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was kaum als Schmeichelwort gelten konnte, und freute sich darauf, mit seinem Freunde noch ungestört ein GlaS Punsch trinken zu können. Allein er wartete vergeblich auf dessen Kommen. Der Diener meldete, der Geheimrath habe sich seinen Ueberzieher geben lassen, um noch einen Spaziergang zu machen. „Merkwürdig!" murmelte er etwas verdrießlich; — er klingelte »ach Erna. „Das Fräulein wäre schon zu Bette," lautete der Bescheid. „Ohne gute Nacht zu sagen, ei!" grollte der Papa, jetzt wirklich übel gelaunt; trank dann seinen Pnnsch allein und begab sich in sein Schlafgemach. Dem Geheimrath war schwer zu Muthe. Die vorige Erregung war einer tiefen Verstimmung gewichen. Wozu hatte er sich hinreißen lassen? Was bedurfte eS langer Ueberlegung, um ihm das Unziemliche seiner Gefühle und seines Benehmens klar zu machen! Hier galt es nur den festen Entschluß des Ent sagens. Der Kampf im Herzen des Gehcimraths war hart, aber nachdem er ihn männlich durchgerungen, kam die Ruhe in seine Seele zurück. Seines Entschlusses sicher, denn die Willenskraft war bei diesem Manne durch manche herbe Erfahrung gehärtet, — versagte er sich nicht einen Rückblick auf die eben erlebten Stunden. Er athmete tief auf. Noch einmal war ihm geschehen, was er als längst verklungene Träume zu betrachten gewohnt war, noch einmal waren des Lebens Empfindungen voll durch seine Brust gezogen. Er fühlte cS, daß sein Herz noch lieben konnte mit der vollen Kraft der Jugend, wenn auch diese selbst und mit ihr ihm Alle« fehle. — ES war vorbei! Die Nacht war weit vorgeschritten, als Wallner leise in das für ihn bestimmte Zimmer trat. Er setzte sich hin, um an Erna zn schreiben. Da er in aller Frühe fort wollte, so wollte er doch nicht ohne Abschied gehen. Der Inhalt seines Briefes lautete: „Fräulein Erna! Als ich heute von Ihnen ging, gaben Sic mir die Berechtigung, für längere Zeit in Ihrer Nähe zu weilen. Ich weiß, wie weit bei Ihnen Herz und Geist den Jahren vorauSgeeilt sind, und glaube darum, daß Sie bewußt waren, was Sie mir damit zugestanden. Dennoch haben wir einander mißverstanden. Es ist eine gar weite Kluft, von Ihrem Frühling bis zu meinem Spätherbst! Ich glaubte für kurze Zeit, diese Kluft sei auszufüllen. Der Wahn verließ mich, als ich dem Zauber Ihrer Nähe entrückt war, und jetzt träume ich nicht mehr von Unmöglichkeiten. Aber ich will und kann nicht von Ihnen scheiden, holdes, lieb liches Kind, ohne mich zu rechtfertigen. Schon Ihr erster Anblick ergriff mich tief. — Ihre Erscheinung rief mir ein Bild zurück, das einst mein Glück, und alle meine Lebcnshoffnungen ausmachte. Diese Aehnlichkeit war cs, die von der ersten Stunde an mein Auge, meine Seele an Ihnen hängen ließ. Sie haben mir in Ihrer holden, kindlichen Unbefangen heit den Traum nicht zerstört und heute versetzen Ihre Augen mich in den ganzen Himmel meiner Jugend zurück. Urtheilen Sie deshalb nicht zu streng über den Freund Ihres Vaters, der einen Moment vergessen konnte, wie weit jeder Anspruch an Herzensglück hinter ihm liegt. Ihr Leben ist dazu bestimmt, im Sonnenlichte zu wandeln und zu erfüllen, was Ihr Frühling verspricht! Wenn Glück und Freude Ihren Pfad erhelle», denken Sie wohl zuweilen Desjenigen, der nichts sein und bleiben wollte, als Ihr treuester Freund Adolf Wallner." Lange schon ruhte die Hand, welche in der Frühe dieses Blatt hielt, auf Ernas Schooße und noch saß das junge Mädchen regungslos. Ihr Auge blickte mit seltsamer Exaltation ins Weite; es war mit Thränen gefüllt. Plötzlich erhellte ein Lächeln das hübsche Ge sichtchen. „Einen Korb!" murmelte sie vor sich, „nein, Herr Geheimrath, den nehmen wir nicht!" Mit einer raschen Bewegung sprang sie auf, barg den Brief in ihrem Kleide lind eilte auf das Zimmer des Vaters. Sie faßte sein Gesicht mit beiden Händen und rief schmeichelnd: „Guten Morgen, Papa!" „So, jetzt kommst Du Wildfang zu mir!" er wollte es mit zürnendem Gesicht sagen, doch verlor sich all mählich dieser Ausdruck zu einem wohlgefälligen, als er seinen Liebling betrachtete. „Wo steckt denn der Geheimrath heute noch, gestern verschwand er plötzlich wie ein Gespenst, nnd heute habe ich ihn auch noch nicht gesehen!" „Ja, Papa! der ist fort in aller Frühe!" „Was soll das heißen!" rief Arndt überrascht. Erna sprang auf, setzte sich auf den Schooß des Vaters und ihren Arm um seinen Hals schlingend, be gann sie ein Wort ums andere ihm ins Ohr zu flüstern. Der wohlgefällige Ausdruck, der bei der Liebkosung seines Kindes über des Professor« Züge glitt, ver wandelte sich rasch. Immer finsterer ward der Blick, der mit dem Auge zugleich zu horchen schien, nnd end lich machte er sich unsanft aus den Armen los, die ihn umschlangen. „Nein!" ries er aufspringend mit starker, zürnender Stimme. „Nein! das kann, das darf nicht sein!" Erna stand vor ihm mit flammendem Gesichte. „Ich will es aber!" sagte sie mit sehr energischem Tone. „Es ist ein hirnverrücktcr Einfall — ich leide es nicht, und werde niemals meine Einwilligung geben. Himmel! der alte Bursche und Du! Ich werde ihm meine Meinung gehörig sagen!" „Das geht nicht an, Papa!" Erna war bereits schon wieder muthwillig. „Er wollte mich ja gar nicht haben, Dein alter Freund, weil er mir aber so gut gefällt, so will ich nicht von ihm lassen und werde noch jetzt an ihn schreiben, daß ich seinen Korb nicht annehmc!" „Wenn Du Deine Kinderei wirklich bis aus die Spitze treiben solltest, so ist eS meine Sache, derselben ein Ziel zu setzen. Aber das merke Dir, aus der Sache wird nichts. Das ist mein letztes Wort!" Er stampfte zornig mit dem Fuße. Fortsetzung folgt.) Strandgut. Draußen heulte der Sturm und jagte thurmhohe Wellen an den Strand. Der alte Fischer und seine Frau saßen in sicherer Hütte Und horchten hinaus auf's Meer. Ein Nothstgnal ertönte. — Der Fischer sprang auf und rieb sich vergnügt die Hände und ein Zug teuflischer Bosheit fuhr über sein Gesicht. „Strandgut, Alte," sagte er. „Strandgut giebt cs diese Nacht." „ Wenn es nur kein Menschenleben kostet, Christoph." „Ach was, Menschenleben. Auf der weiten See gehen jede» Tag Menschen zu Grunde, ob nun an derswo oder hier, das bleibt sich gleich. Wenn keine Schiffe stranden, giebt's kein Strandgut. Der Mann mit der Geldkatze um den Leib, der im vorigen Jahre angeschwemmt wurde, der war wohl kein fetter Bissen, he?" Die Frau seufzte. Wieder ertönte das Nothsignal. „Ja schießt nur, bei dem Wetter wagt sich kein Lootse zu Euch hinaus. Ihr seid uns sicher," setzte er leise hinzu. Er trat an'S Fenster und schaute hinaus auf's Meer. Ein Heller Strahl durchzuckte die Nacht, dann folgt ein Donner. „Wenn ich ein Schiff in Gefahr weiß," sagte die Frau, „denke ich allemal an unfern Sohn. Er könnte auf der Reise zu uns sein." „Unser Sohn? Der? Der sitzt in Amerika auf seiner Farm und denkt den Teufel an seine Eltern. Nein, Alte, den schlage Dir aus dem Sinn, der kommt nicht wieder." „Das sagst Du wohl," sagte die Alte. „Mir hat er versprochen, wicderzukomme», wenn er sich was erworben hat, und er hält sein Versprechen. Mir ist cs manchmal, als müßte er jetzt zur Thür herein kommen." „Unsinn," sagte der Fischer. „Schlage Dir die Gedanken aus dem Sinn. Wenn er ein so guter Sohn wäre, wie Du meinst, so hätte er nnS schon einmal Geld geschickt." „Wenn er nichts hat, kann er nichts schicken," sagte die Alte. Der Fischer fühlte das Unlogische dieser Erwider- nng. „Wie Du nur wieder redest," sagte er. „Erst wird er kommen, weil er sich etwas erworben, und nun schreibt er auf einmal nicht, weil er kein Geld hat. Er schreibt nicht und kommt nicht, sage ich Dir, weil er nicht mehr an uns denkt, nnd damit basta." Ein Schuß ertönte ganz nahe der Küste. „Jesus Maria!" rief die Alte und sank die Hände faltend in die Knie. Der Fischer aber reckte sich wie ein Raubvogel, wenn er von seinem 'Neste aus Beute verspürt und sich anschickt, dieselbe zu erhaschen. Der Sturm trug das Geschrei verzweifelnder Menschenstimmen an das Ohr der beiden Alten, und während die Fischerin fortfuhr zu beten, schritt der Alte hinaus in den Sturm und in die Nacht. Er hatte eine Felsenspitzc erstiegen, von der er das Meer überschauen konnte, und beim Schein des Mondes, der hinter zerrissenen Wolken hervortrat, gewahrte er ein Schiff auf dem Kamm einer mächtigen Welle daherfliegen gegen die Felsen, welche die Insel umgaben. Eine Wolke ver deckte den Mond. Plötzlich hörte der Fischer ein schauerliches Krachen und herzzerreißende« Schreien die Luft durchdringen und gleich darauf hörte er nichts mehr als das Heulen des Sturmes und das Donner» der Wellen gegen die Felsen. — Der Alte stand mit vorgebeugtem Oberkörper nnd mit gierigen Blicken sah er nach der See, die Welle auf Welle an das Ufer warf. Plötzlich durchzuckte eS ihn mit teuflischer Freude; er sah, trotz der Finster niß, einen dunklen Gegenstand liegen, denn eine Welle hatte denselben soeben dorthin geworfen. Lauernd nach allen Seiten und vorsichtig schleichend, näherte sich der Fischer dem Gegenstände. ES war ein Mann, der dort auSgcstreckt auf dem Ufersande lag. Jetzt war der Fischer dicht neben ihm, jetzt kniete er neben ihm nieder und begann in den Taschen des Verunglückten zu suchen. Eine wohlgefüllte Brief tasche fiel dem Strandräuber in die Hand. „ES ist zwar noch Leben in ihm," sagte er, „er könnte wieder zu sich kommen, aber die Brieftasche könnte er auch im Meere verloren haben, und das Meer ist weit." Er durchsuchte den Daliegendcn weiter nnd seine Finger fanden eine Uhr an einer Kette. Ein teuf lischer Gedanke durchblitzte ihn. Er nahm die Uhr und Kette zu sich, lud den Daliegenden auf die Schul ter und trug ihn den Felsen hinauf, von wo er vor her das gestrandete Schiff erblickt hatte. „Wenn er wieder zu sich kommt, könnte er die Uhr bei mir sehen, die Anzeige davon im Dorfe machen, und ich gelte als der beste Mann im Dorfe, und selbst, wenn ich die Uhr niemals trage, könnte der Verdacht auf mich fallen, daß ich sie mir ange eignet habe, ebenso mit der Brieftasche. Hinunter mit Dir, Du bist der Erste nicht." — Der Oberkörper des Unglücklichen schwebte über dem Felsenrand, dessen schroffansteigende Wand vom Meer bespült wurde. Ein Stoß und der Körper stürzte in die Tiefe und eine an dem Felsen zer schellende Welle nahm ihn auf in ihr nasse« Grab. Auf Umwegen ging der Fischer nach Hause, ihm war zu Muthe, als warte seiner daheim ein Unglück. „Dummes Zeug," murmelte er, „es ist nicht das erste Mal, daß ich einen in's Meer zurückgestoßen." Er wollte den nächsten Fußpfad, der nach seiner Wohnung führte, betreten, aber er betrat den, der weit um die Wohnung herumführte. Endlich war er doch zu Hause. Seine Frau war im Sorgcnstuhle mit der Bibel vor sich, eingeschlafcn. Das Beten hatte ihr Herz erleichtert. Er untersuchte seinen Raub nicht, er fürchtete, die Alte könnte erwachen und errathen, was vorgefallen. Anch die Begierde, die naturgemäß vorhanden sein mußte, seinen Schatz kennen zu lernen, war nicht vorhanden, cs war ihm sogar gewissermaßen eine Erleichterung, ohne die Gegenstände näher zu untersuchen, zu Bett gehen zu können. Ohne seine Frau zu wecken, ging er in die Kammer, denn er fürchtete deren Fragen. „Dummes Zeug," sagte er, im Begriff sich auS- zukleiden. Er mußte wohl etwas Beunruhigendes gedacht haben. Plötzlich zog er wieder seine Jacke an und ging hinein in die Wohnstube. Er zog die Uhr aus der Tasche und hielt sie nahe dem Lichte und „Jesus, Maria!" schrie er. Es war seine eigene Uhr, die Uhr, die er dem Sohne mit auf die Reise gegeben. Die Frau war aufgewacht. Vor ihr stand ihr Mann, bleich, mit aus den Höhlen tretenden Augen und mit gesträubtem Haar. Mit zitternder Hand wühlte er unter Gold und Papieren und jetzt, jetzt stieß er einen markerschütternden Schrei aus. „Christian!" rief die Alte. „Dein Sohn ist gekommen. Alte, er ringt mit den Wellen. Zu Hülfe, zu Hülfe!" Was die unglückliche Mutter nicht crrieth, stam melte er in abgerissenen Worten hervor. Dann eilte er fort an den Strand, gefolgt von der Alten. Den Felsen, von dem er den Sohn in'S Meer gestürzt, bestieg er, und die Alte folgte ihm. Aber als sie oben angelangt, da war von dem Fischer keine Spur mehr vorhanden, von derselben Stelle, von der er vorhin den Bewußtlosen hinabgestürzt, von derselben Stelle war er hinabgestürzt in die empörte See. Unter den Todten, die das Meer an das Land geworfen hatte, waren auch der Fischer und sein Sohn. Ein gemeinschaftliches Grab sollte Beide um schließen, aber die Alte denunzirte den todten Mann als Selbstmörder, sie wußte, wa« vorgegangen. — Viele Jahre noch besuchte sie das Grab ihres Sohnes, an dem sie betete, und auf das sie einen Kranz legte, so oft sie es besuchte. — Das Grab des Mannes, das abseits war, wo die Selbstmörder lagen, betrat sie nie. Sic hat auch seinen Namen nie wieder über ihre Lippen gebracht und jede Erinnerung an ihn in ihrem Hause vernichtet. Trotzdem sie nie mit einer Menschenseele über die Thal gesprochen, ist diese dennoch bekannt worden, und wenn das Meer gegen die Felsen donnert und der Sturmwind heulend über das Eiland saust, dann, sagen die Fischer, läßt der alte Fischer seinen Hülferuf ertönen und stürzt sich von dem Felsen in's Meer hinab, von dem er seinen Sohn gestürzt. Verfälschte schtvarze Seide. Man verbrenn« ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, verlöscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hellbräunlicher Farbe. Ver fälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt lang sam fort, namentlich glimmen di« „Schußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff erschwert), und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt, sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der echten Seide, so zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Die Selben- Jiasrlt <->. (k. k. Hoflies.) LNrtotr ver ¬ sendet gern Muster von ihren echten Seidenstoffen an Jeder mann und liefert einzelne Roben und ganze Stücke porto- und steuerfrei in's Haus. Druck und Verlag von <k. Hannebohn in Eibenstock.