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Sie trägt jetzt ken kaflcmartigcn Rock ohne jeden Knopf, die Hosen in den Stieseln, den Mantel gc» rollt über der Schulter und die Enden in da» Koch geschirr gesteckt, die Zeltbahn wird um den Mantel gewickelt, an dem die Zeltstange und eine Tasche mit einem Paar Reservesticfeln befestigt ist. Ueber die rechte Schulter wird der Gepäcksack getragen, am Leibriemen mit zwei Patronentaschen für je 30 Pa tronen recht» da» Schanzzeug. Nur die Garde-In fanterie, die Feld-Artillerie und Jngenieuriruppen haben noch Tornister au» wasserdichtem Segeltuch mit je einer Stieseltasche an den Seiten. Al» Kopfbe deckung dient die Feldmütze, da» Bajonnet ist stet» aufgepflanzt, ein besondere» Seitengewehr giebt e» nicht mehr. Die Uniform schließt sich der Tracht der unteren Klassen de» russischen Bolle» an. Auffallend ist da» Verschwinden de» Tornisters. Während in Deutschland da» größte Gewicht daraus gelegt wurde, die Brust de» Soldaten von jeder Einengung durch Ouerriemen zu befreien, kreuzen sick> bei dem russischen Verfahren Mantel und Gepäcksackriemen. Die öster reichische Armee hat Gepäck und Ausrüstung fast so gestaltet wie die deutsche, da» Gesammtgewicht ist ge ringer. Al» Feldbeklcidung dient die Bluse und die Mütze. In Frankreich hat man ebenfalls den Tor nister beibehalten, an der Tragart de» Gepäcks ex- pcrimentirt man noch, der Mantel wird stet» ange zogen, die Gesammtbelastung entspricht der österreich ischen. Die beiden letzten Heere haben besondere Parade-Waffenröcke und Käppis. Keim verwirft den Helm und ebenso den Mantel, der bei einem Winter feldzug au» der Heimath nachgesandt werden könne. Im Sommer genüge in Verbindung mit der Zeltaus rüstung eine Litewka. Von dem Tornister-Inhalt läßt er 5,i kg, d. h. die Hälfte Wegfällen und braucht nun keinen Holzkasten mehr, sondern nur ein wasserdichte» Gehäuse von Leinwand oder sonst einem passenden Stoff; an Stelle de» Waffenrock tritt die Bluse mit Taschen, dunkeln Knöpfen und UmsLlagkragen. Im Ganzen verringert diese» System die Belastung de» Manne» um 8 leg, ohne übrigen» an der Patronen zahl oder dem Schanzzeug Veränderungen vorzu nehmen. Der Widerspruch gegen diese Vorschläge ist nicht auSgeblieben. So wurde z. B. Major Keim heftig angegriffen, weil er da» Gesangbuck für ent behrlich erklärte, aber auch begründete Bedenken machten sich geltend, vor allem gegen da» Verschwin den de» Mantels. E« wurde sogar vorgeschlagen, im Sommer die Infanterie ohne Waffenrock im Mantel marschiren zu lassen, wie e» die französische Armee thut. Ob sich die Vorschläge Keims über die Ver minderung des Tornisterinhalt» ermöglichen lassen, muß einer eingehenden Prüfung unterworfen werden. Daß die eiserne Portion vermindert werden soll, haben wir bereit» mitgetheilt. Auck die Bekleidung bedarf bei einer gründlichen Reform der Veränderung. Der Kaiser hat dem Fürsten Bismarck in FricdrichS- ruh einen Infanteristen vorgestellt, der anstatt des Stehkragens einen Klappkragen trug. Damit wäre ein Hauptmangel ausgeglichen, dem man bisher auf dem Marsck durch Oeffnen de» Kragen« abhalf. Wird der Waffenrock weiter gescknitten, waS bei einem Um legkragen leichter ist al» bisher, ohne da« Sitzen des Rocke» zu beeinträchtigen, erhält er weitere Achsellöcher und engere Aermelöffnungen, sowie dunkle Knöpfe, so entspricht er nach der in dem Artikel der „Köln. Ztg." vertretenen Ansicht allen Anforderungen, da er vor allem den Unterleib besser schützt, al» die Bluse Auf dem Brusttheil könnten, wie in Rußland, Tischen zur Aufnahme von Patronen für da» Gefecht ange bracht werden. Zu erwähnen ist noch, daß von me dizinischen Fachleuten die Tragart der Patronen auf dem Leibriemen getadelt wird, weil dadurch die Bauch- athmung beeinträchtigt und Herzleiden herbeigesührt werden. Prof. Fräntzrl hat zuerst auf diese krank haften Veränderungen de» Herzen» hingewiesen. Die jetzige Tragweise war wesentlich bedingt durch die Nothwendigkeit, den Druck de« Tornister» auf den Rücken abzulenken. Mit dem Verschwinden de» Tor nister« würde die Erledigung dieser Frage näher rücken. Wie au» dieser gedrängten Uebersicht hervor geht, ist noch keine allgemeine Klarheit in dem Mein ungsaustausch eingetreten. Die bisher befohlenen Aenderungcn beziehen sich mehr auf da« einfache Weglassen bestimmter Dinge al« auf eine allgemeine Reform, wie sie Keim verlangt, um den Plönnierschen Grundgedanken zu erreichen. E» wird längerer Er wägung und praktischer Erprobung bedürfen, um da« Ziel zu erreichen, da» unserer Infanterie die Marsch fähigkeit und damit eine der Hauptbedingungen de« Sieges in der Schlacht wie im Feldzüge sichert. Hagesgeschichte. — Deutschland. In der Sonnabendsitzung de« Reichstage« wurde 8 1 de» deutsch-russischen Handelsvertrag» mit 200 gegen 146 Stimmen angenommen. Die Annahme de- Vertrage» in seiner Gesammtheit dürfte somit al» gesichert gelten. Dafür stimmten die Freisinnigen und die süddeutsche Volkspartei, die Sozialdemokraten, die Polen, die Welfen, die Elsässer, da» Gro» der Nationalliberalen und etwa» weniger al« die Hälfte de» Centrum», ferner von den Konservativen die Abgg. Erbprinz zu Hohenlohe-Oehringen, Prinz zu Hohenlohe-Walden burg, Uhden und Graf Dönhoff-Friedrichstein, die Reich-parteiler Schultz-Lupitz, Frhr. von Stumm, Baumbach, Hoeffel, Krupp, Leuschner, Merback, Meyer- Danzig. — Dagegen stimmten die Antisemiten, die Bauernbündler, da« Gro» der Konservativen (mit jenen 4 Ausnahmen), da» Gro» de» Centrum» (etwa 40 Abgeordnete, während 15—20 fehlen mochten), da« Gro» der Reich-parteiler und endlich die Natio nalliberalen Bantleon, Brunck, Baycrlein, Friedberg, Günther, Hahn, Heil von Herrnsheim, Osann, Mar- quardsen, Münch-Ferber, Schulze-Henne, Schwerdt- feger und Walter. Die nächsten Artikel werden de- battelo» angenommen. Bei Artikel 5 verpflichten sich die Kontrahenten, Ein- und Ausfuhrverbote nur unter schwerwiegenden Gründen erfolgen zu lassen. — Halbamtlich schreibt die „Nordv. Allg. Ztg.": Wenn in einzelnen Prcßorgane» auch neuerdings wie der der Annahme Raum gegeben wurde, die ver- bündeten Regierungen würden für die laufende Session darauf verzichten, die dem Reich-tag gemach ten Steuervorlagen durchberathen zu sehen, so sind wir in der Lage, au» bester Quelle versichern zu können, daß die verbündeten Regierungen unter allen Umständen darauf bestehen, nicht nur über die Steuer vorlagen, sondern auch über da» Finanzreformgesetz vom Reichstage eine bestimmte Antwort zu erhalten. — Mit Bezug auf da« Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. schreiben die „Berl.N.N.": Es ist erwiesen, daß der Heimgegangene Monarch am Abend seines ErdcnlebenS sich dahin ausgesprochen hat, daß, fall» man ihm ein Denkmal setzen würde, dies nur ein einfaches Reiterstandbild am anderen AuSgange der Linden, also am Pariser Platze, sein sollte. Die „Kreuzztg." glaubt, diese Behauptung bestätigen zu können. Se. Majestät soll dem Professor Anton v. Werner seinen dahingehenden Wunsch ausgesprochen, dieser das Nähere schriftlich ausgezeichnet und dafür gesorgt haben, daß diese kaiser liche Meinungsäußerung auch an maßgebender Stelle bekannt wurde. — Auf dem Panzerschiffe „Baden", Kom mandant Kapitän z. S. Fritze, ist, wie der „Voss. Ztg." aus Kiel berichtet wirv, am Dienstag bei der Probefahrt am Absperrventil ein Riß entstanden. Glücklicherweise ist kein weitere« Unglück geschehen. Die Reparatur ist sofort beschafft. — Italien. Die vielköpfige Hydra anar chistischer Bombenanschläge hat nun in Italien ihr Haupt erhoben. Wie eine Drahtnachrickt aus Rom meldet, ist diese Stadt in der größten Aufreg ung über ein dort am Donnerstag Abend vor dem Gebäude der italienischen Kammer am Monte Citorio verübte» Dynamitverbrechen. Unmittelbar nach Schluß der Kammersitzung, so wird aus Rom berichtet, über gab ein Unbekannter an der Ecke des Monte Citorio- vlatzeS und der Via Missione einem alten WackS- lichtverkäufer eine Holzschachtel zur Aufbewahrung. Als dieser Rauch au» der Schachtel hervordringen sah, warf er dieselbe fort, gleich darauf erfolgte ein Kanonendonner ähnlicher Knall, weicher sämmtliche Scheiben des Kammergebäubcs und zahlreiche Fenster der umliegenden Häuser zertrümmerte. In der Kam mer selbst befanden sich nur noch wenige Abgeordnete. Soviel bisher ermittelt wurde, sind durch diesen An schlag im Ganzen 8 Personen verwundet worden, von denen 6 Aufnahme im Hospital fanden. Drei Personen sind schwer verwundet, eine derselben liegt im Sterben; zu den Schwerverletzten gehört auch der Wachslichtverkäufer, der bisher noch nicht vernehm ungsfähig ist. Ein Maurer, Namen« Polidori, der leicht verwundet ist, wurde auf da« Polizeibureau geführt und einem langen Verhör unterzogen. Polidori steht im Verdacht, der Thäter zu sein. Vermuthlich liegt ein Racheakt au» radikalen Arbeiterkreisen vor wegen der Verwerfung der Ausstellungslotterie durch die Kammermehrheit. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Dem „Verein gegen Armennoth und HauSbettelei" wurde am 10. d. durch den ehe maligen Restaurateur Hrn. C. A. Schneidenbach ein Sparkassenbuch mit 14 Mark Einlage überwiesen. ES ist diese Summe ein Ergebniß von Sammlungen, welche seiner Zeit in der genannten Restauration beim Kartenspiel zu Gunsten armer Confirmandcn veran staltet worden waren. — Dresden. Da» erste Dresdner Lehrlings heim, welches vom Verein „BolkSwohl" schon seit langer Zeit geplant ist, soll am Donnerstag, den 15. März in der Altstadt, Feldgasfe 2, I. eröffnet werden. E« hat den Zweck, Lehrlingen, Schülern oder dergl. jungen Leuten, welche in Dresden einen Beruf er lernen oder sich ausbilden wollen, aber nicht bei ihren Lehrherren oder Angehörigen wohnen können, da» Elternhaus zu ersetzen und ihnen Wohnung, vollstän dige Verpflegung sowie ein echte», rechte» Familien leben mit elterlicher Aufsicht und Fürsorge zu bieten. E» ist zunächst mit 20 Betten au-gestattet, kann jedoch bei Bedarf erweitert werden. Gesunde Wohn-, Aufenthalt»- und Schlafräume sind vorhanden, auch für Garten, Tummelplatz, Badezimmer rc. ist gesorgt. Al» Beköstigung wird gute, schmackhafte HauSmannS kost geboten. ES können Lehrlinge, Schüler u. s. w. auch nur in Beköstigung, ev. nur in MittagStisch ge nommen werden oder, wenn gewünscht, auch nur Wohnung und Beaufsichtigung in der freien Zett, ganz nach Bedürfniß, gegen entsprechende Vergütung erhalten. Der Eintritt kann bei vorhandenem freien Raum jederzeit ftattfinden. Die Anmeldung hat an der Geschäftsstelle de» Verein» „BolkSwohl", Wasserstraße 7, I. zu erfolgen. Der Verein entsprickt mit der Er richtung diese» Lehrlingsheims einem schon längst em pfundenen wickkigen Bedürfnisse einer Großstadt und wird sich jedenfalls sehr bald veranlaßt sehen, mehrere dergl. Institute in verschiedenen Stadttheilen zu er richten. — Dresden. Am 5. diese« Monat» und fol gende Tage hat eine abermalige AuSloosung Königlich Sächs. StaatSpapiere stattgefunden, von welcher die 3"/„ StaatSschiilden-Kassenscheine vom Jahre 1855, ingleichen die am 1. Juli 1894 mit 1 >'/,"/« Prämienzuschlag rückzahlbar werdenden 4"„ sächsisch-schlesischen Eisenbahnakticn betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten StaatSpapiere werden hierauf noch besonders mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der „Leipziger Zeitung", dem „Dresdner Journal" und dem „Dresdner Anzeiger" veröffentlicht, auch bei sämmtlichen BezirkSsteucr-Ein- nahmen und Gemeindevorstäuden de» Lande» zu Je dermann« Einsicht auSgelegt werden. — Leipzig. Lauter wird immer mehr der Ruf nach Rückkehr zu der früheren Art der Bestraf ung von Forst- und Feldvergehen durch die OrtS- gerichte, da die Amtsgerichte bei solchen Vergehen jetzt auf Gefängniß erkennen müssen. Auch hier wurde eine bisher unbescholtene arme Frau zu einem Tage Gefängniß verurtheilt, weil sie auf einer Flur des Kammerherrn v. Watzdorf auf noch nicht nachgeharktem Feld für 2 Pfennige Aehren aufgelesen hatte. Der Herr AmtSanwalt selbst bedauerte den Fall lebhaft. — Leipzig. Ein Dienstmädchen beschloß sich wegen Liebe-Händeln zu vergiften und wählte als Mittel Alkohol. Sie kaufe sich V, Liter Cognac, ging in» Rosenthal und trank dort die halbe Flasche au». Dann bekam die Lebensmüde da» sogenannte „graue Elend", denn sie seufzte so laut nach ihrem Max, daß sie ein Schutzmann auffand und im Eilwagen zum Ausschlafen ihre« Rausches nach dem Polizeigewahr sam bringen ließ. — Zwickau. Die Wachmänner der königl. LandcSanstalt hier haben ihren Wachdienst begonnen. Sie sind mit Seitengewehr, sowie Büchse (Gewehr am Riemen) bewaffnet. Bekanntlich sind mit Ein führung der 2jährigen Dienstzeit die militärischen Kommandos bei Strafanstalten rc. aufgehoben worden. — Meißen. Ein auf der Hochzeitsreise befindliche» junge» Ehepaar au» Hamburg, welche» sich einige Tage hier aufzuhallen gedachte, erhielt dort selbs! die erschütternde Nachricht, daß Vater und Mutter der jungen Frau plötzlich verstorben sind. Die Eltern waren bei der Abreise noch völlig gesund, am nächsten Tage aber setzte ein Herzschlag dem Leben de» Vater« ein Ziel, und 4 Stunden später starb die Mutter, wahrscheinlick in Folge de« Schrecken». DaS junge Paar trat sofort die Rückreise an. — Bon den zur deutschen Turnerschaft bisher zugehörig gewesenen Vereinen haben sich bi» jetzt zwanzig Vereine mit zusammen ungefähr 1100 Mitgliederndem sozialdemokratischen Arbeiter- Turnerbund angescklossen. ES sind die Turnvereine in Brandenburg, Luckenwalde, Westerhusen, Bergedorf, WandSbeck, Gera-Püppeln, Saalseld, Stötteritz, Neu coschütz und in noch einigen kleineren Orten. Die übrigen 47 zum sozialdemokratischen Turnerbund ge hörenden Vereine find meist Neubildungen, und außer dem einige Vereine, die schon bestanven, aber der deutschen Turnerschaft nicht angehörten. Ans »ergangener Zett — für «nsere Zeit. 12. März. (Nachdruck verboten). Am 12. März 1883 starb zu Baden-Baden der russische Reichskanzler Fürst Gortschakow, einer der tüchtigsten russischen Staatsmänner neuerer Zeit, aber doch nicht der überlegenm Staatskunst eines Bismarck gewachsen. Aus einer bekannten und angesehenen russischen Familie, die dem Lande viele Dienst« geleistet, widmete er sich frühe dem Staatsdienste, stieg rasch zu hohen Ehren empor und wurde 1866 Reichskanzler. All mählich gerieth er ins panslavistische Fahrwasser und als An hänger und Bertreter dieser Richtung, die Rußland in Europa die führende Rolle verschaffen möchte, war er mit dem Ergeb- niß des Berliner Congreffes (1878) nichts weniger al» zufrieden. Sein kaiserlicher Herr anerkannte die großen Verdienste de» 85 Jahre alt gewordenen Reichskanzlers durch große Ehren bezeugungen. 18. März. Am 13. März 1873 begann in Folge einer neuen Con vention zwischen Deutschland und Frankreich der Abmarsch der deutschen Truppen au« den von ihnen bi» zur Bezahlung der Kriegsschuld occupirten Gebieten. Dem glühenden Patriotis mus eine- Thiers hatte es Frankreich zu danken, daß di« Milliarden wesentlich früher, als im Frieden ausbedungen war, gezahlt werden konnten und so bi« September 1873 da» ganze Land von deutschen Truppen geräumt wurde. Dennoch hin derte diese patriotische That de» alten Thier» die Franzosen nicht, gerade diesen Mann noch in demselben Jahre zu stützen.