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1. Beilage zu Nr. 254 de» Auer Tageblatts und Anzeiger« für da« Srzzeblrze. Freitag, SO. Oktaler li»08. Sträfling ein« Botschaft aufg«trag«n hatte, erzählt«, daß d«r Um zingelte lieber sterben voll«, alp herauskommen und daß er gesagt hab», wenn er entkäme, würde er die Stadt Monroe In Brand stecken. Wir »ollen ihn lieber verbrennen! rief da «in« Stimm« und der Vorschlag ward angenommen, ohne daß jemand für ihn um Gnad« gebeten Hütte. Da» dicht« Gebüsch ward an allen Seiten um den Hügel tn Brand gesteckt; die Farmer stellten sich tn weitem Umkreis um die lodernden Flam men mit schußbereiten Gewehren, wenn er in der Dunkelheit aus zubrechen versuche. Immer weiter griffen die Flammen um sich, immer düsterer stieg die Glut zum Himmel, bi» sie «in einziges Feuermeer bildete, ein drohendes Zeichen des Gerichts, das hier vollzogen worden war. , , John Rockefever über da» Borgen. Der Oelkönig John Rockefeller hat einige Lebensprinzipien, di« denjenigen anderer Seit mucke wen direkt entgegen gesetzt laufen. Wenn es dir, so sagt er, an Geld fehlt, um zu leben und um damit geschäftlich zu operieren, dann borge dir welches! Das Geheimnis zum geschäftlichen Erfolg liegt ent schieden darin, daß man von vornherein über Geldmittel verfügt. Daher mutzt du es verstehen, das Vertrauen derjenigen Leute zu gewinnen, die Geld haben, damit sie dir Geld borgen. Borge von ihnen soviel, wie sie dir nur irgend wieborgen wollen, denn nur mit Geld kann man wieder Geld machen. Wenn du ein ehrlicher Mann bist, dann wird man dir auch Geld anvertrauen. Ist es dir erst gelungen, eine Anleihe aufzuneh men, dann liegt es in Leiner Hand, ein Milliardär zu werden oder ein armer Teufel zu bleiben. Ich habe mir auch Geld borgen müssen,'als ich mein Petroleumgeschäft anfing. Es war die? genau zehn Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem ich zum ersten mal überhaupt Petroleum zu Gesicht bekam. Ich erinnere mich noch ganz genau, ich war damals ein Knabe, wie ein Händler in das Haus meiner Eltern kam und uns eine Flasche neuerfunde ner Medizin, das Etikette trug die Aufschrift Seneca-Liniment, verkaufte. Es sollte dieses neue Mittel ganz vorzüglich gegen Quetschungen und Verrenkungen sein. Seneca war ein Indianer stamm, in dessen Gebiet die ersten Petroleumquellen gefunden wurden, und Las neue Mittel war nichts anderes als reines Petroleum. Ich fand aber, Latz diese Medizin eine ganz vorzüg liche wäre, denn sie hat mir über manche Quetschungen und Ver renkungen des Lebens hinweggeholfen. Roosevelts Reisepläne. Der für nächstes Jahr in Aussicht genommene Jagdstreif zug des Präsidenten Roosevelt inAfrika wird sich zum großen Teil in englischem Gebiete bewegen. Mr. Roosevelt reist im März, vierzehn Tage nach Abschluß seiner Präsidentschaft, nach Afrika ab und wird wenigstens ein Jahr aus Amerika weg- bleiben. In Mombassa geht er an Land und reist von dort vierhundert Kilometer weit mit der Bahn ins Innere, wo für ihn eine Karawane zusammengestellt wird. Von dem Endpunkte seiner Eisenbahnreise beginnt die eigentliche Jagd. Die Jäger werden langsam in der Richtung auf den Victoria-See vor dringen, wobei der Präsident zu Leiden Seiten der Bahnlinie weit ins Innere zu gehen gedenkt. Mr. Roosevelt besucht so- Zann das Plateau von Uganda, wo er reiche Jagdbeute zu finden hofft. Nachdem er einige Zeit auf dem Plateau verbracht hat, will er den Marsch in der Richtung auf die Quellendes N i l sortsetzen und diesem Flusse bis Kartum folgen. Die ein zigen Begleiter des Präsidenten werden sein Sohn Kermit und zwei Sachverständige des National-Museums sein. Der junge Roosevelt begleitet seinen Vater als Photograph der Expedition, und die beiden Sachverständigen des Museums haben die Auf gabe, kms von Roosevelt geschossene Wild für das Museum zu preservieren. Die englische Regierung wird alles tun, um diesen Streifzug erfolgreich zu gestalten, und für die Anwerbung der besten Jagdführer Sorge tragen. Der Standard meldet ferner, daß Roosevelt während des ganzen Jagdzuges unter dem Schutz der englischen Flagge stehen wird, obgleich er die Ab sicht hat, sich kurze Zeit in Deutsch-Ostafrika aufzuhalten. Orientalische Höflichkeit. Man schreibt der Frkf. Ztg. aus Jerusalem: Ich sitze in meinem Zimmer, um zu arbeiten; aber es ist unmöglich, so laut ist das Geschrei, das durch das Fenster von der Straße her herein dringt. Einige Araber unterhalten sich unter meinem Fenster in ihrer hitzigen, wortreichen Art. Doch wehe, wenn sie unter einander streiten! Schimpfwort« und Flüche kann man da hören! Du Hund, du Hund eines Hunde», dein Großvater war ein Hund und deine ganz« Familie besteht au» Hunden! — Dies verhindert jedoch nicht, daß dieselben Leut« bei anderen Gelegenheiten ihre altberühmte orientalische Höslichkeit hervor- kehren. So entsteht unfehlbar eine komische Situation, wenn ich meinen Diener mit irgend etwa» beschenke. Gr verbeugt sich viel leicht fünfzigmal, indem er mit der Hand Kopf, Her- und Mund berührt, ein arabischer Gruß, der di« Bedeutung hat: Geist, Ge- fühl und Sprache stehen dir zu Diensten. Dann fängt er an: Kedir Kadacherek (vielen Dank), Kedtr Kadacherek dem Eharadje (Herrn), Kedir Kadacherek der Sette (dem Fräulein), Kedir Kadacherek deiner ganzen Familie. Mögest du glücklich sein und viele Kinder haben, möge dein Vater froh und gesund sein, möge es deiner Mutter wohlergehen, möge deine Schwester einen guten Mann finden und dein Bruder zu Ehren gelangen usw. Es gilt als eine groß« Unhöflichkeit bei den Arabern, etwas abzulehnen, das man angeboten bekommt. Nach der Annahme genügt nicht ein einfaches Dank«, sondern man muß dem Geber — und seiner ganzen Familie danken, sie loben und segnen. Briefe, dl« ihn nicht erreichten! Die Findigkeit sämtlicher Postanstalten der Welt wird manch mal, leider zu oft, auf eine harte Probe gestellt. InEngland nennt man die Beamten des Ressorts, denen «s obliegt, der artige Sherlock Holmes-Taten auszuführen, die blinden Män- ner. Da kommen Briefe an mit der Adresse: Marie H., Witwe mit zwei Kindern. Oder: An den Herrn, welcher früher eine Sögemühle in der Provinz Brandenburg besaß. Solche Briefe sind natürlich unbestellbar. Und doch hat die englische Post ein mal ein Kunststück fertig gebracht, dem der verstorbene Premier minister Gladstone seinen, inzwischen berühmt gewordenen Beinamen, verdankt. Auf einem Londoner Postamt wurde näm lich ein Brief aufgeliefert mit der Aufschrift: To the Great Old man. Ein begeisterter Anhänger Gladstones, der Zeit seines Lebens hinter dem Postschalter gesessen hatte, schlug vor, diesen Vries an Gladstone zu senden, und richtig, es stellte sich auch heraus, daß dieser der Empfänger sein sollte. Seitdem hieß Gladstone in England nur noch the great old man. Recht merk würdige Adressen tragen auch die Soldatenbriefe oftmals. Etwa: An den Musketier Ezicklach, er dient bei di« Männer mit die Pferd« in Els Ach Loringen (soll heißen Elsaß-Lothringen) und will ich ihm ein Paket schicken. Ganz unglaublich oft werden die Städtenamen von zerstreuten Personen w«ggelassen, seltener schon der Name des Adressaten. Ein höherer deutscher Beamter liest einfach über den Namen hinweg, und die fehlenden Buch staben ergänzen sich ihm alsTön e. Millionen von Postsendungen bleiben alljährlich unbestellt, bei denen auch durch Oeffnen des Briefes der Absender nicht zu ermitteln ist, und fallen der Papierstampse anheim. Briefkasten der Redaktion. Im Vrtekfaklen ertet'en wir Aurkonf über all» an an» gerichteten Unfragen mit Aarnabnie von medizinischen Radschlägen. Mündliche Auslnnft während der Redaktionssprechstnnden. Säkularisation des alten Friedhofs. Nach von uns auf Ihrs Anfrag« hier eingezogenen Erkundigungen werden die Gräber vom 1. Jan. 1909 eingeebnet und der alte Gottesacker von der Stadtgemeinde in einen mit gärtnerischen Anlagen versehenen öffentlichen Platz umgewandelt. Der Platz selber bleibt im Besitze des Kirchenlehns zu St. Nicolai, in dessen Vertretung der Kirchenvorstand den Vertrag abgeschlossen hat, die alte Friedhofsparzelle so lange unbebaut zu lassen, als aus dem jetzigen Kirchplatze eine Kirch« steht oder die Pfarr gebäude auf der jetzigen Stelle stehen und als solche Verwendung finden. Daraus geht hervor, daß eine Bebau ung Les Platzes für die ferne st en Zeiten ausge schlossen ist. Erna F. Das Tanzen ist doch wahrhaftig kein unsittliches Vergnügen, es kann nur die Gesundheit schädigen, wenn es im Uebermaß ausgeübt wird und wenn sich die junge Damen welt einer engen Taille zuliebe so zusammenschnürt, daß das Atmen schwer fällt. Tanzkarten in der geschmackvollsten Ausführung liefert prompt und billig unsere Druckerei. Wenden Sie sich an diese, sie wird sie ganz Ihrem Wunsche ent sprechend ausführen. E. in Bockau. Die beste Asche für DLngerzwccke im Herbst ist Holzasche. Man sollt« diese nie umkommen lassen und nie mals falsch verwenden, sie nie auf den Mist werfen, sondern dem Komposthaufen zufügen, so wenigstens im Sommer. Im Herbst hingegen ist ihre zweckmäßige Verwendungsweise, wenn st« nicht erst auf den Komposthaufen, sondern gleich in den Garten oder auf di« Wiese gebracht wird. Sie ist nicht für all« Pflanzen «in gleich guter Dünger und darf im Gar ten auch nicht allzu reichlich zur Verwendung kommen. Was mancher nicht weih. In dem lothringischen Dorfe Kneutlingen kommen auf 385b Männer nur 1800 Frauen. Temperaturen von 60 Grad -Celsius in den. Maschinen räumen von Torpedobooten sind keine Seltenheit. Die letzte Tagesreis« nach dem 14 000 Fuß hochgelegenen Wallfahrtsort Amara utte in Kashmir muß von den Wallfahrern, männlichen und weiblichen, unbekleidet zurückgelegt werden. Kostenfrei für alle HSir-II.cilIWNiMM Die Herren Dr. »icd- Schaffner L Co. in Bcrlin-Gruncwald offe rieren allen Hals-, Brust- und Lungenleidenden in Aue und Um gegend ihr tausendfach bewährtes Mittet zur Probe vollständig kostenlos. Tausende von Patienten, die das Mittel bisher anwandten, preisen in mitunter begeisterten tvorten die mit demselben erzielten, oft g«»ab«z»» v«rdltisf«»»b«»» Evssla«. Dieselben übertrafen in zahlreichen Fällen selbst die höchsten Erwartungen. Zwei wiener Aerzte, die mit dem Mittel eingehende versuche angcstellt hatten, berichten von überraschenden Resul- taten selbst noch in solchen Fällen, die jahrelang jeder anderen Behandlung trotzten. Vas Mittel ist weder ein Geheimmittel, noch eine die ernste wissen schaftliche Kritik scheuende Kurpfuschermcdizin, erhebt aber auf der anderen Seite auch nicht den Anspruch als ein sicher wirkendes „Heilmittel gegen die Lungentuberkulose" angesehen zu werden. Ls ist nichts mehr und nichts weniger wie ein einfaches giftfreies Pfianzenpulver, welches aus den schon seit t<w Jahren weltberühmten sog. Lieberschen Kräutern hergestellt wird und zufolge einer Kaiserlichen Verordnung dem freien Verkehr überlassen ist. Ls ist so billig, daß es auch von Minderbemittelten angewendet werden kann. Ueber die Pflanze, aus der das Mittel gewonnen wird, liegen zalh- reiche Aeußerungen an- gesehener Männer der lvisscnschaft und, wie ge. sagt, tausende von An. erkennungsschreiben von > Patun ten vor, die das. selbe mit dem denkbar MM X besten Lrfolge benutzte». Lin großer Teil dieser s Mitteilungen stammt zwar auch von L»,»,-«», M > PV'VK'HM s<ch*»i,»dsU«htls«n,die fast übereinstimmend bc< T / richten, daß schon nach kurzem Gebrauche des- selbe» eine wesentliche Befferung eingetrcten sei. > Die weitaus größere Anzahl rührt aber von Patienten her, die a» chv»»» re«,tav»h«e» w- alt. Hust«»» eh«»»». Heks«re«it, V«»schl«i»»»»»»»s, Asth»»»«», «hvou. Vv»»»chtei» u,w. gelitten haben und die bekunden, wie vortrefflich ihnen das Mittel gehols.n hätte. Eigene Ueberzeugung ist indessen stets mehr wert, wie alle noch so lobenden Anerkennungsschreiben. Dieser Ansicht schließt sich auch die oben genannte Firma an und stellt sie drher allen denjenigen Patienten völlig »ssteulo», ohne jede KanfverpflichNing, eine Probe des Mittels zur ver- füguna, die ihre Adressen einsenden und iluein Briefe für Porto re. 2N pfg. in Briefmarken beifügen. IZcdcr Probe wird eine belehrende und interessante mit Abbildungen ausgest Niere Bros hüre ans dec Feder eines prakuschen Arztes keine Keklamrbroschüre, sondern auch wertvoll für jeden, der z. It. eine andere Kur dur.hm.rchr) ebenfalls völlig kostenfrei beigefüat. Möge jeder Hals, oder Lungenkranke, im besonderen derjenige, der be. reits andere Mirtel und Mrlbodcn erfolglos angewandt hat, in seinen» eigenen Interesse von diesem Angebot Gebrauch machen! Lr wird den kleiner, versuch, der ihm nicht einmal etwas kostet, gewiß nie bereuen. „Aber das braucht doch nicht bekannt zu werden." „Bor Gericht, Herr Baron, da gibt es keine Schonung, und es wird vieles hervorgezerrt und damit vor der Leute Mäuler gebracht, was hätte verborgen bleiben können. Denken Sie doch an die Beleidigungen, die oftmals genug die Zeugen herunter schlucken müssen, wenn es Lem Verteidiger Les Angeklagten in seinen Kram paßt, sie vor dem Gerichtshof zu verdächtigen." Wolf Dietrich zuckte unter diesen Worten zusammen; denn di« Geißel der Öffentlichkeit würde sich auch über Regina und ihm schonungslos schwingen, bis die Wunden ihr Herzblut ent strömte. „Sagen Sie Eckhardt, er solle zu mir kommen. Doch nein, lassen Sie, ich treffe ihn wohl selbst irgendwo an." „Er verläßt das Haus nicht mehr seit der Verhaftung. Seine Enkelin und das Kind sieht er nicht mehr an, sie dürfen nicht in seine Stube kommen, eine alte Frau versorgt ihn mit allem." „Ich werde zu ihm gehen." Ellern wandte sich dem Schreibtisch zu, und der Fischermeister merkte, dqß der Herr allein sein wollte, so verabschiedete er sich mit den Worten: „Ich Lanke Ihnen, Herr Baron, Laß Sie mich hohen sehen wollen. Und wenn Sie unsere Frau Baronin be suchen, so sagen Sie ihr, daß wir alle um sie weinen." „Meine Frau will keinen sehen, auch mich nicht, Meinhardt. Aber ich werde es ihr schreiben, es wird sie freuen," versprach Ellern und preßte di« Hand des treu«n Mannes, dem die Tränen in den Bart liefen. - i , Als er gegangen war, weinte Wolf Dietrich laut auf — dann ging er an seine Arbeit. Arbeit von früh bis spät — das war da« einzige, das Körper und Seele vor dem Zusammenbruch bewahrt«. , 14. K a p i t e l. Regtna war den Tag nach ihrer Verhaftung an das Land gericht nach P in Untersuchungshaft gebracht worden, in der sie nun schon vierzehn Tage zugebracht hatte, als Wolf Diet rich den Versuch «rneu«rte, sie zu sehen. In der Begleitung von Jrchizrat Wagner, den er zum Verteidiger seiner Frau gewählt hatte, ging er dem Gerichtsgebäude zu. Es widerstrebte ihm, dort jm Wagen vorzufahren. , Als sie miteinander die Treppe emporstiegen, sagte Wagner: „Es ist doch ein rechter Trost, zu wissen, daß das Schwurgericht vor der Tür steht, die Wochen sind zu zählen." „Nach Wochen dieser Qual!" rief Wolf Dietrich in bitterem Ton. „Es könnten auch Monate sein unter Umständen," erwiderte Wagner ernst. „Warten Sie hier, Herr Baron" — er öffnete die Tür der Anwaltsstube — „ich werde in wenigen Minuten zurück sein." Das Zimmer war leer, so brauchte sich Ellern keinen Zwang onzutun. Schon diese Wände schienen ihm zu eng, und er malte sich aus, wie Regina in ihrer kahlen, engen Zelle saß und sehn süchtig nach der dem Fenster, das vielleicht hoch oben an der Decke war, starrte, durch Lessen Gitter sie ein Stückchen Himmel sah, aber keine Sonne. Sie, ein Sonnenkind, deren ganzes Leben sich nur in innigem Verkehr mit der Natur abgespielt hatte, die jeden Tag für verloren hielt, den sie in den engen Mauern des Schlosses zubringen mußte, saß nun schon vierzehn Tage in Lem düsteren Raum, in dem sie kein Sonnenstrahl traf. Wie das auf ihre einsame, krank« Seele wirken mußte! Wolf Dietrich erschöpfte sich in diesen trostlosen Bildern, deren Grauen er noch durch eine selbstquälerische Phantasie ver stärkte. Wenn er Regina nur einmal sehen könnte. Was konnten ihr seine Briefe sagen, die nur ganz kurz von den Kindern be richteten und von ihm selber gar nichts. Wurden doch alle Worte von fremden Augen gelesen. Sie schrieb ihm keine Ant wort, wohl aus demselben Grunde. Kehrte denn der Justizrat gar nicht wieder? Wolf Dietrich zog die Uhr, zehn Minuten waren erst verstrichen; ihm erschienen sie unerträglich lang. Endlich kamen laut hallende Schritte den langen Gang entlang. Wagner trat ein. Ellern las aus seinen Mienen, daß er wieder vergeblich gekommen war. „Meine Frau will mich nicht sehen, Herr Justizrat?" „Ich habe alles versucht, aber Frau Baronin geriet in solche Erregung, daß ich nicht dringlicher werden durfte. Der Arzt hat größte Vorsicht anbefohlen, er sagte: „Die Nerven find so krank haft überreizt, daß unbedingte Ruhe, und ist es auch nur die Ruhe einer Gefängniszelle, jeder Störung vorzuziehen ist. I« apatischer Ihre Klientin ist, um so besser für sie." Haben Sie wei ter Geduld, Herr Baron, noch drei Wochen — wie ich taxiere — und alles kommt zu einem guten Ende." „Gutes Ende!" Wolf Dietrichs Ungeduld, der ganze Jam mer um die geliebte Frau machte sich wie in einem Schrei freie Bahn. „Glauben Sie daran? Ehrlich, Herr Justizrat! Meineid bleibt Meineid!" „Ja ?wenn wir nur einen Gerichtshof von Richtern hätten. Aber wofür haben wir denn die Geschworenen! Sie werden es erleben, Herr Baron, daß ich recht behalte." „Ich weiß aus Erfahrung, wie unberechenbar die Ge schworenen sind. Gerade, daß einer von den Unsrigen auf der Anklagebank sitzt, ist ihnen eine gewisse Befriedigung. Der Staatsanwalt — im Vertrauen sei es gesagt — ist nur Ankläger,, er ist ohne Erbarmen und klebt am Buchstaben des Gesetzes. Der Mensch tritt bei ihm völlig zurück. Er teilt alle Leute ein in solche, die bereits bestraft sind, und solche, di« es noch nicht sind. Ich habe ihn als Geschworener kennen gelernt." „Das ist nur zu begreiflich, wenn man seine Ansichten kennt. Rother ist das verkörperte Gesetz, er hat sich ihm verschrieben mit seiner ganzen Seele, er nimmt es mit seinem Beruf ungewöhnlich ernst und kann in ihm von auffallender Schroffheit sein. Ich liebe seine Art nicht, aber ich respektiere sie." „Seine Anklage wird bestimmend auf die Geschworenen wirken. Ich kenne die Namen von denen, die berufen sind, das Urteil in dieser Sache zu sprechen. Es sind einfache Männer aus dem Volk, niemand der Unsrigen ist darunter." „Ich finde darin keinen Grund zur Beunruhigung, Herr Baron. Gerade, daß diese Männer ziemlich gleichartig sind, weckt unter ihnen keinen Widerspruch. Wären Standesherren darunter, so würden diese von den andern als parteiisch beargwöhnt wer den, oder sie würden abgelehnt. Noch einmal, haben Sie Mut, es spricht so vieles zugunsten Ihrer Frau Gemahlin, daß wir den besten Ausgang erwarten können. Ich bin davon durchdrungen, daß viele Kollegen gleich mir die damalige Vereidigung der Baronin vom juristischen Standpunkt aus verurteilen. Ihr« Frau Gemahlin durfte nicht vereidigt werden." „Das ändert an der jetzigen Sachlage nichts," sagte Ellern, bitter. (Fortsetzung folgt.)