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- Erscheinungsdatum
- 1899-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189908263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18990826
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18990826
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-26
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Monat
1899-08
-
Jahr
1899
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Johann Wolfgang von Koethe. Ein Gedenkblatt zu seinem > öS jährigen Geburtstage am 28. August 188». Und da» SUgU der Mach, Mu» au! die s«n>, ) Welch' ein Bild tritt UN» heute mit verjüngter Kraft vor die Seele! Ein und ein halbe« Jahrhundert liegt zwischen un» und dem Tage, wo un« Goethe bei glückverheißendem Stande der Gestirne geboren ward. Fast ein Jahrhundert lang gönnte der Himmel dem deutschen Bolle diese mächtige und milde Er ¬ scheinung ; Goethe erfüllte in dieser Zeit Deutschland mit seinem Ruhme, und Deutschland« Ruhm ward durch ihn, während die Nation in tiefer Schmach begraben lag, in die Welt hinau»gctragen. Ein späte« Greisenalter ward ihm gewährt und bi« zu dem letz ten Augenblicke seine« Erdenleben« ward er gefeiert von seiner Nation und von den edelsten Geistern in fremden Völkern. Auch heute noch ist sein Ruhm lebendig! Indem wir da« Andenken großer Männer ehren, wird alle« Herrliche und Gewaltige, wa« sie geleistet, in unserer Seele wach. Sie richtet sich an den Schöpfungen derselben auf und die Begeisterung verjüngt sich. Da« Bewußtsein, daß sie die Unseren sind, wird dadurch im Volke heimisch, gleichsam sein Pulsschlag und Leben«odem, und indem sich ihr Geist von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzt, ver wächst er mit der gesammten geschichtlichen Entwickelung. Die Liebe und Verehrung großer Männer wird auf diese Weise eine bildende Macht, welche die sittliche und geistige Existenz eine« Volke« nicht verkommen läßt. Die« gilt vorzugsweise von den Dichtern. Wie sie au« der ungctheilten Fülle de« Leben« schöpfen und ihre Werke der Ausdruck und Spiegel seine« vollen Gehalt« sind, so können sie ohne weitere Vorbereitung, ohne Fachkenntniß von Allen genossen werden, welche noch nicht in dem materiellen Genuß geistig abgestorben sind. Die Dichtung, „diese« weltliche Evangelium", ist wie da« Licht und die Lust, ein erquickender Genuß Aller, die noch ganze Menschen sind. Wenn man bei einem anderen Gegenstand um den Stoff verlegen sein kann, so wird man von diesem bei Goethe'« Ge denken überwältigt, denn c« drängt sich hier nicht nur die Fülle seiner Werke, sondern auch eine ganze Literatur seiner Leistungen zusammen. Wie könnte man den Reichthum Gocthe'scher Dich tung, ihre unverfälschte Wahrheit, die scelenvolle Verbindung, in der in ihnen menschliche» Sein und Thun mit den heiligen, un verletzlichen Gesetzen der Natur steht, preisen. Da steht gleich am Eingänge der biedere, treuherzige Götz mit seiner Freiheits liebe und Treue, die in deutscher Ungefügigkeit und Starrheit e« nicht über sich vermag, die alte Gewohnheit de« selbstständigen Ritter« aufzugeben, sich der Nothwendigkeit dex neuen Ordnung zu fügen und so durch da« Edelste seiner ritterlichen Natur, treue« Festhalten an alter Sitte und Freiheit, dem unvermeid lichen Untergänge entgegengeht. — Und daneben da» Bild eine« Menschen der weichen, erschlaffenden Zeit, der im Genuß seiner selbst aufgeht und nicht« Höhere« kennt, al« den Befehl seine« Herzen«, da» seine Forderungen und Wünsche zum Gesetz macht, wie wir e« im Werther sehen. Wie durch Eingebung hat der junge Dichter den Abgrund eine» Leben« geschildert, welche« die Wünsche u. Triebe de» Herzen» höher stellt, al« die ernste Stimme de» Sittengesetze«. — Wa« sollen wir von seinen Liedern sagen? Sie umfassen da« ganze Dasein, die stille Freude und die höchste Lust, wie den tiefsten Ernst, Alle«, wa« durch die Brust eine« Menschen zieht. Auch La« große Thema der Völkergeschichte, den Kampf um die Freiheit, hat sein Gedicht gefeiert. — Und dann die herrliche Gestalt eine« Egmont, seinem Herrn und der Pflicht die schuldige Treue bewahrend, aber im Leben und im Angesicht de« Tode« treu stehend zu seinem Volke, für da« er gelebt und gekämpft hat bi« zum letzten Athemzuge. Erreicht hat ferner Goethe in poetischer Gestaltung da« Unerreichbare, den höchsten Preis in der Dichtung, in welcher er un« da« treueste Bild deutscher Gesinnung und deutschen Leben« gezeichnet hat: in Hermann und Dorothea. — Keiner aber von unseren Dichtern verdient so sehr den Namen Frauenlob, so sehr die Anerkennung weiblicher Herzen, wie Goethe. Vor Allem strahlt in dem Glanze einer Heiligen Iphigenie, die durch ihre Milde und Würde, ihre Größe und Freundlichkeit da« Herz de« Bar baren besiegt. — Und wiederum, welch' seelenvolles, wahre« Bild de« männlichen Charakter« bietet un» der Tasso. Da erhält der praktische Mann seinen Prei«, aber wir lernen auch lieben da« Gemüth de« Manne«, der auf dem Meere ter Leidenschaft umhertrcibt, dem aber ter Geniu« e« gab, da« Leben zu befruch ten. Der wahre Dichter singt, wa« ihm gegeben wird. So hat e« Goethe wiederholt ausgesprochen, daß seine Dichtungen Bruch stücke von Selbstbekenntnissen, von Erlebnissen sind, durch die Kunst der Dichtung geläutert und frei gestaltet. Ein solche« Bild der Zeit giebt er un« in den Wahlverwandtschaften. Da sehen wir eine Gesellschaft au» den höheren Ständen, die ohne Halt ihre Seele der Leidenschaft der Naturtriebe zur Beute über- giebt. — In wunderbaren, ebenso kunstreichen -l» lebensvollen Bildern zeigt un« Wilhelm Meister, daß der Mann strebend, suchend, irregehcnd, mehr durch die unbewußte Wahrheit zp seiner Natur, al« Lurch eigene« Wählen zum rechten Ziele gelangt. — In Dichtung und Wahrheit schildert er sein eigene« Leben und die Umstände, die zu seiner Bildung beigetragen. Endlich sei noch jene Dichtung erwähnt, wie nur Italien in seinem Dante ein Aehnliche« auszuweisen hat. Sie ist so tief, so geheimnißvoll, wie die menschliche Natur selber. Faust ist der Mensch, der vom Himmel die schönsten Sterne und von der Erde jede Lust fordert, der, den Stachel der Unendlichkeit in der Brust, nirgend» eine bleibende Stätte findet, bi« seinem rastlosen Streben die Gnade von oben reitend entgegenkommt. E« ist in diesem kleinen Rahmen unmöglich, die unermeßliche Bedeutung Goethe'« allseitig hervorzuheben. Aber da» sei noch ausgesprochen, daß in seinen Schriften ein Schatz de« reinsten Goldes unserer Sprache nieder gelegt ist und daß un« in ihnen eine unbeschreibliche Wahrheit und Lauterkeit der Darstellung entgegentritt. Auch spiegelt sich in keinem Dichter die Zeit so klar und richtig ab, al« in Goethe. Werfen wir schließlich noch einen überschauenden Blick auf da« Leben de« großen Manne«, so müssen wir zugestehen, daß er al» Gelehrter und Künstler leistete, wa« im gleichen Grade nur selten ein Mensch leistet und leisten wird. Aber gerade wegen dieser Vorzüge erhoben sich um so öfter Stimmen, die ihn al« Menschen zu verdächtigen suchten. Doch um ihn richtig zu beurtheilcn, mußte man ihn näher kennen lernen. Von Natur früher reiz bar, empfänglich, ja übcrwallend, hatte er so manche schmerzliche Erfahrung gemacht, die ihn bestimmen mochte, später eine gewisse Zurückhaltung anzunehmen. Seine Eigenheiten hatte er so gut, wie alle großen Männer. Ein Buch genau mit einem Umschläge zu versehen, ein Packctchen zierlich zu umhüllen, einen Kupferstich einzusassen, gelang wohl selten Jemand bester al« Goethe. Auch ", Dies« Serie stehen auf dem Postament« derjenigen Büste Goethe «, welche vom französischen Bildhauer David gearbeitet, in der Hall« der Weimarischen Bibliothek neben der Dannecker'schen Büste Ecbillers aus gestellt ist. schrieb er nie auf einen Bogen Papier, wenn derselbe nicht akkurat beschnitten war. Da« Geheimniß hatte für ihn einen großen Reiz. Daher seine Verschwiegenheit in Beziehung aus sich selbst und auf Andere. Die Wahrheit, der Goethe in Kunst und Natur nachrang, schmückte auch seinen Charakter. In alle Zustände wußte er sich leicht zu finden. Allem eine poetische Seite abzugc- winnen. Seiner geistigen Kraft war bi« zuletzt kein Stillstand geboten. Auch seine körperliche Erscheinung war von dem Alter nur wenig gebeugt. Da kam leise die Stunde de« Abschiede«. Um Frühlingsanfang, am Donnerstag, den 22. März 1832, gegen Mittag, brach da« Auge de« Hero«, der dem Baterlande und der Welt gleichmäßig angehört. — Ja ganz Europa aber, ja, in der ganzen Welt wurde die Nachricht von Goethe'« Tod mit ehr furchtsvoller Trauer ausgenommen; Deutschland vor Allem fühlte, daß e« seinen Dichterkönig verloren und daß Jahrhunderte werden vergehen müssen, bevor zum zweiten Male ein so harmonischer, ge bildeter Geist geboren wird. Inzwischen sind un« seine Werke, ist un« sein Gedächtniß geblieben; suchen wir beide würdig zu benutzen! ' L. 6. Frühzeitiger Bezug von Thomasmehl. September und Oktober sind bekanntlich diejenigen Monate, in denen sowohl von Seiten der Landwirthschaft, al« auch der Industrie die größten Anforderungen an die Eisenbahnverwalt ungen bezüglich der Wagenstcllung gestellt werden. Wie nun die früheren Jahre gezeigt haben, ist die Eisenbahn-Verwaltung trotz der stetigen Vermehrung de« Wagenpark« nicht in der Lage, diesen Anforderungen so gerecht zu werden, wie e« im Interesse der Empfänger zu wünschen wäre. So ist auch leider in diesem Jahre für die Monate September und Oktober ein Wagenmangel zu erwarten. Für die Landwirthschaft wird sich derselbe um so bemerkbarer machen, al« gerade sie infolge der in diesem Jahre späten Ernte und der damit verbundenen Arbeiten den Bezug der zu ihrer Herbstbestellung erforderlichen Düngemittel, Thomas mehl und Kalisalze, hat verschieben müssen. Dazu kommt noch, daß, wie die Vorjahre zeigen, in den Monaten September und Oktober bei den Werken die Aufträge sehr zahlreich einlaufcn und die Leistungsfähigkeit derselben dadurch derart in Anspruch genommen wird, daß eine sofortige Erledigung der Aufträge selbst beim besten Willen nicht stattfinden kaust. Um nun dieser VersandtS-Kalamität möglichst vorzubeugen, kann nicht genug empfohlen werden, die Bestellung von Thomas mehl sofort aufzugcben und mit dem Abruf de« Thomasmehle« sofort zu beginnen. Die Landwirthe entheben sich dadurch der Gefahr, daß durch eine spätere Lieferung der Düngemittel die Bestellung verzögert, oder, wa« nicht selten vorkommt, die erfor derliche ThomaSmehl-Düngung sehr zum Nachlheil de« Land- wirthe» unterlassen wird. Ihr Wermächtniß. Roman von Maximilian Moegetin. (W. Fortsetzung.) Tante Doktor hatte sich schon zur Ruhe begeben, sic suhlte sich angegriffen, denn der Verlust ihre« Geldes hatte sie schmerz lich berührt. Auch aller Zuspruch von Seiten ihre« Vetter«, daß er immer sür sie sorgen würde, hatte nicht« gefruchtet. Bei Tisch drehte sich die Unterhaltung um die Verlobung aus Wildenau. »Da« war un« mal eine recht freudige Ucberraschung," sagte der Oberförster. „Und wie vergnügt e« hcrging," ergänzte Hertha. „Da hätten Sie nur den alten Thiclemann sehen müssen, wie ausgelassen er noch getanzt hat, in seinem Alter mögen c« nur Wenige fertig bringen," bemerkte der Oberförster. „Aber Sie, Herr Baumeister, wurden schmerzlich vermißt," sagte Hertha, und eine Rölhc flog über ihr ernste« Gesicht. „Wie gern wäre ich auch dort gewesen," erwiderte Hehd, „aber ich mußte schon der Einladung meine« Vorgesetzten folgen." „Und wa« sür ein Paar! Wenn der Himmel jemals zwei Menschen sür einander bestimmt hat, so ist es wohl hier der Fall. Bei Beiden das gleiche heitere Temperament, al« wäre ewig klarer Himmel und froher Sonnenschein." „Das ist auch meine Meinung, Fräulein Steuer." Er unterhielt dann Vater und Tochter aus das Beste und war bestrebt, auch die letzten Schatten von ihnen zu nehmen; er wollte diese Menschen wieder heiterer sehen und zufrieden verlassen. Verdankte er ihnen doch sein Leben, und ohnehin waren die Stunden gezählt, die er noch bei ihnen verweilen konnte. Er blickte auf Hertha, die ihm in ihrer Trauerkleidung mit diesem ernsten Gesicht besonder« schön erschien und ihm zu denken An laß gab: Wohl dasselbe Bild, wenn ich in jener glücklichen Zeit dahingcgangen wäre. — Er sah auf den Oberförster, der in diesen wenigen Tagen merklich gealtert hatte; dann stand Hehd auf und schritt zu dem geöffneten Klavier und spielte ein norwegische» Volkslied und „AlpenroS und Edelweiß." Der Oberförster setzte sich in die Sophaecke, seine lange Pfeife rauchend, die ihm Hertha gebracht, und die er anfangs abgelehnt hatte. Er lauschte den Klängen dieser Lieder und die schweren Wolken schienen nach und nach von seiner Stirn zu schwinden. Bald blickte wieder der gewohnte freundliche Zug au» den Augen diese« Greises im besten Manne-alter. Auch seine Tochter fand er nun ganz ander», sie schien ihm nicht mehr so theilnahmSlo« wie poch vor wenigen Tagen und da« war ihm eine große Beruhigung. Hertha, die nicht unbescheiden sein wollte, nahm dann am Klavier Platz und spielte „die HeimathSklänge". Glockenrein und gefühlvoll klangen sic wie au« tiroler Bergen, erhebend und wohlthuend auf die Anwesenden wirkend. „ES war ein Vortrag, der zum Herzen ging," sprach der Baumeister zu Hertha gewendet, die sich crröthend leicht verneigte. Eine innige Freude waren ihr diese Worte, denn obgleich sie nicht so egoistisch war, nach Lob zu Haschen, so hörte sie dies« Anerkennung doch recht gern, die er ihr heute zu Theil werden ließ und die sic damals so gern vernommen. „Ach, diese HeimathSklänge, wie habe ich sic immer so gern gehört. Wenn wir an lauen Sommerabendcn an den schönen Usern de« ZürchsecS saßen, dann spielten sie oft die Tiroler und Schweizer unserer Verbindung auf ihren Zithern und die ganze Corona sang dann mit. Wenn dann die Abendsonne ihre pur purnen Strahlen hinter die schnee- und cisbedecktcn Bergesspitzen sandte und die Wasserfläche de» großen See» jene wiedergab, dann war e» ein erhabene» Gefühl, die Natur so prachtvoll in ihrem Abendglanze zu sehen." „O wie schön müssen jene Länder sein, welche die Natur so reich bedacht hat," nahm Hertha da« Wort; .al« Sie un« da mals in Ribold« Garten Südtirol und Italien so herrlich schil derten, hatte ich mich so hineinversenkt, daß mir die Wirklichkeit kaum ander« erschienen wäre." „Und dennoch, Fräulein, dürfte Ihre Einbildung die Wirk lichkeit ganz ander« finden. Ich erinnere mich noch unsere« Ordinariu« in Quarta, der un» ganz begeistert die Naturschön heilen Italien« und Griechenland« schilderte. Jahrelang sah ich diese Länder vor meinem geistigen Auge, wie ich sie mir damal« au»gemalt, und wie überrascht war ich dann, al« ich die Wirk lichkeit doch so ganz ander« fand, wie ich sie so lange gesehen." „Und au« jener Zeit stammen auch wohl all die schönen Lieder, die Sie so begeistert sür die Natur, sür alle« Schöne und Edle in sich ausgenommen haben?" fragte Hertha. „Meist au« jener Zeit," erwiderte Hehd. „Und sangen Sie damals auch schon so wunderbar wie jetzt?" fragte Hertha weiter. „Wie jetzt? — nun, so habe ich Wohl auch damals schon ge sungen, wie wunderbar?" fragte Hehd lächelnd. „O ja, Herr Baumeister," fiel der Oberförster ein, „Ihre Lieder waren un« Allen, und besonder« mir, eine große Freude, und ich wünschte nur, sie noch recht oft zu hören. Möchte doch die Regierung endlich einmal die Bahn bauen, die sic au« strate gischen Rücksichten schon lange geplant hat und die mitten durch meinen Wald gehen soll; — nur damit Sie hier bleiben und die Mittwochsabende so fröhlich weiter gehen." „Auch ich werde mich sehr nach diesen Abenden sehnen," ent gegnete Hehd, „doch der schönste Traum nimmt einmal ein Ende, dagegen läßt sich doch nicht kämpfen; aber wenn e« Ihnen recht ist, will ich Ihnen gern noch ein Lied singen — vielleicht da letzte — denn am nächsten Mittwoch bin ich jedenfalls wieder in Dirschau, und wer weiß, wa« dann kommt." Der Baumeister stand auf. Hertha dachte jetzt nur an seine letzten Worte, die sie viel lieber nicht gehört hätte. Seitlich an« Fenster hatte sich Hehd gestellt, der nun Lortzing« Zarenlied anstimmte. Aber wer jemals diesen Vortrag des Baumeister« gehört, wer jemals diese hohe, kräftige Gestalt gesehen, au« deren schönen, fast stolz erscheinendem Gesicht ein friedlicher Blick und ein fester Wille sprach, der konnte fühlen, wa« der Zimmermann von Saar dam für ein hochherziger Fürst gewesen, der seinem Volle, seinen Russen, in Liebe die Kultur de» Westen» bringen wollte. * * * Ach: Tage später saß der Oberförster in seiner Kanzlei und öffnete, wie gewöhnlich de» Morgen«, die Posttasche mit dem zweiten Schlüssel — den ersten hatte der Postvorsteher in der Stadt. Er entnahm die eingegangenen Postsachen und fand zu seinem nicht geringen Erstaunen einen großen Brief, den er von beiden Seilen aufmerksam betrachtete. Wieder drehte er ihn um und la»: Absender: John stänkere)-, noturx lütiicugo River Street Ur. 21 United Stutes ok America. Vorsichtig öffnete der Oberförster die Briefhülle und entnahm ein Schreiben in der Form eine« Aktenstückes, in dem ein wohl versiegelter Brief lag. Dann nahm er auch diesen Bries und la» ihn hastig durch. Er la» ihn abermals und ging erregt im Zimmer aus u. ab. Wa« mache ich da? fragte er sich nach einer Weile und blieb am Fenster stehen. Ich möchte zu Wildenau hinüber, dachte er, und sann ein Weilchen nach. 'Nein, sagte er dann, ich werde zum alten Thielc- mann fahren, der weiß Bescheid und hat immer die richtige Meinung — oder ob ich nicht lieber selbst nach Graudenz fahre, um mich dort nach ihm zu erkundigen? denn schreiben? — da« giebt nur Weitläufigkeiten und hier heißt e« schnell handeln. Mit dem Brief in der Hand sah der Oberförster nach seinen stillen Vertrauten — den alten Buchen und Eichen. Dann öffnete er den unteren Schubkasten seine« Schreibtische«, legte behutsam diese Briefe hinein, nahm einen Briefbogen, schrieb eiligst einige Zeilen darauf und schloß ihn in die Brieshülle. Er wird mir gern den Gefallen thun, das weiß ich, und da er ohnehin in diesen Tagen dorthin reist, so wird e» ihm ein Leichte« sein, sich nach diesem Manne zu erkundigen, sagte sich der Ober förster und eilte die Treppe hinunter. Er ließ schnell anspannen und rief seinem Sekretär zu, der soeben mit Nimrod, dem braungeflecktcn Jagdhund, au« dem Walde kam: „Fahren Sie, bitte, doch schnell zur Stadt, Herr Herrmann, und geben Sie diesen Brief dem Herrn Baumeister Hehd. Sollte der Herr dort sein, so wird er sogleich mit zurück kommen. Ist er aber abwesend, so möchte der Wirth ihm den Bries sogleich übergeben, sobald er zurückkehrt." Gewissenhaft führte der Sekretär diesen Auftrag au«, er fand aber den Baumeister nicht im Hotel. Auf seine Anfrage beim Wirth erfuhr er dann, daß der Baumeister gestern früh 4 Uhr da« Hau« verlassen habe und die Nacht gar nicht da gewesen war. Wohin er gehe und wo er bleibe, da« sage er, der Bau meister, niemals, denn e» komme sehr ost vor, daß er wcgblcibc. „Aber sowie er kommt, soll er sofort den Brief erhalten." Diese Mittheilung machte der Sekretär dann auch seinen: Vorgesetzten, der ihn am Eingänge von Lindenheim empfing. In Gedanken schritt der Oberförster in den Garten, hinter ihm her die beiden Teckel. E« war schon da» Beste, daß ich an Hehd geschrieben, nun werde ich auch warten, bi» er kommt. Al« am nächsten Morgen der Oberförster wieder die Post tasche leerte, sah er eineck Wagen vom Berge herunterjagen. Er eilte sogleich, den Baumeister zu empfangen, vor die Thür. „Guten Morgen, Herr Oberförster," eilte ihm Hehd entgegen. „Ich bitte um Entschuldigung, daß ich erst jetzt zu Ihnen komme. Ich empfing Ihren werthen Brief erst heute Nacht zwei Uhr, al» ich nach Hause kam; hätte ich nur ahnen können, daß Ihnen meine schwachen Kräfte nützen, so wäre ich schon längst zu Ihnen geeilt." „Aber ich bitte recht sehr, Herr Baumeister, entschuldigen Sic mich nur, denn ich störe Sie gewiß in Ihrer besten Arbeit. Zwar ist e« eine wichtige Sache, die ich zu erledigen habe, und in der ich Ihre große Liebenswürdigkeit in Anspruch nehmen möchte; indessen ob e« un» überhaupt gelingen wird, diesen Auf trag nach Wunsch zu erledigen, da« wird erst die Zeit lehren. Nun, so lapen Sie un« nach oben gehen, Herr Baumeister, dort sind wir ungestört, denn mein Sekretär ist nach Birkheim hinüber, um mit dem Förster Rudow den Fischottern nachzuspüren." „Herr Baumeister," begann der Oberförster, al» er an seinem Schreibtische Platz genommen. „Ich habe den Auftrag bekommen, mich in Graudenz nach einem Herrn zu erkundigen, dessen Per sönlichkeit in einer bestimmten Sache von größter Wichtigkeit ist. Nun hätte ich die» ja freilich auch selbst thun können, doch bin ich augenblicklich mit Arbeiten derartig überhäuft, zumal der Landforstmcister auch noch in Sicht ist, daß ich jetzt unmöglich abkommcn kann, und von den vielen Schreibereien halte ich nicht». So möchte ich Sie denn bitten, Herr Baumeister, sich nach diesem Herrn zu erkundigen, und zwar in Graudenz, wie ich schon er wähnte, wohin Sie ja ziemlich häufig kommen." (Fortsetzim, folgt.)
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