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- Erscheinungsdatum
- 1895-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189501290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18950129
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18950129
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-01
- Tag 1895-01-29
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Monat
1895-01
-
Jahr
1895
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erst heute Bormittag statt. Während desselben gelangten die .Sech» allniederländischen Volkslieder" durch Schüler und Schülerinnen der oberen Klassen zur wohlgelungcneu Aufführung, wobei Herr Mehrer Lieber« den Vortrag der verbindenden Texte übernommen hatte. Bei den, gestrigen Diner im Nachhause brachte Herr Bürgermeister Or. Körner da« Hoch auf Se. Majestät den Kaiser au«, nach dessen Be endigung von sämnillichen Anwesenden der erste Ber« de« Vaterlandsliebe«: „Deutschland, Deutschland über Alle«" stehend gesungen wurde. Der von Hrn. Bürgermeister auf Se. Majestät auSgebrachtc Trinkspruch hatte folgenden Wort laut: Meine hochverehrten Herren! Der Deutsche hat von jeher eine besondere Neigung zu gegenseitiger Fehde gehabt; so war e« in früheren Jahrhun derten, so ist c« noch heute. Nur ist c« jetzt mehr ein Kampf der Meinungen und Interessen, der stattsindet zwischen poli tischen Parteien, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Freunden und Feinden de« Reiche«, wahrend c« früher ein wirklicher Kampf mit Schwert und Lanze war. Dieser Fchdcsucht der Deutschen cntgegenzutrctcn, hatte sich schon die Gesetzgebung de« alten Deutschen Reiche« zur Auf gabe gemacht, indem sie verordnete, daß an bestimmten Tagen alle Fehde verboten sei und Gotte«sriedcn herrschen solle. Damit war ein höherer Gesichtspunkt gewonnen. Da« gilt auch vom heutigen Tage, der im Deutschen Reiche unter dem Frieden Gotte« steht und den Kampf der politischen Meinungen und wirthschastlichen Interessen ver stummen läßt; denn aller Orten wird heute Kaisers Geburts tag gefeiert. Diese Einmüthigkcit hebt un« auf eine höhere Warte, von der au» wir uns von Neuem bewußt werden der großen Errungenschaften unserer Zeit, des Daseins und der Bedeutung des deutschen KaiserthumS. Wer Freude an deut scher Einheit hat, der huldigt heute dem Kaiser und ehrt da mit das Reich. Gott erhalte, Gott schütze den Kaiser! so klingt e« heute in jedem Herzen, auch in unsern Herzen. Fast sieben Jahre lenkt nun Kaiser Wilhelm II. mit kräftiger Hand die Geschicke des Reiches. Er ist kein unbe schriebene« Blatt mehr; wir kennen ihn und verehren an ihm die Treue gegen seine fürstlichen Genosscn im BundcSrath wie gegen da« deutsche Volk, die energische Thatkraft, mit der er Macht und Ansehen de« Reiche« zu erhalten und zu stärken, das Wohl de« Volke« zu sördcrn, die bestehenden Gegensätze zu mildern und auch den Schwachen zu helfen bestrebt ist, den festen Willen, der ihn beseelt und mit dem er aus dem einmal al« richtig erkannten Wege trotz gegcn- thciligcr Strömungen mutbig vorwärts schreitet, vor Allem seine Friedensliebe, seine unablässigen Bemühungen, gute Be ziehungen zu fremden Ländern und Höfen zu pflegen und die Interessen der Völker einander nahe zu bringen. Aber auch das Schwert ruht in seiner Hand, da« Schwert, da« er al« unser oberster Kriegsherr zu führen hat. Ei» allezeit kriegs bereite« Heer und eine Achtung gebietende Flotte ist daher in erster Linie das Ziel seines Streben«. Doch nur im äußersten Nothfalle, wenn Deutschlands Ehre bedroht ist, wird der Kaiser da« Schwert ziehen; in diesem Falle wird jeder brave Deutsche auch zum Schwert greisen. Das ist unser kaiserlicher Herr, nicinc Herren, ein echter Hohenzoller, unerschrocken, immer Allen voran in Wort und That, unermüdlich aus dem Platze von früh bi« spät. Und darf ich Sic nun noch daran erinnern, wie sich der Kaiser erst im vergangenen Jahre von "Neuem die Herzen aller Pa trioten erworben hat, indem er au« eigenstem Antriebe dem Altreichskanzler Fürst Bismarck die Hand zur Versöhnung gereicht und an die Spitze seiner Regierung einen Mann ge stellt hat, der schon an der Gründung de« Reiche- mitgcar- beitct hat, und dessen weitsichtiger Blick und echt deutsches Empfinden durch langjährige öffentliche Thätigkeit gewähr leistet ist. Ja, ich glaube, meine Herren, wir haben alle Ursache, dem Kaiser zu danken für Alle«, wa« er für de« Reiche« Wohl thut und erstrebt, und wir können vertrauensvoll zu ihm ansblicken; wir wollen aber auch heute das Gelübde er neuern, immerdar scst in Treue zu stehen zu Kaiser und Reich, zu König und Vaterland. Dem wollen wir Ausdruck geben, indem wir rufen: Se. Majestät der Kaiser Hurrah! Hurrah! Hurrah! — Schön Heide. Der diesjährige Winter macht der hiesigen Bahnverwaltung, den Beamten und Zugspersonal der Eisenbahnlinie WilzschhauS-SauperSdors viel zu schaffen. Heftiger Schneesturm hatte in den letzten Tagen der vergangenen Woche die Einschnitte verweht. Besonder war dies wieder zwischen Stützengrün und Rothenkirchen der Fall. Infolgedessen stockte der ganze Verkehr am Freitag. Auch Sonnabend war die Linie nur zum Theil frei. — Schönheide. Die Errichtung eine« Elektrizitäts werke« ist soweit gediehen, daß der hiesige Gemcinderath Herrn Gcmeindevorsland Haupt ermächtigt hat, mit einigen ElektrizitätSgesellschastcn näher Fühlung zu nehmen, beziehen! lieh einen Vertrag abzuschließen. — In der letzten Sitzung de« Gemcinderath« wurde ein Vertrag vorgelcgt, der die Be dingungen enthält, unter welchen da« Eisenwerk Schönheider- hanuner, in Firma Earl Edler v. Ouerfurth, sich al« Eon- sument betheiligt. — Ferner lag ein Gesuch seiten« hiesiger Geschäftsleute vor uni Verlegung de« Jahrmärkte«, welcher kurz vor Weihnachten fällt. Der Gemeinderath beschließt, dasselbe zu befürworten. — Wilzschhau«. Betreff« Neuwahl de« Vorstandes versammelte sich hier in der vergangenen Woche der Verein der Beamten der König!. Sächs. StaatSeiscnbahn, Ortsgruppe Schönhciderhannner. An Stelle de« dnrch Versetzung auS- gcschiedencn Herrn BahnhofSinsp. Mulisch wurde Herr Bahn verwalter Fraucnheim, Schönheide, zum Vorsitzenden, al» Stellvertreter Herr BahnhofSinspector Schubert, Schönheider- hannner, gewählt. Zu Vergnügungsvorständen wurden die Herren Bahnassistenten Leichsenring, Schönheide und Wötzel, Wilzschhau« ernannt. Herr Bahnassistent Stephan, Ober- schönhcide wurde mit der Geschäftsführung betraut. — Dresden, 27. Jan. Se. Majestät der König hat sich gestern Vormittag 10 Uhr 48 Minuten mit dem fahr planmäßigen Schnellzuge vom Leipziger Bahnhofe au« nach Berlin begeben, um der Feier de« Geburt«fcstc« Sr. Majestät de« deutschen Kaiser« bcizuwohncn. Nach der Ankunft auf dem Anhalter Bahnhöfe in Berlin suhr Se. Majestät der König, einer Einladung Sr. Majestät de« Kaiser« folgend, mit demselben direkt nach dem alten Reich«Iag«gebäude, um der Eröffnung der daselbst veranstalteten großen Geweihau«- stellung beizuwohnen. Die Rückkehr Sr. Majestät de« König« erfolgt voraussichtlich am Montage. — In Dresden will man die Feier de- 8t). Geburts tage« de« Fürsten Bismarck am ersten April besonder glanzvoll begehen. In einer ganzen Anzahl voll Sälen sollen Festlichkeiten veranstaltet werden. E« sollen volkSthümliche Ansprachen gehalten, gemeinsame Lieder gesungen, Musikstücke vorgctragen und turnerische Leistungen vorgesührt werden. Die Redner werden die unsterblichen Verdienste de« großen Kanzler« feiern, die ersten Gesangvereine Dresden« zündende Lieder Vorträgen. Zum Schlüsse sollen lebende Bilder eine Apotheose de« Fürst Kanzler« zeigen. — Dresden. Ein hier in der Wilsdruffer Vorstadt wohnender Schlossermeistcr ging am Dienstag in einen Keller hinab und hielt dabei ein offene« Messer in den Händen. Aus den Stufen kam er zum Fallen und hierbei verletzte er sich mit diesem Messer nicht unbedenklich am Kopse, am Auge und an der rechten Hand. Die Sache lief noch glücklich ab und leicht hätten tödtliche Verletzungen entstehen können. E« ist immer bedenklich, mit offenem Messer in der Hand auf Wege zu gehen, wo man leicht ausrutschen und fallen kann. — Leipzig. Infolge der rauhen Jahreszeit hat in der Stadt der Vagabundenzuzug und damit die Bcttlerplagc so zugenommen, daß zur Zeit eigen« Schutzleute in Civil thätig sind, um diese lästigen Gäste abzufassen, von denen am Donnerstag z. B. 24 eingelicfert wurden. Dem unifor- mirten Polizcibeamtcn gelingt e« so leicht nicht, eine« alten, im Fache ergrauten Bettelbruder« habhaft zu werden. Ehe dieser an« Werk geht, vergewissert er sich über Zeit, Richtung und Wiederkehr der Polizcipalrouillc auf« Genaueste. Neben her übt, wie wohl nicht allenthalben bekannt ist, der echte Vagabund den technischen Kunstgriff, in den Häusern, vom obersten Stockwerke anfangend, nach unten hinab zu betteln, damit der Polizist ihm nicht im Rücken da« Betteln seststellen und darauf den Rückzug mit der schon erwiesenen Bezichligung de« Bettelns abschnciden kann. Eine eigenartige List Halle sich seiner Zeit ein inzwischen verstorbener hiesiger Böttcher meister V. ersonnen, der im Alter verarmt und auf den Bettel verfallen war. Dieser machte seine Bettelgänge" mit vorge- bundcnem Lederschurzfcll, einen mächtigen Hammer in der Hand, so daß er Anfang« nie behelligt wurde, da man ver- muthcte, er sei zu Reparaturen in die Häuser bestellt. Mit der Zeit aber wurde die List ruchbar, er erlitt trotz seine« Talismans Arrcturen und Bestrafungen und zu guter Letzt war für die Polizeimannschaften die Nachricht: „V. ist mit deni Hammer in der Stadt!" ein förmliches Alarmsignal, da« daun regelmäßig seine baldige Einlieferung in das alte wohl bekannte NaschmarkthauS zur Folge hatte. — Pausa. Der praktische Arzt Or. Lunow hier hat dieser Tage folgende Aufforderung erlassen: „Alle Diejenigen, welche mir seit Jahren noch Honorarforderungen schulden und die gemeinsten Lügen über mich verbreiten, werden ersucht, für jede« dieser wissentlich falschen Gerede l Pfennig an mich zu zahlen, dann werden sie bald ihre Schulden los, und ich komme zu meinem Gclde. IN. Lunow." — Elterlein. In der Nacht zum Freitag vor. Woche ist im Hause des FleischermcistcrS und Vichändler« Hentschel ein frecher Einbruch verübt worden. Die Diebe haben gegen ÖOOO M. baareS Geld erbeutet; das kleinere Geld an der Ladenkasse hatten die Spitzbuben in der Stube umher gestreut. — Lohmen. Dieser Tage hatte ein hiesiger Besitzer Gerste gedroschen, welche infolge der nassen Witter ung des vergangenen Jahres feucht cingeerntet worden war. Nach dem Reinigen schüttete man die Spreu aus den Futter boden. Eine« Tages hatte man vergessen die feuchte Menge zu wenden. Al« am nächsten Morgen der Besitzer die Scheune öffnete, empfing ihn ein brenzlicher Geruch. Bald bemerkte er, daß sich diese üblen Dämpfe ans dem Sprcnhaufcn ent wickelten. Glühend heiß war die Menge im Innern. Glück licher Weise wurde dies noch rechtzeitig bemerkt, sonst hätte leicht große« Unglück unseren Ort treffen können. — Ein heiterer Vorgang spielte sich am 24. d. M. in Oberspaar bei Meißen ab. Ein noch ziemlich junger Bettler bewegte sich auf zwei Krücken mühsam von Hau« zu Haus, erweckte natürlich durch seine traurige Körperbcschaffen- heit großes Mitleid und empfing daher auch reiche Gaben. Als er den halben Ort bereit« „abgcklopft" hatte, kam er gerade wieder aus die Straße hinaus in dem Augenblicke, wo ein unisormirtcr Mann die Straße entlang schritt. Es war zwar nur ein Soldat, aber der Bettler mochte einen Landgendarm in ihm vermuthen, er nahm eiligst seine Krücken über die Schultern und rannte mit kerngesunden Beinen schleunigst davon. — Eine für Fortbildungsschüler sehr beachtens- werthe Entscheidung hat da« Reichsgericht getroffen: Die „Thür. Lchrer-Ztg." berichtet darüber: Ein Lehrer befahl einem FortbiidungSschüler während de« Unterrichts, die Bank zu verlassen. Der Schüler widersetzte sich der Aufforderung de« Lehrers. Dieser zeigte den Schüler beim Strafrichter an und der Bursche wurde denn auch zu >4 Tagen Gefängniß verurtheilt. Ans eingelegte Berufung kam die« Urthcil bi« vor die höchste Instanz im Reiche, da« Reichsgericht, und dieses entschied wie folgt: Der Lehrer, welcher in der Fort bildungsschule da« Aufsichtsrecht auSübt, ist als Beamter anzusehen, der zur Vollstreckung von Anordnungen der Obrigkeit berufen ist. Demgemäß ist der einem solchen Lehrer bei Ausübung diese« Rechte» geleistete Widerstand als Widerstand gegen die Staatsgewalt nach 8 >38 de« Strafgesetzbuches zu bestrafen. In dem vorliegenden Falle war daher die vor schriftsmäßig cingcwendetc Berufung zu verwerfen und die ihm vom Gericht zudiktirte Gcfängnißstrase von 14 Tagen aufrecht zu erhalten. — In Löbau lehnte ein Dienstmädchen, das einen Mahnzettel zum Zahlen der Kommunanlagen erhielt, die Be zahlung derselben ab und bemerkte, daß sie schon früher ihre Steuern berappt habe. Der Polizist machte nun dem Mäd chen klar, daß sic wohl die Staat-stcuern bezahlt habe, da gegen die städtischen Anlagen noch schulde, worauf die Küchen fee mit der unschuldigsten Miene antwortete, sie habe ja gar nicht die städtischen Anlagen benützt! Große Heiterkeit! — Zu den Obliegenheiten der Landbriesträger gehört bekanntlich auch die Annahme von Postsendungen aus ihren Bestellung«gängen. Die Landbriesträger haben zu diesem Zwecke ein Annahmebuch bei sich zu führen, da« zur Ein tragung der von ihnen unterweg« angenommenen Werth- u. Einschreibsendungen, Postanweisungen, gewöhnlichen Packele und Nachnahmesendungen dient und nach jedem Bestellgangc von einem Beamten der Postanstalt durchgeschen wird. Die Auflieferer können derartige Sendungen entweder selbst in da« Annahmcbuch cintragen, oder die Eintragung den Land briefträgern überlassen. Im letzteren Falle muß dem Absen- der aus Verlangen durch Vorlegung de« Buche« die Ueber- zcugung von der geschehenen Eintragung gewährt werden. Aus diese Weise ist Jedermann in den Stand gesetzt, bei Auflieferung einer Sendung — abgesehen von gewöhnlichen Briefen — durch Vermittelung de« Landbriefträgers deren richtige und pünktliche Weiterbeförderung von vornherein sicher zu stellen. Postanweisungsbeträge nehmen die Land briesträger übrigens nur dann entgegen, wenn ihnen gleich zeitig da« ordnungsmäßig auSgesüllte Formular zur Postan weisung mit übergeben wird. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 28. Januar. (Nachdruck verboten.) Am 28. Januar 1852 verhieß der König von Dänemark den Schleswig-Holsteinern, der deutschen "Nationalität im Herzogthum Dänemark gleiche» Schutz u. gleiche Berechtigung wie der dänischen, und verpflichtete sich, da« Herzogthum Schleswig niemals al« eine dänische Provinz, sondern al« einen selbständigen Bestandtheil der dänischen Monarchie unter ständischer Vertretung mit beschließender Befugniß zu behandeln und die beiden Hcrzogthümer in gemeinschaftlichem Besitz aller nicht politischen Einrichtungen und Anstalten zu belassen. Diese Versprechungen wurden bekanntlich nicht ge halten und so kani nach einem Jahrzehnt die schleSwig-hol- steinische Frage in Fluß und zur bekannten Entscheidung. 29. Januar. Am 29. Januar 1763 ist der durch seine Schicksale und geistvollen Schriften bekannte deutsche Dichter I. G. Seume geboren. Durchaus friedliebender Natur und keineswegs dem Waffenhandwcrk geneigt, wurde er al« Student der Theologie auf einer Reise nach Pari« von hessischen Werbern aufge- grisfcn und nach Amerika geführt, wo er gegen die Vcrthcidiger der Freiheit kämpfen mußte; von preußischen Werbern bei seiner Rückkehr ausgegriffen, mußte er al« gemeiner Soldat dienen, bis er in Emden endlich auf eine Bürgschaft frcige- lassen wurde. Er war dann Erzieher und Sekretär bei einer polnischen Gräfin in Warschau, wurde in den polnischen Re- volutionSkrieg >793 verwickelt und bei der Erstürmung Praga» gefangen genommen. Später wurde er bekannt durch seine großen, wcitauSgedchnten Fußreisen, deren bekannteste der im gleichnamigen Werke beschriebene „Spaziergang nach Shra- ku«" ist. Die Votivtafel, mit der sein Geburtshaus in Po- ferne bei Weißenfels geschmückt wurde, schließt mit den Worten „Natur-, Menschen-, Vaterland-freund; rauhe Schale, edler Kern" und in ihnen ist Seume richtig gezeichnet. Km Hevurtstage des Kaisers. Erzählung von Karl Hülter. (Nachdruck verboten.) Der Kommcrzicnrath Baumann hatte soeben seine zweite Tasse Kaffee geleert, draußen wurde c« allgemach dunkel und ein seiner Jauuarnebel zog silberne Schleier um die entlaubten Baumkronen de« stattlichen Garten«, welcher da« villenartig gebaute Wohnhaus umgab, in welchem Baumann seit zwei Jahren mit seiner Gattin und dem einzigen Sprößling ihre« glücklichen Eheleben«, einem blonden, frühlingSsrischen Mädchen, wohnte. Vier Uhr schlug es drüben, wo an dem rauchgeschwärzten Portale der mächtigen Fabrik eine große, vom frisch gefallenen Schnee umrahmte Uhr prangte. Die Arbeiter hatten sich bereit« nach Hause begebe«, Herr Kommerzienrath Baumann war ein Patriot und wollte nicht, daß heute am Geburtstage seine« Kaiser« bis in den Abend hinein gearbeitet wurde. „Weruer," hatte er zu seinem ältesten Meister gesagt, „ich gehe nach Hause, sagen Sie den Leuten, sic möchten aushaltcn. Beim Sterncnwirth mag man auf meine Rechnung ein paar Gla» Bier trinken, c« ist heute KaiscrSgeburtStag." Dann hatte er seinen Hut genommen und war nach Hause gegangen, wo ihn Frau und Tochter am Kaffeetische erwarteten. „Klara," sagte Baumann, „wir haben heute einen wich tigen Tag, vergiß die dummen Weihnacht«- und "Neujahrs geschichten, sei mal mein vernünftige« Mädchen, Herr Kron berg hat nun einmal keine Existenz und er will doch auch schließlich nicht von mir abhängig sein. Sei mal vernünftig, ick sag'« Dir." „Vater," entgegnete Klara und verließ da« Zimmer. Frau Kommerzienrath Baumann hatte schon eine Zeit lang mit dem silbernen Lössel aus der großen Tasse getrommelt, in welcher der warme Mokka duftete. „Fritz," sagte sie, während ihr Gatte sich im Lehnstuhl zurechtsetzte, „Fritz, Du bist doch zu hart gegen unser einzige« Kind, Herr Kronberg ist doch angesehener Leute Kind, Du hattest seinen Vater doch immer so gern." „Er hat keine Existenz, keine Existenz," entgegnete Bau mann, „und ich sage e« Dir, Bertha, e« giebt nicht« Schlimmere«, al« wenn die Frau dem Manne vorwcrscn kann, daß ihr Vermögen ihn über Wasser gehalten hat." „Nun ja," meinte Frau Baumann, „da« ist bei un« ja nicht der Fall gewesen, wir hatten alle Beide nicht« und haben die Sorgen und Freuden redlich miteinander getragen. Du bist ein tüchtiger Mensch, aber wenn Dir da« Glück nicht hold gewesen wäre, so hättest Du es vielleicht auch nicht zum Kommerzienrath gebracht und da« Glück kann ja auch noch Herrn Kronberg günstig sein. Du hättest ihm den WeihnachtSbefiich gestatten sollen, man hätte sich ausgesprochen »nd wa« seine Existenz angeht, so hat mir Klara gesagt, der junge Mann werde in Kurzem die Redaktion einer größeren Zeitung übernehmen. Der alte Herr Korßdorf ist doch auch bei seinem Unternehmen reich geworden." „August Korßdorf, ja, ja," sagte der Kommerzienrath, „wenn er e» soweit brächte, aber da« wird wohl nicht mög lich sein." „Warum denn nicht?" gab die Gattin zur Antwort, „er hat eine weit höhere Bildung al« unser Nachbar, sein Ge- dichtband „Unter der Dorflinde" hat viel Anklang draußen in der Welt gefunden." Herr Baumann entgegnete nicht«, er nahm die Zeitung de« Städtchens, welche da« Dienstmädchen soeben hereingebracht hatte, zur Hand und begann die schriftstellerischen Arbeiten zu studiren, mit welchem Herr Korßdorf am heutigen Tage seine Nummer geschmückt hatte. Da« „Lichtenrodaer Tage blatt" wurde nicht allein im Städtchen selbst, sondern im ganzen Thüringer Land« gelesen, wußte man doch, daß e« sich Herr Korßdorf Geld kosten ließ, jede Nummer seine« Blatte«
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