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der preußischen Gesandtschaft den kaiserlichen Besuch erwidern. — Rußland. Nach Warschauer Berichten bil det die Ergänzung und Bervollständigung der Be festigungen in den westlichen Gouvernements Rußlands nach wie vor einen wesentlichen Programm punkt in der Aufgabe der russischen Heeresverwaltung. Da da- Grenzterritorium gegen Preußen hin weniger Befestigungen als das gegen Oesterreich ausweist, wird jetzt an eine Vervollständignng in ersterer Richt ung geschritten werden. Die Ortschaft Ossowice dürfte sich, wenn alle geplante» Arbeiten auSgefübrt werden, in nicht ferner Zeit zu einem befestigten Lager I. Ranges gestalten. Doch auch in dem Grcnzterrito- rium gegen Oesterreich herrscht fortdauernde Thätig- keit. In Neu-Georgjewsk sind bedeutende Erdarbeitcn im Zuge. Es heißt, daß die Geschütze der Festung um 200 vermehrt werden, welche theilweise in nicht mehr ferner Zeit zur Aufstellung gelangen sollen. Sächsische Nachrichten. — Leipzig. Das Reichsgericht hat am 2. v. M. ein für die Landwirthschaft bedeutungsvolles, schwer wiegendes Erkenntniß gefällt, das Landwirthe, welche krankes Vieh zu verkaufen in die Lage kommen sollten, zur Vorsicht mahnt. Bekanntlich kommt es nicht selten vor, daß krankes oder krankheitsverdächtiges Vieh, um größere Verluste zu vermeiden, für einen geringen Preis an Schlächter verkauft wird, ein Ver fahren, welches in den Augen vieler Landwirthe als durchaus erlaubt erachtet wird. Das Reichsgericht hat nun in dem fraglichen Falle entschieden, daß der Verkauf lebender Thiere unter das Nahr ungsmittelgesetz fällt, sobald dem Verkänfer be wußt war, daß die betreffenden Thiere zur mensch lichen 'Nahrung dienen sollten. Veranlassung zu dem Erkenntniß gab der Verkauf eines auffallende Krank- heitserschcinungen zeigenden Kalbes, dessen Fleisch nachher als für die menschliche Gesundheit schädigend erkannt wurde. — Aus Stötteritz wird gemeldet, daß der die Raturheilkunde dort ausübende Einwohner D. aus der Haft entlassen worden ist, weil ihm nicht nach gewiesen werden konnte, daß er das betr. Kind falch behandelt habe, welches schon vorher sehr lange leidend war. — Zwickau, 8. October. Gestern beim Vor mittagsgottesdienste in der Marienkirche erfolgte durch Herrn Superintendent Meyer die Einweisung des Herrn Diac. Friedrich Oscar Schultze, geboren 6. April 1858 zu Dittmannsdorf, als 4. Diaconus zu St. Marien und Katharinen. Herr Superintendent Meyer legte seiner gehaltenen Einweisungsrede einige Verse aus dem 4. Cap. des Epheser-Briefes zu Grunde, Herr Archidiaconus Dünger verlas den Lebenslang des Eingewiescnen, während Herr Oberbürgermeister Streit denselben Namens des Rathes, als Kirchen patron, die Berufungs-Urkunde mit warmen Segens wünsche» überreichte. Herr Diac. Müller versah den Altardienst. Hierauf erfolgte die Antrittspredigt des Hrn. Diaconus Schultze über Markus Cap. 9, Vers 38—41, welcher die Frage vorangestellt war: „Der rechte Amtseifer eines evangelischen Geistlichen, wel cher ist es? Ist es der Johanneseifer, welcher ver dammt? Dafür behüte mich mein lieber himmlischer Vater! — Ist es der Christuscifer, welcher gewinnt? Dazu verhilf mir mein lieber himmlischer Vater!" Die wohldurchdachte, im wahrhaft evangelischen Sinne gehaltene Predigt machte einen sehr guten Eindruck auf die zahlreichen Zuhörer. Möchte der Wunsch des Predigers, Freund der Gemeinde zu werden, sich voll erfüllen. — Schneeberg, 8. Oktober. Für Herrn Bür gerschuloberlehrer Kempf Hierselbst gestaltete sich der heutige Tag seines 50jährigen AmtSjubilänmS zu einem hohen Freuden- und Ehrentage. Am Mor gen brachte ihm der Seminarchor einen Festgruß durch feierlichen Choralgesang. Vormittags fand in der sinnig geschmückten Aula der Bürgerschule ein wahr haft erhebender Festactus statt, dem Herr Schulrath BezirkSschulinspektor Müller, die städtischen Kollegien, der Schulausschuß, Abordnungen der Lehrerkollegien der hiesigen höheren Schulen, die Geistlichen, Lehrer aus der Umgegend, die Familienangehörigen des Ju bilars rc. beiwohnten. Herr Oberlehrer Ungethüm bezeicbnete in seiner Festansprache das goldene Amts jubiläum als einen herrlichen Festtag für den Jubilar und die Schule, und hob sodann die so verdiente Wirksamkeit desselben in der Schule und in verschie denen öffentlichen Stellungen in beredten Worten her vor. Der LebenSgang des Jubilars, der 1838 nach dem Abgänge von, Seminare in Plauen ein halbes Jahr als Hilfslehrer in Flöha amtirtc und seit dem I. Juli 1839 an hiesiger Bürgerschule thätig ist, weise zwar manche Prüfung für denselben auf, sei aber auch reich an Lichtpunkten. Der Redner zeigte auch in seiner Ansprache, welch' große Veränderungen das Schulwesen Sachsens in den letzten 50 Jahren er fahren und ebenso hob er mit Dank die Fürsorge der städtischen Behörde» Schneebergs und das Wohl wollen einzelner hochherziger Männer für das hiesige Schulwesen hervor. Das Lehrerkollegium der Bür gerschule verehrte dem Jubilar einen werthvollen Chronometer. Herr Stadtrath Commcrzienrath vr. Geitner überreichte hieraus dem Jubilar daS ihm in Anerkennung seiner langjährigen treuen und erfolg reichen Wirksamkeit von Sr. Majestät dem Könige huldvollst verliehene AlbrechtSkreuz, bekundete ihm Namens der städtischen Kollegien, des Schulausschusses und der Eltern und Schüler Dank und Anerkennung und übergab dem Jubilar die ihm von der Stadt vertretung verliehene reiche Ehrengabe. ES schlossen sich hieran die Beglückwünschungen durch Herrn Schulrath Bezirksschulinspektor Müller und Herrn 8up. l-ie. tlieol. Roth, Letzterer Namens der kirch lichen Behörde Schneebergs. Herr Seminardirektor Henne überbrachte die Glückwünsche im Namen des Lehrerkollegiums des hiesigen König!. Seminars und hob hervor, daß er dies gewiß auch thun könne Na mens der Bildungsstätte des Jubilars, des König!. Seminars zu Plauen. Die Schülerinnen verehrten ihrem geliebten Lehrer ein schönes Geschenk und brachten ihm Verehrung und Dank in Gedichten dar. Im Auftrage des Lehrerkollegiums der Bürgerschule zu Neustädte! sprach Herr Schuldirektor Tauchmann dem Herrn Oberlehrer Kempf die besten Wünsche aus. Der Vertreter des König!. Gymnasiums hicrselbst, Herr Konrektor Professor l)r. Bernhardt, überbrachte die Glückwünsche der bezeichneten Anstalt und zollte dem Jubilar Anerkennung für seine Wirksamkeit, die besonders auch der Realschule, für welche er so viele Schüler vorbereitet, zu Gute gekommen sei. Der Jubilar dankte in tiefbewegten Worten für die ihm so reich bewiesene Freude und die ihm bekundete Ebre und Anerkennung. Durch Gesang und Gebet wurde die herrliche, allen Theilnehmern unvergeßliche Feier beschlossen. Am Abend fand zu Ehren des Jubilars in Stahl's Hotel eine gesellige Vereinigung statt, an der die Lehrerschaft hiesiger Stadt, die Behörden und viele Freunde Herrn Oberlehrer Kempf's Theil nah men nnd die in schönster Weise verlief. — Reitzenhain, 8. Octobcr. Den heutigen Tag könnte man wohl mit Recht in unserer Gegend Wintersanfang nennen. Es hat den ganzen Tag ununterbrochen ziemlich stark geschneit, so daß gegen Mittag schon die Fluren mit einer Schneedecke über zogen waren und die Bäume unter der Last des Schnees sich bcngteu. Wenn mau nicht noch Korn puppen auf den Feldern stehen und den gemähten Hafer unter dem Schnee liegen sähe, so würde man glauben, schon in die Weihnachtszeit versetzt zu sein. Die Kartoffeln liegen hier noch durchgängig auf dem Felde. In Satzung liegt noch mehr Schnee wie hier. Hier kann man sage», daß die Getreideernte kaum zur Hälfte cingcbracht ist uud was cingeheimst ist, war nur halb reif. Im Allgemeinen wäre die hiesige Ernte ziemlich gut gewesen. Die Kornpuppen auf den Fluren des Gemeindevorstandes in Kühnhaide bei Marienberg, die vollständig in Schnee cingehüllt waren, zeigten von üppigem Wachsthum. Auch hört man hier noch keine Klagen über schwarze oder fleckige Kartoffeln. Hoffentlich tritt noch trockenes Wetter ein, so daß die Leute noch ihre Früchte einernten können. Denn gerade die Kartoffeln bilden hier die Hauptnahrung, zumal, da das Brod thcuerer gewor den ist. Hier wird viel Brod und Mehl in Böhmen geholt, da es dort um ein Bedenkendes billiger ist. Auch wurde vor kurzer Zeit noch viel Schweinefleisch in Böhmen gekauft, weil jedes Pfund 15 Pf. billiger war. Infolge der bei uns eingeführten Trichinenschau ist die Einführung von Schweinefleisch aus Böhmen jedoch nicht mehr erlaubt. — Die sächsische Staatsregierung dürfte in näch ster Zeit zum ersten Mal Gelegenheit haben, zur Ver wendung der ihr vom Landtage bewilligten Mittel zur Entschädigung unschuldig Verurtheilter. Aus Rochlitz wird nämlich gemeldet, daß ein Handar beiter aus Geringswalde, der vor längerer Zeit wegen fahrlässiger Brandstiftung zu 9 Monaten Gefängniß verurtheilt wurde, nunmehr, nachdem er seine.Strafe verbüßt hat, im Wiederaufnahmeverfahren freigespro chen worden ist, weil sich jetzt seine Unschuld heraus gestellt hat. — Die vogtländischen Fabrikanten, welche mit England Geschäftsverbindung haben, beklagen lebhaft, daß die Prozeßführung drüben mit viel Zeit- und Geldaufwand verknüpft sei. Wesentlich vereinfacht würde die Sache, wenn die vor einer deutsche» Ge richtsbehörde abgelegten Eide auch in England als giltig anerkannt würden. Die Handelskammer in Plauen hat das königl. Ministerium gebeten, eS möchte seinen Einfluß im Reichskanzleramte dahin geltend machen, daß auf diplomatischem Wege diese Frage in obigem Sinne erledigt würde. Das Pinciren oder Entspitzen bet unseren Kernobst-Zwcrgbäumen. Herr C. Bach schreibt über dieses Pinciren in den „Mittheilungen des GartcnbauvcreinS für daS Großherzogthum Baden" Folgende«: Da wir unsere Obstbäume der Früchte wegen kultiviren, so ist cS unser Bestreben, dahin zu wirken, daß die Fruchtbarkeit möglichst bald eintritt. Dieses Ziel suchen wir durch verschiedene Mittel zu erreichen und zwar theils durch die Veredelung auf solche ver wandte Pflanzen (Unterlagen), welche einen schwachen Wuchs nnd die Neigung haben, bald Früchte zu tragen, weil diese Neigung bi« zu einem gewissen Grad auch auf die aufgepfropste edle Obstsorte über geht, theils durch öfteres Unipflanzen und hauptsäch lich durch den Schnitt. Dieser letztere, welcher im Allgemeinen in einem Verkürzen der Zweige besteht, wird zu verschiedenen Zeiten und in der verschiedensten Weise, je nach Jahreszeit, Obstart und Obstsorten angewandt. Eine der wichtigsten und wirkungsvollsten Operationen des BaumschnitteS ist das Entspitzen. Diese« besteht in einem Einkürzen der jungen kraut artigen Triebe und bezweckt ganz allgemein eine mehrfache Verzweigung, die Umwandlung von Holz- in Blatt- und Blüthenknospen oder die bessere Aus bildung der letzteren. Im Allgemeinen kann man sagen, daß bei Form oder Zwergbäumen alle im Umfang eines Form-AsteS oder Zweiges stehenden Seitentriebe entspitzt werden müssen, wobei man in der Ausführung, unterscheiden niuß zwischen gewöhnlichen (schwächeren) Seitentrieben und solchen, welche durch ihr ganzes Aeußere ver- rathen, daß sie Neigung haben, sich zu stärkeren Holz trieben zu entwickeln. Solche Triebe sind stets, sobald sie an ihrer Basis die Dicke eines Federkiels erreicht haben, auf ein bis zwei Blätter, also ganz kurz, zu entspitzen. Die übrigen Seitentriebe werden, sobald sie eine Länge von 10-12 Centimcter erreicht haben, über dem dritten oder vierten wohl ausgebildetem Blatt entspitzt. Und da nun nicht alle Triebe zu gleich die angegebene Länge erreichen (in der Regel entwickeln sich die oben am Ende der Neste stehenden früher und rascher als die unteren), so ergiebt sich von selbst, daß da« Entspitzen nicht, wie eS irrthümlich hänfig geschieht, an allen Trieben ans einmal, sondern daß es nur allmählig von Fall zu Fall vorgenommen werden kann. Bo» großer Wichtigkeit ist dabei, daß der zu entspitzende Trieb an der Pincirstclle noch krautartig weich und nicht verholzt ist. z Mit diesem ersten Entspitzen ist es jedoch meist noch nicht gethan, denn in den allermeisten Fällen treibt das oberste Auge unter der Pincirstelle nach einiger Zeit wieder aus, es entsteht ein sogenannter frühzeitiger Trieb, welcher, sobald er das vierte Blatt gebildet hat, auf das unterste, demnach ans ein Blatt über der ersten Pincirstelle eingekürzt wird. Tritt der Fall ein, daß nach dem ersten Pinciren zwei Augen austreiben, so ist der obere Trieb ganz zu entfernen und der untere auf ein Blatt zu entspitzen. Der Erfolg dieser Behandlungswcise wird sein, daß die stehenbleibenden Augen sich zu Kurztrieben (Ringel spießen und Ringelwüchsen) entwickeln, welche ihren Trieb mit einer Blüthcn-, selten mit einer Blattknospe abschließen. Die Pflegekinder des Commerzienraths. Novelle von Carl Hartmann-Plön. <3. Fortsetzung.) Heinrich Willhöft war der Sohn seiner zweiten Schwester, die an einen Bahnbeamten verheirathet gewesen war, den sie gleich nach Heinrichs Geburt durch den Tod verloren. Nach fünf Jahren legte sie sich selbst zur ewigen Ruhe und ehe sie noch die Augen geschlossen, hatte Herr Gustav Brauer bereits den Entschluß gefaßt, für den verwaisten Knaben sorgen zu wollen und das Versprechen, ihn erziehen zu lassen, als märe er sein eigener Sohn, erleichterte der Mutter den schweren Abschied. Brauer hatte sein Versprechen in vollem Maße gehalten. Wie freute der Commcrzienrath sich auf die end liche Rückkehr seines geliebten Pflegesohnes. Jetzt konnte der lange gehegte Plan, ihn als Compagnon mit an die Spitze des Geschäftes zu stellen, ausge führt und die Firma „Gustav Brauer" in die noch weit schöner klingende „Brauer und Willhöft" um gewandelt werden. Er wollte nun auch so bald wie möglich dazu schreiten, sein Testament zu machen ; selbstverständlich sollten darin seine Schwester und deren Kinder, sowie auch Katharina gut bedacht wer den, aber Heinrich war sein Pflegesohn, sein demnächst- iger Compagnon, das Hauptvermögen durste nicht zersplittert werden — ihn wollte er zu seinem Uni versalerben machen. Mit freudigen Gefühlen fuhr er in einem ele ganten Miethswagen nach dem Bahnhofe, um seinen Neffen von dort abzuholen. Eine eigene Equipage zu halten, verboten schon die Räumlichkeiten seiner jetzigen Wohnung. Er selbst entbehrte sic gar nicht, er ging eigentlich weit lieber zu Fuß, aber eS hätte sich doch sehr hübsch gemacht, wenn er sich dann und wann darin hätte öffentlich sehen lassen können. Nach Heinrichs letztem Briefe war indessen Aussicht vor handen, daß sich alle derartigen Wünsche jetzt erfüllen würden. Fünf Minuten vor der Ankunftszeit deS Bahn- zugeS betrat er bereits den Perron und blickte mit Ungeduld die Schienen entlang, ob er den Zug noch nicht sehen könne. Endlich pfiff die Lokomotive und als die Wagenreihe hielt, da war er nicht allein über rascht, daß sein Neffe au« einem Wagen erster Klasse herauSstieg, sondern noch mehr über dessen elegante, stattliche Erscheinung, denn Heinrich trug die Uniform eine- Husarenoffizier«, in welcher der Onkel ihn bis dahin noch nicht gesehen hatte. Zugleich mit Hein rich hatten noch drei Offiziere den Wagen verlassen,