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Beilage zu Nr. Mi »es „Amts- und Auzeigeblattes Eibenstock, den 30. Oktober MO. Posten kämpfen, der mir zuerteilt wird, wie ich es meinem sterbenden Vater gelobt. Fürchten Sie nichts für mich, ich stehe unter Gottes Schutz." Regina blickte noch immer gedankenvoll in die Ferne. Hätte sie in das bewegte Antlitz des Hausherrn gesehen, sie würde neben einer leidenschaftlichen Be wunderung auch einen heißen Kampf gewahrt haben, der den Ton seiner Stimme unsicher machte, als er ihr sagte: „Sie beharren also darauf, uns zu ver lassen — vielleicht haben Sie recht — es mag besser sein so, aber Sie müssen mir gestatten, für Ihr Unter kommen Sorge zu tragen, bis ein passender Platz für Sie gefunden ist. Herr Gott," stöhnte er in ausbre chender Leidenschaft, „so schmählich wird Ihnen gedankt, was Sie uns in diesen Monaten waren! Wenn ich Ihnen nur durch irgend einen Dienst beweisen könnte, welche Verehrung, welche" — er schwankte einen Augen blick, das rechte Wort suchend, denn das Wort „Liebe", das aus seinem tiefsten Innern hervorquoll, wagte er nicht auszusprechen und sagte statt dessen, „welche Be wunderung mich für Sie erfüllt." Regina wandte ihm ihr tränenfeuchtes Gesicht zu, das wehmütige Lächeln um ihren Mund übte einen bestrickenden Reiz auf ihn, als sie ihm gestand: „Eine Bitte habe ich, und die möchte ich Ihnen an das Herz legen." „Alles, alles ist Ihnen gewährt, noch ehe Sie es aussprechen," versicherte er stürmisch. Wäre Regina in dieser Stunde nicht so völlig von den eigenen Sorgen in Anspruch genommen gewesen, so hätten sie wohl die Worte und vor allem der Ton, in dem sie gesprochen wurden, aufmerksam gemacht und zur Vorsicht gemahnt. So aber versetzte sie un befangen und mit der Wärme, die sie in alle Sachen legte, für die sie eintrat: „Sie müssen helfen, das ist notwendig, wenn nicht eine Menschenseele zu Grunde gehen soll." „Mein Wort darauf, es wird alles geschehen, was Sie wollen," murmelte er, ohne den Blick von ihr zu wenden. Etwas wie Freude leuchtete in Reginas Augen auf und mit der ihr eigenen Lebendigkeit berichtete sie: „Ihr Schwager ist hier in leichtsinnige Gesell schaft gekommen, er ist nicht schlecht, aber kein Charak ter; wenn Sie sich seiner nicht annehmen, geht er verloren, und ich glaube, er würde auf guter Bahn bleiben, wenn Fräulein Olga, dieses tatkräftige Mäd chen, seine Frau würde." „Aber ich begreife nicht," schob Terno dazwischen, doch Regina, die mit knapper Zeit rechnen mußte, fuhr- rasch fort: „Bei jener zufälligen Begegnung heute früh fand ich Ihren Schwager in einer verzweifelten Stimmung — einer Stimmung — in der man vielleicht kaum noch zurechnungsfähig ist, weil man sich zu Tode gehetzt fühlt. Er gestand mir, daß er gespielt und eine große Summe verloren hätte, die heute wieder ein gelöst werden müßte. Ich drängte ihn, den einzigen Weg zu gehen, den ich für den richtigen hielt, offenes Bekenntnis Ihnen gegenüber und ein Brechen mit der Versuchung. Er schauerte in peinlicher Schwäche vor dieser Beichte zurück, und um ihm zu helfen, zugleich aber auch, um ihn festzubinden, übernahm ich es, Sie darauf vorzubereiten. Diese Zusage von mir und das Gelübde, nie mehr eine Karte anzurühren, war es, was Ihren Schwager zu dem Kniefall Hinriß, dessen Zeuge Sie wurden." Ihre Worte gingen Terno bei seiner Erregung wirr durch den Kopf, und er erfaßte nur zur Hälfte, was sie sagte. Er wußte nur, daß er seiner vollen Selbstbeherrschung bedurfte, um dieser Frau, die ihm heute berückender als je erschien, nicht in glühenden Worten seine Anbetung zu gestehen. (Fortsetzung folgt.) ,,DaS Reich GotteS ist nicht Essen u. Tnnken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste." Zum Reformationsseste. Wir leben in der Welt. Das gewaltige, unmeßbare, schönheitgeschmückie Weltenreich ist um uns her. Aber auch inwendig i n uns ist ein Reich: .Das Reich Gottes ist in wendig in euch", freilich nur und erst, wenn wir uns Jesu Christo, dem Sohne des lebendigen Gottes, völlig übergeben haben. Denn er ist der König dieses Gottesreiches. .Mein Reich ist nicht von dieser Welt", sagt er. Jesum Christum mit seinem Gottesreiche den Menschen zu vermitteln und zu erhalten, ist Aufgabe der christlichen Kirche. Keine christliche Kirchen-Gemeinschaft ist zu diesem hehrsten und schönsten Berufe so tüchtig, wie die unsere. Die evangelisch-lutherische Kirche ist die wahre und tüchtigste Vermittlerin des Got tesreiches an die Menschen. Dessen freuen wir uns zwar immer, aber ganz besonders heule. 1) Die katholische Kirche kann sich dessen nicht rühmen. Am wenigsten konnte sie das zu Luthers Zeiten. Da hatte und vermittelte sie zwar viel Weltmacht, aber wenig Gottes reich. Da predigte man wesentlich nicht Jesum Christum und sein Wort, sondern Heiligengeschichten und Marienver ehrung. Neben der heiligen Schrift steht gleichwertig die mündliche — völlig unsichere — Ueberlieferuna. Nicht der Glaube an Jesum, sondern an die Lehren der Kirche und an den unfehlbaren Papst soll selig machen. Mehr als der Glaube galten die guten Werke. Nicht bloß die Aemter der Kirche, sondern sogar Vergebung der Sünden verkaufte man für Geld. Die Kirche war zum Welthause, zum Papsthause, zum Kaufhause geworden. Als einst der Tempel zu Jerusalem und der ganze Be trieb in ihm ähnlich entweiht wurde, da trieb der Gottessohn die Tempelschänder mit einer Geißel heraus. „Machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause!' „Der Eifer um sei nes Vaters Haus hatte ihn gefressen", (2. Vorlesung: Joh. 2, 13—17) damals, — immer. Er goß aber von diesem heiligen Eifer besonders viel in die Seele Dr. Martin Lu thers, seines Knechtes. Der reinigte den Tempel der christ lichen Kirche, daß sie ein Reichgotteshaus, ein Jesushaus, ein Bethaus ward. 2) Luther und alle wahren evangelischen Prediger pre digen nicht sich, sondern Jesum Christum, daß er sei der Herr. Kein „verdecktes Evangelium" — weder verdeckt durch mündliche Ueberlieferung, noch durch das Verbot an die Laien, die Bibel zu lesen, — sondern das offene, lautere, lichtreiche, ganze Gotteswort bietet unsere Kirche jedem an. Verdeckt ist es nur den „Ungläubigen, denen der Gott die ser Welt den Sinn verblendet hat", von denen der gestrige Sonntagstext fagt: „welcher Ende ist die Verdammnis". Den „Hellen Schein" des Gottesreiches hat Gott in die Her zen mehrerer Evangelischer gegeben, daß durch sie auch an dere erleuchtet werden. So die 1. Vorlesung: 2. Cor. 4, 1—6. 3) Nun, evangelischer Christ, laß dir durch deine Kirche dieses Gottesreich vermitteln, so mahnt der Text: Kol. 2, 6—9. Nimm Christum an, „in welchem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet": Tue es aus freiem Entschlusse, dann gewinnst du Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Bleibe fest im Glauben an ihn, Bibel und Verkehr mit Got teskindern werden dir helfen — und du bleibst im Frieden. Wandle in ihm so, daß du, als Priester in deinem Hause waltend, deinen Erdenberuf als Gottesdienst treibst, und du hast volle Freude. Gerechtigkeit, Friede und Freude aber ist das Reich Gottes, in welchem Jesus der König ist. Wem die evangelisch-lutherische Kirche Jesum und sein Reich vermittelte — und sie steht am Werke, dir heute die sen Dienst zu leisten, — der liebt sie wahr und stark. Du?? Sie ist mir lieb, sehr lieb die schlichte Magd. Halleluja. Amen. u. Sonnenschein nnd Wcttcrstürmc. Roman von «. v. Lilioncron. (IS. Fortsetzung.) Diesmal war es Regina, die sie unterbrach: „Ich bitte, diesen peinlichen Auseinandersetzungen ein Ende machen zu dürfen durch die Erklärung, daß ich in we nig Stunden das Haus verlassen werde," sagte sie. Die Hausfrau nickte ihr, einigermaßen zufrieden gestellt, Gewährung, und die junge Frau wandte sich an Terno. „Sie haben an meinen Worten nicht gezwei felt, das war mir eine Stärkung in dieser bittern Stunde," dankte sie ihm, dann verließ sie mit kurzem Gruße das Zimmer. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, war Wolf zur Tür geeilt, um sie ihr zu öffnen. Seine Lippen bewegten sich in einem unverständlichen Ge murmel, und flehend blickten seine Augen sie an. Aus der Schwelle blieb Regina noch einen Augen blick stehen. „Herr Färber, den überschwenglichen Dank, den Sie mir vorhin aussprachen, können Sie am besten dadurch in die Tat umsetzen, daß Sie hal ten, was Sie in jener Stunde gelobten." Ein Neigen des stolz getragenen Kopfes, und die Tür schloß sich hinter der jungen Frau. „Wolf, beichte nun einmal, was hat es gegeben," herrschte die Schwester ihn an, „und dann sage mir, hast du mich belogen, als du von deiner Neigung zu Olga sprachst?" Ihr Bruder rührte sich nicht von der Stelle. „Ueber die letzte halbe Stunde hast du bereits alles gehört, was ich dir darüber zu sagen wüßte," ant wortete er ihr. „Was Olga betrifft, so halte ich fest an meiner Werbung und sage dir, wenn sie mich jetzt annimmt, so kann sie es getrosteren Herzens tun, als früher, denn diese Stunde bin ich durchs Feuer gegan gen, und da hat die Flamme die Schlacken ausge brannt. Ich bitte, jetzt keine weiteren Auseinander Vermischte Nachrichten. — Stammen die Hohenzollern aus Ita lien? Der Kanonikus Luigi Balduzzi behandelt in dem „Giornale Araldico Genealogico Dtplomatico" die Frage von der Herkunft der Hohenzollern und er be hauptet, daß die Vorfahren des Geschlechtes in der Epoche der Langobardenkönige nach Italien gekommen seien. Sie hätten sich dann in Treviso niedergelassen, wo sie eine Burg errichteten. Durch kaiserliche Investi tur erhielt das Geschlecht später die Grafenwürde von Treviso. Um das Jahr 1000 soll dann infolge der Ita lien heimsuchenden Kriege und Umwälzungen ein Graf Pietro von Treviso nach Schwaben ausgewandert sein, wo er wieder eine Burg erbaute, der er nun den Namen Hohenzollern gab. Die Beweisführung des Kanonikus beruht, soviel ersichtlich, im wesentlichen auf der Gleich setzung des Namen Hohenzollern oder Hochberg" mit dem italienischen „volle »Ito, woraus eine enge ver wandtschaftliche Beziehung zwischen der bekannten gräf lichen Familie Collalto und den Hohenzollern gefol gert wird. Zur Unterstützung dieses Zusammenhanges wird aus die Wappengleichheit beider Familien hinge wiesen. Auch hat der kaiserliche Feldmarschall Ram bold Graf von Collalto in seinem zu Alessandria am 18. April 1630 abgefaßten Testamente für den Fall, daß seine ganze Nachkommenschaft in dem Grafenge schlecht der Collalto erlöschen sollte, das Erbrecht an seinem Majorate Pirnitz und Rudoletz in Mähren aus drücklich dem fürstlichen und gräflichen Hause Hohen zollern übertragen, indem er sie als seine nächsten Agnaten bezeichnete. — Der Schutzherr der Kartoffel. Die Franzosen haben jetzt ihre Grenzen den ausländischen setzungen von mir zu verlangen, ich bin am Ende mei ner Kraft." Ohne Zaudern machte sich indessen Regina dabei, ihre Sachen zu ordnen, um sobald als möglich ein Haus zu verlassen, dessen Herrin sie in einem so nied rigen Verdachte hatte. Das Weggehen wurde ihr leicht, aber zentnerschwer siel ihr die Sorge des „Wohin" auf die Seele. Ihre Mutter, das wußte sie, war der Einladung einer Freun din gefolgt und für Wochen mit ihrer Jüngsten Gast in einer etwas beschränkten Häuslichkeit geworden. Da durch war das Heim, das ihr den natürlichen Schutz ge währen konnte, für sie verschlossen, und bei dem Ge danken daran kam das Gefühl der Verlassenheit wie eine erdrückende Angst über sie. Doch sie war jung, gesund und bereit, zu arbeiten, da fand sich in der gro ßen Stadt doch wohl bald ein Platz, wo man sie ge brauchen konnte. Es fehlte noch eine Viertelstunde an der Zeit, wo sie mit Frau Färber das Frühstück einzunehmen Pflegte; da klopfte es an ihre Tür. Das Stubenmädchen stand draußen und bestellte verlegen und stockend: „Frau Färber würde heute ihren Kaffee allein einnehmen, sie ließe der Frau Kommerzienrat Adieu sagen. So hat mir unsere gnädige Frau aufgetragen," fügte sie sie hinzu, „die alte Gnädige muß eben tun, was die junge will." „Es ist gut," sagte Regina in gelassenem Ton, aber sie wandte sich ab, um die Röte des Unwillens zu verbergen, die ihr heiß in die Wangen scho.ß. Doch das Mädchen trat näher, Tränen standen in ihren Au gen. „Ich habe geheult, wie es in der Küche hieß, die Gnädige hat der Frau Kommerzienrat den Stuhl vor die Tür gesetzt," gestand sie, „und der Johann hat weidlich geschimpft." „Still, Martha, in dem Tone dürfen Sie nicht von ihrer Herrschaft sprechen," gebot die junge Frau, „ich selbst habe meine Stellung aufgegeben." So leicht ließ das Mädchen aber nicht ihrer flin ken Zunge Einhalt gebieten, sie eiferte weiter: „Ja, das kennt man schon, der Gnädigen waren Sie immer ein Dorn im Auge, und die kriegt die alte Gnädige jedesmal herum. Uns Dienstboten kränkt es, daß Sie so fort müssen, Sie werden uns allen fehlen, denn wir hängen an Ihnen." Sie hätte gern noch länger ihrem Herzen Luft ge macht, doch der Hausherr rief sie, und Regina hörte, wie er dem Mädchen auf dem Flur sagte: „Fragen Sie die Frau Kommerzienrätin, ob ich sie einen Augen blick sprechen könne." Gleich darauf stand Terno in ihrem Zimmer. Er kämpfte offenbar mit einer peinlichen Verlegenheit. „Ich möchte Sie nochmals bitten, die in der Erreg ung gesprochenen Worte Meiner Frau nicht so scharf auf- zusassen," sagte er, „und mache Ihnen den Vorschlag, vielleicht jetzt einen Besuch bei Ihrer Frau Mutter zu machen, solange mein Schwager noch hier im Hause ist, dann aber hierher zurückzukehren. Ist Wolf nur erst fort, und haben ein paar Tage das erregte Blut meiner Frau abgekühlt, so wird sich alles machen." Regina schüttelte den Kops, er aber führ lebhaft ort: „Ich versichere Ihnen, daß es mir uicht nur chmerzlich wäre, sondern geradezu unerträglich, soll en Sie in dieser Weise aus unserm Hause scheiden." Die junge Frau reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen, Herr Terno, nicht nur für diese Worte, sondern auch dafür, daß Sie mir heute früh zur Seite standen und für mich eintraten. Ich weiß aber trotzdem, daß meines Bleibens hier nicht länger sein kann, wenn Sie mich auch weiter freundlich schützen wollen. Sie selbst werden es sich sagen, ich muß gehen." Er antwortete nicht gleich, sein Blick haftete un verwandt auf ihrem Antlitze. „Frau Regina, ant worten Sie mir so wahrheitsgetreu, wie ich Sie jeder zeit erfunden habe," bat er, „können Sie jetzt zu Ih rer Frau Mutter gehen, oder steht Ihnen eine andere Familie nahe, die Sie aufnehmen würde?" „Nein," antwortete sie zögernd und wandte sich ab, um seinen forschenden Blick zu vermeiden. „So dürfen Sie hier nicht fort," erklärte Terno ehr energisch. „Ich kann es nicht zugeben, daß Sie, ung und schön wie Sie sind, schutzlos in die Welt stnausgestoßen würden und allein mitten in den Ge- ahren unserer Großstadt den Kampf ums Dasein auf nehmen müßten." Reginas Augen hingen traumverloren an der grauen Wolkenwand, die den Himmel bedeckte. Vor ihre Seele trat das Bild des geliebten Vaters, wie er mit fast versiegender Kraft seinem Kinde die letzte Mah nung für ihren Lebensweg gab, und unwillkürlich wie derholte sie diese statt aller Antwort: „Der Soldat soll aus jedem Posten aushalten, wo er hingestellt wird, und darf da nicht wanken und weichen. So muß auch das Soldatenkind es ihm nachtun, einfach seine Pflicht erfüllen und tapfer ausharren bis zuletzt." „Die Aufgabe kann über Ihre Kräfte gehen," warnte Terno, „muten Sie sich nichts Uebermensch- liches zu." Sie wollte das nicht zugeben. „Gott wird mir helfen, auch wenn die Wogen über mir zusammen schlagen sollten." Tränen verschleierten ihre Stim me, aber sie wehrte ihnen und fuhr fort: „Mein Blei ben hier ist unmöglich, aber ich muß mir wo anders einen Platz suchen. Der Kamps ums Dasein ist für mich zur Pflicht geworden, meine Verhältnisse weisen mich darauf hin, und das sind Gottes Hieroglyphen, aus denen wir lesen sollen, was unsere persönliche Pflicht ist. Ms tapferes Soldatenkind will ich auf dem