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- Erscheinungsdatum
- 1898-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189803038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18980303
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18980303
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1898
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Monat
1898-03
- Tag 1898-03-03
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Monat
1898-03
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Jahr
1898
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Locale und sächsische Nachrichten. — Hundehübel. Der I. die-jährige Bußtag in nächster Woche bringt wieder den Werberuf für die Lieberarbeit der inneren Mission. 50 Jahre sind e» nun her, seit Kandidat Wichcrn au» Hamburg in brennender Barmherzigkeit mit den Aerwsten de« Volke», mit den Verdorbenen, Verachteten und Ver kommenen auf dem Kirchentage in Wittenberg solch edle» Werk in Deutschland begründete. »Seit jenem Tage von Wittenberg begann ein wunderbare» Regen in deutschen Landen. Ein Hau« nach dem anderen entstand für die Aermsten und Elendesten de» Volke« ; für Kranke, Verwahrloste, Verlassene, Gefallene, Trunk süchtige, für Blöde, und dann wieder für Gesellen und Lehrlinge, Jünglinge und Jungfrauen, für Wandernde und Heimathlose, wie für Alte und Gebrechliche entstanden Stätten de« Frieden«, Anstalten, Vereine, in denen Tausende liebevolle Aufnahme und Pflege, christliche Gemeinschaft und den Glauben, den Heiland, wiederfanden." Auch unser liebe», sächsische« Vaterland blieb von diesem Geiste christlicher Barmherzigkeit nicht unberührt. Nach der schon früher im Jahre 1844 erfolgten Gründung der Dresdner Diakonissenanstalt erblühte, vor Allem in Folge de« Zusammenschlüsse» aller Einzelbestrebungen für Innere Mission zu einem LandcSveriin vor reichlich 30 Jahren, in immer größerem Maaße in Rettung-Häusern, Heimstätten für Kranke, in Jüngling«-, Männer- und Jungfrauenvereinen, in Gemeindediaconie, Ver breitung christlicher Schriften u. A. m. eine mannigfache Thätig- keit der inneren Mission. Alle» da» wäre aber nicht zustande gekommen ohne die Opsersreudigkeit christlicher Freunde im ganzen Lande. Auch bei der letzten Collekte am I. Bußtag 1807 hat sich dieselbe herrlich bewährt: ein bi» dahin noch nie erreichter Ertrag von 19,800 Mk. konnte damals vertheill werden. Möchte die jetzige Collekte von der im Vorjahr erreichten Höhe nicht wieder herabsinken! »Unser Sachsenrokk hat in diesen, Jahre einen besonderen Grund Dankopfer zu bringen, wo unsre» König- Majestät auf eine 25 jährige glückliche Regierung zurückschauen darf. Unter dem Schutze seiner Regierung hat auch unser Friedens werk allenthalben einen schönen gesegneten Fortgang genommen. Im ganzen Lande rüstet man sich zu einer würdigen Fcstseier, vielfach sucht man durch Stiftungen für wohlthätigc Zwecke da» Gedächtniß de» RegicrungSjubiläum» unsere» König« sestzuhalten. Wäre e» nicht angezeigt, anläßlich diese« schönen Feste« auch in die Hände de» Lande»vcrein« für innere Mission eine größere Summe zu legen, damit er eine der vielen Aufgaben, denen er noch au« Mangel an Mitteln rathlo» gcgenübersteht, in Angriff nehmen könnte? Möchten doch, die von Gott gesegnet sind mit irdischen Gütern, diese Frage und Bitte einmal in ihrem Kämmer lein erwägen! Und möchten alle lieben Freunde unserer Kirche und der inneren Mission, wenn an dem Bußtag die Becken an der Kirchthür stehen werden, diese Gelegenheit zu einer recht reich lichen Stiftung aus den Altar der Barmherzigkeit benutzen! — Auch ist jede« Pfarramt gern bereit. Gaben für die innere Mission auch vor wie nach dem Bußtage in Empfang zu nehmen. — Leipzig, 28. Februar. Von verschiedenen Seiten wer den jetzt Mittheilungen veröffentlicht, wonach in naher Zukunft die Errichtung eine« zweiten sächsischen Armeekorps, die Begründung eine« neuen Generalkommando« in Leipzig, und da mit in Verbindung wichtige Truppenveränderungcn zu erwarten seien. Demgegenüber ist da« »Leip;. Tgbl." nach cingezogener Erkundigung zu der Erklärung ermächtigt, daß an maßgebender militärischer Stelle hier von bevorstehenden Neuerungen der ge dachten Art picht« bekannt ist. — Crimmitschau, 28. Februar. Ein Beispiel großer Entartung hält gegenwärtig die Gemüther hier in Aufregung. Letzter Tage ist au« der hiesigen Bürgerschule ein Mädchen, da« nächste Ostern konfirmirt werden sollte, wegen unsittlichen Lebens wandel« verwiesen worden. Betheiligtc sind in der traurigen An gelegenheit vier Realschüler, von denen drei konfirmirt sind und bereit« ihre unfreiwillige Entlassung au« der Anstalt erhalten haben. — Lommatzsch. Am Freitag Morgen entstand in der Scheune de« Maurers Schäber in Leuben Feuer, welche» der Besitzer selbst angezündet hatte. Derselbe, ein Trunkenbold, begab sich in die brennende Scheune und sah schadenfroh zu einem Fenster derselben heraus, hörte auch nicht auf die Worte der Bewohner, da» brennende Gebäude zu verlassen. Später fand inan im Schutt den verkohlten Leichnam de» Brandstifter«. — Löbtau, 28. Febr. Bei der behördlichen Untersuchung der Massenvcrgiftung durch Dreierbrötchen ist noch Folgen der festgestellt worden: Nach dem Quantum de« Vorgefundenen Gifte«, e« ist Arsenik, und zwar in außerordentlich reichlichem Maße, über ein halbe« Pro;, ist festgestellt worden, sodaß in dem betreffen den Sacke mindesten« ein halbe« Pfund davon enthalten gewesen sein muß, ist nun anzunehmen, daß da« Gift nicht von ungefähr in den betreffenden Sack gekommen ist. Man neigt daher zu der Annahme hin, daß e» sich um einen nichtswürdigen Buben streich oder um einen, indirekt auf den hart betroffenen Bäcker meister abzielenden Racheakt handelt. — Lengenfeld i. V., 26. Februar. Die neuen Eisen bahnbauten werden eine tiefgreifende Veränderung der hiesigen Bahnhofsverhältnisse mit sich bringen. Der alte Bahnhof wird völlig verlassen werden und der neue nördlich der Polenzstraße zwischen der Straßengabelung bei Herrn Dietrich- Fabrik und der Straßenunterführung unweit der Fabrik der Firma E. F. Lenck zu liegen kommen. Der neue Bahnhof wird sich dort in der Gegend der heutigen Sandgrube in einer Breiten- auSdehnung von 90 u> und in einer von Nordost nach Südwesl gerichteten Längenausdehnung von 900 m al« tiefer Terrain einschnitt in da» bergige Gelände hinein erstrecken. Der große Damm, welcher in weitem Bogen jetzt da« Göltzschthal durchquert, fällt fort, an seiner statt werden zwei kürzer gefaßte, aber doch bedeutende Eisenkonstruklionen da« Thal überbrücken, deren eine sich au« dem Bahnhossplanum herau» südöstlich (in der Richtung Falkcnstein), deren anderer Schenkel sich südwestlich (Richtung Mylau) entwickelt. Diese Thalpariie verspricht sonach infolge dieser doppelseitigen Eisendahnüberbrückungen ein ganz neue» und sicher nicht unschöne« Bild hervorzuzaubern, da« der Scenerie einen neuen Reiz gewährt. Die Zwickauer Bahnlinie wird ihren bisherigen (alten) Lauf bereit» vor dem jetzigen Einschnitt ober halb Lenck« Schutzleich in einer Höhe von 390 in verlassen und östlich einbiegend rasch in den neuen Bahnhof einmünden. Die neue Anlage wird den Uebelstand an sich haben, daß der neue Bahnhof dem Centrum der Stadt um ein ansehnliche« Stück Weiler entrückt wird. Er wird aus Grüner Flur liegen. — Reichenbach i. B., 28. Februar. Einen tollen Streich, der Viele in Schreck versetzte, hat sich gestern ein junger Mann, der von Netzschkau, wo er in Stellung ist, zum Vergnügen nach hier fuhr, geleistet. In dem Zuge, welcher Abend» gegen 7 Uhr hier von Plauen einlrifft, hat der Betreffende mitten aus der Göltzschihalbrücke, angeblich um die Heizvorrichtung aus »Kalt" zu stellen, die Nolhbremse gezogen. Mit einem gewaltigen Ruck und unheimlichem Rauschen der Luftbremsen stand der Zug plötz lich und alle« fragte entsetzt nach der Ursache. Die Thüren wußten indessen geschloffen bleiben, denn al» bei der schmalen Passage ein Wagenwärler unter dem stehenden Zuge umheikroch, sauste auch schon in entgegengesetzter Richtung ein Zug über die Brücke. Der Aufenthalt dauerte gegen 10 Minuten. Bei der Ankunst hier wurde ein Protokoll ausgenommen; der junge Mann wird eine empfindliche Geldbuße für seinen angeblichen Jrrlhum zu entrichten haben. — Bergen bei Adorf, 26. Februar. Eine eindringliche Warnung vor unvorsichtigen Umgang mit Petroleum hat der dieser Tage erfolgte Tod de« Schneider« und Haus besitzer» Alwin Gottreich Hauei» hier ertheilt. Der Mann hatte am 21. Oktober »origen Jahre» einen Ballon Petroleum von dem hiesigen RittergutSgchöste weg nach seiner unweit davon ge legenen Wohnung zu bringen. Statt sich aber hierzu eine» Fahr zeuge» zu bedienen, schwang er den Ballon aus die Schulter, wobei da» Gefäß zersprang, sodaß sich der Inhalt desselben auf die Kleidung de» Manne« ergoß. Am Oberkörper mit Oel gänz lich durchnäßt, legte Hauei« in seiner Wohnung nur den Rock ab und machte sich sodann am geheizten Ofen zu schaffen. In dem nämlichen Augenblick, in dem er mit dem rechten Arme sich dem Feuer näherte, erfaßten ihn die Flammen und setzten seine Kleider in Brand. Liner Feuersäulc gleich, lief er dem nahen Slrobel'schen Teiche zu und stürzte sich daselbst in« Wasser. Die Flammen erstickten hierdurch, aber der Körper de» Manne« war an vielen Stellen schrecklich verbrannt. Nackt und halb ohnmächtig schlich er sich nach Hause, wo er unter furchtbaren Schmerzen -usammenbrach. Herr I>i. nieü. Heckel in Adorf, der ihn zuerst in Behandlung nahm, bewirkte seine alsbaldige Uebersührung in da« städtische Krankenhau« zu Adorf. Unter den Händen treuer Pfleger erweckte er hier Hoffnung auf Wicdcrgenesung. Kurz vor Weihnachten sehnte er sich heim zu den Seinen. Dorthin zurückgebracht, verschlimmerte sich sein Zustand von Woche zu Woche. Mit den rasch abnehmenden Kräften verband sich Wasser sucht, die den Tod de« Unglücklichen herbeiführte. — Dienstsuchende Mädchen, sowie deren Eltern und Vormünder möchten wir darauf aufmerksam machen, daß der Verein „Volkswohl" in Dresden seit Jahren eine Dien st Vermittelung eingerichtet hat, welche sich von Jahr zu Jahr sowohl bei stcllensuchenden Mädchen, als auch bei den Herrschaften einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Die Stellenvermitte lung, welche hauptsächlich in der Absicht errichtet worden ist, solche Mädchen, die in Dresden fremd sind, vor den Gefahren der Großstadt und vor Aus beutung und Irreleitung zu bewahren, wurde im Jahre 1897 von 1912 Herrschaften und 1177 Mädchen benutzt. Der Verein nimmt von den Mäd chen nur eine einmalige Vermittelungsgebühr von 2K Pf., und da die Nach frage der Herrschaften eine sehr große ist, so ist jedes ordentliche Mädchen sicher, daß es auf eine Stelle nicht lange zu warten braucht. Günstig ist noch besonders, daß die erwähnte Stellenvermittelung sich im „Mädchenheim" des Vereins „Volkswohl", Ammonstr. 24, Part. (5 Minuten vom Böhmischen Bahnhöfe entfernt» befindet, wo die Mädchen gleichzeitig zu den niedrigsten Preisen, wöchentlich 3 Mk. 70 Pf., täglich 70 Pf., Wohnung, erstes Früh stück und Mittagessen erhalten können. — Da Herrschaften die zu miethenden Mädchen am liebsten persönlich sehen wollen, so ist es zu empfehlen, daß die Mädchen sich nicht auf die Einsendung ihres Dienstbuches beschränken, sondern selbst nach dem „Mädchenheim" kommen. —- GraSlitz. Am Sonnabend sind die beiden 12 bez. 14jährigen Töchter der Familie Sandner beerdigt worden. Die schwerverwundete Mutter, Frau Marie Sandner, liegt noch be wußtlos in einem von der MordsleUe etwa 12 Minuten entfern ten Hause; ihr ist der Schädel durch zwei Hiebe zerschlagen, sie wird kaum mit dem Leben davon kommen. In der Stube da neben liegt ihr 23 Wochen altes Enkelkind mit verbundenem Kopfe. Die 84 Jahre alte Großmutter befindet fick jetzt im Krankenhause zu GraSlitz. Wie verlautet, hat die Gendarmerie die Spur des Mörders entdeckt, doch hat man ihn noch nicht ergreifen können. ES ist ein aus Roßbach in Böhmen gebürtiger Landstreicher, der Kleidungsstücke verkauft hat, die die Beraubten als ihr Eig-nthum erkannt haben. Gedenktage zum 25 jährigen Negierung»- ZuSiläum König Alverts von Sachsen. 3. März. 1871. Kronprinz Albert von Sachsen verabschiedet sich in einem längeren Armeebefehl von der von ihm von Sieg zu Sieg geführten Maasarmee. 4. März. 1848. Der jetzige Kommandirende General des 12. Armeekorps, Prinz Georg, beginnt beim 2. Jnf.-Reg. den praktischen Dienst. Wuke und Beschäftigung. Ruhe, diese Pause de» ihäliz sich äußernden Leben», dieser scheinbare Verlust derselben, trägt doch am meisten zur Verlänger ung der Lebensdauer bei; gänzliche Ruhelosigkeit würde dieselbe am ehesten verkürzen. Die Natur hat un« darauf hingewiesen, daß eine unausgesetzte Thätigkcit und Bewegung ein Ding ab soluter Unmöglichkeit für den menschlichen Organismus ist, wenn wir nicht durch zu schnelle» Leben einen zu frühen Tod herbei führen wollen. Wenn die- schon für den Körper gilt, wie viel mehr für den Geist. Ein Mensch, der stet» arbeitet, ohne sich eine Erholung zu gönnen, immer nur in Angst und Hast sich befindet, daß er sein Werk vollbringe, nur daran denkt, an ein bestimmte« Ziel zu gelangen, ist zu bedauern, er hat keinen Sinn sür seine Umgebung, für Natur und Kunst, oft nicht für die ihm Nahestehenden. Ebenso bedauernswcrth sind Diejenigen, welche NahrungSsorgcn zwingen, über ihre Kräfte ohne Rast und Pause zu arbeiten, die bei aller Neigung für da- Edle, Hohe u. Schöne dennoch nicht frei umherschauen können, denen weder Zeit noch Mittel bleiben, sich den einfachsten Lebensgenuß zu verschaffen. Unaufhaltsam müssen sie vorwärt» streben, oft nur, um bei dem ewigen Einerlei einer mechanischen Beschäftigung ihr Leben wie ein Majchinenrad den steten Rundlauf abrollen zu sehen. Hat die Natur einen Wechselzustand von Ruhe und Thätigkeit ge schaffen, um den Verbrauch der Lebenskräfte aufzuhalten, so haben menschliche Satzungen ihre Weisheit nachzuahmen gesucht und nach den Arbeitstagen die de» Feiern« eingesetzt. Da» herrlichste Symbol de« nothwcndigen unentbehrlichen Ausruhen» nach vol lendeter Arbeit gab un» Mose» in seiner Geschichte der Schöpf ung, die er al» Werke Gotte« in bestimmte Abschnitte eintheilt. Also selbst den höchstgedachten, nie zu ergründenden Schöpfer, dessen Walten sich von Ewigkeit zu Ewigkeit in der sich stet« er neuernden Natur bekundet, ließ die menschliche Phantasie auSruhen von seinen Werken, auf daß er sehe, daß Alle» gut sei. Da« Prinzip aller Festtage, denen sich die vom Staate eingeführten anreihen, ist da« AuSruhen von alltäglicher, oft geistig, oft körper lich aufreibender Arbeit, um innere Sammlung zu gewinnen, einer erhebenden Erinnerung, einer großen Idee oder sich reli giösen Betrachtungen gemeinsam mit Gesinnungsgenossen zu wid men. Auch eignen sich die Feier- und Ruhetage dazu, um Rück schau aus unser eigene« Thun und Treiben zu halten, um zu sehen, ob Alle« gut sei; und den Blick zu erweitern über die eng begrenzte Welt der Alltäglichkeit hinau«, damit er freier und verständnißvoller zu den eigenen Verhältnissen zurückkehre. Ferner müssen die Feiertage mehr al» Familienfeste gehalten werden, an denen die Eltern sich »oll und ganz ihren Kindern hingeben, um ihnen da» köstliche Gut, da» Elternhaus, zu eigen zu machen. Heiterer Lebensgenuß und Lebentfreudigkeit braucht nicht durch dir Feiertage verdrängt zu werden. Ebenso mögen die Feiertage dazu Veranlaffung geben, um Gastfreundschaft im edelsten Sinne zu üben, wie e» bei den Alten der Fall war, wo jeder Fremd ling, der an de» Hause« Pforte zu solcher Zeil pochte, einer freundlichen Aufnahme gewiß war. Wenn wir die» in unseren gegenwärtigen Verhältnissen auch nicht im weitesten Sinne de» Worte» auffassen möchten, so giebt e« doch keine schönere Festes freude, al« solche Gäste um sich zu sehen, die nicht nur kommen, um Tafelsreuden mit un» zu theilen, sondern die zur Erhöhung unserer festlichen Stimmung beitragen. Ganz vorzugsweise sollten Festtage zu Spaziergängen und Ausflügen in die Natur benutzt werden. Lin Gang durch den stillen Wald, ein Verweilen auf lichter Berge«höhe oder am klaren See, ja schon der Aufenthalt in einem wohlgepflegten Garten stimmt andachtsvoll und erheitert, erfrischt da« Gemüth. So wie Derjenige, der nach gesundem Schlaf erwacht, mit Leichtigkeit und Frohsinn an die TageSarbeit geht, so beginnt jeder an Thätigkeit gewöhnte Mensch nach ge nossenen Ruhetagen auch gern wieder seine unterbrochene Be schäftigung. Die vürgerliche Hante. Novelle von Doris Freiin v. Spättgen. <4. Fortsetzung.) Trotzdem reiste er einige Wochen später nach jener Stadt, in welcher Ella» Eltern wohnten, ab. Den heißen Wünschen seine« Herzen« in offener, ritterlicher Weise Au-druck gebend, stellte er sich diesen vor. Die Geliebte sah er nur einen Moment von fern, aber in den braunen Augen la« er da« Geständniß ihrer Liebe. Gras Gcierstein« mit militärischer Knappheit gegebene Ant wort war ein bestimmte« »Nein". Er sagte, man müsse dergleichen sentimentale und fruchtlose Regungen de« Herzen« durch eiserne Willenskraft bekämpfen, da sei ganz besonders Soldatcnpflicht! Wenn er auch der innigen Neigung de« jungen Paare« immerhin Rechnung tragen wolle, so müsse er frei bekennen, daß ihnen nicht« andere« übrig bleiben würde al» jahrelange« Warten, bi« sein Avancement zum Ritt meister eine Heirath ermögliche. Daß solche Art Verlöbnisse sich meist al« eine Fessel erwiesen, davon habe man hinlänglich Beweise. Wie ein Gefangener, so rüttelte er an seinen Ketten! Nir gend« ein Ausweg — nirgend« Rettung! Ella ausgeben, diese» süße Gesicht, diese herrliche Gestalt nie mehr sehen — niemals mehr in diese Sonnenaugcn schauen! War da« nicht schlimmer, als ewige Nacht und Tod? Aber die Worte de« alten Militär« waren ihm dennoch tief zu Herzen gegangen. E« war eine» Soldaten unwürdig, sich sentimentalen Schmerzen-auSbrüchen hinzugeben! Da« »Muß" wurde ihm zum strengen Lehrmeister. Als er zwei Monate nach jener Begebenheit wieder seinen Dienst zelhan und im täglichen Einerlei de» Dasein» ähnlich wie eine Tretmühle einherschreilen mußte, da war c« ihm manch mal, al« ob alle jene bittersüßen Erinnerungen weit, weit in nebelgraue Ferne gerückt wären, au» der sich nur ab und zu eine sonnige Lichtgestall grüßend zu ihm hinüberneigte und flüsterte: »Ich bleibe Dir dennoch treu bi« in den Tod!" Ein Jahr später war der Baron vermählt. Nicht au« über schwänglicher Liebe — denn diese gehörte nur einem Wesen auf Erden — hatte er die zarte, blonde Frau gewählt. O nein, lange und hartnäckig hatte er sich gegen die Ehe gesträubt; allein sein Bruder wußte ihm mit seltener Beredsamkeit alle Bortheile dieser Heirath klar zu machen. Die junge Dame trüge schon lange eine innige Neigung zu ihm im Herzen, sie wäre eine der besten Partien der Provinz, und so weiter. Er fühlte sich auch nicht mehr sterbensunglücklich, da« Leben dünkte ihn nur so fade, so ohne allen Reiz. Da, mit einem Male — sein Aeltester vermochte den Namen de« Vater» kaum zu lallen — sollten alle kaum verharschten Wunden wieder aufgerissen werden. Sein Bruder starb kinderlos, und er selbst, der unbedeutende Offizier, dessen knappe Zulage sich zur Gründung eine« Haushalte» al» unzureichend erwiesen, er ward mit einem Schlage einer der begütertsten Männer weit und breit. O Schicksal«tücke! Sein erster Gedanke war an Ella Geier stein, und wie vou elementarer Gewalt niedergeschmettert, sank der starke Mann unter dem Druck dieser Gedanken zusammen. Deswegen grollte er der Vorsehung fort und fort, und wie ein Wurm nagte e« stet- an seinem Herzen. Ein verfehlte» Leben lag hinter ihm. Und Ella? Er hatte nie mehr etwa« von ihr vernommen — konnte, wollte nicht« Nähere« von ihr wissen. Wozu auch? Ob sie wohl noch lebte? O, vielleicht war auch sie längst die Gattin eine« anderen Manne« geworden und blickte, der einstigen Jugendliebe gedenkend, lächelnd auf eine zahlreiche Kinderschaar herab. Solche und ähnliche Gedanken bewegten Baron Hayden« Gemüth. Er stand auf und schlenderte den anmuthigcn, an der Tepel entlang führenden Weg dem Posthof zu. Die Luft war mild und nervenstärkend, aber noch standen Bäume und Sträucher im tiefsten Winterschlaf«. Nirgend« ein grüne» Blättchen, nirgend« ein Halm, nur die Spatzen ließen ihr lustige-, lärmende» Piepen erschallen und hin und wieder flog ein gejchäftiger Star um da» kahle Gezweig. Baron Hayden nahm, damit die erfrischende Luft ihm un gehindert um die Stirn jpielen konnte, den Filzhut ab, wa» jedoch zwei gerade an ihm vorüberschreitende Damen veranlaßte, diese Bewegung al« Gruß anzusehen. Erstaunt, indes höflich dankten sie; im selben Moment aber schaute der große Mann in ein Paar auffallend schöne braune Augen. Sein Herzschlag stockt«. Allmächtiger — wer — wer in aller Welt hatte solche Augen? Nur einmal im Leben waren sie ihm begegnet. O, niemals hätte er den madonnenhaften Au«druck, der in ihnen lag, vergessen können. Die Damen, eine kleine starke und eine hohe schlanke Ge stalt — ja, e« war dieselbe im dunkelblauen Anzug, welcher er vor kaum einer Stunde bereit» bewundernd nachgeblickt — waren rüstig weiter geschritten, und immer noch stand der Baron an derselben Stelle wie gebannt. Doch nun ermannte er sich und lief den Fremden eiligst nach. Ohne von ihnen bemerkt zu werden, folgte er ihnen in an gemessener Entfernung. Sie bogen in die alte Wiese ein und betraten eine« der am Anfänge gelegenen Häuser. Nachdem er sich dessen Namen angesehen, schritt Baron Hayden nach dem »Elephanten" zurück und verlangte die Kurliste. Bald sollte sein« Neugierde befriedigt werden. Da« bewußte Logierhau« beherbergte außer einem Ehepaar und mehreren einzelnen Herren nur zwei Damen. Hier standen die Namen:
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