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Amts- M AiizeiMt für den tLM'L SkNlk des Amtsgerichts Eibenkock Expedition, bei unfern Bo- < ten, sowie bei allen Reichs- Postanstalten. und dessen Umgebung. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: E. Hannebohn in Eibenstock. N. Jahrgang. — Donnerstag, den 18. November ' «-»scheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Jn- serlionspreis: die kleinsp. Zeile 10 Ps. IS«S K»nr«rSverfahre». In dein Konkursverfahren über das Vermögen des Mühlenbesitzers Rl»x AI«rtt« in Sosa ist in Folge eines von dem Gcmeinschuldner gemachten Vorschlags zu einem Zwangsvcrgleiche Vergleichstermin auf den 10. Dezember 1897, Vormittags 11 Miss vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst anberaumt. Eibenstock, den 12. November 1897. Aktuar I^Leäriod, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Bekanntmachung. Am 15. November dss. Js. ist der 4. Termin der diesjährigen städt ischen Anlage» fällig gewesen. Zu dessen Entrichtung ist eine 3 wöchige Frist nachgelassen. Es wird dies mit dem Bemerken bekannt gegeben, daß nach Ablauf dieser Frist ohne vorhergegangene persönliche «Erinnerung das Zwangs- vollstreckungsvcrsahren eingeleitet werden wird. Eibenstock, am 16. November 1897. Dcr Ratli der Stadt. H-sse. Bg. Zum Dreyfus-Prozeß. Es schien in den letzten Tagen schon, als ob die vom Senator Scheurer-Kestner wieder aus» Tapet gebrachte Drey- fu»-Affairc wie früher so oft schon auch diese« Mal nach und nach einschlafen sollte. Die Regierung hatte vor etwa acht Tagen eine Note publiziren lassen, in welcher kategorisch er klärt wurde, Dreyfu» sei in ordnungsmäßiger und gerechter Weise vom Kriegsgericht verurlheilt worden und die Ver- urlheilung bestehe mit allen ihren Folgen fort. Da dem Justizminister, so hieß er in dcr betr. Note weiter, weder eine neue Thatsache, noch ein bisher unbekanntes Schriftstück unterbreitet worden sei, kann die Regierung nur auch weiter für die Vollstreckung de« UrtheilS Sorge tragen. Mit dieser Note war scheinbar zur großen Genugthuung aller Gegner de« Dreyfu« die ganze Angelegenheit begraben — aber auch nur scheinbar! Im Grunde besagte die betreffende Note nur, daß Scheurer-Kestner bi« jetzt weder dcr Regierung überhaupt noch insbesondere dem Justizminister (der allein das Recht hat, die Revision eine« UrtheilSspruche« zu beantragen) da für einen solchen Fall erforderliche, bisher unbekannte Schrift stück oder unbekannte Geschehniß unterbreitet hat, aus welchem die Unschuld de» Verurtheilten hervorgehen soll. Die Note war aber ohne Zweifel absichtlich in dieser scheinbar die Be hauptungen Scheurer-Kestner» entschieden ablehnenden Form abgesaßt worden, weil kurz vorher einige Deputirtc der Re gierung ihre Absicht mitgetheilt hatten, sic in der Kammer über die DreyfuS-Affaire intcrpellircn zu wollen und die Regierung dieser Interpellation auf alle und jede Weise auS- weichen wollte. Aber wie dem auch sein mag, die betreffende Note übte auf jeden Fall ihre abkühlende Wirkung auf die öffentliche Meinung aus, die Dcputirten verzichteten auf ihre Interpellation und da Scheurer-Kestner auch mehrere Tage nicht« mehr von sich hören ließ, fing man schon an in Pari» zu glauben, daß Scheurer-Kestner da» Opfer irgend einer Täuschung geworden sei und daß er deshalb in der Affaire schon den Rückzug antrcte. In diesem Sinne wurde auch von der Dreyfu» feindlichen Presse eine am letzten Freitag vom „Figaro" publizirte, offenbar von Scheurer-Kestner selbst ausgehende Note interpretirt, in welcher c« hieß, Scheurer- Kestner werde demnächst dem Justizminister über die DreyfuS- Affaire Mittheilungen machen. Diese Ankündigung wollte man nach dem Vorangegange nen nicht mehr ernst nehmen, bis der „Figaro" an der Spitze de» Blatte» wieder neue ausführliche und höchst srappirendc Miltheilungen über die Angelegenheit unter dem Titel „I-v Dossier äe .11. Lclieurer-Kestner" veröffentlichte, die, wie au» Pari» gemeldet wird, die Gegner de« Dreyfu» geradezu konstcrnirt haben. Der „Figaro" erklärt zunächst, daß Scheurer- Kestner einen Advokaten de» Pariser CassationShofe» beauf tragt hat, dem Justizminister die vom Gesetze verlangte Ein gabe zu machen, in welcher, gestützt auf dem dem Senator Scheurer-Kestner zu Gebote stehenden reichen Material die Unschuld de» Dreyfu» nachgewiesen und demzufolge die Wieder aufnahme de» Verfahren« gegen Dreyfu» verlangt werden soll. Der „Figaro" begnügt sich aber mit dieser einfachen Meldung nicht, sondern verbreitet sich (offenbar au» erster Quelle schöpfend) über da» EntlastungSmaterial, welche» die Eingabe an den Justizminister zu Gunsten de« verurtheilten Dreyfu» enthalten wird. Scheurer-Kestner, so heißt c» zu nächst, werde in seiner Denkschrift in keiner Weise die Mit glieder de» Krieg»gericht» anfechten, welche Dreyfu» verur- theilt haben, denn diese mußten nach den ihnen damal» vor liegenden Dokumenten an die Schuld de» Dreyfu» glauben. Scheurer-Kestner wird sich bei seinem Verlangen auf Revision de» UrtheilS einzig und allein aus Thatsachen stützen, die au» der Zeit nach dem Prozeß daliren. Wie er nämlich bc- hauplet nachweisen zu können, sollen nach der Verurtheilung und der Deportirung de» Dreyfu« noch dieselben verräther- ischen Manipulationen im Krieg-Ministerium vorgekommen sein, wegen deren Dreyfu» verurlheilt wurde. Einige ver dächtige Persönlichkeiten, die aber nicht überführt werden konnten, wurden deshalb entlasten und eine dieser Persönlich keiten, ein Offizier, der wegen seiner verdächtigen Beziehungen au» dem Heere entfernt worden ist, soll der wirkliche Urheber de» Schriftstücke« sein, aus welche» hin Driyfu» verurlheilt wurde. Dcr „Figaro" nennt den Namen diese» Offizier» nicht, er sagt nur, daß dessen Garnison in der Nähe von Pari» lag und daß er infolge seiner verdächtigen Beziehungen gezwungen worden sei, au» der Armee auSzutrcten. Dieser Offizier sei in der Pariser Gesellschaft sehr bekannt gewesen, habe noch gegenwärtig seinen Wohnsitz in einem reichen Viertel der Hauptstadt, sei im Besitz de» AdelSlitel», verhciralhet und mit sehr angesehenen Familien verwandt. Scheurer-Kestner will materielle Beweisstücke dafür besitzen, daß dieser Offizier mit dem Schreiber de» Schriftstück», welches die Verurthei lung des Dreyfu« zur Folge hatte, identisch sei. Wa« die Sache im Uebrigcn komplizirt mache, sei der Umstand, daß nach dem Prozeß dem Kriegiminister ein Brief gebracht wurde, welcher von einer fremden offiziellen Persönlich keit an eine andere fremde offizielle Persönlichkeit gerichtet war und worin der Verrath de« Dreyfu« zugegeben wurde. Scheurer-Kestner erklärt diese» Schriftstück, das in demselben Papierkorb aufgesunden wurde, wie da» Verzeichniß, auf welche« hin Dreyfu« verurlheilt wurde, für gefälscht, indem er gleichzeitig darauf aufmerksam macht, daß dieser Fund zum Wenigsten ein sehr außergewöhnlicher sei. Nach rem Aussehen, welche« dieser Prozeß gemacht habe, besonder« bei der Leichtig keit, mit welcher die in Frage kommenden fremdländischen Persönlichkeiten sich mündlich Mittheilung machen konnten, müsse man auf ein Manöver von Personen schließen, die ein Interesse haben, eine Schuld de« Dreyfu» zu begründen. Soweit der Figaro. Wenn dieser auch den Namen de« Offiziers verschweig«, welcher der wahre Schuldige sein soll, so will die „Liberia" doch aus den Andeutungen der „Figaro" erkannt haben, daß der betr. Offizier Denis Louis de Rougemont sei, welcher 1896, zwei Monate nachdem er zum ArtillcrieeSkadronSchcf in Bourge« ernannt worden war, den Abschied nahm. Rougemont wohnt in Pari», Boulevard Haußmann Nr. 160, wo ihn ein Mitarbeiter der Liberty aussuchtc. Rougemont erklärte, er habe niedrige anonyme Angriffe nur zu verachten. Sollte Scheurer-Kestner wagen, ihn nachher in dem Memorandum zu bezeichnen, so werde er sehen, wa» er zu thun habe. Inzwischen machen die Mittheilungen de« „Figaro" in Paris ungeheure» Aussehen. E» wird von dort telegraphisch gemeldet: Fast die ganze Presse fordert auf da« Energischste Scheurer- Kestner auf, er möge sofort den Namen de» von ihm angeschuldigtcn Offizier» öffentlich bekannt geben, um dem gegen eine Anzahl Offiziere auSgcstreuten Verdacht ein schnelle« Ende zu machen. Dcr von der „Liberte" genannte Artillerie-Hauptmann de Rougemont protestirt mehreren An fragern gegenüber gegen die unerhörte Verdächtigung. Meh rere Blätter erklären, die „Liberty" befinde sich im Jrrthum und konstatiren, de Rougemont, welcher übrigen» noch Schwa- drrnSchef in der Reserve ist, habe au» rein persönlichen Gründen demijsionirt. Die „Libre Parole" behauptet, da» Ganze sei ein mit Hilfe eine» hohen Beamten de» KriegS- minislerium« geschmiedete» Komplott. Dieser Beamte habe einen leichtfertigen Offizier umgarnt, um denselben zu kom- promittiren und im geeigneten Augenblick al« wirklichen Ver- räther hinstellen zu können. Hierzu wird weiter gemeldet: Senator Scheurer-Kestner hat an den ehemaligen Artilleriehauptmann de Rougemont ein Schreiben gerichtet, in welchem er sein Bedauern darüber ausspricht, daß der Name de Rougemont mit der DreyfuS- Affaire in Verbindung gebracht worden sei und de Rougemont gleichzeitig seine Hochachtung auSdrücktc. — Gegenüber solchen ungerechtfertigten Verdächtigungen ist e» um so dringender nolhwendig, daß Scheurer-Kestner genöthigt wird, den Namen de» Schuldigen zu nennen. Ferner wird au» Pari», 16. November, gemeldet: Der Bruder de« Hauptmann« Dreyfu» hat ein Schreiben an den Kriegsminister Billot gerichtet, in welchem er den ehemaligen Major Grafen Esterhazy beschuldigt, dcr Verfasser de» Briefe» zu sein, in welchem behauptet wurde, daß vertrauliche militärische Schriftstücke dem Agenten einer au»wärligen Macht au»geliefert seien, und welcher al« Grundlage für die Anklage gegen den Hauptmann Dreyfu» gedient hatte. Diese« Schreiben soll da« bekannte Verzeichniß sein. Der „Figaro" bemerkt hierzu, Gras Esterhazy habe an den Kriegiminister Billot ein Schreiben gerichtet, in welchem er gegen die Beschuldigung Einspruch erhebt und da« Verlangen stellt, sich vor einem Kriegsgericht rechtfertigen zu dürfen. Nach einer anderen Mittheilung soll Graf Esterhazy im September nach Italien gereist sein. Der von dem Bruder de» Hauptmann» Dreyfu» al« Urheber de« vielbesprochenen Begleitschreiben» angegebene Major Graf Esterhazy war im Jahre 1895 Bataillons kommandeur im 74. Infanterieregiment in Eorcux. Im Jahre 1896 wurde derselbe krankheitshalber zur Disposition gestellt. Graf Esterhazy ist ungarischer Abstammung. Wie mehrere Blätter berichten, ist derselbe bereit« im September in da« Ausland abgercist. Infolge dieser Veröffentlichungen dürfte die DreyfuS-Angelegenheit sowohl in der Kammer, al« im Senat zur Sprache gehracht werden. Tagesgeschichte. — Deutschland. Ueber die Militärstrasprozeß- Ordnung gehen die Nachrichten wieder auSeinanver. Von einer Seite wird gemeldet, der BundeSralh habe Militär- strasprozcßordnung und Einführungsgesetz bereit« angenommen, von der anderen Seite wird dagegen berichtet, der Bunde» rath habe zwar den Entwurf eine» Militärstrafprozesse» ein stimmig angenommen, aber noch nicht da« EinsührungSgesetz dazu, worin die Reservatsrage gelöst werden soll. Letztere Meldung ist nach Informationen der „Germ." zutreffend. — ES soll wieder zweifelhaft geworden sein, ob der ReichsvcrsichcrungS-Gesctzentwurf, der gegenwärtig den verbündeten Regierungen zur Prüfung und Aenderung vorliegt, überhaupt zur Berathung an den Reichstag gelangt, da dcr Entwurf manchen Bundesstaaten einen Verzicht aus einen Thcil ihrer Oberhoheit zumuthet. Dagegen sei cs sicher, daß die preußische Regierung auf dem Standpunkt stehe, daß der größte der Bundesstaaten für sich eine gesetzliche Regelung dcr Verhältnisse und Beziehungen de- PrivatversichcrungS- wcsen» hcrbeisühren müsse, wenn da» Reich für ein solche» nicht zu haben sein sollte. — In der letzten Reichstagssession sind belanntlich be deutende Mittel zur Verstärkung der Festungswerke de» Kieler Hasen« bei FriedrichSort, Müllenort und Laboe bewilligt worden. Jetzt sind die erforderlichen Arbeiten zu nächst gegenüber von FriedrichSort, an der schmälsten Stelle de» Hasen«, bei der sogenannten OrtSschanze, begonnen wor den. Dieser Punkt war schon 1848 in eine Festung umge wandelt worden, die Befestigungen wurden aber nach Be endigung de« damaligen Kriege» von den Dänen wieder ab gebrochen. — Ueber die Aufstellung von weiblichen Vertrauens personen in Württemberg zur Uebermiltlung von Beschwer den dcr Arbeiterinnen an die Gewerbe-Inspektoren theilt der „StaatSanz. f. W." Folgende« mit: Für besonder« geeignet zur Entgegenname von Wünschen und Beschwerden der Arbeiterinnen wurden die in einer großen Zahl von Fa brikanten al« Krankenpflegerinnen :c. thätigen Diakonissen und barmherzigen Schwestern erachtet, welche gesellschaftlich und wirthschaftlich unabhängig und regelmäßig durch ihren Beruf mit den Verhältnissen wenigsten« im Allgemeinen ge nügend vertraut sind und auch wohl selten» der Arbeiterinnen Vertrauen erwarten können. Von den Leitungen der bezüg lichen Diakonissen- und Schwesternanstaltcn ist dem Mini sterium de« Innern gegenüber die Bereitwilligkeit auSge- fprochen worden, den Diakonissen und Schwestern die Ver- mittlung-thätigkeit zu gestatten. Die Aufgabe der Vertrauens personen ist lediglich die, Wünsche, Beschwerden :c., welche die Arbeiterinnen nicht direkt dem Gewerbe-Inspektor vor tragen wollen, entgcgenzunehmen und zur Kenntniß de« Ge werbe-Inspektor« zu bringen; Ausgabe de« Gewerbe-Inspektor« ist e« dann, die Anliegen zu prüfen und Mißstände, welche an dcr Hand der Mittheilungen vorgefunden worden sind, abzustcllen. -Oesterreich-Ungarn. Wien, 14.Novbr. Heute hat sich hier unter Belheiligung von über hundert Industri ellen au« allen Theilen de« Reichs der „Bund der öster reichischen Industriellen" konstituirt. Zum Präsiden