichen Gabrungen. DeS Kurfür sten schneller Tod (az Sept. iZyr.) zog Crells Fall nach sich. Der Administrator Fr. Wilhelm ließ ihn verhaften und an« »s Nsv. nach dein Königstein abführen. bekam er, auf Verwenden der Seinigen, ein besseres Lager- Anfänglich besuchten ihn der Wachtmeister und Hauptmann täglich. Bald aber ward der erstere (Crell sagt, er wisse nicht, warum?) verhaftet; der letztere aber entschuldigte sich immer, daß er zu Besuchen nicht Zeit habe. Und doch hatte er, wie Crell sagt, Zeit „zum Saufen." Wahrscheinlich fürchtete er, man möchte ihn deö Einverständnisses mit Crell beschuldigen. Crell mußte nun in allem blos an den Gefängniswärter sich wenden, welches ihm tausend Unannehmlichkeiten zuzog. Einst hatte sich z. L. jener so benebelt, daß er samt dem für den Kanzler bestimmten Essen die Wendeltreppe hinabstürzte. Ohne sich weiter um den hungernden Ge fangenen zu bekümmern, taumelte er nach Hause, und jener — mußte ohne Abendessen zu Bette gehen. Crell bekam jährlich immer zweimal heftige Anfälle vom Podagra. Er bat also, bald nach seiner Ankunft auf dem Königstein, um Arznei aus Dresden, die man ihm aber verweigerte, weil man, wie der Hauptmann ihm nicht undeutlich zu verstehen gab, befürchtete, ex möchte Gift von seinen Freunden erhalten- Aus dem selben Grunde ward auch sein Koffer, in Gegenwart des Wachtmeisters und PirnaischenAMtmanncS, genau durch sucht. Als Crell fragte, ob man ihn denn, wenn er ir gend eine Krankheit bekommen sollte, eher verderben, als Arznei zukvmmen lassen würde, antwortete der Haupt mann naiv genug: Ja! In der Folge sandte man ihm zwar Arznei, beson ders Purgirpillcn; der Hauptmann schickte sie aber dem Wachtmeister, der erst an seinen Hunden die Probe ma-