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- Erscheinungsdatum
- 1908-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-190809191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19080919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19080919
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-09
- Tag 1908-09-19
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Monat
1908-09
-
Jahr
1908
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Nr. 219. 1. Beilage zum Auer Tageblatt. IS. September. 1908. Unfiille m»a Rettnugsmöglichkeiten in der Lustschiffahrt. Daß die Lustschisfahrt «in nicht ungefährlicher Berus ist, hätte zwar niemandem besonder» bewiesen werden müssen, ist aber in der Zeit des ungeheuren Ausschwunges der Versuchs fahrten mit lenkbaren Lustschisfen jeder Art besonders deutlich geworden. Das heikelste Fahrzeug der Lüfte ist jedenfalls das Aeroplan, obgleich tödliche Unfälle bei -en großartigen Rekordflügen der letzten Monate glücklicherweise — man kann sagen: wunderbarerweise — nicht vorgekommen sind. Immerhin ist, wie unsere verehrten Leser aus der gestrigen Nummer des Auer Tageblattes wissen, Orville Wright schwer verun glückt, und einer seiner Begleiter ums Leben gekommen. Gegen die Gefahren solcher Versuchsfahrten mit noch unerprobten Luft schiffen ist natürlich auch kein Kraut gewachsen, weil es eben Versuchsfahrten sind, deren Erfolg« und Folgen sich nicht bestimmt voraussagen lassen. Auf dem Gebiet der Luftschiffahrt älterer Gattung liegen dagegen so viel« Erfahrungen vor, daß sich bestimmte Grundsätze für das Rettungswesen auf stellen lassen, wie es Dr. Flemming in der Deutsch«» Zeitschrift für Luftschiffahrt nach seinen Erfahrungen als Arzt beim preußi schen Luftschifferbataillon tut. Abgesehen von leichteren Quetsch verwundungen, Hautabschürfungen und ähnlichem ereignen sich bei der Füllung oder Landung Unfälle entweder durch Gas vergiftung oder infolge Verbrennung, durch Easentzün- dung oder endlich infolge mechanischer Verletzung oder Er trinkens. Gasvergiftungen kommen sowohl, bet Leuchtgas- wie bei Wasserstofsfüllung des Ballons vor. Ihre Ursache liegt bei dieser in der Bildung des furchtbar giftigen Arsenwasserstoff gases, das seinem Entdecker Gehlen das Leben kostete, und das bei der Herstellung von Wasserstoff aus Schwefelsäure und Eisen- spähnen in bedenklicher Menge auftveten kann. Es ist vorgekom men, daß Mannschaften, die sich in einer wenig ventilierten Ballonhalle aufhielten, oder das Füllgas direkt einatmeten, er krankten und innerhalb weniger Tage starben. Dabei verläuft die Vergiftung anfänglich anscheinerü) nicht sehr heftig. Manche von den tödlich Vergifteten taten noch mehrere Stunden Dienst, bevor sie merkten, daß sie erkrankt waren. Es stellt sich sodann leichte Atemnot, Schwindel und ein kribbelndes Gefühl in der Haut ein. Sehr bald folgt heftiges Erbrechen, das erst bei zu nehmender Schwäche einige Zeit vor dem Tode aufzuhören pflegt. Am zweiten Tage der Erkrankung verfärbt sich die Haut und wird zuerst geblich, dann bald mulattenfarbig. Nach drei bis sechs Tagen pflegt das Ende einzutreten. Diese Vergiftungen sind heute selten geworden, da man meist elektrolytisch her gestellten Wasserstoff, der von dem Gifte frei ist, verwendet. Wo noch chemisch erzeugtes Gas in Gebrauch genommen wird, sollte nur arsenfreie Schwefelsäure zugelassen werden. Wenn die Vergiftung eingetreten ist, ist die Hoffnung auf Rettung nicht groß, wenn auch nicht ausgeschlossen. Starke Erhöhung der Haut tätigkeit durch Abreibungen, abwechselnde Anwendung von heißem und kaltem Wasser und anregende Einspritzungen ver mögen bisweilen den Organismus über den kritischen Punkt Hin wegzubringen. Mechanische Verletzungen treten nicht selten bei der Landung ein. Meist sind es Verstauchungen und Quetsch ungen des Fuß- und Kniegelenks und auch Brüche besonders der Knöchel. Zur Verhütung solcher Unfälle ist das Klarhalten der Leine, genaue Kenntnis der Reißvorrichtungen, entsprechende Eewichtsverteilung im Korbe und ruhiges Abwarten des Auf schlagens aus Len Erdboden mit federnden Knien zu empfehlen. Im allgemeinen sollte der Ballon vor dem ersten Aufsetzen ge rissen werden, da dann die Erschütterung des Körpers nur ein mal erfolgt. Ist einmal eine Verletzung geschehen, so muß tun lichst der Transport nach dem nächsten Krankenhaus veranlaßt werden, nur bei leichteren Verletzungen kann erste Hilfe, wie sie eben unter den gegebenen Verhältnissen möglich ist, geleistet werden. Häufig werden kleine Schäden in der Erregung der Landung nicht bemerkt, so daß die Betroffenen noch größere Fuß wanderungen versuchen, was unter Umständen ihren Zustand verschlimmern kann. Landungen im Wasser werden vielfach aus geführt, doch führen sie recht häufig zu Unfällen durch Ertrin- k e n, obgleich das Luftfchifferbataillon nach dieser Richtung ver schont geblieben ist. Eine besondere Gefahr bietet der in Deutschland allgemein geübte Brauch mit offenem FLllan- satz zu fahren, ohne daß dieser von der Gondel aus geschlossen werden könnte. Dies führt zu der Unzuträglichkeit, daß bei Landungen zu Wasser häufig so viel Gas aus der Hülle heraus gedrückt wird, daß es bald unmöglich wird, sich über Wasser zu halten. Eine Vorrichtung zur Schließung und Oeffnung ist daher zu empfehlen. Wenig Hilfe versprechen Schwimmwesten, abge ¬ sehen davon, daß man den Ballon, so lange er schwimmt, nach Sportg setzen nicht verlassen soll. Bei militärischen und sportlichen Fahrten sind Unfälle wäh rend der Fahrt sehr selten, da diese meist nur bei Hochfahrten sich «reignen. Eine gewisse Gefahr bietet das Herablassen des Schleppseiles, das einen so starken Zug ausübt, daß selbst Knöchel brüche durch Verwicklung in ein.' Schlinge Llfolgen lönnen. Solche Unfälle sind leicht zu vermeiden, wenn das Schleppseil von vornherein außerhalb der Gondel befestigt ist und sich nach Durchschneiden eines haltenden Fadens von selbst entrollt. Inner« Erkrankungen kommen bis zu Höhen von 4000 bis 5000 Metern im allgemeinen nicht vor. Ein wirksames Gegenmittel gegen alle Leiden in großen Höhen bietet die Sauer stoffatmung. Entzündungen waren bis vor kurzem nur bekannt, sofern der Ballon mit d«r Erde in Verbindung ge standen hatte, aber die Katastrophe des Sommers 1907, wo der freischwebende Ballon des Kapitän Usuelli explodierte, hat ge zeigt, daß auch sogenannte Zufallsblitze beim Ueberspringen von einer Wolke zur anderen zünden können. Im Bereich der Mili tärluftschiffährt sind mehrere Fälle von Zündungen vorgekom men, zweimal bei Fesselballons und viermal bei Freiballons. Der Fesselballon wurde einmal während der Füllung und einmal in einer Höhe von mehreren 100 Metern entzündet: die Frei ballons explodierten regelmäßig erst, nachdem sie nach der Lan dung wieder die Erde berührt hatten, welches Schicksal ja auch bet Echterdtngen dem Zeppelin IV zuteil geworden ist. Zahlunüsfttten. Zum Borgen gehören zwei, einer, der die Ware ohne Geld nimmt, und einer, der sie ohne Geld hergibt. So lange die Welt steht, hat es Leute gegeben, die ohne Geld gern Ware genommen haben, und so lange die Welt steht, wird es auch fernerhin solche Leute geben. Es ist himmelblaue Illusion, zu meinen, man könne es diesen Leuten klar machen, daß das. nicht vorteilhaft für sie sei. Rechnerisch genommen ist es nämlich in der Tat höchst vorteilhaft, zu pumpen, weil man entweder dabei die Zinsen spart, die eigentlich dem Lieferanten gehören, oder, was auch vorkommt, die ganz« Summe schuldig bleibt bis in die Ewigkeit und darüber hinaus. Nachteile hat das Borgen nur für Leute, die nicht rechnen, also etwas liederlich, sonst aber ehrlich sind und gern bezahlen wollen und dabei be ständig in die Klemme kommen. Diese Leute bilden die Mehr zahl aller Pumpgenies, aber es hat keinen Sinn, ihnen die Ge fahren ihrer Wirtschaft auseinanderzusetzen, denn niemand glaubt es, wenn man ihm sagt, daß er nicht rechnen könne. Die Osnabrücker Handelskammer, die in ihrem Jahres bericht für 1i>07 «inen energischen Vorstoß gegen das Pumpen bei der Bestreitung täglicher Lebensbedürfnisse unternimmt, wen det sich also an die falsche Adresse. Nicht nur formell, denn ein Handelskammerbericht ist nicht für die Kundschaft ge schrieben, sondern auch sachlich, weil sich zum Kampf wider den Pump eine Mahnung an die Geschäftsleute weit mehr empfiehlt als eine solche an die Käufer. Das Pumpen wird gerade so lange weiter gehen, wie die Geschäftsleute sich dazu mißbrauchen lassen, ja sogar die Leute zum Pumpen ani Mieren. Wenn die Geschäftswelt ihrerseits sich dahin einige, auf strenge Barzahlung zu halten, so würde sie nicht nur sich selbst nützen, sondern auch ein dankenswertes Erziehungswerk an der Kundschaft verrichten. In den Großstädten haben die Verhält nisse viel dazu Leigetragen, das Borgen einzuschränken. Die Leute kennen sich gegenseitig nicht und mißtrauen sich daher von vornherein. Die großen Warenhäuser und Spezialgeschäfte lassen sich auf Pump überhaupt nicht ein, und so ist das Publt- kum einigermaßen dazu erzogen, zu wissen, daß, wenn man kein Geld hat, man auch nichts kaufen kann. Es gibt zwar noch viele Pumpgeschäfte, sogar recht glanzvolle, für die Hautevolee, aber dort werden Preise angesetzt, wie sie in Barzahlungsgeschäften nicht üblich sind; wer den Charakter dieser Firmen kennt, kauft dort nicht, wenn er bar bezahlen will, ja selbst die Stammkund schaft geht an ihnen vorüber, wenn sie mal nicht auf Borg neh men muß. Fallen die betreffenden Firmeninhaber mit einem Kunden ordentlich hinein, so müssen die übrigen den Ausfall tragen. Doch diese Geschäfte sind Spezialitäten, das Gros hält heute auf Kasse. In der Provinz dagegen ist es oft förmlich eine Schwie rigkeit, an die Lieferanten sein Geld los zu werden. Wenn der Schneider einen neuen Anzug bringt, so hat er die Rechnung nicht bei sich, und die Sache bleibt einstweilen unbeglichen. Auch scheut sich der Gewerbetreibende oft, mit seiner Rechnung sofort zur Stelle zu sein, weil er glaubt, das sehe so aus. als ob er das Geld sehr nötig habe. In Wahrheit hat jeder Geschäftsmann sein Geld nötig, denn welcher Narr wird für andere Leute An züge schneidern, wenn er es nicht nötig hat! Also das ganze Getue im gewerblichen Leben ist überflüssig und die kor« dtale Manier de» unbegrenzten Vertrauen» auch Uns sind Landstädte bekannt, wo die Leute es direkt al» eine Belästigung empfinden, alles auf Kredit angeboten zu bekommen und um di« Abrechnungen förmlich bitten zu müssen. Wenn angesehen, Landleute in die Stadt zum Kaufmann fahren, so wird ihnen der ganze Wagen mit AKrren vollgepackt, aber die Rechnung wird ihnen erst später gemacht, wiewohl sie gern zahlen wol- l en. Das sind Gewohnheiten, die ohne jede böse Nebenabsicht überall aus dem Lande grassieren, den Kunden oft Unbequem lichkeiten machen, wenn die Rechnungen zu hoch anlaufen, und di« Geschäftsleute selbst stark belasten, teil» weil sie ihre Bücher unendlich komplizieren, teils weil ihnen das Geld knapp wird und sie dann, nachdem sie die ganze Sache al» Vertrauenssach« behandelt haben, wirklich nicht allzu scharf auf Bezahlung drän gen können. Unser» Erachtens wird der Borgunsug einzig von leiten der Geschäftswelt durch Erziehung des Publikums zu bekämpfen sein. Wenn die Geschäftswelt sich dabei auf die einsichtigen Elemente im Publikum stützen kann, um so besser. Aber den Einsichts losen zu predigen, daß Borgen Sorgen macht, hat wenig Erfolg, ' wenn das Sprichwort auch wahr ist. Aber noch wahrer ist, daß Verborgen noch größere Sorgen macht, denn wer borgt, be kommt wenigstens Ware, wer aber verborgt, verliert Ware, Geld und Freundschaft obenein. Also täten die Handelskammern gut, sich an ihre eigenen Leute zu wenden und st« zu ermuntern, auf straffe Zahlungssitten zu halten. Dann muß das Publikum wohl oder Übel sich fügen, was sehr zu seinem eigenen Besten wäre. Vermischtes. Der Klub der Optimisten. Aus London wird berichtet: Trotzdem das englische Klub leben in den letzten Jahren unter der Konkurrenz der neuen großen Hotels und Restaurants sehr gelitten hat, schreitet man in der englischen Hauptstadt jetzt doch zur Gründung eines neuen großen Klubs, der allerdings durch seine originelle Idee auf eine große Anhängerschaft zählen kann. Es ist der Optimistenklub. Das höchste Ziel der Mitglieder soll die Erhöhung heiteren Lebensmutes und humorvollen Frohsinns bilden. Alle Mit glieder müssen trachten, jedes Mißgeschick des Alltags von der heiteren Seite zu nehmen. Irgendetwas muß geschehen, so äußerte sich einer der Förderer des neuen Gedankens, um die wachsende Tendenz zum Pessimismus und zur Skepsis zu unter drücken. Die meisten Klubs sind nichts anderes als Pessi misten klubs. Im Optimistenklub wird keine Schwermut und keine Melancholie und auch keine schlechte Laune gÄmldet werden. Alles wird geschehen, um die Heiterkeit und den Frohmut zu pflegen. Mit größter Sorge wird das Personal gewählt, denn wir wollen die rosigsten, die vergnügtesten und die am zufrieden sten dreinblickenden Bedienten um uns sehen. Von den Wänden der Klubzimmer grüßen die Mitglieder aufmunternde Inschrif ten: Wozu klagen? oder: In hundert Jahren wird alles genau so sein und daneben werden Bildnisse der großen Optimisten der Phantasie und der Geschichte die Besucher der Räume zur Gefolgschaft mahnen, Falstaff oder Rabelais und andere. Ein jedes Mitglied des Klubs, dem durch die Zeugenschast zweier anderen Mitglieder nachgewiesen wird, daß es eine halbe Stunde im Klub gewesen ist, ohne zu lächeln, wird bestraft. Und wer einmal wagen sollte, einen leisen Zweifel darüber zu äußern, daß auf dieser besten aller Welten nicht alles zum Allerbesten bestellt ist, der muß auf der Stelle zur Buße zu einer Cham pagnerrund« laden. Eine Komödie der Irrungen. Vor dem Standesamt einer Stadt in der Nähe Münchens erschien ein ehrsamer Bürger zum Eheaufgebot. Da er über die Trennung seiner ersten Ehe nur ungenügende Auskunft geben konnte — er hatte seine Frau vor vielen Jahren verlassen und nichts mehr von ihr gehört —, so recherchierte der Beamte in den Akten und förderte die Erklärung eines bayerischen Amts gerichts zutage, daß der vor ihm stehende Heiratslustige, der seinen Wohnsitz nie verlassen und auch seine Steuern dort stän dig bezahlt hat, vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert und für verschollen und tot erklärt worden sei. Auf die Frage des Unglücklichen, ob er nicht Loch wieder heiraten dürfe, verwies ihn der Beamte auf die einschlägigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach erst seine Frau in Kennt nis zu setzen sei, daß ihr totgeglaubter Mann noch lebe, worauf dieser erwiderte, dann wolle er lieber tot bleiben. Er schrieb nun an den Bürgermeister seines Heimatortes einen ver zweifelten Brief mit der Bitte, ihm doch zum Heiraten zu helfen. Er wisse nicht, ob er lebendig oder tot, ledig, verheiratet, ge schieden oder verwitwet sei, so daß der Bürgermeister schon die WA Ipu, i<ion öo vslorss stomg ssKo, Le ßi ne penas lerte Nepenetri l.s volon Ue In äioj? ivas ist des Menschen Klugheit, wenn sie nicl't Auf Jener Ivillen droben achtend lauscht? Refiner, Roman von I. Jobst. 1. Kapitel. Ueber dem Flußtal lag dämmernd die kommende Nacht. Stoch stand das leuchtende Tor am Westhimmel, durch das die Sonne wie ein Held geschritten war, der glorreiche Taten voll bracht hat. Hatte sie nicht heute der Menschheit einen Tag ge schenkt, so voll von ihrer Wärme, so überquällend von glühendem blühendem Leben, daß eine jegliche Kreatur ihre Kräfte wachsen fühlte, und alle Herzen jauchzend spürten, wie Las Dunkle weit, weit da hinten lag, und es nun vorwärts ging dem Lichte entgegen. Leise verklang das Vogellied in den Wäldern, die die grün goldene Pracht ihrer zarten Blätter trugen wie in köstliches Ge schmeide, so hoch und stolz ragten die vielverzweigten Kronen himmelan. Nur wie ein weiches Schlummerlied Harste der Abend wind seine Weise, und von den Wiesen her, wo die weißen Nebel frauen ihren Reigen begannen, zog ein süßer Duft, er füllte das Tal mit seinem berauschendem Atem. , Der Strom floß schwer und träge seine Bahn, als habe er keine Eile, kein« geschwätzige Welle störte sein gleichmäßig tiefes Rauschen, lleber den stillen tiefen Wassern zog «in einziges Boot seine Bahn, es fuhr pfeilschnell mit der Strömung. Die Ruder, die es vorwärts trieben, hielten ein paar kräftige Fäuste um spannt, und der Körper des Fahrenden machte selbst im Sitzen den Eindruck einer mächtigen, auffallend großen Gestalt. Al» das Boot an einem schmalen Steg landet«, der inmitten eine» Wei- dengehölze» weit ins Wasser gebaut war, schwang sich der Mann mit einem Sprung auf die unter seinem Gewicht ächzenden Bretter, die Kette des Fahrzeuges um einen Pflock schlagend. Er lüstete die bequem sitzende Jagdmütze von dem blonden Haar und wischte sich die heiße Stirn, die in ihrer auffallenden Höhe und Breite zu der außergewöhnlichen Erscheinung gut paßte. Die scharfen hellblauen Augen blickten spähend umher, es war, als ob sie einen Lauscher fürchteten, dann schritt Wolf Dietrich von Ellern durch die sich hier als schmales Band am Fluß ent lang ziehende Wiese zum nahen Walde hin, der den Höhenrücken bis zum Fuß des steilen Ufers krönte. Man konnte diese den Strom begleitenden Höhen kaum Berge nennen, und doch wirkten sie als solche in der Landschaft, die sich von diesem Punkte aus in eine weite Tiefebene verlor. Ein schmaler, steiler Pfad führte direkt empor, und durch das dunkelnde Waldinnere stieg Wolf Dietrich so eilig bergan, als liefe der Weg im ebenen Tal. Beneidenswerte Lungen mußte die breite Brust bergen, denn der Atem war um nichts beschleu nigt, nur die Flügel der scharf vorspringenden Nase vibrierten, verrieten aber wohl dadurch mehr «ine innere Aufregung. Die Lippen waren fest geschlossen, und das wohlgeformte Kinn ein wenig vorgeschoben, eine Energie verratend, die aus jeder Ge bärde und aus jedem Zuge des anziehenden Gesichtes sprach. Nun stand er oben, der Pfad lief in einen breiten Fahrweg aus, den er voller Ungeduld verfolgte, als er die Bank unter einer Riescnbuche zu seinem Erstaunen leer fand. Noch einige Minuten, und er bog in einen schmalen Weg ein, der bei einem Pavillon endete. Wolf Dietrich schien am Ziel, denn er trat ein, sich mit ungestümer Bewegung, die seine Ungeduld nur zu deutlich verriet, auf einem der Korbsessel niederlassend, die. sich um «inen runden Tisch zwanglos gruppierten. Auch hier fand er niemand seiner wartend. Die Fenster des alten Gemäuers gaben den Blick in die Tiefe frei. Er stand auf einer vorspringenden Spitze des Höhen rückens, eine breite Schneise war von hier aus durch den Hoch wald geschlagen, so daß das Auge weit hinausschauen konnte. Es war ein schönes Stückchen Erde, das sich da drunten aus breitete und sich in dämmerndes Licht hüllte. Noch sah man da» leuchtende Grün der Wiesen und die Silberbahn des Stromes. In der Ferne, wo di« Schatt«» dunkler wurden, leuchteten die Türme einer Stadt aus Nebeln empor, und eine dichte Rauch säule verriet das Nahen eines Dampfers, der seine Fahrt berg ab eilig verfolgte. Wolf Dietrich sah Las Boot kommen und verschwinden, und er sah daran wohl, wie lange er schon hier saß und wartete. Noch lag auf den Höhen das Licht des schwindenden Tages, aber drunten wurde es schon Nacht. Er zog voller Ungeduld die Uhr. „Unbegreiflich! Wenn sie nicht käme! — Regina, endlich!" Mit raschen Schritten war eine hohe, schlanke Frauengestalt eingetreten, sie hatte vorsichtig die Tür hinter sich zugezogen und warf sich an die Brust des Mannes, den sie liebte. Es war, als ob die heimlichen Stimmen des Waldes den Atem verhielten, als wüßten sie, daß das Leben dieser Leiden Menschenkinder an dem Wendepunkt angekommen war, wo alles Glück zu Ende geht und das Leid beginnt. Und vor diesen Leiden kraftvollen Menschen lag ja noch ein langes Leben, der Weg war noch so weit und sollte doch von nun an in Einsamkeit gewandert werden, eins fern vom andern. Noch wußten Wolf Dietrichs zärtliche Augen nichts vom Scheiden und Meiden, doch in Reginas dunklen Blicken kämpften heiße Liebe und brennendes Weh um den Sieg, aber der ihn davontrug, war der Stolz, der auf ihrer weißen Stirn thronte, über die das weiche Haar sich wie eine Krone legte. Wie liebte Wolf Dietrich diesen Schmuck, seit er ihn in einer selige!» Stunde zu seiner ganzen Fülle aufgelöst hatte sehen dürfen. Auch jetzt faßte er hinein, als wolle er den edel geformten Kopf von seiner Last befreien. „Nicht, Wolf Dietrich, uns gehört nur kurze Zeit. Es hat Mühe gekostet, daß ich mich freimachte." „Hat Tante dich wieder gequält, Regina? Ach, könnte ich dich doch mit mir nehmen, jetzt gleich, so wie du vor mir stehst, du mein einziges, mein stolzes Lieb. Warum gebraucht man so viel zum Leben, besonders, wenn die Scholle es nicht gibt. Da stehen wir Leide hier in heißer Liebe geeint, mit der brennenden Sehnsucht uns eigen zu sein, aber unsere Vorfahren haben dafür gesorgt, daß uns kein trautes Herdfeuer brennen darf." „Du mußt wieder in den Staatsdienst?" „Mir bleibt nichts anderes übrig, Regina. Klein-Ellern wird von dem treuen Müller weiter bewirtschaftet und bringt
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