Suche löschen...
- Erscheinungsdatum
- 1908-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-190809111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19080911
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19080911
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-09
- Tag 1908-09-11
-
Monat
1908-09
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 212. Auer Tageblatt und Anzeiger für da« Erzgebirge. Freitag, den 11. September 1908. Taft, der Assistent de» Staatssekretär» de» Krieg« Metcalfe, der Assistent de» Staatssekretär» de» Schatze» Oliver Mr. Looltdge und viele hohe Offiziere in Uniform. Wright erklärte nach dem Flug«, daß er seine Geschwindigkeit auf 38 Meilen .inderStunde schätze Er lenke die Maschine jetzt unbewußt, gerade wie ein gewandter Radfahrer sein Rad. Da» Flotten departement kündigt an, datz ein offizieller Beobachter von Aeraplanflügen ernannt werden wird, und datz das Departe ment sofort Flugmaschinen ankanfen wird. Als man Wright nnch seinem ersten Flug fragte, warum er nicht drei Minuten länger geflogen sei, erklärte er unbefangen, datz er dies leicht getan hätte, doch sei ihm gänzlich unbekannt gewesen, wie lange er geflogen sei. Er glaubte, es seien 40 Minute» gewesen. Kapitän Van Horn erklärte, bei der Ge schwindigkeit, mit der Wright geflogen sei, würde man ihn schwer haben treffen können. Man würde aus mehreren EeschüsZen mit Shrapnells schießen müssen. Wright sagte, wäh rend des Fluges sei es schwierig, dessen Höhe zu schätzen, die Ver suchung, höher zu steigen, sei schwer zu unterdrücken. Nach Posts Schätzung flog Wright bei diesem Flug mit einer Ge schwindigkeit von 53,5 Meilen in der Stunde. Der vom französischen Marinrdepartement mit der Beobach tung der Versuche Wrights betraute Leutnant Creecy äußerte seine Meinung dahin, datz Aeroplane auch von Schlacht schiffen aus benutzt werden könnten. Es würde keine Schwie rigkeit bieten, den Apparat mittelst der Wrightschen Antriebe vorrichtung vom Verdeck des Schiffes zu starrten und bei der Rückkehr wieder aufzuiiehmen. General Allen sprach sich dahin aus, datz die Flugmaschine auch für die R e t t u n g s sta t i o n e n von grotzer Nützlichkeit wäre. Nachdem sich der Sturm gelegt und der Wind nachgelassen hätte, könnte der Aeroplan leicht ein gestrandetes Schiff mit der Hilfsleine erreichen, bevor dies auf der bewegten See Boote» möglich sei. Noch ein neues Luftschiff? Der Ingenieur B l il inAmsterdam will ein neues Luft schiff erfunden haben. Er behauptet, mit seinem Fahrzeug ver tikal von der Erde aufsteigen, in der Luft stillstehen, sich horizontal guf- und absteigend bewegen und schwere Lasten mit dem Apparat tragen zu können. Die technische Kommission der Niederländischen Vereinigung bestätigtin einem Zeugnis diese Angaben. Der Apparat hat ein Gewicht von 600 Kilo gramm, ist 19 Meter lang, 10 Meter breit und 21/2 Meter hoch. Politische Tagesschau. Aue, den II. September. * Kaisermanöoer in den Reichslanden. Die Manöver endeten mit dem Rückzug der roten Partei aus Belchen. Die Kritik dauerte bis ^3 Uhr. Der Kaiser und der Erzherzog Franz Ferdinand trafen um s/L4 Uhr auf Schloß Urville ein. Nach gemeinsamer Mahlzeit begab sich der Erzherzog nach herz licher Verabschiedung vom Kaiser mit dem Gefolge und dem Ehrendienst im Automobil nach Metz, von wo er mit der Bahn nach Salzburg fährt. - Der Kaiser verlieh u. a. dem sächsischen Kriegsminister Freiherrn von Hausen den Verdienstorden der preußischen Krone. * Zu den neuen Neichssteuern erfährt der Berliner L.-A. noch folgendes: Daß zu den modernen Einrichtungen, die be steuert werden sollen, in erster Linie die Elektrizität und das Gas gehören, ist bereits bekannt. Es soll dabei aber weniger die von diesen Quellen ausgehende Kraft, als das Licht be steuert werden, und auch nicht die Produktion, sondern diese Abgabe soll den Konsumenten auferlegt werden, wenngleich ihre Erhebung bei den Produzenten srattfinden dürste. Die gewerb lichen Interessen sollen nach Möglichkeit geschont werden. Ferner ist unter jenen modernen Einrichiungen auch das Reklame wesen gedacht, das ebenfalls zur Besteuerung herangezogen werden soll, ob es nun in Gestalt von Plakaten, von Inschriften an Mauern, Bergen usw. oder von Zeitungsinseraten auftritt. Was diese anlangt, so will man weitgehende Unter schiede machen, die sogenannten kleinen Anzeigen unabhängig von ihrem Umfange und nur nach ihrem Zweck betrachten, also Stellengesuche und Stellenangebote, Familienanzeigen u. dgl. ganz steuerfrei lasten und auch die minder leistungsfähigen kleineren Blätter zu der Jnseratensteuer nicht heranziehen, son dern sie lediglich von den größeren, ertragreichen Blättern er heben. — Aeußerem Vernehmen nach wird ferner die vor einem Jahre eingeführte Fahrkartensteuer vollständig wieder aufge hoben werden. * Für die Reichstagsnachwahlen in Memel-Heydekrug an Stelle des Geheimrats Schwabach, der sein Mandat niedergelegt hatte, haben di« Konservativen den Besitzer vuttgereit- Paschieschein al» Kandidaten ausgestellt. Die Vereinigten Nationalliberalen, Freisinnigen und Volk»,-arteiler fwerden wieder den früheren Abgeordneten Schwabach aufstellen, besten Wahl gesichert erscheint. * Ob Fürst Bülow auch nach dem Auseinandersallen des Blocks noch weiter Reichskanzler bleiben wird, diese Frage wird im Anschluß an das angebliche Kaiserwort: Bernhard bleibt, ob m i t oder ohne Block, besonders in der konservativen und kleri kalen Presse eifrig erörtert. Wie die Magdeb. Zeitung aus der nächsten Umgebung des Reichskanzlers erfahren haben will, habe sich Fürst Bülow jederzeit dahin ausgesprochen, datz er nicht mehr mit dem Zentrum Zusammenarbeiten will. Es liege kein Grund vor, anzunehmen, daß er seine Meinung geändert habe. * Neue Kolonialvorlag«. Wie verlautet, dürste dem Reichs tage nach Neujahr eine Vorlage zugehen, die weitere Mittel zum Ausbau des Hafens von Swakopmund in Deutsch- Südwestafrika fordern wird. Beabsichtigt ist der Bau einer größeren, weit in See laufenden Molenanlage. Seitens des Gouvernements sind im Sommer Pläne aufgestellt worden, die Exzellenz Dernburg unterbreitet wurden, der sich selbst von der Notwendigkeit dieser Bauten überzeugt hat. Näheres wird sich erst nach der Rückkehr des Staatssekretärs sagen lasten. * Dem Abg. Dr. Hermes ist aus Anlaß seines 70. Geburts tages von der Wählerschaft des Kreises Jauer-Bolkenhain ein Album überreicht worden. Dr. Otto Hermes hat sich allen Ovationen entzogen, indem er sich von Berlin nach Rovigno begeben hat, wo er im engsten Familienkreise seinen 70. Ge burtstag feierte. * Das Bennögen der Gewerkschaften. Die Gesamteinnahmen der sozialdemokratischen Gewerkschaften sind seit 1906 von 41 602 939 auf 51 396 784 .L gestiegen. Auf den Kopf jedes Mit gliedes kommen etwa 27,55 .L. Die Gesamtausgaben sind in der selben Zeit von 36 963 413 .kl auf 43122 519 .kl gestiegen. Die Vermögensbestände sind gleichfalls von 25 312 634 .kl auf 33 242 545 .kl gestiegen. Auf den Kopf jedas Mitgliedes kommt also 17,82 .kl Vermögen. * Arbeitslosen-Demonstrationrn. Dreitausend Arbeitslose versammelten sich in G l a s g 0 w am Mittwoch um Mitternacht auf dem Georges Square, wo aufreizende Reden gehal ten wurden. Die Polizei schritt ein und zerstreute die Menge, die aufs neue einen Zug bildete, um schreiend und singend nach den Stadtvierteln zu ziehen, in denen die wohlhabenden Klassen der Bevölkerung wohnen. Die Führer der Menge beabsichtigten eine Kundgebung vor dem Hause des Bürgermeisters. Als sie auf eine Viertelmeile > erangekommen waren, erschien plötz lich berittene Polizei aus einem Hinterchalte und sprengte die Menge nach allen Seiten auseinander. Hierdurch entmutigt, zog dann die Schar nach der Stadt zurück, wo sie auseinander ge trieben wurde. Es wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen. Die Polizeimannschaften machten reichlichen Gebrauch von ihren Stöcken, so daß viele Demonstranten am Kopf verletzt wurden. Es sind von feiten der Polizei die nötigen Vorsichtsmaßregeln ergriffen worden, um die Wiederkehr der Unruhen zu ver hindern. * Amnestie in Persien. Aus Anlaß der in der vorigen Woche erfolgten Geburt eines Sohnes hat der Schah fast alle Baghishah seit dem Staatsstreich festgehaltenen politischen Gefangenen freigegoben mit der Vkdinlgung, Persien, bezw. Teheran binnen zwanzig Tagen zu verlassen. Der Schah ist wieder hergestellt. * Die Hereros, die seinerzeit in das Ovamboland geflohen sind und dort Unterkunst gesucht haben, kehren in immer größerer Zahl in die deutsche Polizeizone zurück, weil sie im Övambo- land schlecht behandelt werden. Nach der Tägl. Rundschau sei neuerdings die Zurückwanderung eines größeren Trupps vor sich gegangen. Von den Qvambvs selbst seien seit Mai d. I. nur 200 Personen in die deutsche Polizeizone eingewandert, um dort Arbeit zu nehmen. Der Grund für diese schwache Ein wanderung liege darin, daß die Aussicht, Arbeit zu finden, nur gering sei. Aus öem Königreich Lachsen. Ins Mri övcr. Reges militärstches Leben herrschte gestern aus den sächsischen Eisen bahnlinien, da der grösste Teil dir Lruppen des XIl. XiX. Armee korps mir insgesamt 27 Sonderzügen nach dem Manöver gelände b> fördert mur^e, nur die Artillerie und Kavallerie sowie einige in der Rühe der Manöverorte Garnisonierenden Fußtruppen begaben sich auf dem Landwege dahin. Die Ztelstationen lagen für da« XIX. Korps im Bogtlande, für da« XII. Korp» in der Meißen - Großenhainer Gegend. Von den vorgenannten Sonder zügen verkehrten für da« XIX. Korp« 14 Züge. Sie beförderten: da« Jnfanterie-Regiment Nr. 106 von Leipzig nach Auerbach i. V. und Rodewisch, das Jnfanterie-Regiment Nr. 107 von Leipzig nach Treuen und Lengefeld i. V., das Jufanterie-Negiment Nr. 139 von Döbeln nach Eibenstock, das Jnfanterie-Regiment Nr. 179 von Leisnig und Wurzen nach Wiesenbnrg, das Jnfanterie- Regiment Nr 104 von Chemnitz nach Pausa, Mehltheuer und Schönberg, das Jnfanieiie-Regiment Nr. 181 von Chemnitz nach Plauen i. V., das Jnfanterie-Regiment Nr. 13,3 von Zeithain nach Oelsnitz i. V. und endlich das Pionier-Bataillon Nr. 22 von Riesa nach Plänen i. V., Schönberg und Anerbach i. V. Von den Truppen des XII. Armeekorps wurde das 1. Grenadier regiment Nr. 100 in Meißen und Lommatzsch, das 2. Grenadier regiment Nr. 101 in Leuben und Lommatzsch auSgcschifft,- beide kamen direkt vom Schießen in Königsbrück. Weiler trafen ein: das Jnfanterie-Regiment Nr. 178, von Königsbrück und Kamenz kommend, in Kötzschcnbroda, das Zittauer Jnfanterie-Regiment Nr. 102 in Militz - Roitschen, Deutschenbora und Nossen, das Nautzner Jnfanterie-Regiment Nr. 103 in Großenhain und da» Jägerbataillon Nr. 12 (von Freiberg) in Niederau. - Weitere 6 Sonderzüge verkehrten gestern von Weimar und Jena nach Zeulenroda, von Eisenach nach Triebes, von Naumburg a. S. nach Teichwolframsdorf, von Rudolstadt und Marburg nach Berga a. Elster. Sie beförderten die preußischen Infanterie-Regimenter Nr. 94 und 96 sowie das Jägerbataillon Nr. 11. * Olbernhau, 10. September. Zum Bau der neuen Erzgeb irgsbahn O.berlcutensdorf — Olbern hau. Von den Hauptinterestenten der neu zu erbauenden Erz gebirgsbahn Oberleutensdorf—Olbernhau wird gegenwärtig dis Ausarbeitung des generellen Projektes und die Tracierung der Strecke selbst in Angriff genommen. Nächstes Frühjahr wird dieses von Herrn Ingenieur Wieser-Wien auszuarbeitende gene relle Projeckt dem k. k. österreichischen Eisenbahnministerium zur weiteren Behandlung überreicht werden. Die neue Bahn wird in betriebstechnischer Hinsicht bei weitem keine solchen Hindernisse bieten, als man bei »er Bahnstrecke Brüx-Moldau zu überwinden gezwungen ist. Für die mit Elücksgiitern nicht besonders reich gesegneten Erzgebirgcr bedeutet der Bau dieser Bahn eine Lebensfrage, sodann aber auch in wirtschaftlicher Beziehung wird dieser Bahn, welche die Verbindung zwischen dem Mittelpunkte des böhmischen Vraunkohlenreviers und den Hauptzentren der sächsischen Industrie hechellt, ein hohe Bedeutung zukommen. * Ebersbrnnn, 10. Sept. Verschüttet. Auf einem Zwick auer Schachte wurde der 39 Jahre alte verheiratete Bcrghäuer Oswald Semmler aus Eberswalde von niedergehenden Kohlen massen verschüttet. Erst nach zwei Stunde» konnten die Kohlen weggeräuml werden. Inzwischen war Semmler bereits erstickt. * Wcllcrswalde. 10. Sept. Ein Greis als Selbst mörder. Aus Schwermut hat sich an einer Pappel am Bach rande bei Wellcrsmalde ein 74 Jahre alter Gutsbesitzer erhängt. — Maser n. Von 40 Kindern einer hiesigen Schulklasse sind 31 au Masern erkrankt. Die Schule wurde geschlosst«. * Marienberg. 10. Sept. Durch einen Blitzschlag ein geäschert. Bei dem am Mittwoch über das Erzg. ziehenden Gewitter traf in Obcrdrehbach ein Blitzstrahl da-, Albin Krcger'sche Gut, bestehend aus Wohngebäude, Scheune, Stall und Schuppen und äscherie das gesamte Anwesen bis ans die Umfassungsmauern ein. Außer den gesamten diesjährigen Ernüvolräten, den land- wirttchafckiche» Maschinen und vülem Mobiliar fielen dem Feuer 3 Rinder, 5 Schweine, mehrere Gänse und Hühner zum Opfer. * Wendisch-Nottmennsdors. 10. Sept. Angenehmer Arre st. Als dieser Tage die militärische Cwquariierung hier weilte, hatte ein Marsjnngrr gegen die Gesetze in irgend einer Weise gesündigt, so daß er Arrest bekam. Dieses Arrestlokal war nun d.r Außenwelt durch ein Fenster sehr leicht erreichbar, so daß sich der Inhaftierte mit diesem und jenem unterhalten konnte. Bald war cs bekannt, das einer brummte, und sühe da: die guten Rettmannsdoiser versorgten den in der Häpp Sitzenden so reich lich mit Speise, Trank und Zigarren, daß der Eingcsperrtc all die Gaben beim besten Willen nicht aufbrauch.» konnte, die man ihm gespendet. Dns Aireplvkal wird dem Selöaten sicherlich lange Zeit in angenehmer Erinnerung bleiben. * Königstein. 10. S,pt. Absturz von der Bar tz a r i n e. Ausflügler, kie dieser Tage den Psasfenstein besuchten, wurden Zeugen von dein Abstürze eines Ktettcrcrs, der die Bar- barine zu erklimmen versuchte unv gerade über die oberste Kante Nach zehn Tagen trank Leutnant Thomas Apasy, trotz der heißen Jahreszeit, in einem geheizten Zimmer Tee, und als man ihm die Nachricht brachte, daß Milk Maid bei dem Rennen den Hals gebrochen habe, wodurch auch sein Reiter verunglückte, sagte er nur: „Dorchen war und ist mein Schutzengel!" LLteiner Leuiltetsn Bries ans Rorseruet». Das schönste deutsche Jnselbad, in dem unser Reichs kanzler alljährlich seinen Sommerurlaub verbringt, durch lebt gegenwärtig k r 1L i s ch e Z e i t e n. Es handelt sich darum, ob Norderney finanziert werden oder seinen bisherigen — im besten Sinne des Wortes gemütlichen — Charakter behalten soll. Eo scheint, als habe der Fiskus Lust, die Verwaltung des Bades und die Sorge für dessen Entwicklung an Privatunternehmer ab zutreten. Diese wollen dann da, wo jetzt die alten Strandhallen stehen, ein elegantes, komfortables Kurhaus errichten, das von luxuriösen Hotels nach internationalem Geschmack flankiert wer den soll. Man träumt von einem deutschen Ost ende mit eleganter LeLcwelt, für die dann, so sonderbar es klingt, ein Familienbad eingerichtet werden soll. Die Spekulation hat diese Pläne schon in ihre Rechnung gestellt. Für kleine Stücke Sandboden am Strande werden märchenhafte Preise gefordert. Wenn ein Häuschen darauf steht, muß sich auch ein mehrfacher Millionär die Sache überlegen. Die reichen Privatleute, die für den Erwerb von Grundstücken in Frage kommen, sind natürlich zu klug, um aus derartige Geschäftspraktiken hineinzufallen. Der Fiskus sollte ihnen folgen und sich entschließen, die Entwicklung des Bades selbst in der Hand zu behalten und was notwendig ist, vornehm und ohne Mittel zu scheuen, sofort in Angriff nehmen so ähnlich, wie er es in Bad Neundorf getan, und im übrigen ungesunder Spekusation vorbeugen. Sagt doch jetzt schon Norder neys Badekommissar: Das einzige, was hier auf der Höhe steht, sind die Preise. — Wie soll es dann in einem Norderney ä In Ostende werden? Ein modernes Kurhaus ist notwendig, ebenso mehr Komfort in den Privaiquarrieren und in den Hotel». Das ließe sich ohne Srekulation und ohne Ostender Art machen und Norderney behielte seinen vornehmen, dabei einfachen Charakter. So entspräche es den Wünschen des Badepublikum», da» in diesem Jahre 6000 Köpfe stärker als im Vorjahr im alten Norderney erschien. Fürst Bülow bewohnt mit seiner Gemahlin wieder die am Strande gelegene Villa Wedel. Die stetig wechselnden Bade gäste Norderneys bringen seiner Person regstes Interesse ent gegen, man grüßt ihn ehrerbietig, wo man ihn sieht. Die Zeit einteilung des Fürsten ist in diesem Jahre infolge des lebhaften politischen Lebens noch mehr als sonst zugunsten der Erholung verschoben worden. Ihm bleiben ganz ungestört eigentlich nur die Vormittagsstunden, die er in Begleitung seines Adjutanten von Schwartzkoppen im Sattel verbringt. Der Spaziergang am späten Nachmittag wird immer mehr eingeschränkt. Erst nach dem er mit dem Gesandten von Flotow gearbeitet hat, kann er mit seiner Gemahlin am Strande promenieren, — dafür bleibt meist bis zur Dinerzeit nur eine gute Stunde. Daher amüsierte es den Kanzler sehr, als man ihm erzählte, jemand habe von ihm gesagt, er sei fürchterlich faul, wozu er gut gelaunt bemerkte, die Faulheit sei eins der wenigen Untugenden, die er nicht habe. In seiner Häuslichkeit ist Fürst Bülow ein sehr liebens würdiger und sehr interessanter Gesellschafter. Bei der Tafel führt er zur Freude seiner Gäste in glänzender Form und stets amüsant die Unterhaltung. Er spricht voller Humor von dem Teil eines sozialistischen Werkes, das gerade seine Lektüre bildet und in dem die Allgemeinheit der Ehe verherrlicht wird, von den verschiedenen Systemen unserer Luftschiffe, überläßt dabei die technischen Fragen dem Techniker und dem Erfinder, weiß aber über das Prinzip der einzelnen Typs genau Bescheid .oder er plaudert von seinen Reisen in Algier, von denen her ihm die Würde und der Stolz der Araber in angenehmer Erinnerung geblieben sind. Er erzählt aus seiner frühesten Jugend, di« er mit seinem Vater in Frankfurt verlebte, wie er sich an den damals noch jugendlichen Bismarck erinnert. Ueberall, wo er in seinem abwechslungsreichen Leben war, hat er etwas erlebt, das sich seinem Gedächtnis für immer einprägte. In politischen Gesprächen ist ihm die gleiche Frische und Wendigkeit des Geistes zu eigen. Man erkennt in ihm immer mehr den kaltblütigen Staatsmann, der die Kunst des aufmerk samen Abwartens übt und zum Handeln jederzeit bereit ist. Sein« Gemahlin ,die sich gern mit guter Laune al» ein« unpoli tische Frau bekennt, lebt nur ihm und der Musik. Sie ist von Charme geblieben und weiß ihre Häu»ltchk«it zu einer der angenehmsten unserer ersten Gesellschaft zu machen. Um die Arbeit de» Kanzler» nicht zu stören, hat sie noch die benachbarle Villa gemietet und in ihr einen Musiksalon geschmackvoll ein gerichtet. Dort spielt die talentierte Fürstin täglich mehrere Stunden, meist allein, häufig aber auch mit dem bekannten russi schen Pianisten Sapellnikoff. Jedem musikalischen Er eignis bringt sie ehrliches Interesse entgegen, und freute sich z. B. an dem Erfolge, Len sich eine anmutige und befähigte junge Italienerin, Fräulein Tilde Scamoni, die, um ein Konzert zu geben, aus Italien nach Norderney gekommen war, errang. Nach dem Mahle, das die eigene, ausgezeichnete Küche des Kanzlerpaares liefert, pflegt Fürstin Bülow eine Zigarette zu rauchen, und bildet bet zwangloser Konversation in der Gruppe ihrer Gäste, stets lebhaft und anziehend, den Mittelpunkt. Später geht sie an den Strand, der ihr je lieber ist, je mehr es stürmt und je höher die Wogen gehen. So ungefähr — es ließe sich noch mehr erzählen — spielt sich das Leben unseres Kanzlerpaares in Norderney ab, bei Arbeit, Gastlichkeit, Musik und bei geistvoller Unterhaltung. Die Saison in Norderney neigt sich ihrem Ende zu und einer der letzten Badegäste wird auch in diesem Jahre der Reichskanzler Fürst Bülow sein. Er begibt sich Mitte September auf einig« Tag« nach Berlin, um hier an den Veranstaltungen des inter- nationalen Parlamente rierkogresses teilzuneh men und um eine große Zahl von Vorträgen zu hören. Dann geht er nochmals an di« N 0 rdsee zurück, voraussichtlich bis in die ersten Tage des Oktobers hinein. Um diese Zeit stirbt da» Badeleben langsam aus. Die guten französischen Köche der ersten Hotels und Restaurants reisen ab und die Lokale, in denen sich das harmlos fröhliche Nachtleben Norderneys abspielte, werden geschlossen. Nur wenige Hotels halten den Winter über auf, und zwar hauptsächlich für die Einheimischen. In den Restaurationsräumen, in denen da» mehr oder minder elegant« Badeipublikum bis dahin verkehrte, findet man an den großen runden Stammtischen nur noch die Inselbewohner, die dort Hre in der Saison verpönte Pfeife rauchen und ihren Skat spielen. Der Tattersall, der sür Sportlustige den Sommer über unter halten wird, schickt seine Pferde nach Haufe, die Geschäft« machen zu und die Niederlassungen großer orientalischer und italienischer Firmen packen ihre Schätze sorgsam in große Kästen, um im nächsten Jahre wiederzukommen und den engen Straßen ihr malerisches Gepräge wiederzugeben. So findet der eigentlich« Herbst, der an der Nords« Sturm und prächtigen Wellenschlag bringt, das Nordseebad schon menschenleer und verlassen ....
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)