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flüssig, zu keinen, daß ein Modebad war! Meine Frau wäre in ein anderes mitgcgangen! Täglich stürzte sie st-' ist^die erstklassigen, fashionablen Wogen und .^e Schwimmkünste bewundern. Wäh rend ich als Nichtschwimmer hübsch im flachen Wasser bleiben mutzte, schwamm sie kühn hinaus ins Meer. Ich warnte sie, andere vernünftige Leute taten ein gleiches, aber sie kehrte sich nicht daran. Sie war zu selbständig geartet und muhte doch auch den Rekord behaupten. Und so kam es, dah sie eines Tages in Gefahr geriet. Als sie an Land zurückschwimmen wollte, versagten ihre Kräfte. Sie schrie um Hilfe, der ganze Strand wurde alarmiert, ich watete bis an den Hals ins Wasser, aber weiter konnte ich nicht, es wäre ein nutzloses Opfer ge wesen. Zum Glück waren tüchtige Schwimmer zur Stelle, die sie mit Mühe und Not retteten. Sie war halb bewußtlos, als sie gelandet wurde. Bei diesem edlen Werk hatte sich namentlich ein Herr ausgezeichnetes! meiner Frau schon immer sehr ^nerLflch»tzrk-^ollr aesckmitten hatte. Ihn schmückte jetzt oie>hloriole des Helden, während ich zu einem traurigen Nichts zusammengeschrumpft war. Ein Mann, der nicht mal seine Frau aus dein Wasser holen kann — das konnte ja kein gutes Ende nehmen! Und es nahm's auch nicht. Nach einem halben Jahr waren wir auseinander. Ich habe mich noch nicht ent schließen können, aufs neue zu wählen, wogegen meine Gattin sich sehr bald dazu entschlossen hat: sie und ihr Lebensretter wurden ein Paar!" „Es greift Sie doch nicht an?" erkundigte sich teil nehmend der Doktor. „Dann lassen Sie's lieber genug sein!" „Danke! Aber wollen Sie auf das „Wunderbare", das nun folgt, verzichten? Gegen die See hatte ich seit jener Zeit eine ausgesprochene Abneigung " „Begreiflich! Sie hatte Ihnen ja indirekt Ihre Frau geraubt!" warf der Arzt ein. „Deshalb weniger, sondern ich genierte mich vor den Meeresgöttern. Poseidon, die Nereiden und Tritonen sollen an genasführten Ehemännern ihren besonderen Spatz haben! Ich befreundete mich darum immer mehr mit dem Gebirge, entwickelte mich zum Bergfex, und wenn Zeit und Umstände es nur irgend erlaubten, so kraxelte ich los. Und nach diesem endlosen Winter konnte ich die ge wohnte Frühlingsfahrt in meine herrlichen Alpen kaum erwarten. Ein Freund in München schloß sich mir an. Hoch oben lag der Schnee noch metertief und wir mutzten uns an einer bescheidenen Höhe genügen lasten. Die Fremden, die wir auf dem Marsche antrafen, stammten meist aus Winterlustkurorten, wo es mit dem Rodeln und Skilaufen nun bald vorbei war. Wir hatten uns Mutze gegönnt und es dunkelte schon, als wir der Hütte, in der wir übernachten wolltest, nahe waren. Da bemerkten wir am Wege zwei menschliche Wesen, einen Herrn und eine Dame. Er satz auf einem Fels vorsprung und sie stand vor ihm. und sprach auf ihn ein. „So nimm dich doch zusammen!" hörten wir sie sagen, als wir dicht bei ihnen waren. „Wir sind ja bald oben." „Ich gehe keine zehn Schritt weiter!" erklärte er eigensinnig. „Meine Füße find total wund. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht vom Fleck." Die Dame drehte sich nach uns um. „Verzeihen Sie die Frage: wie weit ist es noch bis zur Hütte?" „Kaum eine halbe Stunde," antwortete mein Freund. „Siehst du —" wandte sie sich wieder an den Herrn, „nur noch ein halbes Stündchen!" „Und wenn's nur fünf Minuten wären — ich kann nicht!" Wir waren stehen geblieben; ich vor schreckhafter Überraschung, denn die Stimmen hatten mir beide so be kannt geklungen, mein Freund aus sportlichem Soli- daritätsgefiihl. In seiner entschiedenen Art meinte der nun: „Sitzenbleiben können Sie hier doch nicht! Bald wird's Nacht sein! Stehen Sie auf und stützen Sie sich auf mich, dann werden Sie die kurze Strecke wohl noch zuriicklegen." „Zn solch reizende Lagen kommt man," knurrte der andere ungezogen, „wenn man eine Frau hat, die auf jede Bergspitze hinauf mutz." „Aber diese zweitausend Meter sind doch keine Zu mutung gewesen!" verteidigte sie sich. „Für mich ja. Ich habe nun mal keine Kletterfütze!" Sie schwieg, wohl um ihn nicht noch mehr zu reizen. Zch aber wußte jetzt ganz sicher, wen ich vor mir hatte: meine Geschiedene mit ihrem zweiten Gatten. Mich hatten die beiden noch nicht wiedererkannt. Die zehn Jahre hatten mich verändert, dazu kamen Lodenanzug, Schneebrille, auch war ich bisher stumm geblieben. Auf die breiten Schultern meines Freundes gestützt, humpelte mein verehrter Herr Nachfolger stöhnend berg an. Meine verflossene Gattin und ich schritten hinter drein, wobei ich den Kopf, soweit ihn nicht der Hut be deckte, tief in meinen Mantelkragen versenkte. Wohl in der Absicht, den nicht gerade berühmten Eindruck, den ihr Gatte auf uns hatte machen müssen, zu verwischen, war sie trotz meiner Schweigsamkeit sehr ge sprächig. Mein Freund und ich seien zweifellos passionierte Bergsteiger? — Ich bejahte mit verstellter Stimme. — Man erkenne es an unserem Gang. Auch sie habe eine große Vorliebe für den Bergsport, leider werde diese von ihrem Gatten nicht geteilt. Wir waren vor der Tür der Hütte angelangt, als das gesprochen wurde, und die beiden vor uns waren schon hineingegangen. Da zwackte es mich, eine kleine Bosheit loszulasten. „Sie bilden eben eine Ausnahme, meine Gnädige," entgegnete ich. „Entweder ist der Mensch so oder so ver anlagt, hat er diese oder jene Eigentümlichkeit. Ihr Herr Gemahl besitzt keine Kletterfütze wie ich, dafür hat er aber, wenn mich nicht alles trügt, Schwimmfütze, die mir wieder fehlen. Er schwimmt gut, ich klettere gut! Vollkommen ist nichts auf dieser Welt — nicht wahr?" Dabei schlug ich den Kragen herunter, lüftete mein Hütchen und nahm die Schneebrille ab. . . . Im nächsten Augenblick stand ich allein. Meine Begleiterin war lautlos verschwunden. . . . Aber den Abend und die Nacht über mutzten wir doch unter einem Dache Hausen. Als der Morgen graute, brachen mein Freund und ich geräuschlos auf. Wir waren rücksichtsvoll genug, den beiden nicht auch noch das Frühstück zu verderben. Und nun, Herrschaften, geht's in diesem Sommer an die See. Die Meeresgötter sollen mich nur noch aus lachen wollen! Zch werde ihnen dann von Leuten er zählen, die's weit mehr verdienen!"