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regelmäßig mit einem trockenen „ich bezahle Sic des halb nicht, um von Ihnen Belehrung zu empfangen," antwortete, und zweitens, weil er trotz der Sonder heiten seines Principal« zu der Ueberzeugung gelangt war, daß derselbe doch ein tüchtiger Geschäftsmann sei zum wenigsten ein solcher, der die Kunst, Geld auf eine sehr einfache Art zu verdienen, von Grund aus verstand. Nichts konnte klarer, einfacher und gewinnbringen der sein, als die Transactioncn des Herrn MorrelS. Er importirte und exportirte Alles, was irgend einen Werth besaß, aber während er in erster Hinsicht mit einer großen Zahl Firmen in Deutschland, Holland, Oesterreich und Frankreich in Verbindung stand, hatte er als Exporteur den großen Vorzug, fast ausschließ lich mit einer einzigen Firma verkehren zu müssen, welche alle seine Maaren gern und willig und zu sehr anständigen Preisen kaufte. Diese Firma war das Haus I. Ä. Best in London, welche den Gegen werth der Maaren entweder in Tratten auf sich ent nehmen ließ oder znr Deckung desselben Anweisungen auf das Bankhaus A. Smith u. Co. in derselben Stadt einsandte. Dieses Bankhaus mußte auf einem sehr soliden Fundament stehen, wenigstens hatte die Firma Alexander MorrelS laut Ausweis ihrer Bücher bei demselben ein Guthaben von 575,000 Francs. In diesen von Panl geführten Büchern standen ferner gebucht für Immobilien in London 325,000 Francs und an Werthpapieren und Baarbeständen, welche sich in dem großen Cassenschranke auf dem Bureau befanden, 142,000 Francs, wozu dann noch die augen blicklichen Ausstände bei der Firma I. I. Best in London in Höhe von etwa 30,000 Francs traten. Herr MorrelS war mithin ein sehr reicher Mann, als solcher aber durfte er sich manche Eigenheiten, wie Paul sich gestand, schon erlauben. Des Nachmittags erklärte Herr Morrcls, daß er lisch diesen Abend nach London reisen müsse, jedoch bereits übermorgen zurückgekehrt sein würde. Inzwi schen hätte Paul nichts zu thun, als die ein treffenden Güter ohne Verzug an das Haus I. I. Best weiter zu spediren, alle Briefe dagegen sollte er bis nach seiner Rückkehr unbeantwortet liegen lassen. Herr Morrels hatte sich vielleicht seit einer Stunde entfernt, als es kräftig an die Burcauthür klopfte. Paul rief ebenso kräftig „Herein" und erblickte gleich darauf nicht ohne Herzklopfen vor sich die untersetzte Gestalt des alten Vandervelben. Auch dieser schien erstaunt zu sein, als er seinen früheren Commis hier wicdcrfand. Einen Augenblick betrachtete er denselben sprachlos, dann aber frug er ihn in seiner gewohnten kurzen Weise, ob Herr Mor rcls nicht anwesend sei. Als Paul höflich erwidert hatte, daß sein Prin cipal sich in diesem Momente wahrscheinlich bereits auf der Reise nach London befände, brummte er ärger lich vor sich hin: „Hm, das ist fatal! Ich hatte ihn noch etwas sehr wichtiges fragen wollen. „Wann kommt Herr Morrels zurück?" „Uebermorgen, Herr Bandervcldcn." „Und Sie sind inzwischen sein Stellvertreter, Herr Lindner?" „Sein Stellvertreter bin ich eigentlich nicht, ich habe nur für gewisse geschäftliche Angelegenheiten zu sorgen." „So, so!" sagte Herr Vandervelben, wobei er Paul mit eigenthümlicher Miene betrachtete. Dann zog er Plötzlich eine kurze Pfeife hervor, zündete die selbe an und ließ sich ohne weitere Umstände auf dem nächsten Stuhle nieder, um hierauf, mächtige Wolken vor sich hinblasend, fortzufahren: „So, so, Sie haben also nur für gewisse geschäft liche Angelegenheiten zu sorgen! Aber wo sind denn Ihre College», denen der übrige Theil der geschäft lichen Angelegenheiten obliegt, und wo ist vor allein der Bureauchef?" „Ich bin der einzige Commis des Herrn Morrels und also zu gleicher Zeit auch Bureauchef", entgeg nete Paul, dem es mit einem Male zu Muthe war, als müßte er selbst sich vor dem alten Herr» darüber schämen, daß das ganze Personal seines Principals aus einer einzigen Person bestand." Diese Antwort versetzte Herrn Vandervelben in die größte Verwunderung. „Nur einen Commis beschäftigt Herr Morrels!" rief er kopfschüttelnd aus. „Aber das muß ja dann ein ganz erbärmlich elendes Geschäft sein, was der selbe betreibt! Vielleicht kommt ungefähr ebenso viel bei diesem Geschäfte heraus, wie Ihr Gehalt beträgt? Habe ich nicht recht gerathcn, junger Mann?" AuS den letzten Worten Vandcrvelden'S klang der offenbare Hohn hervor, der sich gegen Paul direkt zu richten schien, gerade als wollte jener zu ihm sagen: „siehe, auf diese Weise bist Du von dem Esel auf den Hund gekommen!" Diesen demüthigendcn Ver dacht aber durfte er nicht auf sich sitzen lassen und daher erwiderte er etwas voreilig: „Sie irren sich ganz und gar, Herr Vandervelben. Wenn die Firma Alexander Morrels auch nur einen Commis beschäftigt, so erzielt dieselbe dennoch einen Gewinn, welcher demjenigen Ihres Geschäfts nicht viel nachstehen wird." „Wenn das Haus A. Morrcls bereits in de» drei Wochen, die es höchstens existirt, einen solchen Nutzen eingestrichen hat, was soll es mit demselben wohl dann erst geben, wenn cs einmal ein halbes oder gar ein ganzes Jahr bestanden haben wird!" lachte Vandervelben spöttisch. „Das Haus A. Morrels", entgegnete Paul mit möglichster Ruhe, „ist allerdings erst seit drei Wochen in die hiesigen Handelsregister eingetragen, daß aber derartige Beziehungen, wie dasselbe sic hat, nicht in einem Zeitraum von drei Wochen «»geknüpft werden, ist ebenso gewiß. Die Firma Alexander Morrels ist mit einem Wort trotz ihres kurzen Bestehens ein be deutendes Haus, welches über ganz bedeutende Mittel verfügt." „So sollte cs also doch wahr sein, daß Herr Mor rels über eine Million Francs besitzt, wie derselbe kürzlich behauptete?" frug Vandervelben lauernd, wo rauf Paul arglos erwiderte: „Wenn Herr Morrels dies selbst zu Anderen ge sagt hat, so nehme ich keinen Anstand, diese Angaben meines Principals einfach zu bestätigen. Die Million ist da, und wohl noch etwas niehr als gerade eine Million." „Und ist all' dieses Geld in Antwerpen deponirt?" „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen hierüber ohne Er- laubniß des Herrn Morrels Auskunft crtheilen darf." „Hm! Aber die Firmen I. I. Best sowie A. Smith u. Co. in London werden Ihnen jedenfalls bekannt sein und was diese beiden für Häuser sind, werden Sie nun doch ohne Zweifel sagen können." Diesmal wurde Paul stutzig. „Woher keimen Sie denn die Namen dieser Fir men, Herr Vandervelben?" frug er. „Von Ihren« Principal selbst, und speciell zu dem Zwecke, um einige nähere Mittheilungen über diese beiden Hänser zu erhalten, kam ich hierher." „Wenn Herr Morrels Ihnen zu irgend einem Zwecke, nm den ich mich nicht weiter zn kümmern habe, die Namen jener Firmen aufgegeben hat, so müssen Sie sich von ihm auch die weitere Auskunft über dieselben crtheilen lassen. Denn mir sind die Firmen nicht weiter bekannt, über etwaige geschäftliche Beziehungen zwischen denselben und unserem Hause müßte ich dagegen nähere Angaben verweigern. Sie selbst haben mir bei meinem Eintritte in Ihr Ge schäft erklärt, daß Sie einen Commis, welcher Andern über geschäftliche Angelegenheiten oder Geheimnisse Mittheilung machte, sofort vor die Thür setzen würden." (Fortsetzung folgt.) Ueber Ringe. Der Gebrauch der Ringe ist ein sehr alter und verläuft sich in den dunklen Jrrgängen der Mythe und Sage, und frühe schon maß man ihnen besondere Bedeutung bei. Eine griechische Sage bezeichnet Zeus als den Erfinder des Ringes; er verfertigte einen solchen aus den Ketten, mit denen Prometheus an einen Felsen des Kaukasus geschmiedet war, und steckte ihn dem Prometheus an den Finger, damit er seiner Befreiung von feiten des Zeus eingedenk bleiben möge. Daß die Ringe bei den alten Acgyptcrn in Ge brauch waren, ist durch die Ringe bewiesen, die inan bei den Mumien gefunden hat, und die thcilweise aus der Zeit des Möris herstammen. Als Pharao den Joseph zu seinem Minister ernannte, überreichte er ihm als Zeichen der ihm anvertrauten Macht einen Ring. Die Römer entlehnten den Gebrauch der Ringe von den Griechen. Die römischen Senatoren trugen nur eiserne Ringe, außer wenn sie mit eine'- diplo matischen Mission an irgend einem Hofe betraut waren, in welchem Falle sic goldene Ringe ansteckten. Die Triumphatoren hatten einen eisernen Ring am Finger, und die Patrizierinnen empfingen bei ihrer Vermählung von ihren Gatten ebenfalls einen solchen, damit sie, wie Plinius sagt, den Geschmack für ein fache Sitten beibchaltcn und begreifen sollten, daß die Bescheidenheit der Fran, welche künftig den from men Titel einer Familicninuttcr führen soll, viel besser steht als großer Aufwand. An Festtagen schenkte man sich Ringe von ver schiedenen Formen. Dieser Mode konnte sich Nie mand entziehen, ausgenommen die Sklaven, denen man sie unter Strafe von Rutenschlägen untersagte. Für die Armen fertigte man eiserne Ringe mit ge wöhnlichen Steinen, wie Achat rc., und selbst mit Glas verziert. Bei einem Schauspiel, das der Kaiser Nero zn Ehren des Gesangspreises, den er sich hatte zuerkennen lassen, gab, ließ er im Cirkus an die Zuschauer mehr als zwei Millionen Ringe vertheilen. Während der Regierung des Kaisers AugustnS zierten die Damen und sogar einzelne Modehcrren ihre Füßchen mit kostbaren Ringen. Im Mittelalter spielten die Ringe eine große Rolle. Sie dienten nicht bloß den Souveränen und vornehmen Herren, die nicht schreiben konnten, als Siegel, sondern man benutzte sie auch als Mittel, um Befehle zu überwachen, denen sie als Anerkennungs zeichen dienten. Bei den Arabern, die in sehr vielen Beziehungen an das Mittelalter erinnern, dient der Ring und die in denselben geschnittenen Charaktere noch jetzt zn dem eben erwähnten Gebrauch. Im Mittelalter dienten noch gewisse Ringe als Talisman. Man goß sie unter seltsamen Cermonien um Mitternacht und warf sie, um sie abzukühlen, in ein Bad, das mit Pflanzen und ganz eigenthümlichen Ingredienzien versetzt war; zuletzt wurden sie, während der Zaubersegen dabei gesprochen wurde, polirt und ciselirt. Was für Ringe erhielt man dann aber auch! Der eine machte, wie der Ring des Gyges, unsicht bar; der andere gab allen Unternehmungen Erfolg; der eine Ring verschaffte dem Träger desselben die Liebe aller Frauen, denen er sich näherte; ein anderer entdeckte verborgene Schätze, schläferte die Drachen ein, ja machte sogar alle Versuchungen, denen die Gläubigen sich von dem Bösen ausgesetzt sahen, ganz unwirksam, wie folgende Legende es beweist. Der heilige Druon, Erzbischof von Cambresis, zählte unter seinen liebsten Schülern einen jungen Mönch, der ihm von dessen Vater auf dem Sterbe bette ««vertraut worden war. Hilarius zeigte sich als ein würdiger Zögling des Apostels von Ar-tois und Flandern. Nichts glich seiner Frömmigkeit, Sanftmuth, Sittenrcinhcit und seiner tiefen Kenntniß der heiligen Schrift. Als nun der heilige Druon eines Tages im Be griff stand, abzureisen, um ein wildes, weit entferntes Volk, zu den: das Licht de« Evangeliums noch nicht gedrungen war, zum Christcnthum zu bekehren, ließ er Hilarius zu sich rufen, ertheiltc ihm seinen bischöf lichen Segen und steckte ihm einen Ring an den Finger. „Mein Sohn", sagte er zu ihm, „verlaß nie auch nur für einen Augenblick dieses Kleinod, das die heiligsten Reliquien berührt hat, und daö, wie ich hoffe, Dich vor jedem Unglück bewahren wird." Hilarius schwur, diesen kostbaren Talisman nie von seinem Finger abzulegcn. Einige Wochen später, als Hilarius in einer auf dem Lande erbauten ein samen Kapelle betete, setzte sich ein junges Mädchen von wunderbarer Schönheit ihm gegenüber und be trachtete ihn lächelnd. Hilarius, dessen Angen auf den Ring des heiligen Druon gerichtet waren, bemerkte das Mädchen gar nicht. Diese fing an, Lieder zu singen, worin sic das Glück der Liebe pries; Hilarius erhob sich mit Ver achtung, und an ihr vorübergehend, ohne sie eines Blickes zu würdigen, kehrte er in Frieden in sein Kloster zurück. Das junge Mädchen warf sich auf ein feuriges Roß, das sich in der Nchhe befand, und galoppirte wie wahnsinnig hinter Hilarius her, den sie in der sumpfigen Gegend von Contingre einholte. Dann lenkte sie ihr Pferd mitten in den Koth und wußte es so cinzurichten, daß die Hände des jungen Mön ches mit Koth besudelt wurden. Dieser näherte sich hierauf einer Quelle, um seine Hände zu reinigen, und während der Zeit, wo er niit dem Waschen seiner Hände beschäftigt war, nahm er den Ring des heiligen Druon einen Augenblick vom Finger. Sogleich fing das junge Mädchen den Gesang wieder an, und der überraschte und bewegte Hilarius hörte sie nicht bloS an und kehrte seinen Kopf nach ihr, um sie zu betrachten, sondern ließ auch seinen Ring auf die Erde fallen, ohne daran zu denken, ihn aufznheben. Glücklicherweise hatte der heilige Druon einem Engel ««empfohlen, über Hilarius zu wachen. Dieser Engel ließ sich schnell aus den Wolken hernieder, hob den Ring auf und steckte ihn dem jungen Mönch an den Finger, der aus einem Träume zu erwachen schien und znm großen Verdruß des scheinbaren jungen Mädchens, die nichts anderes als ein böser Geist war, ruhig seinen Weg nach dem Kloster fortsctzte. Uebrigens konnte man, ohne ein Heiliger zu sein, sich Ringe mit einem Talisman verschaffen; cs ge nügte dazu, irgend einen Edelstein in seinen Ring fassen zu lassen. Man versicherte, der Diamant werde trübe, wenn ihn die Hand eines Verräthers berühre; der Smaragd zerbreche am Finger einer ehebrecherischen Frau; der Rubin beruhige den Zorn, der Topas tröste, der Achat mache heiter, der Jaspis heile die Auszehrungs krankheiten, der Amethyst schütze vor Trunkenheit, der Hyacinth verjage die Schlaflosigkeit, der Saphir mache das Gift der Reptilien wirkungslos, der Chalcedon gebe schwierigen Unternehmungen Gedeihen, der Türkis mache das Fallen gefahrlos, der Karneol erheitre, der Opal erlaube, mit Hilfe gewisser Zauberformeln unsichtbar zu werden, und die Perlen endlich, vom Himmel hcrabgefallene Wassertropfen, die sich ver härtet hatten, flößten Liebe ein. Druck und Brrlag von E. Hannebotzn in Eibenstock,