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— das ist doch gut sehr treffend hahaha, nicht wahr Pony — ihr kleines Pferdchen, dem die ehelichen Lasten aufgebürdcr werden . . . hahaha . . ., ein ganz ausgezeichneter Vergleich." Jeder andere junge Mann würde nach diesen Er öffnungen gesagt haben: „Mein Herr, dieses Pony bin ich!" jeder andere junge Mann hätte der Dame seines Herzens eine ebenso stürmische als energische Szene ge macht und ihr den Verlobungsring dankend zurückgegeben . . . . Der beschränkte Oskar lächelte, schwieg und kochte Rache. Er ließ sich nichts anmerken, daß ihm eine so sonderbare Wissenschaft geworden war. Nun ist es ein erwiesene Tatsache, daß beschränkte Leute ein außerordentliches Talent zur Bosheit haben. Es hat den Anschein, als würden ihre verkümmerten gei stigen Fähigkeiten in den Werken der Hinterlistigkeit er wachen und sich zu besonderer Kraft zusammenschließen. Lächelnd ging der beschränkte Oskar durchs Leben. Tag und Nacht dachte er an seinen Racheplan, den er sich genau zurechtlegte und mit tausenderlei Einzelheiten aus schmückte. Uni gar kein Mißtrauen zu erregen, war er mit Elsa sehr liebenswürdig und freundlich. Sein Rachewerk mußte unerwartet kommen, um desto heftigere, ver nichtendere Wirkung ausüben zu können. Der Tag der Rache blaute. Es war der Hochzeitstag des Herrn Oskar. Die Familie Wenckheim hatte die größten Anstrengungen gemacht, die ganze Verwandtschaft wurde aufgeboten, alle Bekannte in die Kirche geladen. Wie ein weiblicher Feldherr überwachte Frau Wenckheim die Abwicklung der Begebenheiten. Sie dirigierte die Küche, leitete die Stubenmädchen, inspirierte ihren Gemahl und setzte alles in Bewegung, um die Feierlichkeit dieses Tages zu heben. Es verlief auch alles prächtig. Die Gäste stellten sich ziemlich pünktlich ein, der hauswirtschaft liche Apparat klappte, die Stimmung war famos, die Wagen kamen rechtzeitig. Präzise fuhr man zur Kirche, wo die Orgel eine überaus festliche Melodie spielte, der Mann Gottes erschien am Altar und hielt eine ebenso ergreifende als rührende Ansprache, worauf er an den Bräutigam die herkömmliche Frage richtete: „Herr Oskar von Bleiwalo, sind Sie Willens mit Fräulein Elsa Wenck heim die eheliche Gemeinschaft einzugehen?" Laut und vernehmlich erwiderte Oskar: „Nein!" Der Geistliche erschrak, einige Gäste räusperten sich, um durch den kleinen Lärm über die Verlegenheit des Augen blicks hinwegzuhelfen. Fräulein Elsa war natürlich einer Ohnmacht nahe. Der Geistliche widerholte zunächst die Frage: „Herr Oskar von Bleiwald, sind Sie willens, Fräulein Elsa Wenckheim zur Frau zu nehmen?" Und abermals erwiderte der beschränkte Oskar: „Nein." Jetzt brach der Skandal los. Die Zeugen, die Ver wandten drangen auf Oskar ein. Viele Gäste entfernten sich, peinlich berührt. Die Damen weinten, falls sie nicht schadenfroh waren, den Wenckheims diese Blamage zu gönnen. Auf alle Vorstellungen erwiderte Oskar nur: „Das ist der Tag der Rache, der Rache für das Pony!" Als die Anwesenden erkürten, von diesen Dingen nichts zu wissen, nicht ihren Zusammenhang verstehen zu können, setzte ihnen der beschränkte Oskar den Sachverhalt aus einander. Als Generalzeugen führte er den betroffenen Advokaten, den er zur Hochzeit hatte einladen lassen, an. Der sah nun zu seinem Schrecken, daß der junge Mann, dem er damals den kleinen, indiskreten Tratsch anvertraut hatte — selbst das Bankdepot und das Pony war. Während sich nun die Gewässer der Entrüstung über den redelustigen Rechtsfreund ergossen, machte sich Oskar aus dem Staube. Er sprang in einen der draußen wartenden Wagen und ließ sich nachhause bringen. Mit viel Vergnügen malte er sich die weiteren Verlegenheiten der Familie Wenckheim aus: „den schmählichen Auszug aus der Kirche, die betrübende Ankunft zuhause, das großartig zubereitete Hochzeitsdiner, für das nun keine Esser da sind, die Fragen der Nachbarschaft, den Klatsch der Dienst- Herr Oskar von Bleiwald als Beamter eines Ministeriums geladen wurde. Natürlich nahm er auch seine Braut mit und natürlich verschwanden sie in der Menge der Einge ladenen. Er bekam als Tischnachbarin eine furchtbar würdige Dame, die ihm Jugenderinnerungen aus der Zeit erzählte, in der sie die Krinoline trug und Elsa wurde von einem Dragonerleutnant zu Tische geführt, der ihr interessante Dinge aus dem Militärleben berichten mußte, denn sie wandte keinen Augenblick die Aufmerksamkeit von seinen Ausführungen, was Herrn Oskar tief schmerzte und mit Eifersucht erfüllte. Als man den Kaffee im Sa lon nahm, schloß sich ihm ein dicker Hof- und Gerichts advokat an, den er vor einer Stunde hatte kennen ge lernt. Natürlich hatten sie keine Ahnung von ihren gegenseitigen Namen, denn bei den Massenvorstellungen scheinen alle Leute Lehmann oder Meier oder sonst wie zu heißen, nur den richtigen Namen erfährt man nicht. Als jetzt Elsa mit dem Dragonerleutnant vorbeikam und Herr Oskar sie besonders scharf ansah, stupfte ihn der gut gelaunte Advokat, indem er sagte: „Die schöne Elsa gefällt Ihnen auch . . . Haha, wem gefiele die nicht . . . Ein wahres Prachtmädel . . . Leider schon vergeben . . . ." „So" . . . sagte Oskar. „Ja . . . Sie soll irgend einen beschränkten jungen Mann heiraten, so einen kleinen Ministerialbeamten mit einem Onkel im Abgeordnetenhaus und einem Depot iu der Bank." „Schade," sagte Oskar, „woher wissen Sie das?" „Neulich beim Jour von der Frau Hofrat hat sie mir selbst davon erzählt . . . Sie wird mir nächstens ihren Bräutigam vorstellen. Er soll da oben etwas schwach sein (der Advokat deutete auf den Kopf), aber das ist ihr gerade recht. Solche beschränkte junge Männer taugen ausge zeichnet für die Ehe, besonders wenn sie eine angenehme Stellung und ein Bankdepot haben . . ." „Da ist das Bankdepot Wohl das wichtigste . . ." „Selbstverständlich! Die Wenckheims tun sehr groß, aber sie haben, wie man zu sagen pflegt, keinen Heller. Die Elsa heiratet also sozusagen das Bankdepot . . ." Oskar und der Advokat lachten über den kleinen Scherz. Oskar grimmig, der Advokat mit viel Fröhlichkeit. „Aber das Beste kommt erst —" fuhr der gesprächige Rechtsfreund in heiterer Weinlaune fort, „wissen Sie, wie Elsa den beschränkten jungen Mann mit dem großen Bankdepot nennt? Gewiß zu drollig! Wenn sie von ihm spricht, so sagt sie immer: „Mein Pony!" hahaha „Pony" Avancement. Frau A.: „Sind Ihre Söhne noch als Laufburschen tätig?" Frau B.: „O nei^ sie sind ja Bahnbeamter ge worden!"