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Tagestteschichte. Deutschland. Kaiser und Kanzler. Englische Sensationsnachrichten, die von Meinungsver schiedenheiten zwischen dem Reichskanzler Fürsten von Bülow und dem Kaiser zu berichten wußten, werden in einer Berliner Zuschrift der Süddeutschen Reichs korrespondenz scharf zurückgewiesen. Die Zuschrift lau tet: „Englische Blätter haben sich um die Jahreswende besonders eifrig mit Kaiser Wilhelm beschäftigt, und da das Verhalten des Monarchen keinen Stoff für Sensationsdepeschen bietet, greift man zu Erfindungen. So heißt es in einer Londoner Zeitung, der Kaiser habe mit d Reichskanzl. eine Rede vereinbart, die zu Neujahr vor den kommandierenden Generalen gehalten worden sei. In Wahrheit hat aber der Kaiser überhaupt keine politische Neujahrsansprache gehalten. Ferner be unruhigt sich ein englischer Journalist über das Ver hältnis zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler mit der hochpolitischen Begründung, Fürst Bülow habe nichts zu Weihnachten bekommen. Dieser Zweifel kann gelöst werden: der Monarch hat seinem Kanzler ein Bild zum Geschenk gemacht. Ausstreuungen über ein ge mindertes Einvernehmen oder auch schärfer über Mei nungsverschiedenheiten und Gegensätze zwischen der Krone und dem Leiter der amtlichen Politik sind an gewissen Stellen wieder sehr beliebt. Real ist daran nur der Wunsch, es möchte eine Verstimmung geben. Dieser Wunsch ist weit verbreitet. Bald schüttet die „National Review" ihr Herz gegen den Kanzler aus, bald erhob sich im Figaro ein den Nichteingeweihten unverständliches Geschrei. Auf das sinnreiche Fange ballspiel zwischen reichsdeutschen Parteiorganen und einigen österreichischen Blättern hat am Sonntag die Norddeutsche Allgemeine Zeitung aufmerksam gemacht. Der Ursprung dieser Treibereien ist sowenig in Dunkel gehüllt, wie das Ziel: „einen Kanzlerwechsel herbei zuführen." — Der Kaiser und die kommandierenden Generale. Ueber den Neujahrsempfang der kommandie renden Generale erhält die »Tgl. Rundschau" nachstehende nähere Mitteilungen: »Nach der Tafel erhob sich der Kaiser zu einem Vortrag, der sich von der Ansprache, wie sie bei derselben Gelegenheit in früheren Jahren gehalten wurde, in wesentlichen Zügen unterschied. Der Monarch betonte, daß Arbeit aller Versammelten vornehmste Pflicht sei. Er ging dann an der Hand der für ihn aufgestellten Karten unmittel bar dazu über, die Kaisermanöoer des letzten Jahres und das Goltzsche Manöver in Ostpreußen einer völlig durchge- arbeitelen und ins einzelne gehenden Besprechung zu unter ziehen. Aus Anlage wie Inhalt der Ausführungen ging hervor, daß es sich bei diesen um das Ergebnis eingehenden Studiums der Materie, zu dem seine Zurückgezogenheit dem obersten Kriegsherrn während der letzten Wochen Gelegenheit gegeben haben mag, handelte. Nach Beendigung dieser Manöverstudie, die rein akademisch-objektiv gehalten war, erklärte der Kaiser, über die militärische Lage Deutschlands an der Jahreswende sich persönlich zu äußern, habe er keine Veranlassung, da ein — vom Autor nicht gezeichneter — Artikel der soeben erschienenen Januarnummer der »Deutschen Revue" sich mit seinen Ansichten durchaus decke. Der Kai ser las den Artikel den Generalen vor und schloß dann mit dem Wunsche, die Armee möge die altpreußischen Eigen schaften der Schlichtheit und Sparsamkeit auch in der Lebens führung des Einzelnen recht in Ehren halten. Generalfeld marschall Graf Hahnke dankte dem Kaiser in prunklosen und doch sehr wirksamen Worten und versicherte ihn der uner schütterlichen Treue und Anhänglichkeit der Armee. Der Gesetzentwurf über den unlauteren Wettbewerb, der den Uebelständen abhelfen soll, die in den 18 Jahren seit der letzten gesetzgeberischen Maßnahme auf diesem Gebiete in die Erscheinung ge treten sind, hat die Zustimmung des Bundesrats ge funden und kann unverweilt dem Reichstage zugehen. Als wichtigste Neuerung enthält der Entwurf das Ver bot des Warennachschubes bei Ausverkäufen, deren Zu lassung an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Zur Vereinfachung des Geschäftsver kehrs und des Dienstbetriebes bei der Post sind vom Staatssekretär Bestimmungen erlassen worden, die am Sonntag in Kraft treten. Für die Allgemeinheit wich tig ist, daß die Oberpostdirektion in Zukunft alle Ein gaben, Beschwerden rc. des Publikums, für deren Er ledigung die Verkehrsämter an sich zuständig sind, an diese abzugeben haben, sofern es sich nicht um Beruf ungen gegen gerröfsene Entscheidungen handelt, oder besondere Umstände gegen die Abgabe sprechen. Das Publikum wird also gut tun, sich mit seinen Beschwer den rc. nicht an die Oberpostdirektion, sondern an die zuständige Postanstalt zu wenden. Dem unter dem Protektorat der Kaiserin stehen den Hilfskomitee für Sizilien ist vom Staatsse kretär des Reichspostamtes Kraetke die Mitteilung zu gegangen, daß er sämtliche P o st a n st a l t en des Reichspostgebietes ermächtigt habe, Spenden für das deutsche Hilfskomitee entgegenzunehmen. — Erfahrungen, die bei Schießübungen, Küsten- manövern und ähnlichen militärischen Hebungen ge macht worden find, lassen es als erwünscht erscheinen, zur Verhinderung von Spionage an der Küste die Grenzaufsichtsbeamten heranzuziehen. In der Nähe von Küstenbefestigungen zum Beispiel können sie bei ihren Patrouillenrundgängen oder Patrouillenfahrten auf den Zollfahrzeugen unauffällig Aufsicht üben und durch ihr Eingreifen Spionage verhindern. Die preu ßischen Minister des Innern und der Finanzen erlassen dementsprechende Verfügungen. — Die diesjährige Tagung des D e u ts ch e n Fl o t- tenvereins findet vom 3. bis 6. Juni in Kiel statt. — Schweiz. Eine am 6. Januar nach Olten vom Initiativkomitee zur Abwehr der deutschen Back mehleinfuhr einberufene Versammlung zählte 72 schwei zerische Müller. Es wurde beschlossen, über deutsches Getreide und deutsche Mehlprodukte den Boykott zu verhängen. Sollte der Getreideboykott unwirksam blei- ben, so soll das gewählte Initiativkomitee Vorschläge unterbreiten, um den Boykott auch auf andere Artikel auszudehnen. Italien. Die „Agenzia Stefani" veröffent licht eine Note, derzufolge der König und die Köni gin den Wunsch geäußert haben, daß die aus Anlaß des Geburtstags der Königin geplanten Kundgebungen vor dem Quirinal sowie die als Ausdruck der Dankbar keit des Volkes beabsichtigte Prägung einer Denkmünze unterbleiben. Der König und die Königin wünschen, daß die ganze Willenskraft des Landes einzig darauf verwendet werde, die durch das Erdbeben-Unglückheim- gesuchte Bevölkerung zu unterstützen. — Portugal. Aus Berlin wird gemeldet: Die um gegangenen Gerüchte, daß König Manuel von Portugal schwer erkrankt sei, werden jetzt von sämtlichen Morgenblättern auf Grund von Informationen ihrer Lissaboner Korrespon denten entschieden dementiert. Bei dieser Gelegenheit erzählt der Lissaboner Korrespondent des »Morning Leader" folgen den sensationellen Vorfall, der sich bei einem Diner im königl. Schlosse ereignet haben soll. Es waren außer dem König, der Königin-Mutter und dem Herzog von Oporto die meisten Minister und Hofwürdenträger zugegen. Plötzlich erhob sich unter den Gästen ein junger Leutnant und erklärte, aus Mit leid für den Monarchen diesen vor einer Verschwörung war nen zu müssen. Er sei von Verschwörern und Verrätern umgeben, und viele der anwesenden Würdenträger, die er für seine Freunde halte, gehören dem Komplotte an. Die Wir kung dieser kurzen Rede war eine unbeschreibliche, alles blickte auf den König, der mit aschfahlem Gesichte wie leblos da saß. Unter peinlichem Schweigen nahm das Diner seinen Fortgang. Der König befahl, daß der Leutnant nicht be straft werde. Aber sofort wurden neue Vorsichtsmaßregeln zum Schutze der königlichen Familie getroffen. Alle Tore des Palastes sind geschlossen, und nur solche Personen haben Zutritt, die sich ausweisen können, daß sie im Schlosse dienst lich zu tun haben. Lokale und sächsische Nachrichten. Eibenstock, 8. Januar. Am Sonntag ver anstaltet der alte hiesige Königl. Sächs. Militär- Verein wieder einen Familienabend mit Christ baumverlosung, dessen Reinertrag, wie wir hören, sei ner Unterstützungskasse und der „König Albert-Dank stiftung, welche denselben Zwecken dient, zufließen soll. Möge dem Verein, welcher es als höchste Aufgabe mit betrachtet, sich in den Dienst echter warmtätiger Ka meradschaft und Nächstenliebe zu stellen, ein voller Er folg beschieden fein. Wie der Verein seine Pflichten seinen hilfsbedürftigen Kameraden und Witwen gegen über auffaßt, dürfte daraus hervorgehen, daß im Laufe der verflossenen 20 Jahre für Unterstützungszwecke aus freiwilligen Mitteln ca. 3800 Mark aufgebracht wor den sind. Hoffen wir, daß der Verein auch seitens sei ner besser situierten Kameraden durch Geschenke für den Christbaum recht reichlich unterstützt wird, damit sich das Jahr 1909 seinen Vorgängern recht würdig an schließen möge. Eibenstock. Wir wollen nicht verfehlen, noch mals auf den am Sonntag abend im Feldschlößchen stattfindenden hochinteressanten Vortrag des Natur forschers Herrn I)r. Braß aufmerksam zu machen, der die Beachtung aller Kreise zu erregen geeignet ist. — Eibenstock. Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich, findet am kommenden Sonntag im Hotel »Stadt Dresden" die Wieder-Eröffnung des Kaiserpanoramas statt. Eine Serie von r>0 naturgetreuen Aufnahmen des Erzgebirges werden dem Beschaner die Reize des Gebirges vor Augen führen. In Anbetracht der Reichhaltigkeit der Bilder dürfte sich ein Besuch des Panoramas sehr empfehlen. — Eibenstock. Wie uns mitgeteilt wird, beabsichtigt Herr Handelsschuldirektor Illg en (vergl. Jnseraten-Teil) am 1b. Januar einen neuen Kursus in moderner Literatur für Damen zu eröffnen. Der Erfolg, den der vorjährige Kursus gezeitigt, läßt erwarten, daß auch der dies jährige Anklang finden wird. Der Gegenstand der Behand lung erstreckt sich auf den deutschen Roman im 19. und 20. Jahrhundert. Zunächst wird der Roman in seiner literarischen und ästhetischen Bedeutung überhaupt behandelt werden. Die Dichter selbst werden eine eingehende Behand lung hinsichtlich ihres Werdeganges, ihrer Bedeutung und ihrer Werke erfahren. Mit den Dichtern, die noch der Ge genwart angehören, hat sich der Kursusleiter in direkte Be ziehung gesetzt, um von diesen selbst Stoffe aus ihrem Leben zu erhalten. Die kritische Behandlung der einzelnen Werke wird durch Vorführung zahlreicher Literatur-Proben unterstützt werden. — (Wir können allen Bildungsbeflissenen die Teil nahme an diesem Kursus nur empfehlen. D. Red.) — Schönheide, 8. Januar. Im Jahre 1908 waren in unserer Parochie (Schönheide, Schönheiderhammer und Neuheide) 336 Geburtsfälle, 79 Eheschließungen und 171 Sterbefälle zu verzeichnen. — Schönheide. Am HohneujahrStage hielt der hiesige Turnverein »Jahn" eine Weihnachtsfeier ab. DaS Pro gramm setzte sich zusammen aus wohlgelungenen Orchester vorträgen seitens der unter der Leitung des Herrn Hesse stehenden hiesigen Musikkapelle, aus musterhaft ausgeführten Klaviervorträgen des Herrn Lehrer Kühnemann, aus turnerischen Gruppenbildern und lebenden Bildern. Den Mittelpunkt bildete die Aufführung »Weihnachtsfeier in einem erzqeb. Turnverein", verfaßt von Herrn Turnwart Kolbe, waS nicht wenig die LachmuSkeln in Anspruch nahm. Einlagen dazu waren ein von 8 Turnern ausgeführter Hantelreigen und von 8 Turnerinnen vorgeführter Reifentanz. Ganz besondere Heiterkeit erregten die komischen Duette »Moderne Dienst boten" und »Die beiden Witwen", welche an die gesanglichen Leistungen und an di« Sprachfertigkeit der beiden Damen Karow und Schlesinger ziemliche Anforderungen stellten. Ganz besonders gebührt den beiden Herren Lehrer Preißer und Turnwart Kolbe für ihre Aufopferung im Interesse de» Vereins heißer Dank, desgleichen allen Mitwirkenden. Während de» Balle» fand eine Verlosung von Geschenken statt. — Dresden, 7. Januar. In der heutigen Sitz ung der 1. Deputation (Wahlrechtsdeputation) der Ersten Kammer, der wiederum eine längere Ver nehmung mit dem Präsidium und den Fraktions führern der Zweiten Kammer vorausgegangen war, wurde grundsätzliche Einigung in der Deputation da rüber erzielt, daß von den seitens der Deputation in Aussicht genommenen verschiedenen Formen der Wahl rechtsänderungen das Pluralwahlrecht der Reform zugrundezulegen sei. Dies soll geschehen unter Ver meidung schroffer Gegensätze in der Zuteilung der Zu satzstimmen, dementsprechend in einer mäßigen Ab stufung derselben und einer gerechten Berücksichtigung der Lebensstellung der Wähler. Maßgebend für die Zusatzstimme ist die Selbständigkeit (Wahlrecht zur Ge werbekammer und zum Landeskulturrat), Ansässigkeit, die Vorbildung, die feste Anstellung, das Einkommen und das Alter. Die höchste Zahl der Zusatzstimmen wurde auf drei festgesetzt. Eine Vermehrung der Wahl kreise soll dadurch erfolgen, daß den drei großen Städten je zwei neue Wahlkreise zugeteilt werden und daß aus sechs besonders großen und starkbevölkerten ländlichen Wahlkreisen neun gebildet werden. Von der Einführung der Verhältniswahl in den großen Städten soll abge sehen werden; dagegen wurde die regelmäßige Jnte- gralerneuerung der Kammer nach Einführung des neuen Wahlgesetzes beschlossen. Die Deputation wird nunmehr,am Sonnabend den 9. dss. Mts. in die spe zielle Beratung des demgemäß abgeänderten Gesetz entwurfes eintreten. — Leipzig, 7. Januar. Eine Arbeitslosen demonstration fand Dienstag vormittag in Leipzig statt. Vor dem Rathaus versammelten sich eine größere Anzahl Arbeitslose, etwa 200 Personen, und entsandten eine Deputation an den Oberbürgermeister. Sie richteten an diesen die dringende Bitte, Notstandsarbeiten umgehend vor nehmen zu lassen, um der herrschenden Arbeitslosigkeit und Not etwas zu steuern. Der Oberbürgermeister stellte auch derartige Arbeiten schon für die nächsten Tage in Aussicht. — Leipzig, 7. Januar. Vom Stadtrate zu Grimma ist die Gewerbekaw.mer zu Leipzig um eine Auskunft darüber ersucht worden, ob Zahnkünstler als Handwerker anzusehen sind. Die Kammer hat daraufhin mitgeteilt, daß die gewerbsmäßige Ausübung der Zahnheilkunde al» ein zum Handwerk gehöriges Gewerbe nicht anzusehen ist und die Zahnkünstler deshalb nicht zu den Handwerkern, sondern zu denjenigen Personen zu rechnen sind, welche ge werbsmäßig — ohne approbiert zu sein — einen Zweig der Heilkunde ausüben «Gautzsch b. Leipzig. Vermißt wird seit dem ersten Weihnachtsfeiertage die 21jährige Tochter Gertrud des Gerichtswachtmeisters Götz in Eiben stock. Dieselbe war hier bei Herrn I)r. Brand als Haus und Küchenmädchen in Stellung; wegen einer Diffe renz bezügl. des Weihnachtsgeschenkes und Verleum dung des anderen Mädchens ist sie am 1. Feiertag nach mittags 3 Uhr sofort entlassen worden. Mittellos und ohne besondere Festkleidung ist sie davon geeilt und hat sich jedenfalls ein Leid angetan. Als der Vater und Bruder sie am 3. Januar besuchen wollten, mußten sie die bittere Erfahrung machen, daß sie schon so lange verschwunden ist, ohne daß die Angehörigen etwas da von wußten. Photographie und Beschreibung der Klei dung liegt im Gemeindeamt zu Gautzsch. Bom Landtag. Dresden, 7. Januar. VV. Zunächst hieß Präsident l)r Mehnert die Kollegen zu neuer Ar beit willkommen und wünscht allen ein fröhliches Neue» Jahr. Sodann widme te der Präsident den, am 4. Januar verstorbenen konservativen Vertreter de» 12. ländlichen Wahlkreises Gutsbesitzer Goltzich einen warmen Nachruf. Die Abgeordneten erhoben sich zu Ehren de» Verstorbenen von ihren Plätzen. AlSdann wurde an Stelle des verstorbenen Abgeordneten l>r. Rühlmann der neugewählte Abgeordnete I>r. Niethammer Waldheim (Natl) durch den Präsidenten verpflichtet. Die Kammer trat hierauf in die Tagesordnung ein und nahni zunächst die Petition deS Kaufmann» Ernst August Fund mann in Meerane um Gewährung einer Entschädigung auS Staatsmitteln in Schlußberatung. Abg. Hojmann (Kons.) erörterte den Unglücksfall de», Petenten und beantragt namens der Deputation, die Petition auf sich be ruhen zu lassen, da der Staat an dem Unfälle ganz unbeteiligt sei und infolgedessen keine Unterstützungspflicht habe. Nach längerer Debatte be schließt daS HauS, dem Antrag der Deputation gemäß die Petition aus sich beruhen zu lasten. Ebenso wird die Petition de« Privatmannes Gottlieb Kolbrg in Chemnitz wegen Schadenersatzanspruch« nach dem Referat de» Abg. 0r. Zöphel (Natl.) auf sich beruhen gelassen. Schließlich berichtet Abg. Braun (Natl ) über ein« Beschwerde der Amalie verehel. Thiede! und deren Ehemann«» Johann Wilhelm Thiebel in Dresden wegen angeblich zu Unrecht erhobener Straßenbaukosten. Die Kammer beschließt einstimmig und ohne Debatte diese Beschwerde aus sich beruhen zu lasten. Nächste Sitzung morgen Vorinittag 9 Uhr. Kranz Javer Haveksöerger. In -Lesen Tagen sind sechzig Jahre verflossen, seit Franz Laver Gabelsberger aus dem Leben geschieden ist; der Erfinder der „Redezeichenkunst", der durch sie zum Gründer der modernen Stenographie geworden ist, war der erste, der sich von dem Gedan ken frei machte, der die Engländer zu ihren Systemen geführt Hatte, daß die kürzesten Zeichen die gerade Linie in ihren verschiedenen Richtungen und einfache Teile des Kreises seien, und der sich, um einfache Zeichen zu gewinnen, an die Teilzüge unseres kurrentschrift lichen Mphabets hielt. Siebzehn lange Jahre hatte er gearbeitet und erprobt, ehe er sein Lehrbuch heraus gab, und mit einer Gründlichkeit, die so leicht nicht ihresgleichen findet. „Denn", sagt er selbst, „sowie ich mein Eigenes neunmal umwarf, ehe ich mich nur einigermaßen damit zufrieden gestellt fühlen wollte, so war ich mir auch der Selbstbeherrschung bewußt, es zum zehnten Male umwerfen zu können, wenn mich Vernunft und Gründe eines Bessern überzeugen wür den, und dieses habe ich auch in so manchen Fällen treu bewahrt." Das Gabelsbergersche System besteht heute nicht mehr in der Form, die sein Erfinder ihm gegeben hat; manche Aenderungen und Vereinfachungen sind an ihm vorgenommen worden, aber an seinen Grundsätzen ist nichts geändert worden, denn sie haben sich nicht nur in der Praxis vieler Parlamente und Versammlungen bewährt, sondern auch seine Nachfolger haben mehr oder weniger aus dieser reich sprudelnden Quelle schöp fen müssen. Wohl ist eine sehr große Zahl neuer und neuester Systeme nach Gabelsberger entstanden, aber an Bedeutung und Berbreituüg hat bisher keines daS Gabelsbergersche erreicht, obwohl gerade an den immer mehr „vereinfachten" Systemen der Hauptwert nicht auf die praktische Brauchbarkeit, sondern auf die leich te Erlernbarkeit gelegt worden ist Wenn nicht alle Anzeichen trügen, besteht ja nunmehr Aussicht, zu ei nem einzigen deutschen System durch Verschmelzung