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3. Hochschulreform — Klassenauftrag Die Aufgaben von Erziehung und Ausbildung im neuen Fachstudium Anregungen aus der Sicht der Studenten Von Isolde Rau, V. Studienjahr, Fachrichtung Stomatologie Mein Anliegen ist, aus den Erfah- rungen des bisherigen Studienablaufs einige Anregungen, ja sogar Forderun gen, die für die Neugestaltung des Studienplanes Stomatologie unbedingt berücksichtigt werden sollten, darzu legen. 1. Zu den Vorlesungen Wir hören die einzelnen Vorlesun gen streng getrennt nach Fachgebieten, wobei in einzelnen Fächern bereits eine gewisse Problemorientierung er kennbar ist. Für eine wirkungsvolle problemorientierte Vorlesung müssen zwei wesentliche Voraussetzungen er füllt sein: a) Der Student muß mit dem not wendigen Faktenwissen in die bevor stehende Vorlesung kommen. b) Eine enge Kombination von Vor lesung und Seminar ist wichtig. Diese Voraussetzungen sind mit dem neuen Studienplan zu schaffen. Einige Bestrebungen von Hochschul lehrern, direkt in der Vorlesung eine gewisse seminaristische Tätigkeit durchzuführen, müssen wir als un effektiv ablehnen, da die Teilnehmer zahl zu grof ist, sich nur wenige Studenten an der Diskussion beteiligen und dadurch keine umfassende Klä rung von Fragen aller Studenten mög lich ist. Zu den allgemeinmedizinischen Fächern, die wir als Stomatologen hören, ist zu sagen, daß wir in einigen Vorlesungen nur einen Verschnitt der allgemeinmedizinischen Vorlesung hören und oft die Qualität der Vor lesung darunter leidet, daß irgendein Vertreter der Klinik die Vorlesung hält, da es „ja nur die Stomatologen" sind und dann noch zu jeder Vor lesung ein anderer Lesender erscheint. Daß es auch anders geht, zeigt die ausgezeichnete Vorlesung in Pädiatrie von Doz. Dr. Lorenz. Dieses zutiefst ideologische Problem sollte vor allem im Hinblick auf die für das bevorstehende neue Studien programm zu erarbeitenden Komplex- Vorlesungen geklärt werden. Wir sind uns darüber im klaren, daß es nicht zum Beispiel Herz- und Kreislauf erkrankungen für den Allgemeinmedi- ziner. und Herz- und Kreislauferkran- kungen für den Stomatologen gibt; Ein Unterschied besteht aber im Setzen der Schwerpunkte und der be sonderen Akzente für die jeweilige Fachrichtung. 2. Zu den Seminaren Zur Zeit werden lediglich in Marxis mus-Leninismus und parallel zu den klinischen Kursen Seminare durchge führt, jedoch gibt es in keinem allge meinmedizinischen Fach Seminare für Stomatologen. Das ist ein wesentlicher Mangel, der zu dieser Praxis führt: Vorlesung gehört - Aufzeichnungen zu den Akten - Hauruckaktionen vor der Prüfung. Der fehlende Zwischenschritt im Lernprozeß, nämlich der Austausch zwischen Hochschullehrer und Student, sollte dazu dienen: a) Für den Studenten eine Forde rung, sich durch die Vorbereitung aufs Seminar den Stoff anzueignen; b) Klärung aller offenen Fragen und Probleme; c) bessere Kontinuität des Selbst studiums. „Akademie-Echo" Seite 3 Dabei sollten die Seminare weniger einer Examination und Zensuren sammelei dienen, sondern im Mittel punkt der aktive Gedankenaustausch über das entsprechende fachliche Pro blem stehen, etwa in der Form einer- fruchtbaren gegenseitigen Konsultation. Deshalb sollte der Teilnehmerkreis der Seminare zehn Mann keinesfalls über schreiten. 3, Zu den Praktika In einer sinnvollen Kombination von Vorlesungen und Seminaren sehen wir eine grundlegende Vorbereitung für den Beginn der praktischen Ausbildung am Patienten. Dadurch kann ein wesentlicher Mangel unserer Aus bildung weitgehend ausgeschaltet werden, der von uns im klinischen Kurs mitunter therapeutische Maß nahmen verlangte, die wir theoretisch noch gar nicht behandelt hatten und daraus selbstverständlich Fehler, Un sicherheit und unrationelle Arbeits weise resultieren. Bis zum Ende des III. Studienjahres muß also erreicht werden, daß die Studenten über das theoretische Grundwissen verfügen, das sie für die Arbeit am Patienten brau chen. Die neben dem Praktikum durch geführten Seminare werden dann nicht mehr wie bisher einem Nach holebedarf gerecht, und sie sollten in Zukunft weniger theoretische Erörte rungen des Vorlesungsstoffes sein, sondern mehr der Besprechung kon kreter Situationen an Hand der von den Sudenten zu behandelnden Pa tienten dienen. Die Tatsache, daß wir als Studenten unsere praktisch-klinische Tätigkeit getrennt nach Fachabtcilungen in prothetischen, konservierenden und chirurgischen Kursen durchführen, wirkt sich in vielerlei Hinsicht un günstig aus. 1. Die Studenten, die viele Füllungen gelegt hatten und die ihr Soll in der Prothetik gut erfüllt haben, galten auch .unter Berücksichtigung ent sprechender Qualität als gute Studer ten. Gut war natürlich auch der Student, der möglichst viele Zähne extrahiert hatte! 2. In den chirurgischen Ambulanzen konnten wir aber andererseits nur ein recht uneffektives Praktikum durch führen, da die Patientenzahl der Chirurgie beschränkt ist. Daraus abgeleitet ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, die prak tische Ausbildung als Komplexprakti kum zu gestalten. Prinzipiell gibt es dazu verschiedene Möglichkeiten, die sinnvollste scheint uns dabei zu sein, daß die Patienten für dieses Komplex praktikum nach dem Schwierigkeits grad der Behandlung ausgewählt wer den, so daß die Studenten, die mit der Tätigkeit am Patienten beginnen, zuerst am Beispiel Zahnsteinent fernungen und einfache konservierende und prothetische Maßnahmen durch führen und dann schrittweise Patienten erhalten, die umfassender zu versor gen sind und der Schwierigkeitsgrad der therapeutischen Maßnahmen steigt. • Eine solche Verfahrensweise hat den Vorteil, daß der Student immer die gesamte Therapieplanung berücksich tigen muß. • Die Behandlung wird ökonomischer, da der Patient nicht von Abteilung zu Abteilung und von Behandler zu Be handler wandert. • Die gesamte Ausbildung entspricht wesentlich besser der bevorstehenden Praxis. • Der Student kommt zu einer konti nuierlichen Höherentwicklung seiner eigenen praktischen Tätigkeit. Dazu müßte die Betreuung in den klinischen Kursen noch stärker von der Kontroll- in die Anleitungstätig keit von Seiten der Kursassistenten umgewandelt werden, um eine bessere« individuelle Hilfe und Unterstützung zu gewährleisten. Auch hier ist die Betreuung in kleineren Gruppen besser, um damit auch den Studenten ein ra tionelleres Arbeiten beizubringen. In der kicfcrorthopädischen Aus bildung sollte man überprüfen, ob es nicht neben der zur Zeit rein theo retisch ablaufenden Ausbildung mög lich ist, daß jeder Student einen oder zwei Kieferorthopädie-Patienten unter suchen kann und am konkreten Fall eine umfassende Therapieplanung durchführt, wie das zum Beispiel gegenwärtig in der Parodontologie geschieht. Vielleicht könnte man hier auch die Anregung der Berliner Zahnklinik auf- greifen, die ein ambulantes Praktikum in territorialen Einrichtungen etwa in Form einer Famulatur durchführt. Da mit wäre gleichzeitig für uns ein Praxiseinsatz gegeben, der in unserer Ausbildung bisher völlig fehlt und in anderen Studienrichtungen auch durch geführt wird. 4. Zum Selbststudium Das Selbststudium könnte verbessert werden, wenn dem Studenten zusam menfassende Scripten, Arbeitsblätter. Schemata mit geeigneten Aufgaben für das Selbststudium und Kontrollfragen in die Hand gegeben werden. Dadurch wäre eine bessere Vorbereitung auf die Seminare und eine größere Effektivität des Selbststudiums gewährleistet. In die Erarbeitung solcher Lernhilfen könnten sicher auch die Studenten mit einbe zogen werden. 5. Zur studiengegleitenden Leistungskontrolle Sie ist vom Prinzip her gut. aber wir haben mitunter ungünstige Auswirkun gen kennengelernt. Durch die sinnvolle Koordinierung von Vorlesung, Selbststudium und Seminar sollte nach dem Abschluß be stimmter Komplexe eine sinnvolle Leistungsüberprüfung erfolgen, die der Student von vornherein einplanen kann und so auch Überraschungseffekte Weg fällen. Auch die Tatsache, daß ein Student, der durchschnittsmäßig glatt steht, von der Prüfung befreit wird, ist nicht gerade ein Anreiz zur Leistungssteige rung. Denn wenn sich der Student über das Semester hinweg anstrengt, um sich zu steigern, so wird er damit be straft, in die Prüfung zu müssen, weil er nun zwischen zwei Zensuren steht, während ein anderer den „Bequemen" gespielt hat, um seine „glatte" Zensur zu halten. Zum Problem der Prüfungsbefreiung sollte man sich generell überlegen, ob sie gerechtfertigt erscheint. Für den Studenten ist es zwar im Moment ein schönes Gefühl, nicht zur Prüfung an treten zu müssen. Aber nicht zuletzt sind diese Prüfungsgespräche gewisse Bewährungssituationen für die Pcrsön- lichkeitsentwicklung jedes Studente, deren Bedeutung man nicht unter schätzen sollte. Für die ausschlag gebende Benotung im Fach kann die Bedeutung des Prüfungsgespräches bei einer gut funktionierenden studienbe- gleitenden Lektion verringert werden. Aber man sollte dieses Abschlufs- gespräch nicht generell weglassen, da sich der Student auch in Vorbereitung dieser Prüfung durch die Wieder holung noch einmal einen Gesamtüber blick über das Fach veschafft. Wir haben einige konkrete Vor stellungen aus unseren derzeitigen Er fahrungen abgeleitet und.glauben, daß deren Berücksichtigung zu einer effek tiven Gestaltung des neuen Studien programms beitragen kann. WEITERE BEITRÄGE ZU DIESEM THEMA AUF SEITE 6 Genossin Margarete Ebner, leitende Röntgenassistentin in der Klinik für Hals- Nasen-Ohren-Krankheiten, beging gleichzeitig ihren 60. Geburtstag und das 25jäh- rige Jubiläum der Parteizugehörigkeit zur Sozialistischen Einheitspartei Deutsch lands. Prof. Dr. sc. med. Günnel und die Gewerkschaftsleitung der HNO-Klinik überreichten ihr aus diesem Anlaß eine Blumenschale. Im Bild: Oberschwester Ruth Halfter und Genossin Ebner. Foto: Unger