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Fremder (vor dem Lessingdenkmal in Braun schweig): „Wer soll Dich nicht kennen, großer Goethe! Festgen.auert in der Erden!" Dev kühne Reiter. Humoreske von F. Th. „Und warum imponiere ich ihr nicht?" „Weil sie in Dir nur den Bücherwurm erblickt, einen weichlichen Stubenmenschen, einen zukünftigen Fliegende- Blätter-Professor I Ich bin überzeugt, daß sie Dir ganz gewogen ist, — aber Irmgard von Löwen ist keine zarte, süßblickende Mignon, die zur Harfe singt, sondern eine groß geistige, starke, mutvolle Amazone. Sie will einen ganzen Mann heiraten und keine Ehe führen, in der die Rollen vertauscht sind. Begreifst Du wohl? Beteilige Dich am Sport, reite täglich an ihren Fenstern vorbei — Du kannst doch reiten?" „Ein wenig — aber Furore mache ich nicht auf dem Pferde — ich habe mich nur eine sehr geringe Passion dafür." „Tut nichts — wer das Vräutchen will erringen, der muß kühn die Seele zwingen!" Die beiden Freunde begaben sich sogleich nach dem Tat- teresall, wo sich Erich für seinen Freund, den Kandidat der Philosophie Moritz Hoheneck, den frömmsten, liebenswürdig sten und ruhigsten Klepper ausbat, der im Reitstall zu fin den sei. Der Vermieter überlegte einige Augenblicke. „So warten Sie, ich will Ihnen den Blondin vorführen. Das ist ein Prachtpferd — und sanft wie ein. neugeborenes Lamm." Blondin erschien, ein edler Rappe von den vorzüglich sten Qualitäten, ein Adonis unter den Pferden. „Der sieht aus wie ein echter Araber," warf Erich zweifelnd hin. „Und der soll lammfromm sein?" „Gewiß — und das hat seinen guten Grund. Das arme Tier ist schwermütig. Ich besitze es erst seit einigen Wochen, es betrauert vermutlich einen guten Herrn, dem es sehr anhänglich war. Ich fürchte, es werden noch Monate vergehen, bis es ihn vergißt." „Und wie äußert sich seine Schwermut?" „Darin, daß cs fast ausschließlich in ruhigem, sanftem Trott läuft — es ist kaum in einen kurzen, gelinden Galopp zu bringen. Probieren Sie einmal." Blondin wurde probiert und exzellent befunden. Strahlend bestieg ihn schließlich Moritz, um sogleich vor der Auserwählten seines Herzens zu debütieren. Hoch zu Roß, auf einem prächtigen Tier, das jedermann für einen feuri gen Renner halten mutzte, nahm er sich recht stattlich aus. Die Geliebte wohnte auf dem Markte, dorthin lenkte der schöne Reiter die Schritte seines Pferdes. Mehrere Male sprengte er — nein, Wertreiben wir nicht — trabte er über den weiten Platz hin und her und hatte auch wirklich die Genugtuung, Irmgard am Fenster zu erblicken. Weniger als dieser Anblick gefiel ihm ihr etwas malitiöses Lächeln — ebenso wenig am anderen Tage, wo es sogar etwas spöt tisch um die holden Mundwinkel zuckte. „Du mußt Dein Notz ein bißchen tummeln, mußt ein mal galoppieren," ermunterte ihn Erich, dem er sein Mal heur klagte. „Ich bitte Dich, Mensch, das kann ich nicht — es wird mir so schon sauer genug. Ich sage Dir, mir ist schon den ganzen Vormittag in Erwartung des verteufelten Rittes ganz unbehaglich zumute." „Verteufelten Rittes? O gancta simplicitss — doch setze die Anstrengungen nur noch einige Tage fort, es wird schon Eindruck machen." Doktor Moritz Hoheneck trabte wirklich auch am dritten Tage durch die schmale Rathausgasse auf den Markt. Heute herrschte hier jedoch ein weit regeres Leben als sonst, ein großes PWlikum hatte sich versammelt, und zwar in Er wartung des Umzugs eines sogenannten amerikanischen Riesenzirkus nach Barnumschem Vorbild, selbstverständlich mit den ersten Kräften und „Pferden" der Welt, mit Ele fanten, Löwen, Tigern, dressierten Affen, Eseln, Ziegen und Krokodilen. In diesem Getümmel fühlte sich Moritz weder wohl noch sicher, er wandte sich scheu, um wieder um zukehren, ritt aber auf diese Weise dem Zuge der Kunst reiter gerade entgegen. Aengstlich faßte Moritz in die Zügel, er hielt es für geraten, die Kavalkade erst vorüber zu lassen. Doch hätte er sein Pferd auch ohnedies nicht von der Stelle gebracht. Blondin schien ebenso neugierig wie die versammelten Zwei füßler, ja, er wandte sich sogar nach dem Zuge, um sich keine der ambulanten Herrlichkeiten entgehen zu lassen Getreidehändler: „Auf meinem Gute sind die Getreideähren so hoch und voll, daß der Getreidepreis an der Börse plötzlich gesunken ist." Bauer: „Dös is was rechts! Ba mi san die Aehre so lang gewachse, dös mo die Brote net kloaner wie sechs Fuß lang backe kinne!"