Suche löschen...
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189912282
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18991228
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18991228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-28
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Lancerkonsistorium hat bezüglich der Jahrhundertwende nach stehende Bekanntmachung erlassen: »Ergangener Bestimmung zu- solge soll der 1. Januar 1900 al» Jahrhundertanfang gellen. Wir bringen die» zur Kenntnis; der evangelisch lutherischen Geist lichen, indem wir ihnen anheimsteilen, in der Predig« am Syl- vesterabend und am Reujahritag, sowie nach Befinden in der äußeren Ausgestaltung dieser Golte»dienste daraus geeignete Rück sicht zu nehmen." Dre-den, am 22. Dezember 1899. Evangelisch lutherische« Lande«konsistorium. ». Zahn." — Dresden. Der am Mittwoch auf der Fahrt nach Dre»den in einem Eisenbahnabtheil durch in Brand gerathene« Benzin verunglückte junge Mann ist am Donnerstag im Stadt- krankenhau« an den erlittenen Verletzungen gestorben. — Leipzig. In den Postzügen zwischen Berlin und Leipzig kamen in diesem Sommer auffallend viele Be laubungen von Postpacketen vor. Die Beschwerden der Empfänger wollten kein Ende nehmen. Die Postbehörde gab sich die erdenklichste Mühe, den Thiiter, der sich unter den Beamten befinden mußte, zu ermitteln. Durch ein anonyme« Schreiben wurde der Verdacht aus den Postschaffner Hermann Kramm in Berlin gelenkt, der die Postwagen auf der erwähnten Strecke zu begleiten hatte. Am 4. November wurde in der Kramm'schen Wohnung eine Haussuchung vorgenommen und hierbei ein großer Theil der gestohlenen Sachen zu Tage gefordert. Unter Stroh versteckt fand man Kleiderstoffe, wollene Decken usw. Nun legte Kramm ein Geständniß ab und seine Frau ließ sich zu der Aeußer- ung hinreißen: .Mann! Mann! Ich habe Dich immer gebeten. Du solltest e» lassen, nun hast Du uns alle unglücklich gemacht!" Hierdurch verrieth sie, daß sie selbst von dem strafbaren Treiben ihre» Manne« wußte. Da« Ehepaar stand dieser Tage vor der Strafkammer de« Berliner Landgerichte« I. Der Angeklagte Kramm erklärte, daß er zum ersten Male der Versuchung erlegen sei, al« ein Psundpacket Kaffee einem schadhaft gewordenen Packet entfallen war. Er habe den Kaffee mitgenommen und seiner Frau mit dem Bemerken gegeben, daß er ihn gekauft habe. Die« habe sich dann mit anderen Nahrungsmitteln wiederholt, bi« er sich an werthvolleren Sachen, wie Kleiderstoffen u. dergl., ver griffen habe. Seine Frau habe die Sachen zwar angenommen, ihn aber flehentlich gebeten, c« nicht wieder zu thun. Nach fünf bi« sechs Wochen sei er aber wieder rückfällig geworden. Der Gerichtshof war mit dem Staatsanwalt der Ansicht, daß dem un getreuen Beamten eine harte Strafe treffen müsse; er wurde zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängniß verurtheilt. Seine Ehefrau wurde wegen Hehlerei mit 1 Monat Gefängniß belegt. — Chemnitz, 22. Dezbr. Die Mittheilung, daß im Reich«amt de« Innern Vorarbeiten zum Erlaß von Schutzbe stimmungen sür gewerblich «hätige, verheirathete Frauen stattfindcn, hat in einzelnen Kreisen der Arbeitgeber Beunruhig ungen heivorgerufen. Der Verband der Textil-Industriellen von Chemnitz (Sachsen) hat ihr in einer an Len Reichskanzler ge richteten Eingabe Ausdruck dahin gegeben, daß durch die geplan ten Maßregeln ihrer Industrie und ihrem Arbciierstande schwere Schädigungen zugefügt werden würden. Sie weisen darauf hin, daß in den Arbeiterkreisen die Ehen vielfach sehr früh geschlossen werden in der Voraussetzung, daß beide Theilc verdienen müssen, um überhaupt in einer Che mit einander leben zu können. Die Arbeiterinnen bringen al« Frauen eine größere Willigkeit und vielfach mehr Lust und Liebe zur Arbeit mit, werden aufmerk samer, gewissenhafter und sorgfältiger und nicht so viel durch Vergnügungssucht von der Arbeit abgelenkt, wie Mädchen. Sie sind auch ausdauernder auf einem Platz. Der Verband bittet, eine größere Anzahl von Arbeitgebern vor Ausarbeitung eine derartigen Gesetzentwurf» hören zu wollen und wünscht zugleich, daß die Beamten der Gewerbeinspektion in nähere Fühlung mit dem praktischen Leben und der gesammtcn Industrie gebracht wer den möchten. — Plauen i. V. Unter der Ueberschrift: .Zur Lage vogtländischer Landwirthc" theilt der „Vogtl An;." fol gende« mit: Au« der Falkensteiner Gegend ist an die Ein schätzungsbehörde für die staatliche Einkommensteuer da» Ersuchen gerichtet worden, bei der Einschätzung der landwirthschaftlichen Erttäge dortiger Ortschaften anstatt de» bisher angenommenen Ertrag« von 25 M. sür den Acker fortan bei kleineren Gütern 15 M., bei größeren 12 M. al» Ertragsdurchschnitt in Ansatz zu bringen. Die Gründe, welche diese Bitte hcrbeigeführt haben, sind im wesentlichen die Thatsache, daß im Laufe der letzten vier Jahre eine vollwerthigc Ernte in der Gegend nicht erzielt worden ist. Vom Jahre 1896 bi» mit 1898 ist im Durchschnitt der vierfache Ertrag in Körnern erbaut worden; Heuer kann al« DurchschniltSernte nur der dreifache Ertrag angenommen werden. E« ist ferner bekannt, daß die Frage der landwirthschaftlichen Hilfsarbeiter immer größere Sorge bereitet u. immer größere Opfer auferlegt in einer Gegend, wo die leichtere und einträglichere in dustrielle Arbeit die Kräfte beansprucht und zumal bei dem gegen wärtigen guten Geschäftsgang von selbst an sich zieht. Im Zu sammenhänge mit dem geschilderten Nothstand in der dortigen Landwirlhschast steht e«, wenn sich auch eine Entwcrthung der Güter und der Rückgang der Pachterträgnisse feststellm läßt. Die Thatsache, daß der Feldertrag an sich eine Familie kaum mehr ernähren kann, ergicbt sich daraus, daß die Landwirthc sammt und sonder« auf Nebeneinnahmen rechnen müssen, sei e«, daß ihnen Wald noch zu Gebote steht, sei e», daß sie Fuhren machen, sei e« endlich, daß sie die entbehrlichen Familicnglieder in der Industrie beschäftige». — Reichenbach i. V. Durch die Explosion de» Spi- rituskessels in einer Dampfmaschine, die al» Spielzeug sür größere Knaben zum Betrieb eine» Spielwerk« diente, kam aus der Rotschauerstraße ein 14jäh igcr Knabe zu Schaden, indem er sich in äußerst schmerzhafter Weise da« ganze Gesicht verbrannte. Glücklicherweise hat er keinen Schade» an den Augen davon getragen. — Untcrsachsenberg. Hier wurde die Familie de» In strumentenbauer« Wolf in tiefe Trauer versetzt, da in der selben binnen wenigen Tagen drei blühende Kinder im Alter von 10, 8 und 6 Jahren dem tückischen Scharlach nach kurzem Krank sein erlegen sind. Weitere zwei Kinder liegen an derselben Krank heit und am Typhu« noch schwer krank darnieder. — Verschiedene Städte de» Regierungsbezirke« Zwickau haben petitionirt, eine« der neu zu errichtenden Lehrerseminare zu erlangen. Nach einer jetzt ergangenen Entscheidung de« Kultus ministerium« soll im Regierungsbezirk Zwickau nur ein neue« Lehrerseminar errichtet werden, und für diese« sei Stollberg au«el sehen. — Die kleinen silbernen Zwanzigpfennigstückewer den mit dem 1. Januar 1900 außer Cour« gesetzt, wa« zur Vermeidung von Verlusten in Erinnerung behalten werden möge. — Au« ten Statistischen Mittheilungen de« evan gelisch lutherischen Lande«konsistorium« über die Landeikirche au« dem Jahre 1898 auf Grund der Ephoralberichtc ist ersicht lich, raß im Jabre 1898 eine weitere Abnahme der Nu««riite und eine weitere Zunahme der U.bcrtritie erfolgt ist. Die Zahlen de» Jahre« 1898 verthcilen sich im einzelnen wie folgt: Au«tritte Uebertritte au« der Landeskirche zu: zur Landeskirche von: 12 der reformirten Kirche 2 54 der römisch katholischen Kirche 310 39 den Deutschkatholiken 8 29 den separirtcn Lutheranern 21 230 den apostolischen Gemeinden 18 169 den Methodisten 18 26 den Baptisten 1 58 der Tempelgemeinde und anderen Sekten 2 17 den religionslosen Dissidenten 24 1 dem Judenthume 27 635 441 Zu den apostolischen Gemeinden sind in keiner Ephorie auch nur annäbernd so viele übergetreten, al» im Vorjahre in der Ephorie Plauen (100). Diese steht mit 49 Austritten zu den apostolischen Gemeinden auch diesmal obenan. Die apostolischen Gemeinden neuer Ordnung (Geyeraner) haben sich namentlich in den Ephorien Plauen, Werdau und Zwickau fortgesetzt sehr gerührt ; doch scheint auch diese Bewegung an einzelnen Orten zum Stillstände, ja zum Rückgänge gekommen zu sein. Die Methodisten haben wieder in der Ephorie Schneeberg am meisten Fortschritte gemacht, wo ihnen von überhaupt 48 Austritten 40 zu statten gekommen sind. Die Darbysten haben sich wieder in den jetzt zur Ephorie Auerbach gehörigen Ortschaften und in der Ephorie Zwickau besonder» bemerklich gemacht. Den Bemühungen eine« OrtSpfarrer«, eine Familie bei der Landeskirche zu erhallen, wurden die Einwände entgegengesetzt : Die Landeskirche sei keine Gemeinschaft der Heiligen, sic dulde Ungläubige, verweigere ihnen nicht da« heilige Abendmahl, taufe die Kinder. Die Superin- tendentur Auerbach meint, daß die Darbysten fast in allen größeren Parochien de« Vogtländer vertreten seien. Auch in Plauen i V. und in Ebersdorf (Ephorie Chemnitz II) sind „Brüder und Schwestern in Christo" ausgetreten. Die Mormonen sind in der Ephorie Schneeberg von Böhmen her sehr geschäftig gewesen, Anhänger zu gewinnen. — Mit Weihnachten hat wieder die Zeit der „zwölf Nächte begonnen. Diese dem abergläubischen Gemüih wichtige und bedeutungsvolle Zeit währt von Weihnachten bi» einschließ lich 6. Januar. Wa« man in diesen zwölf-Nächten träumt, soll man sich merken, denn e« hat hohe Bedeutung. Freilich ist e« seltsam, wenn etwa« von den ungereimten, bewußtlose« Gedanken spiel darstellenden Träumereien einmal doch zutrifft. Die nebel vollen, dunklen Nächte dieser Tage waren von je die LieblingSzett de« Rathen» und Tappen», sowie der Gespenstcrfurcht. Daß Liebesleute am eifrigsten ihre Herzensangelegenheiten dabei ordnen wollen, ist ja erklärlich. Man träume nur immer recht gut, damit man nur Gute» zu erwarten hat, träumt man aber Un sinn, nun dann rege man sich deshalb nicht aus. Weihnachten während der Pariser Belagerung. / Von Francisque Sarcey. Deutsch von W. I. Helm. Wir erreichten die ersten Tage de« Dezember. Ach, wie traurig waren diese Tage, die doch gewöhnlich der Freude ge weiht sind! E» ist wahr: wir hatten einen kleinen Trost be friedigter Rache, wenn wir daran dachten, daß die Deutschen, die vor Pari« zurückgehaltcn wurden, ihr Weihnacht-fest auch nicht in der Familie feierten und daß der traditionelle Weih- nachtSbauin nur weinende Augen und thränende Gesichter um sich sehen würde. Doch wie verschieden war diese WeihnachtS- nacht für un» von jenen Nächten, in denen lustige Feste ge feiert wurden, die man früher diesem Tage zu Ehren veranstaltet! Die meisten Kirchen hatten ihre Pforten geschloffen; auf den mit Petroleum erleuchteten und in halber Dunkelheit liegenden Straßen ertönte nur vereinzelt der Schritt eine« nach Hause Wandernden. Eine kleine Anzahl von Restaurant« war geöffnet geblieben, sowohl in dem gewöhnlichen Zentrum der Pariser Vergnügungen, vom Boulevard de« Italien« bi« zum Boulevard Montmartre, wie auch in den volkreichen Vierteln, in Mont martre, Menilmontant und Belleville. Hier trank man blauen Wein; dort hatte man sich seltsame und extravagante Gerichte auftischen lassen. Die Wolfskotelctte« figurirten neben dem gebratenen Elephantenrüffel und dem Kängcruhschwanz, die man mit dem üblichen Champagner begoß. Man mußte sich kitzeln, um zu lachen, denn Niemand hatte da« Herz, sich zu amüsiren. Mit welcher melancholischen Bitterkeit erinnerte man sich an die lustige Physiognomie, die Pari«, unser Pari«, sonst an diesen Tagen zeigte! Wie lebhaft ging e« auf den Boulevard« und den Straßen zu! Wie fröhlich rollten die Wagen zu tausenden über da« Pflaster! Wie fröhlich glitzerten die Lichter in den Schaufenstern der großen Magazine, die sich zu diesem Feste geschmückt hatten! Man traf nur Leute, die ängstlich, Packele, Puppen oder Bonbondüten auf den Armen, nach Hause liefen. Und diese lange endlose Reihe kleiner Buden die unfern Boulevard« einen so reizenden Charakter der Volk-frcude ver liehen! Doch ach, wie fern lag dab alle«! Ein grauer, schnee beladener Himmel, der auf der düsteren Stadl lastete, halb im Schatten liegende Magazine und aus der Schwelle ängstliche Kaufleute, die ärgerlich den Horizont anstarrten; einige vereinzelte Omnibusse, Vie fast leer ihre vorschrif«mäßige Tour zurücklegten, und eine kleine Anzahl von Wagen, die unbesetzt durch die öden Straßen rollten. Erft Ende Dezember schienen einige privilegirte Viertel diese Erschlaffung abzuschüttcln; die Menge drängte sich vor den Läden von zwei oder drei bekannten Confiseuren und kaufte wie gewöhnlich ibre kandirten Maronen. Maronen vom vorigen Jahre; denn der Winter hatte un« diesmal nicht die ehrlichen Kinder der Auvergne zurückgeführt, die sich an den Straßenecken niedcrlassen und unter freiem Himmel auf offener Straße ihre Maronen rösten! Und der Morgen de« ersten Weih nacht «tage«! Nein, nie werde ich diesen Morgen vergessen, al» da« Dienstmädchen mir aus einem kleinen Tischchen da« Frühstück brachte und ich mich an diesem Festtage an meinem Kamin ganz allein sah, einem Stück Pferdefleisch gegenüber, da« auf dem Teller dampfte . . . Da fühlte ich, wie ich schwach wurde und brach in Thränen au«. Ach, diese Thränen! wie viele andere haben sie noch in dieser Stunde vergessen! Man bedenke doch, alle oder saft alle hatten wir unsere Mütter, unsere Frauen und Kinder fortgeschickt und lebten nun schon seit drei Monaten, ohne die geringsten Nachrichten von ihnen zu haben. In gewöhnlicher Zeit war e« leicht, sich zu betäuben. Die Geschäft», die Unterhaltungen, die Bcr- gnügungen und auch jene sorglose Philosophie, die den Hinter- giunv unsere« Nationalcharakter« bildet, alle« trug dazu bei, diese so «heueren Bilder au« der Erinnerung zu verjagen. Der Lärm der Außenwelt lenkte un« von ihnen ab. Doch die Feierlichkeit diese« Tage« führte sie un« alle wieder zurück, und al» sie un» mit traurigen Augen ansahen, un« die Arme entgegenstreckten, al« wollten sie sagen: .Wird denn dieser schreckliche Krieg noch nicht bald au« sein?" da brach mir da« Herz, zumal ich fortwährend an di» HungerSnolh denken mußte. Ach, diese Hungcr«n°th l Der ganze Monat Dezember war sehr hart gewesen, die Entbehrungen vermehrten sich in dem Maße, wie unsere Vor- räthe geringer wurden. Alle Leben»mittel, die da« Brot und da« Fleisch begleiteten hatten sich zu exorbitanten Preisen erhoben, die noch fortwährend stiegen. Da« Pfund Oel kostete durchgängig 6 bi« 7 Franc«. Bon der Butter durfte man garnicht sprechen; die Preise waren einfach phantastisch; 40 bi« 50 Franc» da« Kilo. Der Käse ließ sich überhaupt nicht mehr verkaufen, da« wäre zu lheuer gewesen, darum verschenkte man ihn. Lin Stück Käse war ein königliche« Geschenk. Die Kartoffeln kosteten 25 Frc«. der Scheffel; die kleinen Wirthschaften mußten noch mehr bezahlen, denn sic kauften sie literweise. Ein Kohlkopf wurde mit 6 Frc«. bezahlt und Blatt für Blatt verkauft, so daß da», wa« man früher nicht seinen Kaninchen anzubietcn wagte, jetzt zu den Elitege- richten gehörte. Die Zwiebel, die Mohrrübe und der Schnitt lauch waren überhaupt unauffindbar geworden. E« gab keinen Marktpreis mehr für diesen Artikel, und nur die Laune de« Verkäufer« bestimmte den Werth. Da« schmutzigste Fett und Schmalz wurde verkauft und fand zu unsinnigen Preisen Käufer. Um e« zu reinigen und um ihm seinen schiechien G-ruch zu nehmen, brachten die Zeitungen alle Tage wunderbare Rezepte. E» gab in Pari« noch ungeheure Mengen Kaninchen und Ge flügel, doch da« alle« war unerschwinglich. Ich habe kurz um Weihnachten Scharen von Neugierigen vor einer Pute stehen sehen, wie sic früher vor den großen Juweienlädcn der liue <1e la kaix standen. Biele hatten Kaninchen gekauft, die sie von Abfällen nährten und nun warteten, bi« die HungerSnoth sie zwang daraus Pasteten zu machen. Die Pastete wirft mehr ab, al« da» b'ricassse. Im Augenblick, da ich diese Zeilen schreibe, habe ich bei mir im Zimmer zwei kleine Kaninchen, die sich in einem Winkel de« Zimmer» zusammengikauert haben und mich mit ihren großen, erschreckten Augen ansehen. Die Wirlhschasterin hat sie mir ge bracht, sie meint, sie langweilen sich allein, in ihrer Hütte, frieren dort und wellen nicht mehr fressen. Die letztere Be merkung bat mich besttmmt; ich habe sie ausgenommen und suche sie zu zerstieuen. Ich werde mich wohl hüten, ihnen diese« Ka pitel vorzulesen, in denen ihr TodeSurthetl ausgesprochen wird; denn sie würden vor Kummer abmagern. Ich besitze ferner zwei Hühner, die ich mit der größten Rücksicht behandle. Au« Hirse machen sie sich nicht«, und ich bin schrecklich unruh-g wegen der Nahrung, die ich ihnen geben soll. Ich bade über diesen wichtigen Punkt mehrere Konferenzen mit der Köchin gehabt. Wenn ich meine Gäste in dieser Weise dem Leser v.rsleUe, so geschieht da« durchaus nicht au» Eitelkeit, sondern au« Liebe zur genauen Berichterstattung. Diese kleinen Einzelheiten sagen mehr al» große Phrasen über da» häusliche Leben de» Pariser« während der Belagerung und über die gute Laune, mit der sich diejenigen amüsirtcn, die noch Geld genug besaßen, um noch manchmal zu lachen. Die Zahl wurde allerdings von Tag zu Tag geringer. Da» Bürgerihum fing an, da» Ende seiner Mittel herannahen zu sehen. Ich war mit neugierigem Interesse den Fortschritten dieser Erschöpfung gefolgt. Ich gehörte zu einer kleinen Gesell schaft, wo man zweimal in der Woche zusammenkam, um ent weder Whist oder Bouillote zu spielen. Die Höhe der Einsätze oder die Art, da« Spiel zu betreiben, änderten sich im ersten Monat nicht« besonder«; im zweiten fiel der Einsatz um die Hälfte, dann um dreiviertel und endlich, gegen Ende der letzten Tage der Belagerung, war man üderclngetommen, nicht mehr um Geld zu spielen. W:r waren alle blank, und c« blieb un« nicht« Weiler übrig, al« bessere Tage abzuwarlen. Wa» aber soll ich von denen sagen, die keine Mittel mehr besaßen? Leider muß ich c« gestehen, war da« die ungeheure Mehrzahl der Pariser. Nein, ich kann unseren Brüoern au« der Provinz nicht zu oft wiederholen, mit welch' unerschütterlichem Muthe, mit welch' rührender Resignation, mit welch' unb.sieg- barcm Gefühl de» Palrioti-mu« diese ganze Bevölkerung die Härle diese« Elend» ertrug. Namentlich die Frauen waren be- wundern«werth. Ich beklage die Männer nicht allzusehr, denn die meisten von ihnen hatten 30 Sou« täglich, die viele von ihnen ohne Gewissensbisse vertranken. Doch die Frauen, die armen Frauen! Bet dieser schrecklichen Dezcmberkälte warteten sie den ganzen Tag über beim Bäcker, beim Schlächter, beim Gewürzkrämcr, beim Holzhändler und in der Mairie. Keine murrte. Nie habe ich von einer derselben auch nur ein einzige« böse« Wort vernommen. Sie waren am eifrigsten dafür, daß man sich bi« zum letzten Stückchen Brot halten sollte. Vermischte Nachrichten. — Ein merkwürdiger Recht«fall, der ohne Vor gänger sein dürste, wird voraussichtlich demnächst die pfälzischen Gerichte beschäftigen. Der Sachverhalt ist folgender: Am 4. Januar Ls«. I«. starb in einem vorverpsälzischen Städtchen N. der Rentner K. mit Hinterlassung einer kinderlosen Wittwe. Am Tage der Beerdigung erschien nun der Amtsrichter de- Amts gericht« zu N. in Begleitung eine» Sekretär«, um in der üb lichen Weise im Interesse der Verwandten de« Verstorbenen Siegel anzulezen. Die Wittwe besaß jedoch ein eigenhändig geschriebene« Testament ihre« verstorbenen Manne«, welche« sie vorlegte. Da« Testament nahm der Amt»richtcr behus» Uebermittelung an da« zuständige Landgericht in F. an sich und stellte darüber eine Empfang-beslätigung au». Dieser Schein ist mit dem Siegel de« Amtsgerichte» und mit den Unterschriften der betheiligten Personen »ersehen. Er enthält zudem die Mittheilung au« dem Inhalt de« Testamente«, daß darin die Wittwe zum Universal erben eingesetzt. Die Wittwe fühlte sich selbstredend de« Besitze« völlig sicher, zumal von ihr die Steuern al« von der Erbin de« Verniögcn« erhoben und auch da« Hau« anstano«lo« auf ihren Namen eingetragen wurde. Da« Testament war mit den zu gehörigen Akten mittlerweile von dem Landgericht in F. an den Notar C. in N. zur Rückgabe an die Wittwe K. gesandt worden und zwar per Post mittelst eingeschriebenen Briefe«. Hier langte denn auch die Sendung an, sie enthielt die Begicitaklen — da« Testament aber fehlte. — Die Wittwe ist nun in der größten Aufregung. Der Verlust de« Vermögen» bedeutet für sie die bitterste Armuth. Sie läuft von Pontiu« zu Pilatu«, überall tiefe» Bedauern und Achselzucken. Der Herr Amtsrichter wäscht seine Hände in Unschuld, er habe pflichtgemäß abzcltesert; auf dem Landgericht hat man ordnunz»mäßig abgesandt, die Post besitzt den Empfang«schetn von dem betreffenden Notar; dieser zuckt die Achseln; er habe kein Testament erhalten. Ein Verhör vor der Oderstaat»anwaltschaft hat denn auch den oben geschilderten That- beslan» ergeben. Der Wittwe wird nun sowohl von ihrem Recht«-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)