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- Erscheinungsdatum
- 1900-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190003222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19000322
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19000322
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-22
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Monat
1900-03
-
Jahr
1900
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ter russisch-türkischen Verhandlungen darüber nahe bevor. Wel cher Auswand von Druckmitteln aus russischer Seile stattglsundcn hat, geht au» einer Konstantinopeler Meldung der .Frks. Zig." vom >7. d. hervor, laut welcher am 2. März von Petersburg die Probemobilisation der gesammlen russischen Schwar zen Meer-Flotte anbesohlen wurde. Am 12. März konnte der Kommandirende der Schwarzen Meer-Flotte die Durchführ ung dieser Mobilisation melden. Die Approvisionirung, sowie die Armirung der sich in Reserve befindenden Kriegsschiffe ging prompt von Statten, wogegen die Stellung der einberusenen ca. 8000 Reserve Marinisten au« den südlichen Provinzen weniger flott klappte. Den Zeitungen wurde verboten, über die Mobili sation etwa« zu publiziren. Die gesammte Flotte manövrirr nächst Sebastopol. Der Oberkommandirende ließ dem Kommandirenden der Flotte die hohe Anerkennung de» Zaren für die brillante AuSsührung der Probemobilmachung telegraphisch übermitteln. Weiler heißt e», e» sei unbestimmt, ob bald eine Demobilisation eintrilt oder die Mobilisation für die Verfolgung politischer Pläne ausrecht bleibt. Die Annahme, daß außer einem wirklichen Ma növer mit der Mobilisation der Türkei ein deutliches Memento gegeben werde, liegt sehr nahe. Vielleicht liegt hierin der Grund für die Beschleunigung der Bewilligung der russischen Eisenbahn- Forderungen. Die Mobilisation beunruhigt in Konstantinopel umsomehr, als der englische Botschafter Mangels jedweder In struktion keinen Finger rührt, um den russischen Ansprüchen zu begegnen. — Asien. Der englische Oberbefehlshaber in Indien, General Lockhart, ist in der Nacht zum Montag gestorben. — Vom südafrikanischen Kriegsschauplatz. Trotz dem die englischen Zeitungen keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um die angebliche KampseSmlldigkcit der Buren zu beweisen, mehren sich die Anzeichen dasür, daß sie ihren Muth noch nicht im geringsten verloren haben. Sie legen längs der BiggerSberge neue Verschanzungen an und belhätigen dadurch die Absicht, ihre Stellungen in Natal entschieden zu behaupten und bei Kronstadt steht General Joubert mit einer großen Streitmacht, um dem Generalfeldmarschall Roberts einen würdigen Empfang zu bereiten. Ein bewafsnetes Frauenkorps in Stärke von 2000 Köpfen hat sich in Prätoria gebildet. Die Ueberführung der gefangenen Truppen CronjeS nach St. Helena ist aufgeschoben worden, weil 70 Mann erkrankt sind. Unter den gefangenen Mannschaften sind viele Fälle von Infektionskrankheiten vorgekommen, doch hoffen die Behörde», daß die Fälle vereinzelt bleiben werden. Die Verluste der Buren seit Beginn de« Kriege« sind amtlicherseilS wie folgt veranschlagt: Toole 672, Verwundete 2129, durch Unfall Getödtete 24, durch Unfall Verwundete 171, an Krankheiten gestorben 99, sonstige Kranken 1051, zusammen 4351. Die gesammlen Abgänge de« Burenheeres beziffern sich mit Ein schluß der Gefangenen vom Paardeberg und der Kapitulanten an der Südgrenze auf über 10,000 Mann. Unter den Waffen stehen jetzt nicht mehr als höchstens 30,000 bis 35,000 Mann. Der Telegraph berichtet heute Folgende«: Blumfontein, 19. März. In der vergangenen Nacht haben Buren die Eisenbahnbrücke über den Modderfluß, etwa 14 Meilen nördlich von hier, zwischen Blumfontein und Brandfort in die Lust gesprengt. Brüssel, 20. März. Der Jndöpendance beige" wird au» London von heute gemeldet, daß Lord Kitchcncr an der Spitze einer starken HeereSabtheilung auf Mafcking marschire. Nachdem Maseking entsetzt, soll Kitchcner, wie weiter gemeldet wird, direkt aus Prätoria vorrücken, während Lord Robert sich gegen die am Vaalfluß zusammengezogenen Burentruppen wenden wird. London, 20. März. Die Abendblätter melden au» Kap stadt, daß Kitchencr, ohne Widerstand zu finden, in PricSka ein zog. Die Ausständigen legen die Waffen nieder. London, 20. März. Wie da« .Reuterschc Bureau" er fährt, wird unter dem Befehle de« Generals Harrington, der am Sonnabend nach Südafrika abgercist ist, eine Streitmacht von 5000 Mann gebildet werden zu dem Zweck, einen Angriff auf Rhodesia oder einen etwaigen Trek der Buren nach Norden zu verhindern. Diese Truppe wird in der Hauptsache au« Kolonial kontingents zusammengesetzt werden, die zum Theil bereit» in Südafrika sind, zum Theil sich auf dem Wege dorthin befinden. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 21. März. Gestern Nachmittag ist von unscrm Landtagsabgeordneten Herrn Bochmann nachstehende«, von un« bereit» durch Extrablatt veröffentlichte« Telegramm beim hiesigen Stadtrath eingegangen: Bahnbau zweite Kammer einstimmig genehmigt. Bochmann, Abgeordneter. Dres den, den 20. März 1900. — Daß diese Nachricht allerseits mit größter Freude ausgenommen wurde, ist selbstverständlich, bedeutet sie doch die Erfüllung langjähriger Wünsche feiten» unserer Be völkerung. Jedenfalls wird nun auch die erste Kammer ein un» günstige» Votum abgcben, sodaß mit der Ausführung de« Baue» recht bald begonnen werden kann. — Eibenstock. Wie aus dem Anzeigcntheil vorliegender Nummer ersichtlich, gicbt Koppe » Marionettentheater vom Donnerstag Abend ab im .Deutschen Hause" wieder eine Reihe von Vorstellungen. Dasselbe erfreute sich früher immer eine» guten Besuche» und dürfte e» diesmal wohl auch wieder der Fall sein. — Schönheide, 18. März. Die Fabrikarbeiterin Schäd lich hier, oberer OrtSthcil, goß heute Vormittag beim Feueran zünden Petroleum in den Ofen. Die Flasche explodirte und der Inhalt ergoß sich auf die Betreffende. Im Nu stand diese in Flammen und erlitt erhebliche Brandwunden im Gesicht, am Hal» und an den Händen. Die BcdauernSwerche liegt schwer krank darnieder. — Leipzig, 19. März. Ein für unsere Gegend und auch in Anbetracht der herrschenden Temperatur seltsame» Schauspiel vollzog sich am Sonnabend Nachmittag an der Parthe. Ein Baptistenpredtger taufte vier erwachsene Personen, einen Mann und drei Frauen, die, wie er der Ritus verlangte, nicht nur einige Zeit im Wasser verweilten, sondern auch uittergctaucht wurden. — Bautzen, 17. März. Der hiesige Stadtrath erläßt folgende bemerkcnSwerthe Bekanntmachung: »ES ist die Wahr nehmung gemacht worden, daß manche der »euerbauten bezw. umgebauten Häuser in unserem Stadtgebiet dem eigenartigen Städtebild und dem Charakter der Landschaft wenig entsprechen und an bedauerlicher Einförmigkeit leiden, während e» nach den anderwärts gemachten Beobachtungen und Erfahrungen möglich ist, daß bei gleichem Kostenaufwande ein geschmackvolle«, der Um gebung angepaßlc« Hau« hergcstellt werden kann. Um diesem Uebelstande abzuhelfen und den Interessenten (Bauherren wie Bauaursührenben), soweit erforderlich, diesbezügliche Anregungen zu geben, haben wir eine Sammlung von zum großen Theilc preisgekrönten Entwürfen deutscher Architekten für kleinere und mittlere Familicnwohnhäuser angekaust. Diese Entwürfe liegen zur Einsicht und Benutzung sür alle hiesigen Einwohner aus dem Stadtbauamle, welche« auch auf Wunsch mit Rath zur Seite stehen wird, während der Gejchäsl-stunden au«." — Löbtau, 18. März. E« dürste Manchem unglaubhaft er scheinen, daß ein Mensch 17 Jahie lang ununterbrochen schläft und doch soll, wie da« Mceraner Tageblatt versichert, dieser un glückliche Mann, ein sächsischer Effenbahnschaffncr, lhalsächlich vorhanden sein. E« handele sich um einem im Dezember 1882 durch Zerreißung de« Zuge« abzcftürzten Schaffner, der wegen Weichtheilkopsverletzungcn u. Körpercontusionen zuerst im Kranken hause Freiberg untergebracht war und seit Januar 1883 in seiner Wohnung in Löbtau ärztlich behandelt wurde. Nachdem die Wunden völlig geheilt gewesen, sei im März 1883, drei Monate nach der Verletzung, ein schlasähnlicher Zustand eingetreten, der bi« heute, also 17 Jahre lang ununterbrochen angehalten habe. Seit dieser ganzen Zeit habe der Verletzte kein Wort gesprochen, keinen Schritt gethan; er liege wie ein lebendig Todler im Bette. Nur immerwährende« Augenzittern und Bewegung in der Ge- sichl«mu«kulatur sowie steter unwillkürlicher Harnabgang bestätigen, daß noch Leben in dem Manne sei. Da« Schlucken flüssiger Nahrungsmittel erfolge, sobald der Löffel die Zunge berührt. Jahrelang wäre der Verletzte zum Skelett abgemagert und hätte sich infolge durchgelegen, während er sich gegenwärtig in genügen dem Kräftezustand und in guter Hautbeschaffenheit befinde. Alle Diagnosen, die c« giebt, seien von Bahnärztcn, Nervenärzten, Chirurgen :c. bereit« gestellt und wieder verworfen worden. — Falken sie in, 20. März. Die am 9. Septbr. v. I. in einer hiesigen Schifschenstickerei verunglückte 16 Jahre alte Rosa Müller, welche vollständig skalpirt wurde, ist vom Königl. Krankenstist Zwickau al« geheilt entlassen und am Sonntag in ihrem Elternhausc eingetroffen. Dem jungen Mädchen ist durch Entnahme von Haut au» dem Oberarm eine neue Kopfhaut ge schaffen worden, welche zwar keine Haare trägt, welche die Ver unstaltung aber ziemlich unsichtbar macht. Außerdem hat da« Mädchen eine kunstvolle Perücke erhalten, welche den natürlichen Hauptschmuck tadellos ersetzt. — Rodewisch, 18. März. Gestern Abend 12 Uhr brannte der hier mit Holz angefüüte, neucrbaute Schuppen de« Hausbesitzer« G. Hummel. Da« Feuer konnte auf seinen Herd beschränkt werden Man vermuthet böswillige Brandstiftung. — Crimmitschau, 19. März. Eine - unangenehme Er fahrung hat ein 25 Jahre alter Maurer au» Zwötzen bei Crim mitschau gemacht. Er war seinerzeit auf Verlangen seiner Mut ter vom Militärdienst befreit worden, weil er der einzige Er nährer seiner Mutter sei. Kurze Zeit danach heirathete der Mann und seit geraumer Zeit kümmert er sich überhaupt nicht mehr um die Unterstützung seiner Mutter. Infolge dessen wurde der Mann zur Rekrut irungSstammrolle geladen, seines bisherigen Rechte» verlustig erklärt und zur sofortigen Einstellung zum Mili tär ausgehoben. — Bärenstein, 19. März. In Oberbärenstein, früher Stahlberg, kehrte am Freitag Nachmittag große« Unglück in der Familie der Schieferdecker« Klau« ein. Durch vom Dache fall enden Schnee wurden ein 4- und ein 5 jährige« Mädchen ver schüttet. Vom 5 jährigen Kinde erblickte man noch die Beine. Man grub c« schnell au« und brachte e« zuni Leben zurück. Da« jüngere Mädchen glaubten die Eltern bei der Großmutter zu fin den. Als e« dort nicht war, grub man an der VerschüttungS- stelle weiter nach und man fand e» mit gebrochenem Rückgrat todt unter dem Schnee. Bor hundert Jahre«. SS. März. Aberglauben vor 100 Jahren. Bei dem Dorfe Lubotin in West Preußen und an anderen Orten wurde im See, der der Fischerei wegen auf gehackt wurde, das Eis auf eine gewisse Dicke roth, blau und grün marmo- rirt gesund»". Dieses Ereigniß erregte großes Aufsehen. Der Aberglaube erklärte die rothen Flecken für einen Blutregen, der ein Strafgericht ankün dige; andere suchten die Erscheinung wissenschaftlich dadurch zu erklären, daß bei den letzten Erderschütterungen in Böhmen und Schlesien ein Erz gang gesprengt sei, der dem Wasser die Kupferfarbe gebe. Zur Beruhigung der Menge, die bereits ängstlich wurde, wies Ober Medizinalrath Klaproth nach, daß die Wasserfärbung, die übrigens bereits vielfach vorgekommen sei, (kllra pruuitormis) gehe nach Bollendung ihres vegetabilischen Lebens in eine gelatinöse aufgtguollene Substanz über und schwimme vor ihrer gänz lichen Auflösung noch eine Zeit lang rm Wasser. 23. März. Der Krieg beginnt. Das geht am besten aus den damaligen Zeitungsnachrichten hervor. Aus Mannheim wird von einer Plänkelei zwi schen Franzosen und den Kaiserlichen Vorposten berichtet und aus Freiburg in Baden meldet man vom selben Tage: Allmählig fängt man an, bei uns unruhig zu werden, die Landmilizbataillone müssen sich täglich bereit halten, auf ihre Sammelplätze zu marschiren. Bei Freiburg und weiter herum wer den neue Schanzen angelegt. Vor einigen Tagen habe,» die Franzosen am Hellen Mittag vierzehn unbewaffnete Bauern von Saßach, welche in dem Walde auf den nahe gelegenen Rhein-Inseln Holz machten, ergriffen und fortgeführt. Sechs sind wieder entlassen worden, die übrigen acht wollen die Feinde nur gegen einige früher bereits gefangene französische Reiter her« ausgeben. — Etwas civilisirter sind wir denn doch beutzutage; erstens über fällt Militär nicht friedliche Bauern, um sie zu Gefangenen zu machen und zweitens tauscht man heute Militär nur gegen Militär aus. Auf dem Kestndevall. Karnevals-Humoreske von L. A. Bürg e r.^ Sidonie Pahien, die Tochter und einzige Erbin de« reichen Geheimen KammergerichtS-Rathc«, saß höchst trübselig in ihrem eleganten Boudoir, in Berlin, am Belle-Alliance-Platz. Der schöne, weite, runde Platz zeigte sein gewöhnliche», alltägliche« Angesicht und e» war doch Karneval — Rosenmontag. Daher rührte auch die trübe Stimmung bei der schönen, lebensfrohen, neunzehnjährigen Dame. Sie war nämlich vom Rhein zu Hause, sie halte bi» vor einem halben Jahre in dem lustigen Köln ge lebt, wo man vom 1. Januar bi« zum Aschermittwoch von nicht» Anderem spricht, al« vom Karneval. Und heute, jetzt, um diese Stunde, zehn Uhr Morgen», begann der berühmte karnevalistische Umzug in Köln. Bi« jetzt hatte Sidonie noch nie diesen Umzug versäumt — in diesem Jahre war c« da« erste Mal. Und nun mußte auch der Vater gerade dienstlich verreist sein, er, der sie so sehr lieble und verwöhnte. Ihre Mutter hatte sie schon vor zehn Jahren verloren, und nun führte sie mit Hilfe einer alten Köchin und einer sauberen Zofe den vornehmen Hausstand, der ihr in Berlin so unendlich langweilig vorkam. Leise öffnete sich die Thür und Anna, die hübsche, junge Zofe, trat so ruhig und bescheiden, so ganz gegen ihre sonstige lebhafte Art ein, daß Sidonie erstaunt aufblickte und besorgt fragte: .Nun, Anna, wa» giebt es?" .Ach, gnädige« Fräulein, mein Bruder ist in der Küche!" Da« klang so komisch-kiäglich, daß da« Fräulein laut aus lachen mußte: .Da» ist doch nicht» Neue«! Dort habe ich ihn schon oft getroffen!" .Er will heute Abend aus den Ball — aus den Masken ball gehen!" Lin leichter Seufzer der Sehnsucht entfloh Sidonie'« rosigen Lippen. Vor ihren Augen stand ganz deutlich der herrliche Gür zenich-Saal in Köln mit seinem unvergleichlichen Maskengewühl. I Doch sie faßte sich schnell und sagte: .Auch da» ist nicht» Welt- I erschütternde»! Wa» geht da« mich an? Der Herr Monteur I ist erwachsen und bemittelt genug, um sich solch An Vergnügen I gönnen zu können." .Gewiß, gnädige« Fräulein — er will nur — daß ich ihn M begleite — e» wäre sehr schön und anständig dort — wenn e» W auch ein Gesinveball sei." »Lin Gesindeball? Lauter junge, hübsche Dinger wie Sie?" I lachte Sidonie interessirt. .Ich habe schon früher von diesen I Bällen gelesen!" .Sie sind bekannt und berühmt. In diesem Jahre findet I er in dem größten Saal Berlin», in der Philharmonie, statt. I Sie würden staunen, wie herrlich und lustig c» dort zugeht. E« I kommen oft ganz feine Herrschaften hin! erwiderte die Zofe eifrig. I' .Ich habe nicht« dagegen, Anna, Laß Sie htngehen. Von I fünf Uhr ab sind Sie frei. Wa« für ein Kostüm haben Sie I gewählt?" .Mein Bruder will mir ein neue« .Gietchenkoftüm" leihen." ! »Eine gute Idee! E« wird Sie gut kleiden. Bevor Sie M gehen, zeigen Sie sich mir einmal!" Freudestrahlend eilte Anna hinau« in die Küche. Der Ball I begann zwar erst um neun Uhr, aber schon um sech« prangte die I Zofe in einem hübschen Gretchenkostüm. Gleich darauf stand sie I in demselben vor ihrer jungen Herrin, der sie voll Eifer von I dem vorjährigen Gesindeball erzählte, der so schön und lustig gc- I wesen sei. Beinahe melancholisch hörte da« Fräulein ihrer Zofe zu und I sagte schließlich ganz offen, daß sie etwa« wie Neid in ihrem Innern spüre. Die Sehnsucht nach Tanz und MaSkenschcrz leuchtete so deutlich au« der jungen Herrin sprechenden Augen, daß Anna den Vorschlag zu machen wagte, da« gnädige Fräulein möge sich doch einmal maSkirt den Karnevalstrubel ansehen. In der Begleitung de» Bruder« würde ihr nicht« Unangenehme« geschehen. Au« de« Fräulein« Augen leuchtete jetzt die volle Lebenslust, die übermütbigste Laune und ihrem Munde entströmten die ent schlossenen Worte: .Ja, Anna, ich gehe mit! Ich will mir bi« zur DemaSkirung einmal einen Berliner Maskenball anschen. Ich habe noch vom vorigen Jahr ber einen herrlichen Anzug liegen, ein Kostüm der »Königin der Nacht". ES war ein bunte«, lustige«, für einen Gcsindeball beinahe zu glänzende» Treiben in der Philharmonie. Da wimmelte e« von deutschen Gretchen, von Griechinnen, Türkinnen, Elsen, Feen u. Nixen, von Köchen, Mönchen, Landsknechten und Rittern. Die Fülle und der Glanz der Masken war so groß, daß selbst Sibo- nien« herrliche« Kostüm nicht allzusehr aufficl. Sie selbst fühlte sich glücklich, sie glaubte sich in ihr geliebtes Köln versetzt. So wurde e» Mitternacht, ehe sie e» ahnte. Erregt wie sic war, dachte sie nicht daran, nach Hause zu gehen. Sie wagte sich so gar ohne Ma«ke in da« Gewühl. Sie achtete Nicht daraus, daß itzr ein Mephisto wie gebannt folgte, daß derselbe sie beinahe mit seinen Blicken verschlang. Da« feine, vornehme Gesicht de« Herrn trug den Ausdruck höchsten Staunen« und Bewundern». Er hatte Sidonie schon den ganzen Abend beobachtet, es war sei nem scharfen Blick auch nicht entgangen, daß Sibonien« Begleiter dem Arbeiterstande angehören mußten, aber sie selbst — nein — da» war nicht möglich. Sein Auge war seit der DemaSkirung wie geblendet von Sidonien» Anblick. Sie sah auch entzückend au». Au» idrem thaufrisqen, zarten Antlitz leuchteten zwei große, braune, schelmische Augen. Der kirschrothe Muno mit den Weißen Zähnchen war zum Küssen. Die dunkelbraunen Löckchen umwallten in reizender Unordnung den feinen Kopf. Die Füße und Hände waren so fein und schmal — nein — die gehörte nicht zum Ge sinde. Mit Gewalt zog e« den Teufel zum Engel hin. Er sprach sie an, artig, zartfühlend, beinahe demüthig. Sie Hane ihn und seine bewundernden Blicke schon früher bemerkt. Sein Benehmen und seine Erscheinung gefielen ihr. Sic gewährte ihm einen Tanz. Er blieb auch nach demselben an ihrer Sette. Nachdem sie sich lange unterhalten, sagte er plötzlich: .Wie kom men Sic, mein Fräulein, auf den Gcsindeball?" »Weil ich dahin gehöre, al« — Kammerzofe!" .Kammerzofe! Sie fühlte e« ordentlich, wie da« Wort ihn traf, ihn erschreckte. Da« schien er nicht erwartet zu Haden. Er bestritt artig diese Bemerkung. Sic aber blieb bei ihrer Behaupt ung. Sie war gespannt, wie er sich nun benehmen Werve. Er hatte ihr seinen Namen und Stand nicht genannt, aber sie merkte c« au» Allem, daß er den gebildeten, ja selbst den höheren Stän den angehöre. Sein Benehmen blieb stet« sein und zartfühlend. Nicht ein verletzende« Wort, nicht eine kühne Geberde, er blieb ihr gegenüber ganz Kavalier. Sic erschauerte selbst manchmal unter seinem Blick so voll glühender Bewunderung. Er konnte sie nicht § lassen und gab sie nicht eher frei, al« vi« e« drei Uhr, die TrcnnungSstunde, schlug. Da» Ende de» Balle« war da. Er bat um ein Wiedersehen. .Unmöglich!" ries sie. .Morgen verreise ich — trete ich s meine neue Stelle an — am Rhein — in Köln!" Wie traurig er dastand und mit welch aufrichtiger Wehmuth er da« bedauerte. Anna mit ihrem Bruder näherte sich ihrer Herrin. Teufel und Engel nahmen Abschied — aus Nimmerwieder- sehen — so glaubten sie. E« war Aschermittwoch. Der Herr Geheimrath Pahlen war von seiner Reise zurückgekehrt. Da« Mittagessen war beendet, da» wie gewöhnlich zwischen fünf und sech» Uhr eingenommen wurde. Der Rath rauchte seine Zigarre, Sidonie saß in Träu men versunken. Da klingelte e«. E» klingelte nochmal«. Un gehalten wollte der Rath die elektrische Klingel in Bewegung setzen, die zur Küche führte. »Laß nur Papa! Ich habe Anna weggcschickt. Ich werde selbst nachsehen. E» wird der alte Juftizralh sein, c« ist so seine Zeit." Fort war sie. Arglo« öffnete sie breit die Thür. Da« elek trische Licht beleuchtete plötzlich zwei erstarrte Gestalten. »Mephisto" und die .Königin der Nacht" standen sich sprach- und regung«lo« gegenüber. Sie glichen zwei Steinbildern. Ihre Augen ruhten ineinander, sie hatten sich gegenseitig erkannt. Lange ruhte sein Blick auf ihr. Sie trug zwar nur eine einfache Toilette, aber trotzdem — so konnte keine Zofe aursehen. Er faßte sich zuerst: .Verzeihung — ich möchte den Herrn Geheimrath sprechen — dienstlich — Assessor von Wellheim." Sie führte ihn zuerst in den großen Salon, der vom Tage«- licht noch schwach beleuchtet war. Hier in diesem DLwmerschein faud der Assessor seinen alten , Muth wieder und ergriff die Offensive. Da« Kammerkätzchen mußte die Wahrheit gestehen. Dann stellte Sidonie Pahlen ihrem Vater den Assessor von Welsheim al« einen Bekannten vom letzten Juristenball vor. Drei Wochen nach dem Gesindeball stand die Verlobungs anzeige Sidonien» und de« Assessor« in den Zeitungen.
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