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Beilage z« Nr. 237 »es „Amts- and Anzeigeblattes". Eibenstock, den II. Oktober 1914. Toll ich meine« Bruder» HUter sein? (l. Mose 4, U.) Zum 18. Sonntage nach Trinitatis. Man hatte in weiten Kreisen wähl schon vom ewigen Weltfrieden geträumt. Bei der hoch entwickel ten Kultur der Gegenwart hielt man's nicht mehr für möglich, daß Völker gegeneinander aufstehen könnten, um sich so furchtbaren Schaden zuzufügen durch Ber nichtung von Menschenleben und unübersehbaren Kul turgütern. Man hatte vor allem die sittliche Einsicht der christlichen Völker Europas höher eingejchätzt uud es kaum für denkbar gehalten, daß es Menschen gäbe, die eine jo ungeheure Verantwortung nicht scheuten, die halbe Welt durch einen Krieg in Brand zu setzen. — Nun ist es anders gekommen. Haß, tiefer Hatz ge geneinander hat die Völker ergriffen. Und es sind christliche Völker! Fast könnte man von einem Bank rott des Christentums reden, wenn man sic Völker als ganze betrachtet. Wir wollen es nicht leugnen: Es ist eine furchtbare Enttäuschung, die wir erleben mußten. Die christlichen Völker müssen ihr Haupt ver hüllen vor der Welt der Heiden, Mohamedaner und sonstigen Religionen. In der Missionsarbeit werden wir es nach dem Kriege am deutlichsten verspüren, was uns Christen dieser Weltkrieg im Ansehen bei den Nichtchristen geschadet hat. Und doch ist der oben gebrauchte Ausdruck vom Bankrott des Christentums nicht richtig. Man muß es anders ausdrücken: Die Völker, die den Krieg auf dem Gewissen haben, haben leider gezeigt, daß in ihnen von wahrem Christengeist rsscht wenig lebendig ist. Wir sehen Haß statt Bruderliebe. Nicht das Christentum hat uns enttäuscht, daß es durch die All gewalt seiner Gedanken diesen Krieg nicht verhindert hat, sondern jene Völker haben uns enttäuscht, daß sie sich den christlichen Ideen so wenig zugänglich ge zeigt haben, vielmehr vom Mammonsgeist und von Herrschsucht sich haben leiten lassen. Wir hatten sie für christlicher gehalten, als sie sind. — Daß diese Be urteilung richtig ist, beweist uns die Tatsache, daß in unserm Volk beim Einzelnen sich das Christentum in seiner ganzen Kraft bewährt hat. Vielen hat gerade dieser Krieg dazu verhalfen, daß sie sich wieder auf den alten Glauben der Väter besonnen haben. Vielen hat der Krieg neue religiöse Anregung gegeben. Und mit freudigem Stolze können wir feststellen, daß der Geist echter Bruderliebe in unserm Volke mächtig ent stammt ist. Auch bei uns sah es damit oft recht un christlich aus. Jetzt aber fühlen wir, wie dieser Geist der Bruderliebe unser Volk stark macht. Mit einem freudigen „Ja" antworten wir, wenn wir die Frage hören: Soll ich meines Bruders Hüter sein ? Und wir wollen dazu eine Antwort der Tat geben. Es gilt, viel Versäumtes nachzuholen. Der Möglichkeiten gibt es viele. Ein jeder prüfe sich gewissenhaft, wie er an seinem Teile da mithelfen könne. Denn wer hier jetzt säumig ist, der versäumt vielleicht die heiligste Pflicht, die je in seinem Leben an ihn herangetreten ist. Nur im Zeichen der Bruderliebe werden wir liegen, die Jesus Christus uns ins Herz gepflanzt hat. Gott gebe einen solchen Sieg auf der ganzen Linie! Amen. k'r. Der Franzose. Erzählung au» nrüerrr Zeit von M. Reinhold. (8. Forisrgmlg). „Du kennst sie sogar sehr gut," versetzte Christoph langsam, „Frau van Detten hat eingewilligt, mir ihre > Hand zum Bunde für das Leben zu reichen." Einen Augenblick war Klaus Bertram über diese ' Nachricht denn doch verwundert; daß Margot's Mutter sich noch einmal entschließen könnte, vor den Altar zu treten, hatte er nicht erwartet. Allerdings, weun er sich Alles recht überlegte, war die Eröffnung gar nicht so wunderbar, die imposante Dame war recht wohl noch im Stande, einen zweiten Gatten zu beglük- ken. Freilich, diese elegante Frau und sein pedanti scher Bruder, diese beiden Gestalten bildeten einen star keil Gegensatz, selbst heute noch, wo sich Christoph gegen früher doch schon beträchtlich modernisiert hatte, we fentlich anders dreinschaute. Wenn er auch so dachte, so hütete der jüngere Bruder sich doch, diesen Einfällen Worte zu verleihen; dazu hatte er vor Christoph viel zu sehr Respekt. Aber das konnte er doch nicht unterlassen, seinem er neuten Glückwunsch beizufügen: „So wirst Du also der Mann meiner Schwiegermutter und damit mein Schwiegervater. Nun, wenn das auch etwas komisch erscheinen mag, Du darfst glauben, daß Margot und ich uns keinen besseren wünschen werden." Er merkte in seiner Erregung gar nicht, daß Christoph seinen kräftigen Händedruck nur recht kühl erwiderte, um dann zu erwidern: ,Du sprachst vorhin davon, daß wir Beide vielleicht an einem und demselben Tage Hochzeit machen könnten. Du hast es gewiß gut gemeint, aber, nimm' es mir nicht übel, das ist doch wohl nicht so recht angebracht. Wenigstens wünscht das meine Braut nicht, und auch ich würde es vorziehen, hiervon abzusehen." „So hast Du mit Frau van Detten bereits über diesen Punkt gesprochen ?" fragte Klaus hastig, in des sen Kopf eine unheilvolle Ahnung aufdämmerte. „Direkt gesprochen noch nicht," antwortete Chri stoph, „aber meine Braut hat mir mit ihrem Jawort zugleich den Wunsch ausgesprochen, Sie Vermählung ihrer Tochter noch etwas aufgefchoben zu sehen. Und ich habe mich damit einverstanden erklärt, da ich den ersten Wunsch meiner Braut, die al- Margot's Mutter hier doch auch das erste Bestimmungsrecht hat, nicht ablehnen wollte." Mühsam schluckte Klaus deu ausquellenden Groll hinunter. „Darf ich ganz offen mit Dir sprech?», Christoph?" Und als dieser nickte, fuhr er fort: „Ich meine stets gehört zu haben, daß Witwen, die sich wieder vermählen wollen, es vorziehen, eine erwach sene Tochter, zumal wenn sic verlobt ist, sich vor der eigenen Hochzeit verheiraten zu lasseu. Und eine sol che Handlungsweise hat entschieden etwas sür sich. Kannst Du Dir denke», warum Margot's Mutter ge rade das Gegenteil für recht befindet? Sie mußte doch wissen, daß wir im Herbst die Ringe wechseln wollten, und hat bisher keinen Einwand dagegen er hoben." „Wie ich Dir schon gesagt habe," entschied Chri stoph mit seiner gelassenen Ruhe, ,mische ich mich in diese Angelegenheit nicht. Was auch Frau van Detten für gut befindet, es soll und muß für mich gelten." „Das ist sehr wenig brüderlich gehandelt, Chri stoph", brauste Klaus auf. „Das vermag ich nicht zu finden," jagte er kalt. „Mutterrccht geht nun einmal den Ansprüchen und Wünschen des Bewerbers vor." „Des Bewerbers?" fragte Klaus, auf das Pein lichste berührt. „Soviel ich weiß, habt Ihr alle Mar got und mich schon als ein Brautpaar betrachtet." »Ich gebrauche nur das Wort, welches Frau van Detten aus Dich anwandte. Und nun lassen wir wohl diese Unterredung fallen, die im Moment zu nichts weiter führen kann. Das Weitere müssen wir eben abwarten. Guten Morgen!" Damit ging er zur Tür hinaus, seinen Bruder in einem schwer beschreibliche» Zustande schmerzlicher Unruhe zurücklassend. Der arme Klaus ahnte noch gar nicht einmal, was ihm in der nächsten Stunde bevorstand, und daß jein Bruder ihm nur die halbe Wahrheit gesagt hatte. Schnell vollendete er jetzt seine Zurüstungen zum Aus gange und stürmte hinaus. Daß Margot ihn nicht um sonst harren lassen würde, wußte er ganz gewiß. Richtig, da trat sie ihm entgegen, aber nicht im Schein jener frohen und lachenden Anmut, die ihn sonst entzückte, ihre Augen waren verschleiert, als ob sie mit Mühe ein trauriges Weinen hinunterzwingen könnte. Klaus erbleichte; das Autlitz der Geliebten belehrte ihn, daß jein Bruder ihm nicht zu viel gesagt hatte. Schweigend zog er Margot's Arm in den seinen und führte sie in einen Seitenpfad der großen Promenaden Anlagen. „Aber was bedeutet das alles, Margot," stieß er hervor. „Was ist geschehen? Daß Deine Mutter meines Bruders Gattin werden will, das alles hat doch mit unserer Liebe und unserem Glück nichts zu schaffen? Aber sei getrost, Deine Mutter muß von ihrer Weige rung, uns eine schnelle, süße, selige Verbindung zu gönnen, abgehen. Ich will in den nächsten Tagen je den Augenblick, in dem ich Deine Mutter sehen kann, benützen, um sie zu bestürmen, ihr gutes Herz, das sie uns bisher zeigte, wieder sprechen zu lassen. Und sollte sie gegen eine äußerlich glänzende Vermählungs feier für uns beide fein, gut, so werden wir eine be- jcheidene Dorfkirche aufsuchen, in der wir mit Gott und dem Priester allein sind, damit er unseren Bund für das Leben weihe." Margot beugte sich über seine Hände, die ihre Finger fest umschlossen, und er fühlte, wie eine Träne auf dieselben hinabfiel. „Du weinst, mein Herz," flüsterte er erschrocken. „Vertraue fest darauf, es wird Alles gut werden." Sie schüttelte leise, kaum merklich den Kopf. „Mich quält die Angst um unser innig Glück," jagte sie kaum vernehmbar. „Ich fürchte, Mama's Gedanken find Dir wenig freundlich gesinnt, doch kann ich nicht sagen, weshalb. Bis heute früh ist Alles, Alles verändert." „Es kann nicht sein, es kann nicht sein," rief er hartnäckig. „Du wirst schon dran glauben müssen," anwortete sie bedrückt, denn schon im Lauf des heutigen Tages reifen wir ab. Alles was ich noch erlangen konnte, war, daß ich Dich noch einmal aufsuchen durfte. Zum letzten Male!" schloß sie mit herzbrechendem Auf schluchzen. Klaus konnte vor Aufregung nicht sprechen, er biß die Zähne in seine Lippen, daß die roten Bluts tropfen hcrvorquollen; aber noch immer konnte oder wollte er den vollen Sinn der Aeußerungen des jun gen Mädchens, das er bisher mit Recht als jeine Braut betrachtet hatte, nicht fassen. „Mut, teure Margot, Mut," suchte er mit zittern der Stimme die immer noch jassungslos Schluchzende zu beruhigen. „Auch wenn Ihr heute noch abreist, jo kann ich doch vorher noch mit Deiner Mutter sprechen uno mit ihr den Termin vereinbaren, an dem wir einander an gehören sollen. Sehen wir bis dahin uns heute zum letzten Male, jo werden wir in nicht zu ferner Zeit immer bei einander jein." Sie schüttelte weinend das Haupt. „Hoffe nichts mehr," flüsterte sie, „Alles soll aus und vorbei sein für immer und ewig!" Sein Zorn war unbeschreiblich „Margot, das ist unmöglich, das kann Niemand wollen, das kann auch Niemand gesagt haben, am allerwenigsten Deine Mut ter, die Dich liebt und die weiß, wie wir beide aneinan der hängen." „Doch, meine Mutter hat es gesagt, Liebster. Und sei überzeugt, sic ändert ihren Willen nicht, wenn sie mir mit solcher Stimme und solchem Gesicht, wie sie es heute getan hat, etwas mitteilt Wir müssen schei de»" „Und warum bloß, weshalb? Das verstehe üb am allerwenigsten. Wenn Deine Mutter meines Bruders Weib wird, wie er mir vorhin erzählt, jo tritt sie in ein näheres verwandtschaftliches Verhältnis auch zu mir, und dann liegt erst recht kein Grund vor, mir Deine Hand zu verweigern." „Dieser Baron Landen, glaube ich, hat um meine Hand angehalten, und Mama hat sie ihm wohl zuge jagt," stieß sie, an seine Brust gelehnt, hervor. Ein Wutblitz flog aus seinen Augen. „Das werde ich nie dulden," jagte er keuchend; „eher fordere ich diejen Menschen, der weiß, daß ich Dich als meine Braut betrachten konnte, vor die Pistole und, weicht er mir aus, schieße ich ihn nieder. Das schwöre ich und halte, was ich gelobt." „Um Gottes Willen, Klaus," oettelte ne, „mache Dich und mich nicht unglücklich. Das überlebte ich nicht. Und Du darfst auch getrost jein; nie werde ich des Barons Weib. Sieh', von »reinem Vater be sitze ich allerlei Chemikalien, darunter auch ein furcht bares, jofort tödlich wirkendes Gift aus Indien, dus er aus Patrouillenritten stets mit sich kür deu außer sten Fall zu führen Pflegte, daß er das Schicksal haben sollte, in die Hände grausamer und unerbittlicher Feinde zu fallen. Das habe ich noch, und ich imrde es zu gebrauchen wisse», wen» alle meine Bitten und Trä nen zu meiner Mutter erfolglos bleiben sollten." „O, Du Heldin," rief Klaus, und er küßte das treue Mädchen lange und innig. „Aber nicht sterbe» sollst Du, leben sollst Du, für Dein, für unser Glück. Margot, Herzens-Margot, höre mich an: wenn Du den« Tode Trotz bieten willst, fo magst Du dem Willen der Menschen trotzen, wer es auch sei, um unser üwil len." „Klaus, es ist meine Mutter," flüsterte sie miu doch zaghaft. „Und wenn es Deine Mutter ist. Margot, um Deinetwilleu will ich gegen ihr Haupt keinerlei Anklage erheben, aber, Herzliebstc, auch Du mußt erkennen, daß sie mit unseren heiligsten Gefühlen gespielr hat. Mag ihr dieser Baron als eine glänzendere Parne sür Dich erscheinen, sie hat gewußt, daß wir »ns eina» der lieben, und da durfte sie uus nicht mehr ausein anderreißen. Das war keine Mntterliebe mehr." Margot antwortete nicht, sie überließ sich seinem Einfluß. Und so fuhr er denn fort: „Wenn also unsere Bitte» wirklich bei Deiner Mutter ohne Erfolg blei ben sollten, so füge Dich scheinbar, dann laß »ich Hai: dein. Es wird uns nicht schwer werden, aus der Hei mal zu fliehe»; in England werden wir Mann und Weib und dann lachen wir aller Mißgunst und allem Neid. Was sagst Du dazu?" „Nichts," kam es heiß von ihren Lippen, „tu mit mir, was Du willst, Du allerbester, Du allerliebster Mann." (Fortf«»ung folgt.) Zeitgemäße Betrachtungen. Nachdruck verbot«». Die beste Wehr! Als Deutschland noch im Frieden lag, nichts ahnend von Gefahr, — weil man zur Konferenz nn Haag noch zuversichtlich war, — da gmgs oft heiß im Reichstag her in großer Redeschlacht, und schließlich ist die Militär Vorlage durchgebeacht. - - Man hat zur rechten Zeit erkannt, — was not tut unserm Vaterland. — Der beste Schutz, die beste Wehr — ist ein modernes Heer! — Wie mancher Zweifler hat jich doch — bekehrt seit Jahresfrist, — erkennend, daß die Vorsicht noch der Weisheit Mutter ist! — Wir sahn mit Stolz in schwerer Stund — das Riescnhcer erstehn, es wuchsen aus der Erde Grund — uns förmlich di? Armeen. Nun jieht inan, wo die Steuer blieb, nun fallen wuchtig Schuß uud Hieb. - Des Vater landes beste Wehr — ist ein modernes Heer! Es wogt die wilde Varusschlacht - auf Frank reichs weitem Plan, — und naht des Feindes lieber macht, — sie bricht sich doch nicht Bahn, sie stürmt den rechten Flügel an, — wie hitzig sic auch kam, - fest kämpft der Deutsche Mann an Mann und wird nicht flügellahm! — Aus jedem Flintenlaufe hallt's, aus jedem Feldgeschütze schallt's: — Des Vaterlan des beste Wehr — ist ein modernes Heer! — Und auch im Osten dringt man durch, -- schnell nahm der Russ' Reißaus: - - hört er den Namen Hin denburg, — dann packt ihn Schreck and Graus! Der „Marschall Vorwärts" unsrer Zeit, - erwarb sich Dank und Ruhm, — er hat die Ostmark schnell befreit von dem Barbarentum! — Er bläut es ein dem Rui jenpack Kalmük', Kirgisen und Kosak: Des Va terlandes beste Wehr — ist ein modernes Heer! Und sind durch Festen stark und groß oie Wege uns versperrt, — in Schutt zu sinken, ist ihr Los nach höllischem Konzert, erdbebengleich erdröhnt der Grund, — daß cs dem Stärksten graust, - wmn aus der Brummer Riejcnschlund - der Eisenhaqel saust. Man sieht's in diesem Kriege ein: Nicht Fort und Festung tut's allein, des Vaterlandes beste Wehr — ist ein modernes Heer! — Albert Jäger.