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theilweisc wohl bewirk«, daß diese Bestrebungen einen natioual- polilischen Charakter bekommen. Von Prag au- mach! man alle Anstrengungen, da- Wendenthum in der Lausitz neu zu beleben und die Aufsaugung der letzten Reste durch da- um gebende Deutschthum, die schon unabwendbar schien, zu hinter treiben. Die Belebung der Erinnerungen an die slavische Vorzeit in den Landen recht« der Elbe wird oon Prag an planmäßig betrieben. Dort finden auch die literarischen Be strebungen der Wenden alle Unterstützung. Auch trachten die Tschechen schon lange auf da» in Prag bestehende „Wendische Seminar" Einfluß zu gewinnen. Diese« Seminar ist eine Anstalt, welche dazu bestimmt ist, den katho lischen Wenden Priester zu liefern. E« finden daselbst katho lische Knaben an« Sachsen, vorwiegend Wenden, unentgeltliche Wohnung, Verpflegung, Lehrmittel und Nachhilfe und besuchen ein Prager Ghmnasium, um sich nachher der Theologie zuzu wenden. E« ist selbstverständlich, daß, sobald die Tschechen diesen geistlichen Nachwuchs für die wcndisch-slavischc politische Bewegung begeistern, diese unter dem Volke einen gewaltigen Aufschwung nehmen wird. Jedenfalls wäre c» nöthig, die Beziehungen zwischen Bautzen und Prag und die wendische Bewegung selbst scharf in« Auge zu fassen, damit nicht zu der französischen, polnischen und dänischen Jrredcuta im Deutschen Reiche noch eine wendische, welche nach Prag gravitirt, hin zutrete." — Frankreich. Die Anzahl der französischen und der deutschen Jäger-Bataillone. Nach dem neuesten Etat de- französischen Heere- weist dasselbe nicht weniger wie 30 Jägcrbataillone sämmtlich zu 6 Kompagnien auf, während die deutsche Armee nur 19 Jäger-Bataillone ü 4 Kompagnien besitzt. Somit ist die französische Jägertruppe mit 180 Kompagnien gegenüber 76 dcntschen Jäger-Kompag nien der deutschen an Fricdcn-einhcitcn über da« Doppelte überlegen. Als ein Nachthcil für da« deutsche Heer vermag diese Erscheinung jedoch insofern nicht zu gelten, al« einerseits der größtentheilS gebirgige, zuni Thcil selbst hochgcbirgigc Charakter der französischen Ostgrenze, eine besonders starke Anzahl von Jägertruppcn erfordert und al« andererseits die Jägertruppe, welche an Material und Schießscrtigkcit eine Art Elite der Infanterie bildet, nicht zu stark gehalten wer den darf, nm nicht die übrige Infanterie, besonder« in ersterer Hinsicht, zu sehr zu beeinträchtigen. Ueberdie« ist durch die Rescrvcformationen der deutschen Jäger-Bataillone für den Kriegsfall eine genügende Anzahl von neu auszustcllendcn Jäger-Bataillonen vorgesehen, so daß da« im Frieden vor handene numerische Ucbergcwicht der französischen Jäger-Ba taillone durch dieselbe im Falle eine« Kriege« hinreichend ausgeglichen wird. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Laut Anzeige findet kommenden Sonn tag in unserem Nachbarorte Schönheide die diesjährige Hauptversammlung des Sachs. StenographcnbundeS statt. Die Stenographie, eine äußerst nützliche Kunst, welche dem Kaufmann, dem Beamten n. s. w. so große Vortheile bietet, wird bei nnS noch wenig, fast nicht geübt. Allen sich dafür Jntercssircnden ist Gelegenheit geboten, die Thätigkeit des SIcnographenvereinS Schönheide kennen zu lernen. Gäste sind herzlich willkommen. Vielleicht giebt der Besuch dieser Hauptversammlung den Anstoß zur Gründung eine« Steno- graphenvcrein« auch in unserer Stadt, wa« gewiß zu wünschen und zu begrüßen wäre. Zur besseren Oricntirung machen wir unsere geehrten Leser mit den Hauptpunkten des Programm« bekannt. '/,1I Uhr Vertreter-Versammlung und Frühschoppen iin RathhauS. -/.12 Uhr Versammlung im RathhauS; s) Vorlesen de« Protokolls der vorjährigen Versammlung, b) Prüfung der Vollmachten und Feststellung de« Stimmverhältnisse«, ei Vor trag des Jahres-, Kassen- und Propaganda-Bericht«, ck) Fest stellung der Jahresbeiträge, s) Wahl de« nächsten Versannn- lungSorteS, k) Vortrag, Anträge, Besprechung. Während der Versammlung PreiS-Wettschreiben. '/,2 Uhr gemeinschaftl. Mittagsessen, darauf gcmeinschaftl. Spaziergang. — Eibenstock. Biele Hausfrauen und junge Mädchen, welche für sich und ihre Angehörigen gern selbst die Kleidung unfertigen möchten, werden in diesem lobenSwcrthcn Streben dadurch gehindert,daß ihnen die Fertigkeit de« Zuschneiden« fehlt. Am Sonntag und Montag, den 14. und 15. d«. MtS. wird sich hier interessirtcn Damen wieder einmal Gelegenheit bieten, die mangelnde Wissenschaft schnell und sicher sich zu eigen zu machen. An gedachten Tagen wird die weithin be kannte Lehrerin der Zuschneidckunst, Frau C. R. Donner au« Lommatzsch, im Gasthof zu „Stadt Dresden" einen Cursu« abhaltcn, dessen Wahrnehmung besten« zu empfehlen ist. Die bethciligtcn jungen Damen und Hausfrauen werden nicht eher entlassen, bi« dieselben da« Zuschneidcn gründlich erlernt haben. — Schönheide. Mancher von un« würde sich gern in dieser heiße«« Jahreszeit durch ein kühle« Bad erfrischen, wenn passende Gelegenheit geboten wäre. Umsomehr ist da« Vor gehen verschiedener Herren von hier zu begrüßen, die übrigen« einen Schwimmklub gebildet haben, einen geeigneten Platz zu schassen. Man hat den sogenannten Mühltcich, den zweiten unteren Teich in Ncuhcide, erwählt. Derselbe ist ungefähr 20 Minuten entfernt und ist leicht von allen OrtStheilen zu erreichen. Tie AuSschlemmung soll schon nächste Woche vor sich gehen. Die Kosten der ganzen Anlage sollen durch An teilscheine aufgebracht werden. E« ist höchst wünschenSwcrth, daß dem Unternehmen ein rege« Interesse cntgcgengcbracht werde. — Schönheide. Donnerstag Abend« gegen '/,8 Uhr brannte hier auf dem sogenannten BaumannSberge da« Haus de« Eisengießer« Tuchscherer vollständig nieder. Da« Feuer war auf dem Boden ain linken Giebel ausgebrochen. Nur mit Aufwendung aller Kräfte konnte da« Hinterhaus, welche« der HauSmann Krauß bewohnt und da« mit weicher Dachung versehene Nachbargcbäude, welche« dem Bürstcnhändler Wappler gehört, gerettet werden. Da Mangel an Wasser war, «mißte man zur Jauche greifen. Der Calamitose hat versichert. Die beiden genannten Häuser sind sehr beschädigt, da dieselben bereit« brannten. Aus dem Wege zum Brandplatze kam der Eisengießer Schott zum Falle, sodaß 2 Spritzen über ein Bein gingen. Zum Glück kam derselbe mit einer tüchtigen Hautabschürfung davon. — Die hiesige Jagdgenossenschaft ist diese« Jahr von besonderem Glück begünstigt, indein seit Er öffnung der Jagd nicht weniger al« 5 Stück Hochwild ge schossen worden sind. — Johanngeorgenstadt. Gegenüber den so häufig in den Tage«blältern auftauchenden Nachrichten von Schwindel erbschaften ist e« gewiß erfreulich, einmal von einer wirklichen berichten zu können, die in voriger Woche 4 ärmeren Familien in Breitenbrunn zugefallen und an zuständiger Stelle auSgczahlt wurde. ES ist zwar keine Millionenerbschast; immer hin entfiel aber auf jede einzelne Familie ein Betrag von 22M0 Mk., die ihnen ein alleinstehender entfernter Verwandter letztwillig vermacht hat. Auch die Gemeinde wurde mit einer Summe von 1500 Mk. zur Anschaffung von Kirch- und Schul uhr sowie zur Abhaltung eine« Schulfeste» bedacht. — Dresden. Vom 15. Juli ab gedenkt Ihre Majestät die Königin einen vierwöchigen Aufenthalt im königl. Jagd hause Rehcfeld zu nehmen und sich danach zum Kurgcbrauche in« Seebad Blankcnberghe zu begeben. Mit Ihrer Majestät der Königin reist auch die Prinzessin Friedrich August in da» Seebad Blankenbcrghe. Die Abreise erfolgt am 10. August. — Dresden. Durch allerhöchste Verordnung ist der 18. August als Jubiläums-Gedenktag für da« sächsische Heer bestimmt worden. — Plauen, 9. Juli. Heute Vormittag ist der Bau unternehmer Louis Schuller auf seinem Neubau, dem „Caf« Carola" an der Bahnhosstraße gegenüber, tödtlich verunglückt. Schuller ist vom 3. Stockwerk durch eine offene Stelle im Gebälke bi« herunter nach dem 1. Stockwerk gefallen, hat hier mit dem Kopse den Fehlbodcn durchgeschlagen und hierbei eine Zertrümmerung de« Schädel« erlitten. Der Tod war augenblicklich eingetreten. — Schwarzenberg. Am nächsten Sonntag, den 14. d. findet in Breitenbrunn da« 25jährige Jubiläum der Fahnen weihe des dasigen MilitärvercinS statt. Die Feier ist umso denkwürdiger, als vor 25 Jahren gerade am Tage der Weihe der Fabnc, während der Festrede, die Mobilmachung- Ordre« einliefen. — Markneukirchen. Daß der Igel nicht so harmlos ist, al« er zumeist Hingeslellt wird, wurde vor einigen Tagen auch hier beobachtet. In den ziemlich umsangreichcn Garten anlagen des Herrn E. P. hier haben iin Laufe de« heurigen Frühjahres verschiedene Hühner, Enten und Psaucn thcil« in ihren Unterkunftsplätzen, thcilS auch unter Sträuchern ge brütet. In der letztvergangenen Zeit wurde bemerkt, daß die brütenden Thiere oft von unbekannten Eindringlingen gestört und junge, auSgcbrütetc Thierchen gctödtct und angcsressen wurden. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag war der Eindringling wieder im Entenhaus gewesen, hatte die brütende Ente verjagt, einige nahezu auSgcbrütetc Eier zer stört und verzehrt, dann auch zwei junge Pfauen getödtct und zum Thcil verzehrt. Am Freitag Abend, nach eingctretcncr Dunkelheit wurde nun beobachtet, daß der Missethätcr ein großer starker Igel war, der, aus nahem Gebüsch kommend, eiligst wieder auf da« Entenhaus loSmarschirte, um hier sein ZcrstörungSwerk fortzusetzeu, «voran er aber glücklicherweise durch rechtzeitiges Eiufangen verhindert wurde. Das Thier war von den Leckerbissen, die cö in den letzten Wochen ge nossen hatte, außergewöhnlich stark und seit geworden. — Kötzschenbroda. Zwischen Kaditz und Gohlis hat sich vor einige» Tagen folgende tragikomische Geschichte ereignet. Ein Mann, anscheinend aus mittlerem Stande, ging am User u. wollte nach der rechten Elbseite hinüber. Ob er nun das Fährgeld sparen oder seine Schwimmkunst zeigen wollte, bleibe dahingestellt; er zog sich au» und band seine Sachen in ein Bündel, da« er auf dem Kopfe befestigte, um auf die andere Seite zu schwimmen. Als er beinahe am anderen Ufer war, passiv!? ein Schleppdampfer die Stelle, dessen eine Welle ihin das Bündel wegschwemmte, welches rcttunglo« in der Tiefe versank. Und Hof und Rock und Uhr und Geld, auch Hemd und Stiefel sah er niemals wieder. Al« zweiter Adam jammerte er am friedlichen Gestade, bi« eine mitleidige Seele ihm ein Paar Hosen lieh. So begab er sich nach Kötzschen broda. — In Nottingham, dein Hauptsitze der englischen Spitzcnindustrw, verfolgt man die Fortschritte der vogt ländisch - erzgebirgischen Spitzenfabrikation mit einem gewissen 'Neide, denn während hier in den letzten Jahren recht erfreuliche Aufträge zu erledigen waren, hatte Nottingham zeitweilig sehr wenig zu thun. Nun haben die dortigen Spitzcnfabrikantcn auch Schifschcnmaschinen aufgestellt, die noch leistungsfähiger sein sollen als die in Deutschland an gefertigten, und suchen nun unsere Absatzgebiete für sich zu gewinnen. Hoffentlich sorgen unsere Industriellen im Vereine mit den Musterzeichnern immer für geschmackvolle Neuheiten; dann werden die Herren Engländer unsere Maaren nicht so leicht verdrängen können. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Berlin, 12. Juli 1870. Gras Bismarck war Angesichts der Dringlichkeit der politischen Verhältnisse vom Könige nach Ems beschieden, um über die wünschenswerthe Einberufung des Reichstages Vortrag zu halten. Graf Bismarck ist gestern von Varzin hier eingetroffen und hatte sofort Besprechungen mit dem Kriegsminister und dem Minister des Innern. Graf Bismarck beabsichtigte heute die Reise nach Ems fortzusetzen; nachdem jedoch gestern Abend ein Telegramm von der Pariser Botschaft eingegangen war, wonach der spanische Botschafter in Paris, Herr Olozaga, dem Herzog von Gramont amtlich den Verzicht des Prinzen von Hohenzollern angezergt hatte, gab Graf Bismarck die Weiterreise auf und gedenkt heute nach Varzin zurückzukehren. Berlin, 13. Juli 1870. Die ministerielle „Prov.-Korr." schreibt: .... Ob die französische Erregung gegen Preußen durch den freiwilligen und selbstständigen persönlichen Verzicht des Prinzen Leopold von Hohenzollern beschwichtigt ist, muß der weitere Erfolg lehren. Deutschland sei glücklicherweise in der Lage, den Erfolg ruhig abzuwarten und den Entschließungen jedes seiner Nachbarn, wer es auch sei, ohne besondere Besorgniß entgegen zu sehen. Sollte auch in Paris die bis herige Aufwallung einer ruhigeren Auffassung Platz machen, in Deutsch- land wird lange Zeit der Eindruck nicht verwischbar sein, den die plötz liche Drohung und die beleidigende Haltung unserer Nachbarn hinter lassen. Es wird schwer sein, das Vertrauen wieder herzustellen, nachdem die Versicherungen, welche die französische Regierung am 30. Juni ab gegeben, daß der Friede niemals gesicherter gewesen sei, als jetzt, nach kaum acht Tagen m so auffälliger, befremdlicher Weise verleugnet sind. EmS, 13. Juli 1870. Nachdem die Nachrichten von der Ent sagung des Erbprinzen von Hohenzollern- der französischen Regierung von der spanischen amtlich mitgethesit worden, hat der französische Bot schafter in Ems an des Königs Majestät noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris telegraphier, daß der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten. Der König lehnte darauf ab, den französischen Botschafter Benedetti zu empfangen, uns ließ dem Botschafter durch den Adjutanten vom Dienst sagen, daß der König dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe. Berlin, 13. Juli 1870. Wolffs Bureau meldet, daß das 4. Ar meekorps (Sachsen), daS 7. (Wests.), 8. (Rheinland) und das Gardekorps Mobilmachungsbefehl erhalten haben. — Die Einberufung des Reichs tags ist auf den 23. d. M. beschlossen. Kin Htückskind. Roman von C. v. Ilmenau. <ö. Fortsetzung.) In diesem Augenblicke erschien Doklvr Renndorf im Garten. „Da« Rennthier!" lachte Liddi. Rose und Ella mußten unwillkürlich mitlachen. „Wer hat ihm den Namen gegeben?" „Nun ich!" berichtete Liddi stolz. „Er rennt den ganzen Tag; er ist ein verliebter Maikäfer!" „Aber Liddi!" bemerkte Rose. „Du meinst, e« sei despektirlich? Ah bah, Du wirst bald sehen!" Jetzt erschien Fräulein Geneux, eine zierliche Gestalt und anmuthig trotz ihrer Dreiundvierzig. Sie führte die Damen hinein und unterhielt sich bald mit Rose, bald mit Ella. Rose ward ihr erklärter Liebling, wie sie denn in der Thal alle Pensionärinnen im Französischen überstrahlte. Unter den jungen Damen befanden sich noch zwei, die Rose ein besonderes Interesse einflößten. Die eine war eine ätherische Schönheit ersten Ranges, Elsa von Lindblatt, die zweite eine junge Dame vom Lande, Eva Holzer. Rose besaß einen ausgesprochenen Schönheitssinn. Sie war deshalb nur zu sehr geneigt, Elsa von Lindblatt ihre vollste Zuneigung zu schenken, wenn eine gewisse vornehme Kälte von selten derselben da» nicht verhindert hätte. Eva Holzer dagegen dauerte sie von Herzen. Die Aermstc war in den Wissenschaften total zurück, aber ihr Vater, ein reicher Bauer, hatte c« sich nun einmal al» Marotte in den Kopf gesetzt, eine gebildete Tochter besitzen zu wollen. Niemand hatte indeß Sin» für Eva« Erzählungen von ihren Kühen und Kälbern, ihrem Milchkellcr und ihrer Speisekammer al» Rose, die stundenlang diesem Geplauder zuhören konnte. Sie träumte dann von einem Paar dunkler Augen, und Eva be merkte manchmal: „Haben Sie mich denn nicht verstanden, Rose?" Sie hatte in der That nicht« gehört. Nach etwa acht Tagen kam Ella eine« Morgens zu Rose gelaufen: „Eugen schickt mir eben durch einen Dienstmann seine Karte, mit einem Vermerk, er wird un« besuchen und bringt noch eine» Freund mit!" Rose erröthete. Wie von ungefähr stand plötzlich Liddi Leidensrost bei ihnen; argwöhnisch blickte sic Rose an, dann ging sie abseits und flüsterte: „Er erkundigt sich so oft nach ihr, sollte er — Ich muß doch auspasscn! Ich denke, meines Vater« Füchse sind ebenso gut, al« diejenigen der alten Lüßhorn! Und wieviel kann Venn die gerühmte Bettelerbschaft betragen? Für die Prin zessin vom Pantoffel ist c« freilich wohl viel, aber — hm, aufgepaßt, Liddi! Gerade ein zukünftiger Pastor ist mein Ideal, wenn bei meiner realen Auffassung davon die Rede sein kann! Diese Bettelprinzessin! Worauf sie wohl so stolz gst? Wahrhaftig, mit ihrer Schönheit kann ich mich messen!" Sie mußte an einem Spiegel vorbei und musterte ihre Figur darin wohlgefällig. Ella fragte nun an, ob Fräulein Cäcilie den Besuch ge statte. „Warum denn nicht, Kind?" fragte die Dame spitz. „Wir sind doch wohl nicht in einem Kloster?" Hier mußte auch Doktor Adalbert sein Licht leuchten lassen. „Die alten Römer," sagte er, „empfingen die Gäste im Atrium, da« eigentlich mehr Garten al» Zimmer war!" Fräulein Cäcilie warf dem Bruder einen strengen Blick zu und entgegnete dann glatt: „Mein Bruder regt da einen hübschen Gedanken an; empfangen Sie die Herren im Garten!" Liddi wußte da« Alle« bald und sicher von der Dienerin wicderzuersahrcn und zischelte: „Schön: wir werden auch dabei sein!" Gegen Mittag ging Rose am LNusiksaal vorbei und hörte Beethoven spielen. Sie gukte hinein und sah Elsa von Lind blatt am Klavier sitzen. „Ah, die?" fragte sie sich. Bei dieser Gelegenheit ward sie Zeugin eine« Vorfälle«, der sie tief empörte. Vor dem Piano stand Liddi Leidenfrost, mit dem „Gebet einer Jungfrau", wie die Vignette aus dem Umschläge de« NotenhesteS prahlend auSwie«, in der Hand: „Wäre e« Ihnen nun gefällig?" fragte sie brüsk. „Den ganzen Nachmittag sitzen Sic am Instrument, und andere müssen' warten, bi« e« Ihnen gefällig ist, zu pau- siren!" Elsa erröthete und entgegnete dann scharf: „Den ganzen Vormittag?" Ich habe diese eine Sonate einmal durchgespielt!" „Gleichviel! Ich will jetzt üben!" Elsa lächelte: „Ueben? Sie spielen ihr Gebet ja au« dem Kopfe täglich ein paar Dutzend Mal." „O weh, das war verkehrt!" dachte Rose. „Der Name Lindblatt erinnert mich unwillkürlich an die SiegfriedSsage, und Elsa ist eine Krimhilden-Natur." Jetzt trat die Katastrophe ein. „Wie?" ries Liddi. „Da« wagen Sie mir zu sagen, mir, die Ihnen in allen Verlegenheiten mit Geld gehol fen? — Al« wir neulich ausgingen, ich meine nach den Sie- benhügcln, wollten Sie nicht mit. Warum? Sie hatten kein Geld. Ich lieh e» Ihnen, und nun — beleidigen Sie mich? Geben Sie mir mal den Thaler zurück." „Pfui!" dachte Rose. Elsa von Lindblatt wurde bleich wie ein Bahrtuch. Sie brachte mechanisch die kleine Hand in die Tasche ihre« Kleide« und stotterte dann: «Ich gebe e« Ihnen bald wieder, Liddi. Mein Gott, wozu denn solchen Skandal machen?" „Weil Ihr Adeligen Euch immer vornehmer dünkt al« die Bürgerlichen. Wa« ist Adel ohne Geld? Ein nicht«, eine Lächerlichkeit!" Rose zog sich schnell zurück. Nach einer Stunde suchte Rose Elsa in ihrem Zimmer auf. Elsa hatte Thränen in den Augen. Rose trat aus sie „Si/haben Kummer, Elsa! Ein Zufall führte mich an die Thür de« Musikzimmer«; ich hörte Alle«! Darf ich den Inhalt meiner Börse mit Ihnen theilen? Hier sind