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- Erscheinungsdatum
- 1900-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190008072
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19000807
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19000807
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1900
-
Monat
1900-08
- Tag 1900-08-07
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Monat
1900-08
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Jahr
1900
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Nachfolger für ihn da wäre." — 'Nach Mailänder Privatmeld- ungen soll BrcSci selbst zuaestandcn haben, daß er als Werkzeug einer Verschwörung gehandelt habe. Trotz der schon vorhandenen Beweise de« Gegenthcil« bestreitet er allerding«, Lanner zu kennen. Der Mörder soll gebeten haben, au« seinen Ketten befreit zu werden, er werde al«r>ann weniger zurückhaltend sein. ES fragt sich nur, ob man cS bei diesem Versprechen nicht mit einer Finte zu thun hat. — In Wien erregt die dort eingcgangcne Meldung begreifliche« Aufsehen, daß der Portier de« ersten Hotel« in Triest »Hotel de la Villa" al« Anarchist verhaftet worden sei. Der Verdacht gegen ihn wurde dadurch geweckt, daß zahlreiche anar chistische Flugblätter und Zeitungen au« Italien, England und Amerika unter einer Deckadresse einliefen, die alle für den Portier bestimmt waren. Die Polizei stellte fest, daß der Portier Mariano Janni, der au« der Romagna stammt, seit vielen Jahren Anar chist ist und unter den italienischen Anarchisten eine Hauptrolle spielt, und offenbar um in Triest sicher zu sein, die Pottierstelle eine« angesehenen Hotel« angenommen hat, wo zeitweilig auch Erzherzöge, Minister und hohe Militär« abstcigen. — China. Li-Hung-Tschang sagte dem französischen Kon sul, den Gesandten in Peking werde keine Botschaft au«gehändigt, weil die fremden Truppen auf Peking vormarschiren. Zwei sremdenfreundliche Mitglieder de« Tsung-li Uamen«, die auf Un terstützung der Gesandten drangen, wurden aus Befehl Li-Ping- Heng«, der jetzt die Truppen in Peking befehligt, enthauptet. Der erstgenannte Vizekönig hat auch die Befürchtung ausgespro chen, die Gesandten, die al« Geiseln zurllckbehalten werden, würden wahrscheinlich von den wüthenden Boxern ermordet werden, wenn die Fremden ihren Vormarsch auf Peking sortsetzen. Mit diesem Vormarsch soll c« allerdings laut Mil- ihcilungcn englischer Berichterstatter spottschlecht bestellt sein. Amerikaner und Japaner hätten allein Rckogno«;irung«märsche gemacht, weil die Engländer mit ihren Vorbereitungen noch nicht fertig waren und die nächsten acht Tage noch nicht fertig wür den. — Bi« zur Stunde liegt überhaupt noch keinerlei beglaubigte Nachricht vor, die den Beginn de» Marsche« bestätigt. Im Norden China«, im Amurgebiet, wo ein regulärer Krieg zwischen den Russen und Chinesen entbrannt ist, sind die ersteren dauernd im Vortheil. In einer Schlacht bei Sansin am 28. Juli erbeuteten die Russen 22 Geschütze. — Vom südafrikanischenKrieg«schauplatz. Dem »Rcuterschen Bureau" wird au» Fouricsburg gemeldet: Im Lager Hunter« befinden sich 2500 Buren, in dem Hamiltons 1500 Buren mit neun Geschützen. Ursprünglich waren in dem Lager 5000 Buren. Diejenigen von ihnen, welche entkommen sind, haben jetzt durch Abgesandte nach den Bedingungen gefragt, unter welchen sie sich ergeben könnten. In den Lagern sind große Massen von Vieh. Die Wege sind aus eine Strecke von 20 Meilen durch Wagen gesperrt. Locale und sächsische Nachrichten. — Dresden, 2. August. Ein Mitglied der Generaldirel- tion der königlich sächsischen StaatSeisenbahnen hat, wie man schreibt, kürzlich eine Erfindung gemacht, durch welche der Rauch der Lokomotiven nahezu vollständig in Wegfall kommen kann. Selbst bei stärkster Beschickung, während der Fahrt und auch bei Stillstand der Lokomotiven, bemerke man wenig oder gar nicht« vom Rauch. Diese Neuerung ist bereit« in Chemnitz bei vier Maschinen versuchsweise angebracht, und besonder« die Lokomotiv führer sind außerordentlich zufrieden mit dieser neuen Rauch- verbrennungS-Einrichtung, da sie bekanntlich Strasc zahlen müssen, wenn sie mit zu viel Dampf in die Station einfahren. Mit der Beseitigung der Rauchbelästigung findet aber auch eine wesentliche Ersparniß an Heizmaterial statt, welcher Umstand namentlich infolge der herrschenden Kohlennolh von besonderer Wichtigkeit ist. Eine Lokomotive, die mit der neuen Einrichtung au-gestattet ist, spart bei großer Ausnutzung und unter den schlechtesten Terrainvcrhältnissen pro Monat an 13,000 Kilo Kohlen, so daß die königlich sächsische Staatsbahn pro Jahr 4,000,000 Mk. Ersparniß haben dürste, sobald die Rauchverbrenn- ungS-Einrichtung auf allen sächsischen Lokomotiven eingcführt ist. Die Einrichtung kostet pro Lokomotive noch keine 100 Mk., und da die sächsische StaaiSbahnvcrwaliung rund 1500 Lokomotiven besitzt, so stände den einmaligen Anschafsung-kosten von 150,000 Mk. eine jährliche Ersparniß von 4 Millionen Mk. gegenüber. Selbstverständlich kann diese Vorrichtung auch bei jeder stationä ren Dampskessclanlagc angebracht werden. Bei der jetzigen Kohlenkrisis ist diese Neuerung selbstverständlich von ganz immen sem Werthe. — Leipzig, 3. August. Al« ein großer Menschenfreund kennzeichnet sich der Besitzer einer größeren Fabrik in Leipzig. Er schickt seine ganze Arbeiterschaft, inSgesammt über 100, in Abtheilungen aus je 14 Tage in den Luftkurort Finsterbergen i. Thür., wo sie die ganze Zeit in einem Gasthof volle Pension genießen. — OelSnitz. Glück im Unglück hatte am Donnerstag Nachmittag der auf dem hiesigen Bahnhofe beschäftigte Arbeiter Albin Renz. Er wurde von einem rangircnden Wagen zu Boden geworfen, kam aber so günstig zwischen die Schienen zu liegen, daß der Wagen über ihn hinwegrollte, so daß er sich nach dem Unfälle zu erheben vermochte. Ein zufällig anwesender Arzt stellte fest, daß Renz nur eine ungefährliche Quetschung am Hinterkopfe und leichte Verletzung der rechten Hand erlitten hatte. — Markneukirchen. Eine eigenthümliche Beobachtung wurde am Sonntag voriger Wcchc hier an dem Wasser unserer Wasserleitung gemacht, indem e« einer sehr dünnen Kalkmilch glich, ähnlich, al« ob e« mit doppelt kohlensaurem 'Natron versetzt sei. Dabei zeigte c« bei Entnahme au« der Leitung ein schwache» Brausen und, zum Trinken an die Lippen gebracht, ein gelinde« Prikeln. Nach wenigen Sikunden klärte sich da« Wasser von unten nach oben, ohne auch nur den geringsten Rückstand zurück- zulasscn. Im Geschmack zeigte c« durchaus keine Veränderung, und der Genuß war von keinerlei besonderen Folgen begleitet. Ob die eigenthümliche Erscheinung, die sich erst am Montag wieder verloren hatte, mit den Erdstößen der letzten Tage zu sammenhängt, wie man hier allgemein glaubt, dürfte schwer nach- zuweiscn sein. — Zur Frage der Deckung de« Kohlenbedarf« der sächsischen StaatSeisenbahnen äußert sich jetzt auch da« .DreSd. Journal", indem e« schreibt: »Bon verschiedenen Seiten sind Besorgnisse in der Richtung laut geworden, daß die sächsische StaatSeisenbahn-Verwaltung ihren Bedarf an Kohlen nicht zu decken vermocht habe und durch nachträgliche Anschaffung insbe sondere von Lokomotivkohlen zu erhöhtem Preise die herrschende Kohlenknappheit in nächster Zeit noch mehr verschärfen werde. Demgegenüber geht un« von unterrichteter Seite die Mittheilung zu, daß die Staatseisenbahnverwaltung durch die abgeschlossenen Lieferung«vcrträge sich die nöthigen Kohlen bi» Mitte nächsten Jahre« gesichert hat und daß, normale Betrieb-Verhältnisse vor ausgesetzt, irgend welche Nachbestellungen, die auf den Kohlen- prci» einzuwirkcn geeignet wären, seilen« der StaalScisenbahn- Verwailung um so weniger zu erwarten stehen, at« c« derselben voraussichtlich gelingen wird, durch zweckmäßige Ersparniß-Maß- nahmen ihren Kohlcnverbrauch in etwa« einzuschränken." — Das Königl. Finanzministerium hat gegerüber dem un günstigen Rechnungsabschluß über den Betrieb der sächsischen StaatSeisenbahnen auf da« Jahr 1899 Veranlassung neh men müssen, in der ernstesten Weise darauf hinzuweiscn, daß zur Wahrung de« Gleichgewicht« im Staatshaushalte mit allen Mit teln auf Hebung der Ueberschüsse der StaatSbahnen hingcwirkt werde. Da« Finanzministerium ist der Ansicht, daß da» An schwellen der Ausgaben nicht nur mit der Steigerung de« Ver kehr«, der Erhöhung der Materialpreise und Löhne, Anlage un rentabler Linien usw. zusammenhängt, sondern daß von Seiten der einzelnen Eisenbahndienststellen die im Interesse der Staats finanzen erforderliche Sparsamkeit außer Acht gelassen wird. Au« zahlreichen Wahrnehmungen soll die Uebcrzeugung gewonnen worden sein, al« gestatteten die Betrubsverhältnisse die Befrie digung aller, auch der weitgehendsten Wünsche und zwar die de« Publikums und die de« Personal«. Da« Finanzministerium er wartet, daß zur größten Sparsamkeit zurückgekehrt wird, und auch in seinen eigenen Ansprüchen soll sich da« Personal unbedingt eine größere Selbstbeschränkung aufcrlcgen, so beispielsweise bei Ausstattung der Diensträume, Einrichtung fiskalischer Wohnungen usw. Die Königl. Gencraldirection der sächsischen Staatreisen bahnen will sich aus Grund dieser oberbehördlichen Verwarnung Vorbehalten, Zwecks Einhaltung größerer Sparsamkeit besondere Maßnahmen zu verfügen. — 'Nachträglich wird noch über einen kurzen Aufenthalt unserer nach China beorderten sächsischen Truppen auf der Fahrt von Zeithain nach Bremerhaven in Wittenberg von dort folgendes geschrieben: »Am Montag Abend ist oa« 1. Bataillon de« 2. Ostasiatischen Infanterie Regiment« — 822 Mann mit 40 Offizieren — unter Führung de« Herrn Major« v. Schönberg in Wittenberg durchgekommen und bewirthci worden. Zu dem Empfang waren die umfassendsten Vorbereitungen ge troffen worden. 42 lange Tafeln mit je zwei Banken waren auf dem Falkenberger Bahnsteig bi« hinaus vor dem Garten und zum Thcil auch noch auf dem Berliner Bahnsteig ausgestellt. Und auf den Tafeln war für die 822 Mann mit erstaunlicher Geschwindigkeit je ein Napf mit grünen Bohnen mit einem großen Stück Rindfleisch, ein Gla« Bier und eine Düte mit Cigarren aufgetragcn, während im Wartesaal 2. Klasse für die Offiziere gereckt war, auf dem Vorbahnsteig der Falkenbcrgcr Seite waren außerdem noch Schankstättcn zum beliebigen Gebrauch für die Mannschaften ausgestellt, zu denen, wie für die Tafeln, die Des sauer Brauerei Waldschlößchen 9'/, Tonnen Bier gespendet hatte. Jeder irgend freigelassene Raum auf den Bahnsteigen war von zugelassenen Gästen beietzt und vor dem EmpfangSgcbäudc drängten sich Tausende von Menschen, um die Freiwilligen zu sehen und zu begrüßen. Die Offiziere unserer Garnison waren wohl voll zählig erschienen, die Stadt war offiziell durch Ersten Bürger meister »Ur. Schirmer und durch Stadtverordneten - Vorsteher Gröting, und die Bürgerschaft selbst war durch Tausende ihrer männlichen und weiblichen Mitglieder vertreten. Etwa 10 Min. nach 6 Uhr rollte der lange, mit Grün geschmückte Zug — 34 Wagen init 78 Achsen — unter dem Hurrah der Insassen und dem Hurrah der Wartenden und unter den Klängen der Preußen hymne in den Bahnhof hinein und entleerte auf da» Signal „Langsam vorgehen" seinen Inhalt, die lebendige Menschenfluth, die sofort, zum Theil mit fröhlichem Gesang, an den Tafeln Platz nahm. Ein rührende« Bild bot hierbei ein alte« Mütter chen, Frau Hecht au« Raguhn, die mit sicherem, wenn auch feuchtem Auge „ihren Jungen" au« dem Bataillon herauSgesunden hatte und an seinem Arm den Bahnsteig entlang schritt. Sic wurde vom Kommando zu Tisch geladen und durfte, al» einzige Frau in 84 Reihen der Soldaten, neben ihrem scheidenden Sohne sitzen. — Mit dem Mittagsbrot war da« Bataillon bald fertig, aber nur wenige haben, so gut e« ihnen allen geschmeckt, die großen Portionen bezwungen. Und dann ging c« an ein Post- kartcnschreiben, die von dem Hilfskomitee reichlich und frankirt vertheilt wurden. Die Offiziere de« Bataillon« nahmen ihr Mahl an einer langen Tafel im Warlesaal 2. Klasse mit dem Osfizierkorps der Wittenberger Garnison ein. — Gegen 7 Uhr fuhr da« Bataillon wieder ab." — Da« Reich«postamt Hal neuerdings folgende Verfügung erlassen: Den Postanstalten wird erneut zur Pflicht gemacht, mit Nachdruck earaus zu halten, daß die Unterbeamtcn mit den Packeten behutsam umgehen, dieselben insbesondere nicht Wersen, gegeneinandersloßen oder zu Boden fallen lassen, sondern von Hand zu Hand geben und vorsichtig »überlegen. JmEisenbahn- postbctriebe ist zur Abkürzung der Ucbcrgabe in möglichstem Um fange von Packetkörbcn oder Packetsäcken Gebrauch zu machen, damit auch bei kurzem Aufenthalte der Eisenbahnzüge genügende Zeit bleibt, um die Packele ordnungsgemäß au«- und einladen zu können. Bon den Vorstehern der Postanstalten und Bahn postämter wird erwartet, daß sie durch persönliche Einwirkung und dauernde Aussicht für eine schonende Behandlung der Packele sorgen. Vor hundert Jahren. 7. August. Papier» oth 1800. Um volle 40°/„ war im Jahre 1800 der Pa- picrpreis in England gestiegen. Die Folge war, daß alle Journale und periodischen Zeitschriften seil dem Anfänge de« Jahre« theucrer wurden in der Herstellung; die vornehmen Londoner Buchhändler aber faßten den Be schluß, nicht mehr große und loftbare Werte von mehreren Bänden zu drucken, bi« die Papierpreise wieder „herabgebracht" wären. Wer also nicht durch Subscription gedeckt ist oder durch Unterstützung der Ostindischen Kompagnie, der Admiralität oder gelehrter Gesellschaften, der muß darauf verzichten, gedruckt zu werden. Allerdings ist es nicht schwer, Subskribenten zu erhalten; der Philologe Wakefield hat, obwohl er im Gesängniß sitzt, in wenigen Wocken 2000 Abonnenten ä 2 Quiueen (40 Mk.i auf sein grie- chisch-englischeS Wörterbuch, ein mäßiger Quartband, erhalten. 8. August. Leibeigenschaft 1800. Jene mittelalterliche Leibeigenschaft, welche einen großen Theil des Volke« zu völlig Unfreien, ganz und gar von dem Willen des Gutsherrn Abhängigen machte, bestand im Jahre 1800 in deut- schen Landen überhaupt nicht mehr; abgesehen von der französischen Revo lutionswelle, welche so manches Stück Mittelalter hinwegschwemmte, hatten schon die Verordnungen Kaiser Joseph II. und das preußische Landrecht die Leibeigenschaft aufgehoben, ohne daß jedoch von durchgreifenden Aenderungen die Rede sein konnte. Ferner muß man bedenken, daß Deutschland 1800 neben seinen Großstaaten eine Unzahl kleiner und kleinster Territorien aus wies. deren Herren so regierten, wie sie es gerade für gut befanden. Um nun sestzustcllen, in welcher Form noch die Leibeigenschaft jeweilig bestand, müßte man eine lange Liste der Staaten und Staatchen mit ihren Eigen- thümlichkeiten ausführen; es genüge, im Allgemeinen einen Ueberblick zu geben von der Art und Weise der Leibeigenschaft, wie sie in ihrer guten, d. h. weniger harten Zeit bestand. Di« Leibeigenen, Hörigen, gehörten zum Besitze ihres Herrn, waren jedoch nicht mehr eine Sache, mit der der Guts- Herr schallen und wallen konnte nach Belieben, sondern sie waren die Hintersassen des Herrn. Das Abhängigkeitsverhältmß kam zum Ausdruck durch zahlreiche Abgaben und Frohndienste. Der Gutsherr erbt« «inen Theil des EigenthumS des Hörigen; Frauenspersonen muhten bei ihrer Verheiralh- ung eine Abgabe entrichten (Schürzenzins, Busengeld) und der Hörige be durfte zur Verheiratung der Erlaubnis des Gutsherrn. Zehnten, Gülten, Grundzinsen waren zu entrichten, Herdgelder, Gartenhühner, Rauchhühner. Ostereier, Pfingstlämmer, MartinSgänse, Fastnachtshühner, Zinskorn, Wachs- zins, Honigzins, das waren die Tribute, die sich der Stärkere dem Schwächeren gegenüber anmaßte. Dazu kamen die persönlichen Dienstleistungen und wennschon das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhundert« gar manche» gemildert hatte, so war immerhin noch genug vorhanden, daß das Loos der Leideigenen als ein recht hartes erscheinen ließ. Erst vom Jahre 1808 datirt die ener gische Beseitigung dieses Stückes Mittelalter und die letzten Reste desselben wurde» gar erst 1882 in der sächsischen Oberlausitz getilgt. Die Hragödie von Wonza. Von vr. I. Paul Köhler. König Humbert, der Freund unsere« verstorbenen Kaiser« Friedrich und der Vertraute und Bunde«genoffe unser« Kaiser« Wilhelm II., ist durch drei wohlgezielte Schüsse au« Bubenhand bei einer Volksfestlichkeit, al» er gerade im Begriffe war, die Preise für Weltturnen zu vertheilcn, erschossen worden. So lautete der offizielle Zeitungsbericht, der kürzlich in den entfern testen Landstrichen Entsetzen und Aufregung urplötzlich verbreitete. König Humbert wurde am 14. März 1844 geboren, und nahm, ein begeisterter Anhänger der italienischen Einheitsidee, Persönlich Antheil an den nationalen Befreiungskriegen. Seiner persönlichen Liebenswürdigkeit und seinem stet« ritterlichen Auf treten war es auch in erster Linie zu danken, daß der junge Prinz gelegentlich eine» Besuche« am Berliner Hofe im Jahre 1872 zum ersten Male freundschaftliche Beziehungen zwischen dem deutschen Reich und dem jungen italienischen Königreiche anbahnte. Am 9. Januar 1878 bestieg dann der Verstorbene den italienischen Königsthron. Seine ganze Regierung, sein per sönliche« Auftreten zu allen Zeiten und in allen Situationen hat stet» seinem Volk einen Mann, einen Menschen und einen Herrscher gezeigt, wie er größer und edler wohl kaum gedacht werden kann. Auch da» eheliche Leben König Humbert«, an der Seite seiner treuliebenden Gattin Margherita, der Tochter de« Prinzen Ferdinand von Genua und der Prinzessin Elisabeth von Sachsen, gab dem italienischen Volke stet« da« glänzendste Vorbild eine« schönen, harmonischen und nachahmung-würdigen Eheleben». Der Sohn diese« königlichen Ehepaare«, der nunmehrige König Viktor Emanuel III., der gegenwäriig im 31. Lebensjahre steht, soll seinem Vater in allen guten Charaktereigenschaften ähnlich sein und wird einstimmig von der italienischen nationalen Presse al« ein Muster von Mannhaftigkeit und Energie in jeder Weise geschildert. Au« dem Leben de« jetzigen Herrschers ist folgende« zu er zählen. Da« savoyische HauSgesetz bestimmt, daß immer die Mitglieder der Regierung bei der Geburt de« Thronerben an wesend sein müssen. Viktor Emanuel III. wurde nun in Neapel geboren, wo auch sämmtliche Regierungs-Mitglieder anwesend waren. Vertreter aller Stände, selbst Schiffcrjungen, wohnten der Taufe bei. Die Stadt Neapel schenkte dem jungen Prinzen eine Wiege, ein Kunstwerk au« Gold und Perlmutter. Die Be liebtheit de« Prinzen im Volke wird am besten dadurch illustrirt, daß man ihn heute noch, trotz seiner Verheiratung und seiner einunddreißig Jahre, Prinzipino nennt. Möge ihm diese VolkSbeliebthcit lange bewahrt bleiben! — Wenn da« sonnige Italien un« auch ein befreundete«, lieb gewordene« Land ist, an dessen Seite wir heute, seinen besten Söhnen gleich, stehen und trauern; so läßt e« sich doch unmög lich verschweigen, daß die sozialen Verhältnisse der appeninischen Halbinsel im Laufe der letzten Jahre derartige geworden sind, daß man ihnen wenigsten« zum Theil die Schuld daran zuschie ben muß, daß sie die Brutherde anarchistischer und propagan distischer Pestvcrhältnisse geworden sind, deren Beseitigung der junge Herrscher, schon im eigensten Interesse, al« seine erste Pflicht ansehen muß. Diese neue SchreckenSthat wird aber wenigsten« wieder einmal laut an die Thürcn aller europäischen Völker pochen und deren Hüter und Schirmer wachrütteln, daß sie Obacht geben und Abwehr schaffen gegenüber den Mordbuben, die im Gehei men schleichend, vor nicht« in der Welt, selbst nicht mehr vor dem Gekrönten und Heiligen zurückschrecken. Während so ein ganze« Volk an der Bahre eine« meuch lings Gemordeten trauert, muß die übrige zivilisirte Menschheit entschieden der Frage auf den Grunv gehen, woher derartige teuflische Erscheinungen kommen. Hierfür aber ist c« interessant, sich Italien einmal aus sein Banditenlebcn hin anzusehen. Da« ausgeprägte Banditenlcben Italien«, da« sich bi« in die unmittelbare Nähe selbst der größten Städte heranwagt, ist sprichwörtlich geworden. Diese italienischen Banditen sino ge wissermaßen da- Urbild jener lichtscheuen Vereinigungen, die in so erschreckender Zahl unser modernes GesellschaftSlebcn über wuchern. Sie bilden zunftmäßige Vereinigungen mit bestimmten Gesetzen und machen sich besonder» in den Zeiten bemerkbar, in denen die Staatsgewalt schwach ist. Um sich vor ihnen zu schützen, schließen oft kleinere Gemeinden Verträge mit ihnen ab, die auch gegen ein steuerarlige« Entgelt cingehalten werden. Eine Verquickung mit den anarchistischen Bestrebungen ließ aber gerade in den letzten Jahren trotz aller Wachsamkeit der italie nischen Behörden, eine feindliche Stellungnahme gegen die neuen Regierungsformen immer stärker an den Tag treten. Diese Art der .Banditen", die in ihren politischen Zirkeln Leute aller Stände und Gesellschaftsklassen umfaßt, ist entschieden die am meisten zu fürchtende, denn sie gebiert die Mordbuben, die sich durch nicht« zurückschrecken lassen. Einer dieser vielen Banditengcheimbunde ist z. B. der, der unter dem Namen »Maffia" in Sizilien sein Unwesen treibt und kürzlich erst einen großen politischen Prozeß gezeitigt hat. Der Gcheimbund der Masfia ist auf die coinpugni ä'urmi Garibaldi« zurückzuführen, deren Mitglieder trotz der Auflösung ein weitere« treue« Zusammenhalten beschlossen und al« giovuni si'onore e« sich zur Aufgabe machten, durch ihre wslunänni Abhilfe gegen alle Bedrückungen usw. zu schaffen. Wie bei der heiligen Behme war auch bei dieser Brüderschaft Rache da« lei tende Motiv zu allen Gewaltthaten, eine Bestimmung, die jetzt allerding» ihre Abänderung dahin erfahren hat, daß man c« mit Raub, Mord und Todtschlag nicht mehr so genau, wie früher nimmt. Interessant sind auf der andern Seite wieder die Aus nahmebestimmungen in diese Brüderschaft, die im Allgemeinen eigentlich ziemlich geheim gehalten werben, von denen aber dennoch so viel an die Oeffenllichkett durchgesickert ist, daß man weiß, daß alle Novizen, um eine Probe von ihrer Beherztheit abzugeben, einen Messerkamps bestehen müssen. Diese .Probe" schon ist im Stande, ein nicht banditenmäßig gerichtete« Herz zum Schaudern zu bringen über soviel unmenschliche Rohheit und Bestialität. Doch wir dürfen un« mit diesem einen Bunde nicht allzu lange aufhalten und auch noch einige andere erwähnen. Aus da« engste verwandt mit dem Gcheimbund der Masfia, ist die in Neapel heimische Brüderschaft Camorra. Während jedoch die Erstere wenigsten« ursprünglich einen Halbweg« ehren- werthcn Charakter hatte, läuft die Letztere ganz au«schließlich aus
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