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- Erscheinungsdatum
- 1902-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190202182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19020218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19020218
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1902
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Monat
1902-02
- Tag 1902-02-18
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Monat
1902-02
-
Jahr
1902
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der Schußwaffe Gebrauch gemacht hat und Tobte und ver wundete auf dem Platze blieben. Ben einer Versammlung kommende Streikende bewarfen da« aus dem Großen Platz aus gestellte Militär und die Sicherheit-wachen mit Steinen. Als der die Halbkompagnie befehligende Oberleutnant, durch Stein würfe an der Brust nnd am Kopf getroffen, zu Boden stürzte, gab da« Militär Feuer, c> Personen blieben todt, zahlreiche Per sonen wurden verwundet. Beim Säubern de« Börsenplätze« wurde eine Frau durch einen Bajonnetstich schwer verletzt. Bei dem weiteren AuSeinandcrtrciben der Massen mußte die Sicher- heitSwachc wiederholt von der blanken Masse Gebrauch machen, wobei zahlreiche Personen verletzt wurden. Viele Verhaftungen wurden vorgenommcn. In den Vorstädten wurden die Straßen laternen und die Fensterscheiben zerschlagen. — Triest, lk>. Februar. Die Nacht ist ruhig verlausen. Heute Vormittag sind trotz de« eingetretcncn Regen« die Straßen sehr belebt. Acht Compagnien Militär, zusammen 600 Mann, sind aus Gör; cingetrossen. Patrouillen durchziehen die Straßen nnd hallen die öffentlichen Gebäude und Hauptplätzc besetzt. Die Läden find mit Ausnahme der Eßwaarenlädcii geschlossen. Vier Verwundete sind ihren Verletzungen erlegen, sodaß die Gcsammt- zahl der Tobten jetzt neun beträgt. Verhaftet sind inSgesammk 67. -- Triest, In. Februar. Heute Mittag wurden viele schwarze Fahnen gehißt. Die Menge verlangte, daß die« allgemein geschehe und warf die nicht mit Trauerschmuck versehenen Fenster rin. Wiederholt fanden mit Militär und Polizei Z n sa m in en- stößc statt. Gegen 4 Uhr -Nachmittag« kam e» am Corso zwischen der Piazza Santa Catarina und der Piazza San Giacomo, zwischen der Menge, welche die Fenster ohne Trauerabzeichen mit Steinen bewarf sowie die Straßenlaternen zertrümmerte, und dem Militär zu einem Zusammenstoß. Auch in anderen Straßen wurden Gaslaternen von Manifestanten zertrümmert. Da« ein schreitende Militär sah sich gezwungen, Feuer zu geben. Drei Personen wurden getödtct und vier verwundet. In einigen Straßen wurden von den Dächern Ziegel herabgcschlcuderk. — Südafrika. Bei dem hohen Interesse, da« die Vor gänge in Südafrika erregen, dürste der eingehende Bericht, den „Reuter« Bureau" über Dcwct« Durchbruch bringt, noch fesselnd genug sein, wenn auch die Ereignisse nun schon einige Zeit hinter un« liegen. Derselbe besagt; Lord Kitchencr ließ in der Zeit vom 2. bi« zum 7. Februar umfangreiche Truppen bewegungen vornehmen, um Dewet und Stcijn cndlick einzusangen. Die Hauptsachen sind ja bereit« nach Kitchener« Berichten mit- gclheilt worben. An den Operationen scheinen aus englischer Seite über >0 000 Mann bethciligt gewesen zu sein, abgesehen von den Truppen, welche die Blockhauslinien besetzt hielten. Am Abend de« b. Februar wurde den Soldaten mitgethcilt. Laß e« sich darum handele, Dewet und Steijn zu fangen, wa« bei den Leuten „Wunder" gewirkt habe. Am 6. Februar um 6 Uhr Morgen« rückte die ganze Linie vor, wobei die einzelnen Theile so vorzüglich Verbindung hielten, „daß e« selbst einem Hasen schwer geworden wäre, unbemerkt liegen zu bleiben." Al« Dewet die Gefahr erkannte, zog er alle seine Truppen zusammen und c« wurde beschlossen, dieselben in drei Theile zu theilen. Der eine Theil erhielt den Auftrag, einen Durchbruchsversuch nach 'Norden zu machen, während der Zweite einen gleichen Versuch nach Süden machen sollte. Dewet selbst erklärte, daß er versuchen werde, die Eisenbahnlinie im Westen zu überschreiten. Die nörd liche Abtheilung unter dem Kommandanten van der Mcrwc und Bocollcr machte gegen I I Uhr Abends einen verzweifelten Ver such, durchzubrcchen. Sic sammelten eine Anzahl Rindvieh und trieben die« gegen die englischen Linien. Ties auf den Sattel »iedergcduckt, ritten die Buren zwischen dem Rindvieh und machten e« auf diese Weise den Engländern unmöglich, sic in der Dunkelheit der Nacht zu erkennen. Die Engländer er öffneten ein furchtbare« Feuer und von 200 Buren soll c« nur 30 gelungen sein, zu entkommen. Am anderen Morgen fanden die Engländer I tobten Buren und 7 Verwundete; 48 wurden gefangen genommen. Wa« ist dann aber aus den übrigen l19 geworben? Gegen l l Uhr Vormittags Heliographirte Oberst de Liste, daß Dewet innerhalb der Linien sei. In der folgenden -Nacht um 9 Uhr brach an der Stelle, wo die berittene Infanterie stand, heftige« Gewehrfeuer lo«. Dann heißt c« in dem Bericht weiter i „Da« rollende Feuer wurde bald bi« nach Heilbron hin von der ganzen Linie ausgenommen und dort von den Block häusern fortgesetzt. Dann folgten die verwirrendsten Töne und Bilder, die man sich denken kann. Eine lange Flammcnlinic, die wie brennende« Hol; knackte, lief aus einer Strecke von etwa 80 Meilen auf und ab. Die Panzerzügc warfen ihr Scheinlicht meilenweit über Las Gelände. Die Schnellsenergeschntze inner halb der verschanzten Linien, die Feldgeschütze und die Pom-Poms klangen tief durch bas scharfe Krachen des Gewehrfeuer«, während da« Fort Heilbron mit dem dumpfen Brüllen seine« Marinegeschütze« zu dem allgemeinen Höllenlärm beitrug. So ging e« zwanzig Minuten weiter, dann erstarb allmählich der Lärm : man hörte nur noch den scharfen Schlag einzelner Schüsse und kann war Allc« ruhig. Aber während der ganzen Nacht bi« gegen 2 Uhr Morgen« brach da« Feuer immer wieder von Neuem lo«, bald an dieser, bald an jener Stelle der Linie. Dann erst bot sich für die jenigen, die nicht in den Pickel« waren, Gelegenheit, ein wenig zu schlafen. Jeder war begierig zu erfahren, wa« da« Resultat der Nachtarbeit gewesen sei. Bei Tagesanbruch rückten unsere Pa trouillen vor und fanden .6 todtc Pferde und 5 todte Buren. Wa« vorgckommen war, war Folgende«: Die Buren hatten einen entschlossenen Versuch gemacht, die Linie zu überschreiten. Zu diesem Zweck machten sie Schcinmanövcr, um an unserem Feuer zu erkennen, wo unsere Picket« ständen, bi« sic einen geeigneten Platz gefunden hatten, der von einer Feldwache der 8. berittenen Infanterie gehalten wurde. Etwa »0 von ihnen überritten in gestrecktem Galopp schreiend und rufend diese« Picket, trotz eine« starken Feuer«. 30 Buren wichen vor diesem Feuer zurück. Zum Unglück für diejenigen, die da« nicht thaten, war e«, daß sic durch unser Lager galoppircnv mitten in die Nachhut der ersten Imperial Light Horsc hineinritten. Diese eröffneten da« Feuer, tödleten 3 und machten 9 zu Gefangenen, sodaß etwa nur 8 wirklich durchkamen. An allen anderen Stellen, wo ähn liche Versuche gemacht wurden, schlugen sie fehl. Um 6 Uhr Morgen« bewegte sich die Linie wieder in guter Stimmung vor wärt« und Jeder war überzeugt, daß ein guter Fang jetzt sicher sei. Die Truppen wurden auch nicht enttäuscht. Oberst Daw kins nahm ö2 Mann gefangen, von denen sich viele in Höhlen verkrochen hatten. Im Ganzen machte die Kolonne Rawlinson in zwei Tagen etwa 140 Gefangene. Gegen Nachmittag ver breitete sich da« Gerücht, daß Dcwct entkommen sei. Einige Nachrichten meldeten, er habe in der Nacht vom 6. d, unsere verschanzten Linien durchbrochen, während andere Nachrichten behaupteten, daß er die Haupteisenbahnlinie bei Tageslicht mit 700 Mgnn überschritten habe, indem er mit seinen Leuten eine englische Kolonne markirt habe." — Der „Standard" meldet au« Pretoria vom 14. Febr.: Pfau nimm« an, daß die Engländer, al« sie bei dem im Oranje staat veranstalteten Kesseltreiben die Linie Heilbron - Wolvehoek erreichten, nur mehr 600 Buren vor sich hatten. Die übrigen Buren waren, 1400 Mann statt, bereit« nach Osten durchgc- brochen und stehen jetzt rund um Reitz. — Dewet ist nicht durch die BlockhauS-Linie von Thabanchu hindurchgekommen; er wird wahrscheinlich versuchen, nach Norden durchzubrcchen und die bei Reitz verstreut stehenden Streitkräfte wieder unter seinem Kom mando zu sammeln. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 17. Febr. Mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät de« König«, wird der Vorstand de« Kgl. Amt« gericht« Eibenstock, Herr AmtSgerichtSrath Ehrig, am I. Mai 1902 unter Verleihung von Titel und Rang eine« Oberamts- richtcr« als Vorstand an da« Kgl. Amtgericht Radeberg »ersetzt. — Eibenstock, 17. Februar. Ein schwerer Unglücks fall ereignete sich am Freitag -Nachmittag auf einem Hol;schlage de« Eibenstocker Forstrevier«, indem der Waldarbeiter Ernst Qucck hicrselbst von einem stürzenden Baume getroffen und gräß lich verletzt wurde. In seiner Behausung, wohin er auf einem Schlitten verbracht wurde, ist er am Sonnabend in später Abend stunde verschieden. — Außer vorstehendem brachte die vergangene Woche noch zwei betrübende Vorfälle. Am Montag entleibte sich auf AucrSbcrgcr Revier in der Nähe de« Poclcngange« der Waldarbeiter S. von hier und am gleichen Tage Abend« wurde aus dem BctriebSgraben bei Muldcnhammer die Leiche eine« Werdauer Eiscnarbeiter« gezogen. Au« Werdau wird über den letzteren Fall noch gemeldet: Ein schwerer Schicksalsschlag ereilte eine hier aushältliche Familie. Während zu Hause die Tochter Hochzeit hatte, wurde der Vater in NeidhardtSthal bei Eibenstock im Mühlgraben todt aufgcsunvcn. Der Mann war krank und dürfte ihn dieser Umstand in den Tod getrieben haben. - Schönheide, 13. Februar. Ein SandhändlerTümpncr au« Rodewisch, der sich am vergangenen Sonntag im hiesigen Ort bettelnd umhertrieb, wurde vorgestern wegen Straßenraubes verhaftet, weil er Abend« auf der Straße einem Arbeiter von hier eine Taschenuhr vom Leibe gerissen und damit da« Weite gesucht hat. - Dresden, 13. Februar. Da« Kriegsgericht der 23. Division unter Vorsitz de« Herrn Obersten von- Ehrenberg ver handelte heute gegen den Leutnant Walter Rose vom 102. In- santerie-Regiment in Zittau wegen gualifizirbarcn Hausfriedens bruch«, gefährlicher Körperverletzung mittel« einer da« Leben ge fährdenden Waffe in ideeller Konkurrenz mit rechtswidrigem Wafsengebrauch. Es handelt sich um einen Vorfall, wonach in der Nacht zum 18. Januar b. I«. der Angeklagte in dem Cafe „Reichspost" in Zittau von einem Agenten Häblcr, mit dem er in Wortwechsel gerathcn, eine Ohrfeige erhielt, sich aber zwei Tage später dadurch Genugihuung verschaffte, daß er in die Woh nung seine« Gegner« eindrang und auf diesen mit dem Säbel cinschlug. Die Verhandlung, die öffentlich geführt wurde, währte über vier Stunden. Da« Gericht erkannte den Angeklagten für schuldig und vcrurthciltc ihn wegen schweren Hausfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung in einheitlicbem Zusammenhänge mit rechtswidrigem Waffengebrauch zu 3 Monaten Gefängniß. — Dresden, 13. Februar. Bei der hiesigen Filiale einer großen Bank ist am Dienstag gegen Abend ein Versuch gemacht worden, die Bank um >8000 Mark zu beschwindeln. An der Kasse daselbst erschien ein Dicnstmann mit einem angeblichen Brief eine« bekannten hiesigen Aristokraten, der bei dieser Bank ein Conto hat. In dem Briefe wird um Ucbersendung des ge nannten Betrag« durch den Ueberbringer gebeten, der das Geld dem Briesschreiber nach einem hiesigen Weinrestaurant bringen sollte. Dem Briefe war eine Quittung bcigefügt. Aus den ersten Blick mußte die Handichrist in dem Briefe wie aus der Quittung süc echt gehalten werden, bei der Höhe de« Betrages hielt es die Bantleitung aber doch für angezcigt, dem Dienstmann einen Angestellten mitzugeben und als Beide in dem Wein restaurant nach dem betreffenden Bricsabsender fragten, war dieser dort nicht zu treffen. Der Dienstmann hatte den Auftrag von einem Herrn aus dem Postplatz erhalten: er schilderte ihn al« eine Person in der Mitte der vierziger Jahre, während der Kunde der Bank wesentlich älter ist. — Dresden, 14. Februar. Hier sind 78000 Mark in Kassenscheinen verloren worden. Der Verlierer des Gelbe«, ein Millionär, der Rentner Janssen in Strehlen, setzt >0000 Mk. Belohnung sür den Finder au«. — Die Sächsische StaatSeiscnbahnverwaltung hat infolge de« Altenbekener Eisenbahnunglück« folgende Ver ordnt» g an ihr gejammtes Fahrpersonal erlassen: Obgleich da« außcrsahrplanmäßigc Hallen der Züge aus freier Strecke und in Stationen schon bisher ohne besondere Genehmigung nicht zu lässig war, so wirb hierdurch doch noch besonder« bekannt ge geben, daß jedes außcrsahrplanmäßigc Halten eine« Zuges oder einer einzeln fahrenden Lokomotive auf freier Strecke und in den Stationen au« anderen al« zwingenden Gründen nur mit Ge nehmigung der Direktion gestattet ist. Amtliche Mittheiluuae» aus der Hitzung »es Htadtrathes zu Hiöeufioch vom 20. Januar 1902. 1) Der Herr Vorsitzende giedl bekannt, daß der Raths,oachtmeister Hegemon» heute verstorben sei. Man nimmt mit lebhaftem Bedauern Kenntniß da von, beschließt die gemeinsame Betheiligung an, Grabschmuck und einen ehrenden Nachruf und ordnet im Uebrigen die Ausschreibung der Raths voll,jeher- und Schulresterbotenstelle mit 1100 M. Gehalt an. 2) Der Gasbeleuchtungs-Aktien Verein sucht um Bewilligung einer Anleihe von LS 000 Mark sür die im lausenden Jahre vorzunehmenden Erweiter ungsbauten au der Gasanstalt bet. dem Rohrnetze nach. Der Rath trägt in formeller Beziehung Bedenken, das Darlehn aus der Sparkasse zu verwilligen, ist dagegen bereit, ein städtisches Darlehn von SO 00» Mark aufzunehmen und den Betrag dem Gasbeleuchtungs- Aktien-Verein zur Verfügung zu stellen. Es soll die aufsichtsbehördliche Genehmigung nachgesucht und bei der Landesversicherungsanstalt sowie dem landwirthschaftlichen Kreditverein angesragt werden, ob Mittel jetzt dort flüssig sind. S> Zu den gemischten ständigen Ausschüssen werden die bisherigen Herren Stadträthe wiedergewählt: nur im Gemeindewaisenrath soll künftig Herr Bürgermeister Hesse als Vorsitzender u. Herr lsommerzienrath W. Dönsel als Stellvertreter fungiren. s) Dem Frauenheim Tobiasmühle und dem Rettungshaus Moritzburg wer den je S MI. einmaliger Beitrag wieder gewährt. 8) Man nimmt darnach Kenntniß u. von dem durch Zumiethung von Rathiezpeditionsräumen und Er gänzung des Inventars entstandenen Kostenaukwande: I>. von der Abrechnung über die Iheilweise Umdeckung de« Dache« der alten Schule: <:. von dem Ergebniß der letzten Bürgermeisterversammlung; -1. non Verfügungen der Königlichen Brandversicherungskammer und Verordnungen de« Königlichen Ministerum« de- Innern in Mo- dlliarbiandversicherungssachen. s) An Stell« de« Herrn Oekonomen Berger, Wilcher »erzogen ist, wählt man den Herrn Oekonomen und Ortsrichter Alban MeichSner al« Sach verständigen zum Be;irkischätzung«ausschüß. 7s Einige Nachschätzungen werden vorgenommen und im Eataster eingestellt. 8s Dem Oberkellner Max Richard Fuchs ertheilt man die Schankkonzession für das Restaurant „Bürgergarten" hier k"-' Außerdem kamen noch 7 Strakerlaßgesuche, I Darlehnssache, sowie verschiedene andere Angelegenheiten zur Erledigung, die des allgemeinen Jnt-refits entbehren bez. zur Veröffentlichung nicht geeignet sind. Johann Heinrich Pestalozzi. Zum 7»jährigen Todestage. <17. Febr. 1902.) Von l>r. Paul Ab. Sulzer. lNachSrua deeboim., „Die Knaben i» »ufere» Schulen bekommen große Be griffe von der Bestimm»»« des Menschen, von den Rechten des Bürger«, von der Liebe zum Vaterlande u. s. ,v. Was ist Vas alles in Bubenniund und in unseren! Zeitalter und in, Verderben de? häuslichen Lebens! Lehr' Deine» Knaben Vater nnd Mutter folgen, arbeiten, zu dein Seine» schaue», auf Golt hoffen und in Demuth einherwandeln, so hast Du den Bürger gebildet, der das thut, wovon unsere Knaben jetzt sprechen, und den Weisen, der in Befolgung der wich tigsten Wahrheiten glücklich ist, und den Hausvater, der seine Kinder mit den, nährt und ruhig setzt, mit dem die Schwäger unserer Tage ihren Kindern von allen fünf Sinnen nur die Ohren befriedigen." Wenn wir diese goldenen Worte lesen, so sind wir versucht, sie für den Ausspruch eines moderne» Pädagogen über die heutige Fugend nnd deren oft verfehlte Erziehung zu halten. Dem Munde eines Pädagogen freilich entstammen sie, ja, der Vater der moderne» Pädagogik, Foh. Heinr. Pestalozzi, hat sic gesprochen, aber vor länger als hundert Zähren <17821. Daß sie noch heule ihre volle Be rechtigung haben, indem sic betonen, daß die erste Forderung der Volkserziehung darin bestehe, die Kinder nicht über den Stand nnd die Verhältnisse zu erziehen, beweist, mit welch' scharfe,» Auge Pestalozzi in die Kindcrseele zu schauen und ihre intellecruellcn lind moralischen Bedürfnisse zu erfassen vermochte: Grund genug, des Meisters zu seinem 7ö. Tode« tage auch in diesen Blätter» in Kürze zu gedenken. Wie schon der Name andcutct, ist Pestalozzis Familie italienischer Herkunft. Die Vorfahren hatten zur Reform« tionszeit ihres evangelischen Glaubens wegen die florentinische Heiinath verlassen müssen nnd sich nach Zürich gewandt, wo unser Fohanp Heinrich als Sohn eines Arztes nm 12. Fauna,' 1746 das Licht der Welt erblickte. Die -Absicht, sich auf Vas geistliche Amt vorzubcreitcn, scheiterte nm Nützlingen ver ersten Predigt, weshalb sich Pestalozzi vem Studium der Rechte zuwandtc. Allein, va er ver Vamaligen Regierung zu „auf rührerisch" erschien unv im Staatsdienste keine Anstellung erhoffen durfte, beschloß er, es zunächst mit der Landwirth schäft zu versuchen. Fm heutige» Kanton Aargau erwarb er sich in der -Nähe von Lenzburg Grundbesitz, den er -Nelle» Hof nannte. Allein seine Hoffnung täuschte ihn oollftändig, so daß er nun den Plan faßte, sich der verwahrlosten Fugend anzunehmcn nnd das Gut zu einer LandwirthschaftSschule, verbunden mit Armcii-Erziehnngsanstall, mnzilgestalten. Fünf- zig Bettclkinder nahm er in sein Haus auf, Venen er Vater unv Mutter, Knecht und Magv, Kleiverflicker und Schuhmacher, Lehrer, Erzieher unv Seelsorger alle« in einer Person war! „Fch lebte", schreibt er selbst später, „mit ven armen Kindern wie ein Bettler, un, sie wie Menschen zu machen." Das Einzige, was Pestalozzi in aller seiner Bedrängniß aufrecht erhielt, war sein liebewarmes, mitfühlendes Herz. „Mitten im Hohngclächtcr der mich wegwerfenden Menschen", schreibt er daher >>. A.: „hörte der mächtige Strom meines Herzens nicht auf, einzig und allein »ach dein Ziele zu stieben, die Quelle des Elends zu verstopfen, in das ich das Volk um mich her versinken sah." Wir finden Pestalozzi später, der sich inzwischen verheiralhet hatte, nachdem er das Gut 'Neuen Hof hatte verpachten müssen, in verschiedene» ähnlichen Stell »ngcn. Zunächst ließ er sich in Stanz in Unterwalden nieder, wo er gerade genug für die armen Kinder zu thun fand. Denn die Franzosen hatten das Städtchen zerstört, die Ein wahner geplündert und de» ganzen Kanton verwüstet. Fni Ursulinerkloster errichtete er eine Waisennnstalt, in der er bald 8» vier bis zehnjährige Kinder uni sich versammelt hatte. Hier verrichtete er geradezu Wunderdinge. Die Kinder ge diehen nicht nur körperlich, sondern auch geistig, daß es eine Lust ivar. Kaum ein Fahr wirkte er hier, nm, von der Un gunst der Verhältnisse gedrängt, im Berner Obcrlande sich zur Kräftigung seiner schwer angegriffenen Gesundheit cinige Erholniig zu gönnen. „Fch vergesse diese Tage nicht," schrieb er später in dankbarer Erinnerung an diesen Aufenthalt aus dem Gurnigel, „so lange ich lebe, sie retteten mich. -Aber" fügte er gleich hinzu: „ich konnte nicht leben ohne mein Werk." So finden wir den wnndcrsamen Mann bald darauf in Burg darf bei Bern als Lehrer au der sog. „Lehrgottenschulc", wenn auch nur vorübergehend. Denn eollegialischcr Amtsneid ver bittertc ihm diese «tellung, und mau raunte sich's in die Ohren, er könne selbst nicht schreiben, nicht rechnen, ja nicht einmal recht lesen. „Es ist an dem Gasscngeredc nicht immcr alles unwahr", bemerkt hierzu Pestalozzi treuherzig, „ich konnte wirklich weder recht schreiben, noch lesen, noch rechnen." Er gab also wegen Brustbeschwerden sein Lehramt bald auf, um, unterstützt von der Regierung, die ihm das Schloß in Burg dorf zur Verfügung stellte, hier jene berühmte Erziehung« anstatt in s Leben zu rufen, die seinen -Namen in alle Welt trug. -Außer ihn, wirkten hier Pädagogen wie Grüsi, Tobler, Buß, -Niederer, Schmid, Ramsauer u. A. Fm Fahre 1804 mußte er das Schloß an die neue Berner Regierung abtreten, und er verlegte die Anstalt nach München Buchsee bei Hoswyl. Von hier begleiten wir den edlen Menschenfreund zur Höhe seines Ruhmes nach Ffertcn (Bvcrdun), wo er mit einigen ihm gebliebenen Lehrern und Zöglingen die vereinigte Erziehungsanstalt gründete, ein Knaben und Mädchcninstitut, zu dem Zöglinge aus allen europäischen, ja selbst aus außer europäischen Ländern ihm zuströmten, während die meisten Regierungen Fachleute hinschicktcn, die sich über Vie Lehrwcisc Pestalozzis unterrichten wollten. Leider war er den steigen den Fordel-ungen, welche die cmporblühende Anstalt an ihn stellte, weder körperlich, noch als Dirigent und Vorsteher gc wachsen: es kam zu Mißhclligkeitcn zwischen ihm unv den Mitarbeitern, so daß er die Anstalt „ach 13jährige,» Bestehen auflöscn mußte, um mit dem Erlöse in Clqndt bei Iscrtcn eine Armcnaustalt zu errichten, die nur wenige Fahre bestand. -Nun kehrte der tiefgebeugte achtzigjährige Greis nach -Neuen Hof zurück, wo er seine „Lcbensschicksale" und seinen „Schwanen gesang" schrieb. An der Gründung einer neuen Armcnschulc hinderte ihn der Tod, der nach kurzem Krankenlager ihn in Brugg, wohin man ihn gebracht hatte, damit er dem Arzte näher wäre, am l7. Februar 1827 ereilte. Kurz vor seinem Ende sprächet das schöne Wort: „Fch vergebe meinen Fein den; mögen sie den Frieden finden, da ich zum ewigen Frieden eingehc! Fch hätte gern noch einen Monat gelebt für meine letzten Arbeiten; aber ich danke auch wieder der Vorsehung, die mich von diesem Erbeuleben abruft. Und Fhr, die Meinigen, bleibt still für Euch und sucht Euer Glück im stillen, hau« lichen Kreise." Die irdische Hülle de« edlen Menschenfreundes ruht an der Seite des Schulhauses zu Birr unweit des Reuhofes.
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